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jedoch mit dem Schrecken davon. Die Scene hatte große Erregung hervorgerufen. London, 5. Februar. Die Fahrt des Kaisers durch London gab, wie erwartet, Anlaß zu einer aus nahmslos begeisterten Ovatlon seitens der Bevölkerung. Als sich der offene Wagen mit dem Kaiser und dem König näherte, nsit einem Zug Cavallerie voran, hörte man eine mächtige Welle von „Harrahs" daherrollen, zugleich wurden die Hüte lebhaft geschwenkt. Die Be grüßung durch die Menge war die denkbar wärmste, und die Rufe ließen keinen Zweifel, daß sie vornehm lich dem Kaiser galten. Jeder schrie „Hurrah" aus vollem Halse, und einzelne „Hoch der Kaiser" tönten dazwischen. Der Kaiser, in Feldmarschalluniform, saß links im Fond und grüßte unaufhörlich militärisch. Er sah wohler aus, als beim Begräbniß, und auf seinen Zügen lag sichtliche Befriedigung über den warmen Empfang. Zuweilen lächelte er freundlich und widmete einzelnen, besonders enthusiastischen Damen auf den Balcons oder auf der Straße einen speziellen Gruß. Der König, der gegen seinen Neffen merk würdig grau und gealtert erschien, saß rechts im Fond neben dem Kaiser, er grüßte ebenfalls die Menge sehr freundlich und gab durch Lächeln und Blicke auf den Kaiser zu erkennen, daß er sich über den diesem ge- gewidmeten Empfang freute. Er trug die Uniform seines preußischen Husaren-Regiments Der Kronprinz und der Herzog von Connaught saßen auf dem Rück sitz und grüßten ebenfalls lebhaft. Danach folgten noch mehrere Equipagen mit dem Botschaftsstab und den Suiten, die von der wohlwollend gestimmten Menge auch mit Hurrahs tractirt wurden. Die Equipagen fuhren nach dem Marlborough House, wo der Kaiser, der König und die Prinzen das Lunch einnahmen. — Der dem Kaiser dargebrachte Abschied übertraf an Wärme noch die Scenen bei der Einfahrt. Eine herzlichere Ovation seitens einer Weltstadt ist wohl selten dagewesen. Die Massen auf der Route auf Trafalgar Square vor und im Charing-Croß-Cahnhof waren un- beschreiblich, dabei von der vorzüglichsten Haltung. In dem großen Bahnhof war der Bahnsteig mit dem könig. lichen Exlrazug abgesperrt und von einer Abtheilung Coldstream-Guards besetzt. Der Abschied des Königs und des Herzogs von Connaught vom Kaiser war herz lich und bewegt, Kaiser und König umarmten sich wieder, holt. Um vier Uhr, nachdem der König und Herzog von Connaught auf den Bahnsteig zurückgegangen waren, dampfte der Zug unter den Klängen der deutschenjVolks- hymne und unendlichen, brausenden Hurrahs langsam aus dem Bahnhof. Der Kaiser dankte, am Fenster stehend, voll Bewegung. Als der Zug bereits wett aus dem Bahnhof war, mußten die Hurrahs und Lebewohls noch immer an sein Ohr brausen. Die Begeisterung für den Scheidenden war einmüthig und besaß die hin reißende Gewalt einer echten Volksausmallung, gleichviel welche Bedeutung man der Thatsache beimessen will. Es bleibt kein Zweifel, daß Kaiser Wilhelm das Herz des englischen Volkes ganz und gar gewonnen hat. — Das Testament der Königin ist nach der „Daily Mail" von ihr selbst geschrieben. Es enthält eine Fülle von Details hinsichtlich ihrer Wünsche, u. A. alle Einzel, heilen ihres Begräbnisses, wobei jeder Geringfügigkeit im Arrangement für die letzte Reise gedacht ist. Selbst der Fall ist vorgesehen, daß die Königin in Ocborne sterben sollte. Es sind dabei auch die Grundlagen an- gegeben, auf denen das Flotten.schauspiel sich vollziehen sollte. Alles, was geschehen ist, ist thatsächlicb mit der Entscheidung der Königin geschehen. Diese Mittheilung an die Presse erfolgt wohl, weil gewiss« Kreise anfangen, zu finden, daß bei aller Verehrung für die Königin doch der Aufwand etwas reichlich war. — Ueber den kurz erwähnten Zwischenfall, der sich in Windsor bei der Ueberführung der Leiche der Königin vom Bahnhofe zum Schloße ereignete, wird noch Folgen