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siir Hohenfttiii-Knstiili!, §dkiI«Ditz, AMrs, Lugau, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. s. w. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. Redaction und Expedition: Bahnstratze 3 inahe dem ü. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Jnsertionsgebühren: die fünfgespaltene Corpuszeile oder deren Raum für den Berbreitungsbezirk 10 Pfg., für ausivärts 12 Pfg., Reclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. Annahme der Inserate für die folgende Nummer bis Borm. 10 Nhr. Größere Anzeigen Abends vorher erbeten. Mittwoch, den 6. Februar 1901. Nr. 31. 28. Jahrgang. TageögeschichL c. DeuischeL Ne Ich Berlin, 4. Februar. Reichstag. Bei Eröffnung der Sitzung sind etwa anderthalb Dutzend Abgeordnete anwesend. Auf der Tagesordnung steht der Etat der Reichsjustizverwaltung. — Abg. Dr. Basfermann (nl.) beschwert sich über ganz außerordentliche Verschleppungen der Proccsse in der bayerischen Pfalz und plaidut für Regelung der Frage der internationalen wechselseitigen Anerkennung von Schiffshypothekeu namentlich gegenüber Holland, für endliche Einführung kaufmännischer Schieds gerichte und für endliche Lösung der Frage des Schutzes der Bauhandwerker. — Staatssecretär Nieberding: Be züglich der Peoceßverschleppung in der bayerischen Pfalz sei er nicht unterrichtet und müsse dann natürlich der bayerischen Justizverwaltung das Wort lassen. Bezüg lich des Schiffspfandrechts habe sich die niederländische Regierung zu einer Vereinbarung bereit erklärt, aber schon jetzt seien die niederländischen Gerichte bereit, dies seitige Pfandrechte anznerkennen, wenn dies vios versa auch von diesseitigen Gerichten geschehe. Auch mit Belgien werde die Regierung versuchen, zu einer inter nationalen Einigung zu gelangen. Die Frage der kauf männischen Schiedsgerichte habe das Justizamt noch nicht beschäftigt, diese liege bei dem Staatssecretär des Innern. Bezüglich des Bauhandwerkerschutzes seien die bezüglichen Commissionen noch nicht mit sich einig ge worden. Zur Zeit liege die Sache bei dem preußischen R.ssort, das sich schlüssig zu machen habe, welchem Vorschlag, ob der Majorität oder der Minorität der Commission es sich anschließen wolle. — Abg. Beckh (freis. VolkSP.): Die Proceßverschleppung in der bayer ischen Pfalz sei keineswegs schlimmer als bei den preußischen Gerichten. Dem Verlangen nach kauf männischen Schiedsgerichten sei beizustimmen, aber für kleinere Orte müsse doch Abstand genommen werden, da sich nicht die nöthige Anzahl qualifizirter Personen finden würde. Redner verlangt mit Rücksicht auf die gegenwärtigen unerträglichen Zustände in Preußen reichs gesetzliche Ordnung des Gerichtsvollzieherwesens und Entschädigung für unschuldig Verhaftete. — Staats secretär Nieberding erwidert, daß die Regelung des Gerichtsvollzieherwesens ein Recht der Einzelstaaten sei, auf welche diese schwerlich verzichten würden. In der Frage der Entschädigung unschuldig Verhafteter sei der Bundesrath auf Grund der bisherigen Vorarbeiten zur Zeit nicht in der Lage, den geäußerten Wünschen statt zugeben. — Abg. Stadthagen (Soz.) kritisirt die Haltung des Bundesrathes in dieser Frage, sowie ferner nament lich dessen Widerstand gegen ein einheitliches Reichs arbeitsrecht ; auch an einem einheitlichen Wasserrecht fehle es noch, desgleichen an einem Gesetz speciell zur Regelung des Arbeitsrechts der land- und forstwirth- schasllichen Arbeiter und des Gesindes. Redner tadelt dann die Art der Haftvollstreckung und das Anklage- Monopol der Staatsanwaltschaft und fordert eine Ge- sammtrevision der Strafproceßordnung an Haupt und Gliedern, vor Allem aber eine Controle der partikularen Vollstreckungsgesetze. Einen grauenvollen Einblick in die Vvruntersuchungsverfahren habe der Proceß Stern berg eröffnet. Das seien mittelalterliche Torturen. Wenn ein einfacher Schutzmann wie Stierstädler mit selbstständigen Vernehmungen betraut werde, die dann die Grundlage der Verhandlungen bilden, dann sei ja jeder Angeklagte