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Heitsgelder-Antrag im Reichstag wiederum zur Annahme gelangt, deren bisherigen Widerstand aufzugeben und dem Anträge beizustimmen. — Die „Alldeutschen Blätter" schreiben: „Bei den dem Reichstage angehörenden Mitgliedern dcS Alldeutschen Verbandes gehen aus den Kreisen deS Verbandes, aber auch von anderen Seiten täglich die dringlichsten Vor stellungen ein, der im Lande herrschenden Mißstimmung über die Ereignisse der jüngsten Wochen auch im Reichs tage öffentlichen Ausdruck zu geben. Dies hat die (zur Zeit 38) alldeutschen ReichStagsabgeordneten der verschiedenen nationalen Parteien veranlaßt, die Frage gemeinsam zu berathen, um sich über ihr Vorgehen zu verständigen. DoS Erqebniß der Berathung ist ein solches, daß unsere Freunde völlig darüber beruhigt sein können, daß die Angelegenheit im Reichstage an der hierfür möglichen Stelle ordnungsgemäß und deutlich zur Sprache gebracht werden wird." — Alle Ringe, alle bisher bestehenden Trusts, auch der große Petroleumring, den Rockefeller geschaffen hat, werden in den Schatten gestellt durch den neubegründeten Stahl- und Eisenring, der von amerikanischen Blättern als „Billion-Dollars-Trust" bezeichnet wird. Geplant ist ein solcher Stahltrust schon lange, bisher scheiterte er aber stets an dem Widerspruch des Pittsburger Eisenkönigs Carnegie, der für diesen Fall eine Gegen bewegung angekündigt hatte, die den Trust hätte lahm legen müssen. Inzwischen ist aber Carnegie 60 Jahre alt geworden und will die schon längst von ihm ge hegte Absicht verwirklichen, seinen Lebensabend und seine zahllosen Millionen menschenfreundlichen Zwecken zu widmen. Er giebt das Geschäft auf und hat damit den Anfang gemacht, daß er seine sämmtlichen Aktien der „Carnegie Steel Company" im Wertste von 200 Millionen Dollars an Morgan verkaufte. Morgan hat sich darauf mit Rockefeller verbunden, ebendemselben Krösus, der das Haupt des großen Petroleumtrustes ist und nun auch die Leitung des Stastltrustes erhallen wird. Die Dewyorker Staatsztg. äußert sich über diese Aussicht schier verzückt; sie ruft aus: Der riesigste der Trusts, sder Billion-Dollars Trust von Kohlen und Eisen, hat nach längerem Kreisen der Finanzwelt das Licht der Welt erblickt. Er ist die größte industrielle Verbmduug der Welt und er gebietet über größere Kapitalmaffen als irgend ein Herrscher der Welt. Der neue Trust kontrollirt eine ganze Armee industrieller Soldaten, vom Bergmann bis zum Ingenieur, ein Heer, das an Zahl die stehende deutsche Armee über trifft. Im Besitze dieser Kolossalmacstt wird der Trust natürlich bald aus eigenem Interesse den Preis von jedem Stahl- oder Eisenprodukl sestsetzen, von dem riesigen Schlachtschiff, dem hohen Wolkenkratzer, der großen Brücke, herunter bis zu einem Packet Radeln, welches die armselige Näherin kauft. Mil Carnegies Ausscheiden aus dem industriellen Wettbewerb ist, ab gesehen von einigen Spezialitäten, die gesammte Eisew und Stahl-Produktion des Landes, von der Förderung des Eisenerzes bis zur gewalzten Schiene oder dem ge nieteten Kessel, unter eiuheitiicher Kontrolle; die früheren Hüttenbesitzer und Unternehmer werden Theilhaber und Betriebsleiter des größten aller modernen Industrie unternehmen, an dessen Spitze e.n Mann, John Rocke feller, stehen wird. Frankfurt a. M, 22. Februar. Der kürzlich verstorbene frühere Buchhändler Franz Jügel setzte die Stadt Frankfurt, wie die „Frkf. Zig." miltheilt, nach Abzweigung einiger Legate zur allen igen Erbin seines auf 1'/, Millionen Mark geschützten Vermögens und ferner seines äußerst werthvoll^n Grundbesitzes ein. Tue nach dem Willen des Verstorbenen zu errichtende Stiftung wird der Alters- und Krankenversorgung dienen. — Lord