des gemeldet: Als der Zug sich in Bewegung setzen wollte und die Musik schon einige Takte de« Chopin'schen Trauermarsches gespielt hatte, zeigte es sich, daß die Pferde, welche das Geschütz der Königin mit dem Sarge der Königin darauf zogen, nicht vorwärts wollten. Ein Pferd bäumte sich und fiel zum Schrecken des Königs und der anderen dicht dabei stehenden fürstlichen Personen zur Erde. Im Nu waren die Stränge gelöst und das Pferd wieder auf seinen Füßen, aber es schien nicht rathsam, diese Pferde noch weiter zu verwenden. Prinz LouiS von Battenberg half über die peinliche Scene hinweg. Nachdem er dem König Eduard einige Worte zugeflüstert halte, sprach er mit dem Offizier, welcher die anwesende Matrosenwache kommandirte, damit diese da« Geschütz zögen. Nun fehlte es an Stricken, es war nur eine Eisenbahnsignalleine zur Hand. Die Matrosen aber drehten eiligst die Stränge der Pferde auseinander und stellten dadurch Stricke her, welche lang genug waren. Nachdem zwanzig Minuten vergangen waren, hatten sich sechzig Matrosen vor das Geschütz gespannt und zogen e« leicht vorwärts. London, 5. Februar. De Wets neuer Marsch auf die Kapkolonie erregt in Kapstadt lebhafte Beun ruhigung. Der Kriegs-Correspondent des Daily Tele graph depeschirt aus Kapstadt: Bei dem Gefecht zwischen De Wet und Knox bei Senekal verloren die kaffrarischen Schützen ungefähr hundert Mann. Mehr berittene Truppen sind von nöthen. Die drei einge fallenen Burencolonnen, von denen die Herzogs die Avantgarde war, marschiren jetzt auf den Oranjefluß. Man glaubt ferner, daß Piet Bothas Truppe von zwei- tausend Mann mit sieben Geschützen von Smithfield die Grenze der Kolonie überschritten hat. Die britische Concentration dauert fort und die außenliegenden Garnisonen werden zurückgezogen, um die Hauptlinien zu sichern. — Die verschiedensten Redaktionen Londoner Blätter theilen mit, daß täglich Hunderte von Briefen aus den Leserkreisen einlaufen, in denen die Redaktionen gebeten werden, Vorschläge zu machen, wie die englische Nation dem Deutschen Kaiser für das, was er gethan hat, ihre Verehrung ausdrücken könne. — Ein englisches Blatt schrieb dieser Tage, die Kaiserin Friedrich sei stets Engländerin geblieben, und ihr Konflikt mit dem Fürsten Bismarck habe nicht zu dessen Vortheil geendet. Darauf erwidern die „Hamb. Nach.": Es mag sein, daß die hohe Dame auch als deutsche Kaiserin und als Mutter des regierenden deutschen Kaisers in ihrem Innern stets Engländerin geblieben ist, auch hat es an Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und dem verewigten Fürsten Bismarck nicht gefehlt — wir erinnern nur an die Battenberg- Affaire — aber die Kaiserin Friedrich war eine viel zu kluge Frau, um dem Fürsten Bismarck in der Er füllung seiner großen nationalen Aufgabe ernste Schwierigkeiten zu bereiten; dazu war sie zu sehr von der Nützlichkeit der Bismarckschen Politik für das Reich, das einst ihr Gemahl als Kaiser beherrschen sollte, und für die Hohenzollernsche Dynastie durch drungen. Fürst Bismarck hat dem Vertreter unseres Blattes gegenüber wiederholt erklärt, daß er keine so friktionslose Zeit während seines ganzen Ministerthums erlebt habe wie die 99 Tage der Herrschaft Kaiser Friedrichs und seiner Gemahlin. — Einem Londoner Blatt wird aus Peking vom 2. Februar gemeldet: Ueber die deutsche Expedition des Generals Trotha nach Nordwesten wird das größte Geheimniß beobachtet. Man hat den Eindruck, als ob die Deutschen beabsichtigten, den Kaiser von China nach Peking zu begleiten. Britische Correspondenten sind nicht zu der Expedition zugelassen, der sich angeb lich auch Graf Waldersee demnächst anschließen wird. Es ist mit Dank zu begrüßen, daß englische Zeitungs- correspondeten von der Expedition ausgeschlossen sind. Bisher haben diese angenehmen Herren nämlich nichts weiter gethan, als Verdächtigungen und Lügen