Volltext Seite (XML)
Wie „Sunday Spezial" wissen will, wurden nahezu 3000 Mann russischer Truppen von Baium nach der Grenze von Afghanistan gesandt Dies sei indes! nur die Vorhut einer sich auf 26000 Mann und 7000 Pferde belaufenden Truppenmacht, die zur Verstärkung der rus sischen Streitkräfte im östlichen Turkestan bestimmt ist Da infolge der Operationen in China nur vier Kreuzer der freiwilligen Flotte zur Beförderung dieser Truppen verwendbar sind, so wurden fünf britische und andere Dampfer gemiethet. Gleichzeitig wurde das Betriebs material der kaukasisch-kaspischen Eisenbahn letzthin um 1200 Waggons zur Truppen- und Pferdebesörderung vermehrt. Der russische Kreuzer „Woronzow" schiffte vorigen Mittwoch etwa 2000 Soldaten in Batum aus, die sofort nach der Landung nebst anderen Truppentheilen die Bahnreise nach Ostturkestan anlraten. „Sunday Spezial" meint, russischerseits würde die ungewöhnliche Truppenbewegung voraussichtlich erklärt werden durch die Nothwendigkeit, die von Mittelasien nach Nordchina entsandten Truppen zu ersetzen. Im indischen Kciegs- amte sei indeß bekannt, daß die russischen Besatzungen in Mittelasien gegenwärtig ihre normale Stärke übersteigen. Auch sei es eine bekannte Thatsache, daß, als der Vize könig von Indien, Lord Curzon, auf seiner jüngsten Rundreise durch die nordwestlichen Provinzen die asgha- Nische Grenze berührte, der Emir von Afghanistan es unterließ, einen Vertreter zu seiner Begrüßung zu ent senden. — Den ehemaligen Pastor Göhre, der zur Social demokratie übergetrelen ist, Hal man zum Austritt aus der evangelischen Landeskirche genöthigt. Göhre hat seine Pfarrerstelle in Frankfurt a. O. bekanntlich längst nieder gelegt. Nun hat man unter Androhung des Disciplinar- verfahrenS Göhre zum freiwilligen Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes aufgefordert. Göhre hat daraus seinen Austritt aus der evangelischen Landeskirche erklärt. Kassel, 31. Dez. Seit Mittag herrscht hier starker Schneesturm, infolgedessen der Eisenbahnverkehr nach allen Richtungen in Mitteldeutschland erheblich gestört ist. Namentlich leiden darunter die Schnellzüge nach Hannover und Westfalen. Auch in Thüringen ist unge wöhnlich starker Schneefall, desgleichen im Sauerlande. Frankreich. Paris, 31. Dez. Unter den in China verwundeten französischen Soldaten, welche heute in Marseille ein- trasen, befinden sich der Zuavenkapitän Gerrier und der Zuavensergeant Schmincke, welche am 2. Oktober, dem Tage, an welchem sie zum ersten Male chinesischen Boden betraten, bei einer Necognoscirung in der Nähe von Hohangtsiatuin von russischen Soldaten aus einem deta- chirten Fort angeschoffen wurden. In diesem Fort ver- muthete man französischerseits eine chinesische Besatzung. Wohl erkannte schon nach wenigen Sekunden das Gros der französischen Compagnie, daß die Besatzung eine russische war, aber die Nachhut der französischen Ab- theilung erwiderte das Feuer der Raffen, welche ihrer seits an das Anrücken maskirter Chinesen glaubten. Gerrier ließ das Signal „Feuer einstellen" blasen und schwang, von seinen Soldaten auf die Schultern gehoben, wiederholt die Tricolore. Die Russen fuhren gleichwohl fort, zu schießen. Gerrier wurde die Hand zerschmettert, dem Schmincke drang eine Kugel ins Bein, dicht neben ihm fiel der Sergeantmajor Renaudeau. Endlich ath- meten die Franzosen auf, sie sahen eine kleine Abtheilung Ruffen mit gefälltem Bajonett vorrücken. Diese mußten den Jrrthum erkennen und ihn ihren nachfolgenden Kameraden signalisiren. Als die Russen auf 150 Meter herangekommen waren, blieben sie wie angewurzelt stehen, dann hörte man den Ruf: „Franzosen sind es!" Die Russen warfen sich vor Gerrier auf die Knie und küßten die Todten und die Verwundeten. Die russische Re gierung verlieh den bei dieser Affaire blessirten Franzosen ein Medaille. England. London, 31. Dez. Lord Kitchener meldet tele- graphisch aus Pretoria von