Kitchener hat sich in ß im n Ben > len geirrt: nicht De Wet, sondern er selbst ist wi-der einmal in Gefahr gewesen, gefangen genommen zu werden. Der Versuch, De W t zu umzingeln, ist wieder völlig ge scheitert, De Wet ist wieder du-chgebrochen, und zwai „soll" er sich noch Norden, nachPneSka gewandt haben. Das heißt, die Engländer wissen's wieder einmal nicht genau, er kann auch statt nach Norden nach Südw sten gegangen sein. Lord Kitchener hat sich nach diesem Mißlingen seines Umzingelunqsvenuches und nachdem er das Commando in de Aar dem G neral Lyttletvn über tragen halte, auf die Bahn gesetzt und ist schleunig nach Transvaal zurückgekehrt. Und hier zwischen Vereeniging und Johannesburg ist er einemwohlvorbereiteten Anschlag der Buren wieder mit knapp-i Noth entgangen. Nur die prompte Ankunft eines Paazerzuges rettete die Engländer Das von diesem Zuge sofort eröffnete F uer vertrieb, unterstützt von Kitcheners L'ibwache, die Buren. — Das ist nun schon das dritte Mal, daß Kitchener der Ge fangennahme nur soeben entgangen ist. Wir stnd ge spannt daraus, wer von beiden noch einmal in die Ge fangenschaft des Gegners gerathen wird: De Wet oder Kitchener? Amerika. San Francisco, 22. Februar. Der Dampfer „City of Riode Janeiro", von Hongkong über Uoko- hama kommend, der gestern Abend hier eintraf und wegen Nebels vor dem Goldenen Thor ankerte, stieß heute früh bei der Einfahrt in den Hafen auf ein Riff und sank binnen einer Viertelstunde. Während die Boote bemannt wurden, herrschte große Verwirrung; viele Personen sprangen über Bord. Drei Boote kamen gut ab. Es ist unmöglich, die Zahl der Ertrunkenen anzugeben. An Bord befanden sich 29 Kajütenpassagiere, 150 Japaner und Chinesen im Zwischendeck und 140 Mannschaften. Vermischte ü. * Die Freigebigkeit amerkanischer Millionäre für Zwecke des Unterrichts und der Bildung erscheint fast unbegrenzt. Es vergeht wohl kaum ein Jahr, in dem man nicht von der Gründung einer neuen Universität, einer Sternwarte oder irgend welcher anderer, speziell naturwissenschaftlichen Zwecken dienender Institute hört, deren Existenz und Fortbestand durch überaus beträcht liche Schenkungen Privater völlig gesichert erscheint. So hat, wie ganz zuverlässig berichtet wird, Mr. John Nockfeller der Universität in Chicago neuerdings die Summe von 6 Millionen Mark überwiesen; im Ganzen hat dieses Institut von ihm bis jetzt die enorme Summe von rund 40 Millionen Mark erhalten. Für andere durch private Munifizenz entstandene Institute sind in den letzten Jahren in runden Summen die folgenden Beträge aufgewendet worden: Mill. Mark Gerard College von St. Gerard 30 Pratt Institute „ St. Pratt 15 John Hopkins Universily „ I. Hopkins 13 Drexel Institute „ A. I. Drexel 13 Stanford University „ L. Stanford jr. 11 Cornell Universily „ E. Cornell 6 Vanderbilt University „ Familie Vanderbilt 5 Columbia University „ S. Lom 4 * Die Weltausstellung, welche in St. Louis in den Vereinigten Slaaten für 1903 geplant wird, gilt als uesichert, nachdem die Stadt wie der Kongreß je 500000 Dollar bewilligt naben. Im Jah.e l9O3 findet die Jahn hundeiifeier des Aufschlusses des Missisippi-B ckeus statt. * Ein dramatischer Auftritt spielte sich vor dem Friedensrichter des Pariser Vorortes Alsortville, Herrn Marquet, ab. Es erschien dort ein dicker, starker, hart- blickender Hausbesitzer Lieutard, ein ehemaliger Gendarm, und verlangte die Austreibung der Familie SoulaS ans dem ihm gehörigen Hanse, weil sie die fällige Mische von 10 F cs. nicht erlegen konnte. Zar Vercheidigung war Frau Soulas erschienen — ihr Mann liegt schwer- krank darnieder — mit einem neugeborenen Kinde im Arm? und drei anderen in Lumpen gchüllten, die sich vor Frost zähneklappernd an ihre