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Der Krieg ist noch lange nicht vorbei; England hat keine Soldaten mehr, und das Proletariat der Welt scheint auch keine Lust mehr zu haben, sich für ein paar Goldstücke auf die ihm sichere Schlachtbank führen zu lassen. Die Buren aber kommen von Tag zu Tag wieder mehr zu Kraft, ihre Scharen wachsen und ihre Kriegführung wird besser. Sie führen den Ver- zweiflungskampf um Sein oder Nichtsein! Die ganze gesittete Welt steht auf Seiten der Buren und blickt mit Zorn und Verachtung auf die Engländer, und aus aller He-zen drängt sich die Frage: Hat denn die Moral, die sittliche Weltordnung auf dem ganzen Erdenrund kernen Anwalt mehr? Wo sind denn die christlichen Großmächte, die Kaiser und Könige von Gottes Gnaden, die ihre Vertreter unlängst im Haag zu einem Friedenskongreß zusammentreten ließen? Wo ist der Zar, der zu diesem Kongreß mit einem Aufruf für den Weltfrieden einlud? Haben diese Mächte denn noch nie daran gedacht, wie schwer sie sich vor ihren Völkern dadurch belasten, daß sie den himmel schreienden Vorgängen in Südafrika nicht bloß ruhig zusehen, sondern sogar die Bitte der Buren um Fr edensvermittelung schroff ablehnen, und mit den Engländern kokettiren! An Südafrika gehen sie vor über wie der Levit an dem Hohlweg nach Jericho, und nehmen es den Völkern noch übel, wenn sie thun, was die Obrigkeiten selbst thun sollten. Wenn man das alles übersieht: den grausamen Raubkrieg Eng lands in Südafrika, das müßige Zuschauen der Mächte und ihrer aller Verhalten in Ostasien, so drängen sich einem die ernstesten Befürchtungen für die Zukunft auf. Es kann nicht ausbleiben, daß in dieser mit Habsucht, Neid, Herrschsucht, Furcht und Mißgunst erfüllten Stickluft sich die Gewitter von selbst ent wickeln. Die Reibungen beginnen ja schon allerorten. Die Diplomat n proklamiren stolz Realpolitik, weisen die Politik des Idealismus zurück, — aber wenn sie nur mit offenen Augen zusehen wollten, so müßten sie erkennen, daß diese Sünden am sittlichen Idealismus der Völker ibr Verderben ist, das sich wie Gewitter Gottes über ihren Häuptern zusammenzieht! Das Blut der Buren schreit zum Hnnmel vor den Ohren der wilden Neger in Afrika gegen das christliche Eng land und Europa; aber die Diplomaten stopfen sich englische Baumwolle in die Ohren! — Einige «rutsche Fl men liefern, wie Berliner Zeitungen I «richt, n, Mnierial für die englische Armee i Südafrika, und vor Kurzem erklärte «ine deutsche Wcl firma. bah sie sich gleichfalls zu Lieferungen für England e-tfchloff n habe, da andere Firmen ein Gleiches lhäien. Wie nun au« maßgebenden Kreisen mitgetheilt wird, hat di« R gierung der letzteren Firma l. Z. zu erkennen gegeben dos; sie n U der Z chellung von KriegS- mate'ial en eine P , lei der Krt gsühi enden nicht einver standen sei. Zn ein andern Verhallen ist die Regie rung nickt berrcht'gt, da durch derartige Lieferungen pr vater Firmen die Neutrslüäi Deutschland« nach den bestehenden Völkerrechtsken Grundsätzen in keiner Weise verletzt wirr. Ein Z ong in dieser Hinsicht könnte auf die F: men nur dwch d-n Erlaß eine« Autsuhrverbole« fü Krieg««aterial nach England dezw. Sürafrika au«- geübt wecven, m«« aber nur zur Fol^c hätte, daß die Bestellungen der KOegfübieoden tn einem anderen Lande gemacht würden, wodurch naturgemäß nur eine Benach- thrikgung der deutschen Industrie erreicht würde. Ern de artige« Verbot wäre also nur dann ea- Platze, wenn sämvrliche Saaten em solche« erlassen, wozu aber keine Aussicht vm Händen >st. Mu em-m Zollknege für den F ll übermäßiger Erhöhung der deutsch«'' G-tr«>dezölle wird in der halb, amtlichen ro'siiche^ Preße ganz offen gedroht. Am Schli ße eine« bemerk«, ewerttzen Artikel« der Petersburger „Handel«- und Jnrunri? Z-i«vg" heißt e«: ,,J« Falle de N Hlernnrenma de« Handeleverrrage« würde auch de? ömchcil enifallen, dec den Aualeudern