über die deutschen Operationen in die Welt zu setzen. So haben Sie z. B. von „zahlreichen Niederlagen" be richtet, die die deutsche Expedition unter dem Grafen Aork von Wartenburg nach Kalgan unterwegs erlitten haben sollte. Es ist daher sehr erfreulich, daß Graf Waldersee diesen Herren Engländern das Handwerk legt. Daß die Deutschen beabsichtigen, den Sohn des Himmels nach Peking zu führen, ist natürlich nur eng lische Erfindung. Wenn im Uebrigen „strenges Geheim niß" über die Zwecke der Expedition bewahrt wird, so kann das allerdings nur ein englisches Gemüth Wunder nehmen, das an die Prahlereien englischer redseliger Generäle gewöhnt ist. — Ein englischer Offizier, der bei Dewetsdorp ge fangen genommen wurde, schildert in der „Times", wie viel Mühe es ihm und seinen Mitgefangenen ge macht habe, 17 Tage lang mit den Buren Dewets zu marschiren, als sie den Rückzug nach Norden ausführten. Eine Zeit lang ging es Tag und Nacht vorwärts, wo bei an einigen Tagen die längste Ruhepause nur 3 Stunden betrug. Den englischen Gefangenen gelang es am 9. Dezember, als die Colonne ßvon englischer Artillerie beschossen wurde, zu entfliehen. Alle Buren, mit denen der englische Offizier sprach, zeigten sich ent schlossen, bis ans Ende zu kämpfen. Mit den Buren zusammen kämpften auch viele Engländer, welche eng lisch sprachen und englische Lieder sangen. Ein deutscher Offizier befehligte die Burengeschütze, welche vortrefflich schossen. Die Buren arbeiteten sehr schwer, schienen aber zufrieden zu sein. Präsident Steijn genießt bei ihnen großes Ansehen. Die beste Streitkraft, meist Bürger des Freistaates, soll diejenige des Commandanten Fruiter sein. — Von der Hungersnolh in den cbinesiichen Provinzen Schansi wird dem „Bureau Laffan" au« Peking tele- grapiirt: Zwei Drittel der Bevölkerung seien ohne ge nügende Nahrung, Ochsen, Pferde und Hunde seien verzehrt; der Kannibalismus grassirt bereits und die Männer verlausten ihre Frauen rind Kinder zum Eßen. In den Slädlen seien die Männer wie Raubthiere; die Leute sähen wie Skelette aus. Der Hof ist von diesen entsetzlichen Scenen rings umgeben. OertlicheS und Sächfifche». Hohenstein-Ernstthal, den 5. Februar. — 3. öffentliche Stadwerordnetensitzung am 5. Februar. Am Rathstifche die Herren Bürgermeister vr. Polster, Stadträthe Anger, Börner, Clauß, Müller, Schulze und Zeißig. Punkt 1) Kenntnißnahmen, be trifft die in der letzten Sitzung vorgebrachte Angelegen heit der Vervielfältigung der Localbauordnung. Vom Rathe wird empfohlen, von einer Erneuerung dieser Ordnung vorläufig abzusehen, womit sich das Collegium einverstanden erklärt. 2) Bestätigung verschiedener Kassenbeamten. Der Herr Vorsitzende macht davon Mittheilung, daß die vom 1. Januar ab neubegründete Expedientenstelle durch Herrn Richard Elster besetzt worden ist. Durch den Fortgang deS ersten Buchhalter- Herrn Müller tritt in den Kassenstellen eine Veränderung ein, indem der zweite Buchhalter Herr Geißler in die erste Buchhalterstelle aufrückt, der Controleur an der Sparkasse, Herr Stephan, die zweite Buchhalterstelle einnimmt, zum Controleur an der Sparkaffe Herr Schönfuß bestimmt wird und Herr Lippold in die Stelle Schönfuß'- nachrückt. Vom Collegium wird hiergegen kein Einspruch erhoben. 3) DarlehnSaufnahme. Herr Stadtv. Schneider referirt über diesen Punkt und empfiehlt, da im ver gangenen Jahre mehrere große Ausgaben au-laufenden Mitteln bestritten worden sind, eine Anleihe unter den gegenwärtigen Cur-verhältnissen aufzunehmeu nicht räth- lich sei, die Aufnahme eine-Handda lehenS von 50,000 Mark in Beträgen von 1000 Mark zu 4-proc. Ver zinsung. Diese Capitale unterliegen einer '/«jährlichen, dem Stadträthe zustehenden und an da- Quartal ge bundenen Kündigung. Das Collegium giebt hierzu seine Zustimmung. 