Röcke hingen. Sie bat verzweifel! um einen keinen Aufschub, da sie keinen Pfennig besäße und ihren Kindern nicht einmal zu essin geben könne. Die Austreibung bei dem strengen Frost mußte den Tod ihres Mannes und ihrer armen Kinder zur Folge haben. Der Häusln sitzer erwiderte barsch abweisend, worauf ihm der Richler erst sanft in's Ge wissen zu reden versuchte. Da aber der ehemalige Gendann noch grob gegen ihn wurde, schlug Herr Marquet' einen sehr scharfen Ton gegen ihn an und sagte ihm schließlich kurz und bündig: „Sie werden diese arme Frau nicht austreibep, noch heute Abend werden Sie bezahlt weiden." Darauf rief er seinen Schreiber, übergab ihm den Betrag der Miethe und die Kosten, damit der Gerichtsvollzieher sofort befriedigt werde. Das Publikum brachte, als die Sache zur Kenntniß kam, dem braven Friedensrichter stürmische Ovationen dar, wahrend der rohe Lieutard alle Mühe halte, sich durch die drohende Menge hindurchzuwindea. Sein Haus wird fortwährend umlagert, sodaß er sich überhaupt nicht mehr herauswagt und sich mit dem Gedanken trägt, den Ort so schnell wie möglich zu ver- lassn. * Der Tod ist nicht umsonst! Wer etwa noch an die Redensart: „Umsonst ist nur der Tod" bisher ge glaubt hat, kann sich durch ein Vorkommniß, das in Frankreich kürzlich Aussehen erregt hat, eines Besseren belehren lassen. Kostenlos ist das Sterben wirklich nur für den Nächstbetheiligten, während die Angehörigen dadurch mitunter zu ganz unverhältuißmäßigen Aus gaben veranlaßt werden. In ein Sanatorium in Caux wurde auf Anrachen eines Arztes ein Schwerkranker ge bracht, der innerhalb des ersten Tages starb, ohne die Dienste des Hauses oder eine ärztliche Behandlung Übelhaupt in Anspruch genommen zu haben. Das Sanatorium aberstellte den Angehörigen des Verstorbenen eine Rechnung von 800 Mark zu. Man konnte den Hinterbliebenen wohl wirklich nicht verdenken, daß sie tür diesen Anspruch Seitens des Sanatoriums gar kein Berständniß besaßen, und sich mit einer Bitte um Auf klärung an den betnffendcn Arzt wandten. Eine Er klärung konnte nur darin gesehen werden, daß jenes Sanatorium jeden inne-halb seiner Mauern geschehenen Todesfall als eine Schädigung seines Rufes betrachtete, und es hat sich in der That herausgestellt, daß jene Anstalt für jeden Todesfall die feste Entschädigungssumme von 800 Mack in Rechnung zu stellen gewohnt ist. Comtes; K a t h r e i n. Roman von B. v. d. Lancken. 28. Fortsetzung. Das Leben auf Schloß Liek verfloß im allgemeinen ziemlich einförmig in dem Kreis, der dort auf einander angewiesen war; mit der Nachbarschaft kam man nur hin und wieder zusammen, es war noch leer auf den Gütern und der Fürst, der es nicht liebte, seinen Neigungen und seinem persönlichen Wohlbehagen irgend welchen Zwang aufzuerlegen, that nichts zur Hebung der Geselligkeit. Wenn er genügend Zeit fand, zum Pürschen zu fahren, wenn die Menü's gut waren und die Beamten nicht mit Forderungen für seine Kasse an ihn herantraten, so war er zufrieden. Dies würde sich ändern, wenn er vermählt sei, sagte er sich oft, und wirklich aus persönlicher Beqemlichkeit hatte er den Entschluß immer wieder hinausgeschoben. Es ist doch nun einmal so, daß der Frau neben dem Manne eine Stellung eingeräumt werden muß, daß ihr Zugeständnisse zu machen sind, daß sie Rücksichten zu fordern hat. An alles dies dachte Philipp Egloff- stein mit einem gelinden Schauer, aber er sagte sich daneben, daß er die Verpflichtung habe, zu heirarhen, wie sein Vater und Großvater sie gehabt und daß eine arme Frau immmer noch angenehmer sei, als eine, die mit großen Prätensionen komme und nicht einmal nöthig habe, dankbar zu sein. So mochte es denn Kath'rin' Neyschütz sein, sie gefiel ihm auch nebenbei ganz gut. Während