gewährt wurde, und wenn dies für Rußland euch kau« be merkbar wäre, so vörden veunoch Angehörige anderer Staaten, zu« Beispiel Deutsche, die von glterher in Rußland uv weitesten verschiedene Handel«, und Jndustriejwei«« betreiben, sehr fühlbare Nachtheilc er leiden, WIN« «an sie e-it schwereren Steuern belegen würde, al« sie die U terlbanen der mcistbegünütgten Slaelen rablen In Rußlo-d geb« es soviel Deutsche, daß die Rußen jeden Fremden al« Deutschen betrachten und einrn Deutschen nennen. Dor Ruße habe sich an die Deutschen gewöhnt, die al« unternehwungslustige L ut« nach R-ß «rud übersiedelten, um «uü den reichen Güler«, Ruß.»ne« Rotze« ,u ziehen. Doaar iw Herzen Rußland«, in Moskau, fei die ! culfwe Kolonie sehr g oß " — DeckArü^l v r»eist ferner auf b,e ToStsache, daß Rußland nv ««»wärligen Handel bisher noch immer wehr fremae Leisse a!S feine eigenen benutzt. — Es ist also unter Umständen euch «ine Besteuerung der deutschen G-diffsahrt zu erwarten. — Fine bemerkenswerlhe Definition des Begriffes „ultrnmontan" giebt der in München erscheinende „Bayerische Courier". In einer Preßfehde, die das genannte Blatt zur Zeit mit der „Augsburger Post zeitung' ausficht, bringt der „Courier" folgenden Passus : „Ein ultramontaner ist cin zur Heuchelei und Verdreh ung neigender Reaktionär, ein Pharisäer allerdickster Sorte, der unter dem Vorgeben, der „heiligen Sache" zu dienen, unedlen Leidenschaften dient, Politik und Religion mit einander verquickt und viele Menschen vom Religionsbelenntniß abhält, die, wenn die Ultra montanen nicht ihr Unwesen trieben, der'Religion vielen Nutzen bringen würden." Der „Bayerische Courier" ist ein katholisches Blatt und wird sogar von einem Geistlichen redigirt. Der „Courier" genießt ferner den Vorzug, bei Hofe gelesen zu werden; er gehört zu den wenigen Blättern, die dem Regenten täglich unter breitet werden. — Anläßlich des Empfanqes der Abordnung der belgischen Vereine sprach Präsident Krüger seine Zuver sicht aus einen glücklichen AuSgang des Burenkrieges aus, welcher io lange dauern werde, bis die Buren die Unabhängigkeit erlangt hätten. — Frau Krüger wird sich demnächst in Lourenzv-Marques einschiffen, um sich nach Utrecht zu begeben. — Das „Amsterdamer Handelsblad" hat einen Brief auS Capstadt erhalten, welcher von einem englischen Soldaten erzählt, der dreimal, jedeSmal mit etwa fünf anderen Soldaten, von den Buren gefangen genommen worden ist. Die Buren zogen sie jedesmal bis auf die Unterkleider aus und schickten sie dann mit der weißen Fahne und einem Führer zu ihren Truppen zurück und ließen höflich melden, daß sie die Mannschaften nicht brauchten, daß sie sich aber empfehlen möchten für weitere Zusendung von Kleidern, Munition und Waffen, die sic wohl brauchten. Der Schreiber dieses Briefes sagt, daß dieser Soldat den Buren nun schon dreimal eine vollständige Ausrüstung geliefert hat und nun zum vierten Male, mit der Voraussicht, daß es wieder so gehen werde, auszieht, sodaß die Tommys den Eindruck bekommen, als wäre es ihre Aufgabe, den Buren neue Ausrüstungen zu liefern. Derselbe Soldat erzählte, wie jedesmal, wenn er und seine Geführten beim Buren« commando ankamen, einer der Buren in vorzüglichem Englisch die Kriegsgefangenen anredete und deutlich be» wies, wie das Recht auf Seite der Buren sei und welch ein großes Unrecht England begehe. Un^er Tommy oe- hauptet, wie der Schreiber des Briefes mitlheilt, daß diese Reden auf sie alle einen tiefen Eindruck gemacht Hütten. O e st e r r e i ch - U n g a r n. Wien, 20. Februar. Im Abgeordnetenhause be gann die heutige Sitzung mit ungeheuerem Skandal. Nach Verlesung Einlaufs fragte der Czeche Brzorad den Präsidenten Grafen Vetter, warum mehrere czechisch abgefaßte Interpellationen nicht verlesen wurden. Der Präsident erwiderte, er werde die Anfrage zum Schluß der Sitzung beantworten. Darauf erhoben die Czechen einen