gestern über die Ueber- rumpelung des Postens von Helvetia folgende Einzel heiten: Der Posten wurde 2'/, Uhr Nachts überrascht, der Feind stürzte sich zuerst auf das 4,7 Centimeterge- schütz des Postens. In der Morgendämmerung sandte der Offizier, welcher den Posten in den Wartkopjes kommandirt, eine Abtheilung aus, welche die Buren durch Geschützseuer aus Helvetia vertrieb und sie nöthigte, vorübergehend das erbeutete englische Geschütz zu ver lassen. Alsdann formirten die Buren aber die englischen Gefangenen um das Geschütz herum und führten es fort. Möglicherweise haben sie keine zu dem Geschütz gehörige Munition erbeutet. Vier englische Offiziere wurden vcr mundet, 11 Mann gelödtet und 22 verwundet. Von Machatodorp aus wurde eine englische Abtheilung aus. gesandt, die aber wegen der schlechten Wege nicht mehr rechtzeitig herankam. London, 31. Dez. Nach einem Telegramm aus Grimsby ging das dortige Rettungsboot zu einem vier mastigen Schiff ab, das bei Tetncy auf den Grund ge laufen ist. Der Schleppdampfer „Gauntlet" sah es, konnte aber wegen des flachen Wassers nicht heran; es soll ein deutsche» Schiff sein. China. Itschang, 28. Dezember. Am 27. bei Tages anbruch verließ der Dampfer „Hsuischang" Jtschang mit der Bestimmung nach Tschunking. Hier beginnen die berüchtigten Katarakte des Jangtsekiang. Die Land schaft hat einen imposanten Charakter. Die Fahrt ist aber wegen der Stromschnellen und Felsen sehr gefähr lich. Der Dampfer, der der Bremer Rhederei Rick- mers gehört, ist eigens für diese Fahrt mit geringem Tiefgang und sehr kräftigen Maschinen gebaut. Capi- tän Freytag galt als der beste Kenner der Strecke. Der Wasserstand war sehr niedrig. Trotzdem ver sicherte der.Lootse, daß die Durchfahrt möglich sei. Sieben Europäer und 21 eingeborene Missionare, die nach der Provinz Szetschuau zurückkehrten, waren an Bord. Der Dampfer passirte die Jtschang-Katarakte und die Tatung-Schnellen mit Leichtigkeit und kam Mittags bei dein prächtigen Niconkotat-Katarakt an, 45 engl. Meilen oberhalb Jtschang. Das Flußbett starrte von wilden Felsen. Bei einer scharfen Wend ung um einen Felsvorsprung erwies sich der Dampfer als zu lang, er stieß auf ein unter der Wasserfläche befindliches Riff und begann zu sinken. Die chinesische Mannschaft bemächtigte sich voller Angst der Rettungs boote, die umschlugen, sodaß die meisten der Insassen ertranken. Es war nicht inehr möglich den Dampfer auf Strand zu setzen. Chinesische Segelboote eilten schnell zur Hilfe herbei und brachten alle Passagiere an Land. Nur der Capitän weigerte sich, das Schiff zu verlassen, und blieb heldenhaft auf seinem Posten. Das Schiff neigte sich, so daß das Hintertheil senkrecht in die Höhe stand. Plötzlich hörten wir einen dumpfen Knall, und eine hohe Wassersäule stieg aus dem Flusse auf. Die Kessel waren explodirt; kurz darauf sank das Schiff mit dem Capitän in die Tiefe. Die ganze Katastrophe hatte nur 20 Minuten gedauert. Wir ver brachten die Nacht in chinesischen Hütten und kehrten am heutigen Tage ans chinesischen Dschunken nach Jtschang zurück. ^ertliches und 7 ichfisches. Hohenstein-Ernsilhat. den 2. Januar. — Der heutigen Nummer liegt bei der Wandkalender aus das Jahr 1901. — Einmohnerbestand der Stadt Hohenstein-Ernst thal am 31. Dezember 1900: 13 398. — Der Winter ist da! Endlich ist er da, der silberschimmernde Gespiele der lustigen Jugend, der nützliche wohlmeinende Freund des fleißigen Land mannes, der capitalkrästige, gute Compagnon des rührigen Kaufmanns — wen wir meinen? Nun, den leichtgeschürzten, weißen Gesellen, der Mutter Holles zerschlissenem Laken in ausgelassenem Uebermuth entschlüpft ist, und der nun nn flockigen Reigen, zu dem ihm sein Lieblingsbruder, der eisige Ost, mit vollen Pausbacken die Tanzmusik bläst, zu uns herabwimmelt. Er kommt diesmal spät, so sehnlich er auch, besonders in den Tagen vor dem schönen Weihnachtsfeste, von gar Vielen