der Fürst diesen Gedanken nachhing, ging Kath'rin' an Hans Frobenius Seite durch den Park in den Wald; sie waren schon einigemale zusammen ge gangen und diese Spaziergänge hatten einen regen und rückhaltlosen Gedankenaustausch zwischen ihnen herbei geführt. So ganz auf sich selbst angewiesen, fühlten sie sich freier und ungebundener; sie berührten die ver schiedensten Gebiete und es war so natürlich, daß hier Kath'rin' die Fragende und Frobenius der Belehrende war. Ein paar Mal hatte er ihr auch schon Bücher zu lesen gegeben, und er freute sich über ihr klares, natürliches, ungekünsteltes Nrtheil, bei dem sie aus dem Verstand und dem Herzen zugleich schöpfte. Diese ge meinsamen Spaziergänge wurden von beiden Seiten sehr gewissenhaft inne gehalten und jedes freute sich darauf, als auf eine besonders hübsche Stunde in dem gleichmäßigen Tageskreislauf. Heute zum ersten Mal lag ein etwas befangenes Schweigen zwischen ihnen. Kath'rin' wußte, daß ihre Mutter in den nächsten Tagen eintreffen würde und diese Nachricht hatte sie er regt. Sie wollte es Frobepius selbst millheilen, aber sie fand nicht das rechte Wort, es war, als ob ein heimliches Angstgefühl ihr die Kehle zuschnüre, sie haderte im Stillen mit sich und schwieg trotzdem. In dem Schatten der Bäume lag noch der Thau auf den Gräsern und Blumen, die Lust war sehr frisch, fast ein wenig kühl, die Vvrmitiagssonne warf ihre goldigen Slrohlenbüfchel durch d«s dichte Gewirr der Zweige und heimlich umkoste das lauschige Schweigen der Einsamkeit im grünen, sommerdurchbauchten Wind die beiden Wandernden. Kaih'rin' ging ein paar Schritte voraus und un willkürlich ruhten die Blicke ihres Begleiters auf ihr; sie hatte das Kleid seitlich gehoben. Welch reizenden Fuß, welch schönen Gang sie hatte, etwas so Leichtes, und gewissermaßen Energisches. Im Nacken, unter dem breiten Slrohhul kräuselten sich schwarze Löckchen, auch in der Nähe der Ohren, und Hans Frobenius meinte, nie so kleine Ohren gesehen zu haben; die ganze Er scheinung hatte etwas, was weit mehr ist, als Schönheit, sie war unmuthig. Er sah sie immerfort an und dachte dabei an die Worte des Fürsten in Bezug auf das Reiten: „Na, das wird später kommen." Diese Worte hatten ihn erschreckt, ihn unsagbar peinlich berührt. Könnte das wirklich sein? Der Fürst und dieses Mädchen. „Herr Doktor, wir werden in den nächsten Tagen Gäste bekommen," sagte Kath'rin' im Weiterschreiten, ohne sich umzusehen. „So? wer denn?" fragte er aus seinem unter brochenen Gedankengang heraus, ganz mechanisch. „Meine Eltern." Es war gut, daß sie ihn nicht ansah, der jähe Farbenwechsel auf seinem Antlitz wäre ihr nicht ent gangen. Also sie kam, kam wirklich, er würde sie wiedersehen, jeder andere Gedanke war plötzlich vor dieser Gewißheit verschwunden. „Wann kommen sie?" „Der Tag ist noch nicht bestimmt, morgen, über morgen." „Die Besitzung ihres Herrn Vaters liegt hier in der Nähe?" sagte Frobenius endlich, er mußte doch etwas sagen und bemühte sich, ruhig zu sein, aber das Herz klopfte ihm so stürmisch, daß er einmal ganz fest die Hand darauf drückte. „Nutzt allzu nah; man muß die Bahn doch fast eine Stunde benutzen und dann noch die Strecken, die man zu Wagen zurücklegen muß. Van Herrenstadt bis zur Station und hier von der Station bis nach Liek." „Herr Doktor," sagte sie dann plötzlich, stehen bleibend und ihn mit einem eigenthümlichen Lächeln ansehend, „ist es uicht eine Ironie, ich möchte fast sagen, eine Härte des Schicksals, mir diejenige als Stief mutter zu geben, die mir von allen Menschen am un sympathischsten ist?" „Sie haben Ihr Urtheil von damals nicht geändert ?" „Nein!" Dabei wirft sie den Kopf zurück und geht rascher vorwärts; er ist nicht angenehm berührt, durch