ungeheueren Tumult. Der Czeche Klofac begann eine Red«, in czechischer Sprache, er trat hervor aus den Bankreihcn gegen die Präsidenten-Tribüne, zerriß die Geschäftsordnung, warf die Fetzen auf die Minister bank und gegen das Pult des Präsidenten. — Der rumänische Abgeordnete Freiherr von Wassilko, ein Hüne von Gestalt, stürzte sich auf Klofak und versetzte ihn; einen Stoß, daß er zurücktaumelte. Die czechischen Socialisten und Agrarier bedrohten Wassilko, der sie aber zurückdrängte. Die Rumänen, darunter Bischof Kepka, kamen Wassilko zu Hilse/ aber andere Abgeord nete verhinderten ein Handgemenge. Es herrschte große Aufregung. — Wegen anhaltenden Lärms und Tumults wurde nach 1 Uhr die Reichsrathssitzung abgebrochen. Der Präsident erklärte, er könne unter solchen Um ständen Niemand das Wort ertheilen. Serbien. Belgrad, 20. Febr. Nach der Trauerfcier bcricf König Al.xander mehrer« Abgeordnete und den Präsi- bentcn der Skupschtina Nesztorovitsch ins 'Palm« und gab ihnen gegenüber seiner Erbitterung über die Nicht- auölitferung der Leiche Milans Ausdruck. Er sagte: Ich werde nicht« wehr, nicht einmal eine Nadel, in Ausiru-Unqarn kaufen und hoffe, «aß auch da« Serben volk O versehren wird und ich rechne auf Euch, daß Ihr in dieser Hinsicht auf dc« Bolt einwirkel. Nach ciner P use erwiderte Resztororutsch: Da« wird nicht gehen, Majestät, sehr viele«, »«« wir brauchen, wird nicht im Lande produzirt, doch baudell e« fitz nicht da rum, daß wir von Austro Ungiru kaufen, sondern dsß Austrn-Uagarn von UN« kauft; w«< »«chen h»ir, wenn Austro-Ungvrn seine Grenze sperrt? Denn können wir verhungern. Meiner Meinung nach darf «an die Seche nicht aus die Spche treiben. Der König schlug hier mit den geballten Fäusten zusammen und rief i« höchsten Zorn«: Aber ich will e« f», und c« wird so sein süß'", woraus lautlose Sttlle eintrat uno keiner «ehr ein Wort erwiderte. Hohenftein-TLsüthat, den 21. Februar. — In einer Beschwcrdesache fft vor kurzem vov der KreiShauPlmannschaft die Latscheidring getroffen worden, daß bei Klogesoch-n vor den Jnnuvqs-Schied« Gerichte« «in Kosten-Borschuß nicht erhöbe» »erden kann. — Die BetriebScinaohmen der Sächsisch«« Staat« ciscnbohnen waren im Januar d. I«. gerirxer al« im gleicht« Monat de« Vorjahre«. E« wurde» vereinnahmt 2.285,198 Mack im Pcrsouenveckehr, 91 171 Mack weniger alS im Januar 1900, 5,568,672 Mark im Güterverkehr, 181,617 Mork weniger, 1,426,227 Mark auS sonstigen Quellen, 5754 Molk weniger, 9,280,037 Mark im Ganzen, 281,242 Mack weuiger. — Im Hinblick auf den seit dem 11. Februar eiw- getretenen schneeigen Winter — den frostigen haben wir schon im Januar zur Genüge kennen gelernt — sei er innert an den Winter von 1844/45, der noch ganz andere Bilder zeigte al« der gegenwärtige. Damals war eS auch bis zu Weihnachten nichts weniger als winterlich, konnte doch sogar die Jugend barfuß laufen, und ebenfalls erst am 11. Februar stellte sich der eigentliche Winter ein. Aber waS für einer! Mit 15 " k setzte er ein. Die Kälte stieg zeitweilig bis zwanzig und mehr Grad und dauerte bis zum zweiten Osterfeicrtage (vierundzwanzigsten März) fort. An diesem Tage trat dann starkes Thauwetter ein, daß vielfach schon tags darauf der Eisgang und zwar ein sehr ge fährlicher, begann. Von der Äugustnsbrücke in Dresden versank der mittelste Pfeiler mit dem Kruzifix in den Fluthen, ohne daß letzter«- bis heute wieder oufgefunden werden konnte. Um daS Ungewöhnliche der Witterungs verhältnisse jene« JahreS noch zu vervollständigen, trat mitten im Sommer, in der Nacht zum 26. bis 27. August, ein so harter Frost ein, daß der größte Theil der noch auf dun Felde befindlichen Ernte, namentlich die Kartoffeln, vollständig erfroren. — Der geschäft-führende Ausschuß der Deutschen Turnerschaft veröffentlicht den Kassenbericht auf^das ver gangene Jahr. In der Kasse der Deutschen Turner schaft betrugen die Gesammteinnahmen 