erwartet worden war, aber sein gestrenger Herr und Meister Eisbart von Winters Gnaden er laubte ihm nicht, schon da zu sein, bevor er selbst die Erde mit mächtigem Schritt betreten. Nun ist er selber da, der echte, rechte Winter, wie er sein soll, im diamantblitzenden Hermelinschmuck zur Freude Aller, die sich in unserer Zeit noch lange Stunden für den edelsten Genuß, den der Natur, zu erübrigen verstehen. Nun tritt der Schlitten in seine Rechte, von der alten lieben „Käsehütsche" des bescheidenen Bübleins aus dem Seitengäßchen an, bis zu dem stolzprunkenden Phantasigefährt des Sportmannes, das unter Hellem Schellengeläut elegant durch die Straßen fliegt; nun wird der Fuß bewaffnet mit dem stählernem Laufschuh für die glänzende Eisfläche. Lustig prasselt und knistert es da —, eine Ausnahme macht nur der hochmüthige „Berliner", der den Mund so voll Kohlen nimmt, daß er sie schweigsam brütend verdauen muß — und der würzige Duft eines dampfenden „Schälchens" be grüßt die mit blitzenden Augen und rothen Nasenspitzchen vom Eislauf heimkehrenden Kinder, um die sich die sorgliche Hand der Mutter alsbald emsiglich bemüht. Das sind Phantasien, wie sie Einem beim ersten Schnee kommen, der am Sylvester, vom kalten Wind getrieben, zur Erde siel. Ob sich Schnee und Winter halten wird, — wer weis es? — Von den Bestimmungen der am 1. Januar 1901 in Kraft tretenden neuen Postordnung sind die folgenden von allgemeinerem Interesse: Bei Anträgen auf Zurück ziehung von Postsendungen usw. muß, wenn die Auf schrift der Sendung durch Druck oder mit der Schreib maschine hergestellt war, auch das Doppel in dieser Weise gefertigt sein. Die Postanstalten sind indeß er mächtigt, in besonderen Fällen von der Erfüllung dieser Bedingung abzusehen. Wird eine Berichtigung der Auf schrift oder die Zurückziehung einer Sendung irrthümlich bei der Bestimmungsanstalt, statt bei der Aufgabepost anstalt nachgesucht, so ist, wenn sonst keine Zweifel be stehen, daß der Antrag wirklich vom Absender ausgeht, die Aushändigung der Sendung zu beanstanden und eine ordnungsmäßige Verfügung des Absenders durch Unbestellbarkeits-Meldung herbeizuführen. — Auf Send ungen an Firmen, die ihr Geschäft nach einem anderen Orte verlegt haben, finden die Vorschriften über die Nachsendungcn Anwendung. Wenn postlagernd? Send ungen, die nur mit Buchstaben, Ziffern ober Worten bezeichnet sind, an eine bestimmte Person weiterbefördert werden sollen, so gelten die Sendungen als neu ein gelieferte, unterliegen also von Neuem der Portozahlung. — Unbrauchbar gewordene gestempelte Formulare zu Kartenbriefcn, Postkarten und Postanweisungen können auch gegen neue gestempelte Formulare (nicht bloß gegen Marken) umgetauscht werben. — Vor dem Kriegsgericht der 1. Division Nr. 23 in Dresden ereignete sich der gewiß seltene Fall, daß dasselbe in Verfolg eines von einer Strafkammer bereits endgültig erledigten Straffalles ein weiteres Urtheil aussprach, um den ß 42 bezw. 46 des Militärstraf gesetzbuches Genüge zu leisten. Der Kaufmann und Expedient Hans Theodor Reinhold hatte es während seiner Dienstzeit als Einjährig-Freiwilliger bis zum Unterofficier gebracht und war als solcher zur Reserve entlassen worden. Vor einiger Zeit wurde nun Reinhold vom Landgerichte zu Breslau wegen Erpressung zu einer einmonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilt Auf Grund dieser Thatsache fällte jetzt das genannte Militärgericht ein weiteres Urtheil, laut welchem Reinhold seines Dienstgrades als Unterofficier enlkleidet, also degradirt wurde. In der Begründung dieses militärischen Urtheils, gegen welches der Angeklagte Berufung einleqte, wurde gesagt, daß schon des Unheil des Breslauer Landgerichts genüge, die Degradation genügend zu begründen. Ferner habe sich der Angeklagte gegenüber seinem Prinzipal bei Verübung der Erpressung keineswegs ehrenhaft benommen und mit dem Gelbe desselben in höchst leichtfertiger