4) Beschlußfassung über Annahme einer Stiftung. Ein im Staate New-Jersey (Amerika) verstorbener Herr Zinßmann, geboren in Hohenstein, hat in seinem Testament der Stadt Hohenstein-Ernstthal einige Ver mächtnisse zugedacht, und zwar dem Waisenhaus 500 Doll., dem Armenhaus 500 Doll, und der Kirchge meinde 500 Doll.; der Rath wird beauftragt, dieses Bermächtniß anzunehmen. 5) Genehmigung deS mit dem Turnverein Neustadt abgeschlossenen Vertrags wegen Ueberlassunq des Turn platzes zu Feuerwehrübungszwecken. Der Turnplatz des Neustädter Turnvereins event. auch die Turnhalle bei Fußexerzitien wird der II. Comp. Freiw. Feuerwehr zu Uebungszwecken gegen eine jährliche Entschädigung von 25 Mark überlassen. Der hierüber abgeschlossene Ver- trag wird vom Collegium genehmigt. 6) Erhebung einer Entschädigung für Straßenab nutzung von der Firma C. T. Steinert in Chemnitz. Wegen der Geringfügigkeit der Straßenbenutzunqen seitens dieser Firma soll selbige von der Zahlung einer Ent schädigung befreit bleiben. 7) Richtigsprechung rr. der Gasanstaltskossenrechnung von Hohenstein auf die Jahre 1895 bis mit 1897 und b. der Feuerlöschkassenrechnungen von Hohenstein auf das Jahre 1897 und von Hohenstein- Ernstthal auf die Jahre 1898 und 1899. Zu a) geprüft von Herrn Stadtv. Schulze, wird die Richtigsprechung ausgesprochen, zu b) geprüft von Herrn Stadtv. Schellenberger, wird dieselbe ausgesetzt, da Herr Schellenberger bezüglich eines Punktes noch- mals nachprüfen soll. 8) Verkauf von Areal an der König Albertstraße. Referent Herr Stadtv. Stützner. Der Finanzausschuß und der Rath empfehlen den Verkauf der 1. (Eck-) Baustelle an Herrn Nadler zum Preise von Mk. 1.75 pro qm, der 2., 3. und 4. an die Herren Dünnebier, Ferdinand und Hermann Güter zu Mk. 2.75, und der 5. und 6. an Herrn Baumeister Selbmann in Lobsdorf zu Mk. 3.— pro qm, während der Bauausschuß hiervon abweicht und die Baustellen 2, 3 und 4 zum Preise von Mk. 2.50 pro qm zu verkaufen vorschlägt. Herr Vicevorsteher Koch plaidirt gegen den Verkauf und empfiehlt vielmehr noch den Ankauf des Knnze'schen Hinterlandes zum Preise von Mk. 3.— pro qm. Herr Schellenberger ist gerade gegentheiliger Ansicht, da an dieser Straße bereits g.nug freie Plätze vorgesehen seien. Die Herren Schellenberger, Resch, Krauß und Stadtrath Clauß sprechen zu Gunsten des Preises von Mk. 2.50, während die Herren Bürgermeister Or. Polster, Stadträthe Börner und Müller, sowie der Vorsitzende für den höheren Preis von Mk. 2.75 eintreten. Herr Stadtrath Müller begründet seine Meinung damit, daß schon in Rücksicht auf die Grundstücke der Herren Bau meister Richter und Werner an derLogenstcaße ein höherer Preis angebracht wäre, andererseits es auch in der Neustadt Grundstücke gäbe, die, wer billiger kaufen wolle, billiger zu haben seien. Die Abstimmung ergab folgendes Resultat: gegen den Verkauf 1 Stimme, Baustelle 1 zu Mk. 1.75, und Baustellen 5 und 6 zu Mk. 3— je einstimmig angenommen, Baustellen 2, 3 und 4 zu Mk. 2.75 gegen 12 Stimmen abgelehnt und zu Mk. 2.50 gegen 10 Stimmen angenommen. Außer der Tagesordnung kommt noch zur sofortigen Berathung die Wahl dreier Mitglieder zur AbschätzungS- Commission für die Neustadt, da die 3 gewählten Herren Fabrikant W. Layritz, Restaurateur Werner und Weber meister Siegel die Wahl abgelehnt haben. Es werden deshalb in Vorschlag gebracht und gewählt die Herren Musterzeichner Kobes, Privatmann Wilde und Fabrikant Theodor Bohne. Hieraus geheime Sitzung. — Morgen Donnerstag wird von Vorm. 9 Uhr ab in der Hausflur deS hiesigen Rathhauses das Fleisch von 3 bei der Beschau beanstandeten Schweinen in ge kochtem Zustande, L Pfd 40 Pf, öffentlich verkauft. — Mit Genehmigung de- Königlichen Ministeriums des Innern werden dir Brandversicherungs Beiträge am Apriltermine dieses Jahres nur in Höhe von 1 Pf. für die Einheit der Gebändeversicherungs-Abtheilung zur Erhebung gelangen. — Da- Landlagsmandat für den 10. Wahlkreis