72,180,39 Mk., incl. eines KassenbestandeS von 40,852,08 Mk, vom Vor jahre. An Steuern gingen inlgesammt ein 26,953,99 Mark von 538,850 Mitgliedern. Die Gesammlausgaben der Turnerjchaftskasse beliefen sich auf 19,997,94 Mk.; sie schließt mit 52,182,45 Mark Kassenbcstand ab. Die Kasse der Stiftung für Errichtung deutscher Tmnstütten hatte im Jahre 1900 eine Einnahme von 18 911,94 Mark incl. 7745 Mk. Kassenbestand vom Vmjahre. Die Ausgaben beliefen sich auf 13,336,85 Mk., so daß ein Kassenbestand von 5,575,09 Mk. ve blieb. Das Gesammtvermögen der Kasse beläuft sich zur Zeit auf 40,544,91 Mk. — Die mächtigen Erhebungen unseres Erzgebirges, der 1244 Meter hohe Keilberg und der 1213 Meter hohe Fichtelberg sind am Sonntag trotz Schnee und EiS von milchigen Touristen bestiegen worden. Gegen 30 Turner von Buchholz haben den Keilberg und einige 30 Personen ans Chemnitz den Fichtelberg entklommen. Die Besteigung der beiden Berge war natürlich überaus schwierig; die Touristen mußten sich den Weg selbst graben und versanken mehrere Male tief im Schnee. Um so höher war nach Ueberwindung der Schwierig keiten der Genuß, den die Berglandschaft in ihrer winter lichen Majestät darbot. — Angesichts der Ableugnungen der klerikalen Presse betr. den Uebertritt des früheren Kaplans an der Dresdner Hofkirche Gustav Vogt, stellt die „Evangelische Kirchenzeitung für Oesterreich" (Bielitz) auf Grund sicherer Erkundigungen fest, daß der Genannte schon seit längerer Zeit bei einer Versicherungs-Gesellschaft in Hannover angestellt ist und daß er vor Kurzem sich verehelicht und bei Pastor Rahn in Hannover den Uebertritt zur evangelischen Kirche feierlich vollzogen hat. — Am Sonntag starb im Institut für Jnscknons- krankheiten in Berlin der 7 Jahre alte Knabe Paul Richter an de» Folgen dcr Wulhkrankheit. Er war im voriges Monat in Lauter von einem tollen Hunde ge bissen worden. — In Hetzdorf bei Augustusburg explodirte in der Wirthschajtsküche der BahnholSrestauraüon der AcelylengaSkessel mit solcher Gewalt, daß die Fischei'schen Eheleute und deren Dienstmädchen schwere Brandwunden erlitten. Frau Fischer und da« Dienstmädchen sp-avgen in ihrer Angst zum Fenster hinaus und zogen sich Ver stauchung der Beine und des Rückgrates zu. — Ein au« China eingcgangencr Feldpostbrief dürste nicht ohne Interesse sein. Als Weihnachtsgeschenk sandte eine Dresdner Cigarcttenfabrik 6000 Stück ihres Fabrirat« an unsere Sachsen in China. Ein mit der Packung betraute« Mädchen euS Löbtau legte im Scherz einem Packet einen HeirathSantrag mit bei. Dieser Tage traf prompt darauf Antwort ein. Ist «S nun Zufall oder Schickung zu nennen? Ein a»t Löbtau gebürtiger Eiscndceher, jetzt al« Soldat de« 6. Ost- asiatischen Jnfanterie-Regimentü 7. Compagnie in China befindlich, erhielt die Schachtel und bietet auf dem Um wege über China dem Mädchen Herz und Hand an — allerdings mit dem Vorbehalte, daß sic selbst keine „alle Schachtel" sei. Da dieü letztere nicht dec Fall ist, dürfte dieser Heirath««ntrag auf diesem Loch wohl ünge- wöhnliche Wege zuw Ziele führen. Leipzig, 20. Februar. Ein düsterer Leichcnzug bewegte sich gestern in der zweiten Nachmitlagstunde vom Pathologischen Institute au« »ach dem neuen Rcudmtzcr Friedhöfe zu. Mit Blumen und Kränzen geschmückt war der schlichte, braune Sarg, der die irdische Hüll« deü ermordeten Kurt Otto is sich barg. Auf dem Friedhöfe hatten sich etwa 2(0 Person?» ein- gefunden. Der Geistliche, Herr Diaco»«- Müller, hatte zum Text seiner tiefergreifenden Rede das Tchriftwort au« Mathäi, Capitel 10, Ve>S 28 gewählt: „Und fürchtet Luch nicht vor denen, die den Leib tödt«v und die Seele nicht mögen lobten. Fürchtet Kuch vielmehr vor de», der Leib und Heele verderbe« mag in die Hölle." „S« ist ei«, Trauerversammlung außergewöhn licher Art — so begann der Geistliche — zu der wir hier vereinigt find, bsn Ntern ist der Sohn, den Ge-