Weise gewirthschaftet, wodurch er unfähig sei, dem Unter- officiercorps weiter anzugehören. — Endlich scheint man die Falschmünzerbande, die seit langer Zeit schon die bekannten falschen Zweimark- stücke in Verkehr gebr cht haben, gefaßt zu haben. Sonnabend gegen Abend wurden zwei unbekannte Männer in Ebersbrunn bei der Verausgabung solcher falscher Zweimarkstücke, die sämmNich preußischen Ge- prägs waren, ertappt, von dem Oberplanitzer Gendarmerie brigadier dingfest gemacht und der Königlichen Staats anwaltschaft Zwickau zugeführt. Bei den beiden Ver- hastelen sind roch eine ganze Anzahl falscher Zweimark stücke vorgefunden worden. Gegen 10 Stück hatten sie bereits lei versänedenen Geschäftsleuten in Ebersbrunn an den Mann gebracht. Wo sich die Werkställe der Gauner befindet und ob elwa noch andere Personen dabei betheiligt sind, ist z. Z. noch unbekannt. Ebenso ist die Persönlichkeit der beiden Verhafteten noch nicht festgestellt. Die Gendarmerie ist aber eifrig an der Arbeit, weiteres zu ermitteln. Lichtenstein, 28. Dez. In der gemeinschaftlichen Sitzung des Stadlraths und der Stadtverordneten am 28. Dez. wurde die Biersteuer nach längerer Debatte angenommen. Da die Abstimmung Stimmengleichheit ergab, entschied die Stimme des Vorsitzenden. Dresden,- 31. Dezember. Bei der Verabschied ung der Stadtverordneten äußerte sich Stadtverordneten vorsteher Dr. Stöckel bezüglich der finanziellen Lage der Stadt Dresden wie folgt: Das letzte Jahr hielt sich fortgesetzt in dem bisherigen Aufschwünge des ge werblichen und industriellen Lebens. Es ist eine Hoch- fluth gewesen, die bis jetzt in die Mitte des Jahres gedauert hat. Von dieser Thatsache ausgehend, dürften vielleicht auch die großen Bewilligungen zu beurtheilen sein. Aber die zweite Hälfte des Jahres hat doch ge zeigt, daß die Hochfluth nicht weiter andauert. Wir haben in den letzten Monaten zu bemerken gehabt, daß ein Stillstand, wenn nicht ein Rückschritt, einge treten ist. Wir wollen hoffen, daß die Stockung, die sich bisher gezeigt hat, ohne weitere Folgen vorüber gehen möge und daß wir insbesondere nicht nöthig haben, in den nächsten Jahren etwa unter dem Drucke wirthschaftlicher Verhältnisse die Steuern zu erhöhen. Man wird mit den Ausgaben in Zukunft viel spar samer sein müssen. Ich kann nur den Wunsch aus sprechen, daß die jetzt sich zeigende Stockung eine vor übergehende sein werde." Dresden, 31. Dezember. Die Kinder armer Leute in Sibyllenort haben auch am diesmaligen Weih nachtsfest die Herzensgüte Ihrer Maj. der Königin von Sachsen erfahren. Am Donnerstage vor Weih nachten wurde im Empfangssalon des Sibyllenorter Schlosses unter einem Christbaum 104 Schulkindern eine große Freude bereitet, indem die Konfirmanden und einige besonders bedürftige Kinder, zusammen 30, vom Kopf bis zum Fuß neu bekleidet wurden, während die übrigen Kinder einzelne Kleidungsstücke erhielten. Mittweida, 30. Dezember Die städtischen Kollegien haben beschlossen, die Mannschaften der Frei willigen und dienstpflichtigen Feuerwehr gegen Unfall zu versichern. Es werden gezahlt im Todesfälle 3000 Mark, im Falle der dauernden Ganz-Invalidität 6000 Mark und als Unfallsentschädigung pro Tag 3 Mark. Naunhof. Ein erfreuliches Nachspiel zu der Liebernickel'schen Diebstahlsangelegenheit Hal sich insofern zugetragen, als Bürgermeister Igel und Gendarm Morgenstern am Sonnabend vor Weihnachten, also zu guter Stunde, ihren Finderlohn von den ausgesetzten 3000 Mk. zugefandt erhielten. Ersterer bekam 400 Mk., Letzterer 100 Mk. Es sind nur 2700 Mk. vertheilt und die restlichen 300 Mark für die spätere Auffindung noch jetzt fehlender Coupons zurückgesteüt worden. Als Be rechtigte auf den Finderlohn sind im Ganzen 10 Personen anerkannt worden, von denen unser Bürgermeister der an dritter Stelle Bedachte war. Rochlitz, 31. Dez. Wie wir erfahren, schreibt das hiesige „Tageblatt", ist die Untersuchung in Sachen