schutzlos, dann sei dies die Statuirung einer unerhörten Allmacht oer Polizei. Wie müsse ein solches System erst bei politischen Processen wirken, da müßten ja Unschuldige zu Schuldigen gemacht werden! Auch der grauenvollen Ueberlastung der Richter müsse ein Ende gemacht werden. — Staatssecretär Nieberding: Der Vorredner hat einzelnen Beamten im Sternberg- Proceß den Vorwurf gesetzwidriger Handlungen gemacht und das Reichsjustizomt iwecpellirt. ES ist nicht Auf gabe des Reichsjustizamkes, über schwebende Procesfe Urtheile zu fällen. Der Proceß befinde sich noch in der Revisionsinstanz, und man kann nur abwarten, wie das Reichsgericht enischeiden wird. Die Ueberlast ung der Richter wird wohl allgemein anerkannt, es sei aber Sache der Landesvertretungen, eine Vermehrung der Richter zu beschließen. — Abg. v. Czarlinsky (Pole) beschwert sich über willkürliche Handhabung des Per sonenstandgesetzes durch verweigerte Eintragungen von Vornamen bezw. von weiblichen Familiennamen mit polnischen Endungen. — Staatssecretär Niebelding ant wortet, in Preußen sei cs Grundsatz, daß die Standes beamten sich nach der in der betreffenden Familie bisher geltend gewesenen Uebung zu lichten haben. — Abg. Müller-Meiningen (freis. VolkSP.) plaidirt für ausge dehntere Anwendung der bedingten Begnadigung und bemängelt, daß die 1897er Bundesrathsbefchlüsfe über den Strafvollzug nur auf dem Papier ständen. Die heutigen Zustände in den Gefängnissen seien unhaltbar. Ein Strafvollzugsgesetz für das ganze Reich sei unbe dingt nothwendiq, ebenso eine völlig neue Bearbeitung der Strafproceßordnung. Wie denke das Justizamt über den preußischen Erlaß, wonach die Criminalpoliz.'i- beamten in allen wichtigeren Fällen sich an ihre Vor gesetzten, in den wichtigsten sogar an den Minister des Innern zu wenden haben. Was gehe denn die Straf verfolgung den Minister des Innern an? — Staats- secre'är Nieberding erwidert ans die verschiedenen Fragen des Vorredners, die Ausarbeitung eines Privawersicher- ungsgesetzes sei im Gange, könne aber erst beendigt werden, wenn das vorliegende Gesetz betr. die rechtlichen Verhäl'.nisse in dem Privatversicherungswesen verab schiedet sein werde. Bezüglich der bedingten Verurtheil- ung hoffe er, daß cs in absehbarer Zeit zu einer Vor lage an den Reichstag kommen werde. In Bezug auf den Strafvollzug sei er von dem guten Wellen der Einzelregierung überzeugt. Wo Fehler begangen würden, da wurde es, wie er glaube, genügen, daß man sich an die Einzelregierungen selbst wende. — Abg. Spahn (Centr.) erwide t dem Staatssecretär, hinsichtlich des Richlermangels fei zu bedauern, daß ohne die Regier ungen lind gegen deren Willen die Landesvertretungen die Richterzahl nicht vermehren könnten. Abg. Böcke! (Antis.) verlheidigt die preußische Reform des Gerichtsvollzieher wesens und fordert Herabminderung der Gcrichtskosten; es sei das um so berechtigter, als man wegen jeder Lumperei angeklagt werde, während andererseits die Ur heber so scheußlicher Mordthaten wie in Konitz nicht entdeckt würden. Er wisse genau, woran das in Konitz liege; es sei nicht sofort, als die Leiche entdeckt wurde, zugegriffen und aufs Strengste untersucht worden. — Der Kaiser hat sich kürzlich gegen das Tragen von Civilkleidung durch die Officiere scharf ausge sprochen. Dies hat Veranlassung gegeben, verschiedent lich die geschlossenen Officierkorps auf das Verbot des Civilkleidertragens hinzuweisen. Da mit dieser Un tugend dem Luxus und dem Spiel in der Armee ge- fröhnt wird, wurde gleichzeitig auf eine Kabinetsordre Kaiser Wilhelms I. vom Mai 1874 aufmerksam ge macht, welche in ermahnenden Worten vor dem Luxus und dem Spiel warnt und betont, daß, diese Aus schweifungen und Verirrungen eines preußischen Officiers nicht würdig seien — Beiläufig beinerkt wird in Militärkreisen viel davon gesprochen, daß der Zeit punkt nicht mehr allzu fern sei, von welchem ab den Unterosficieren und Mannschaften das Tragen von Extrabekleidungsstücken außer Mütze verboten sein soll. Auch hiebei soll des Kaisers Wille maßgebend sein. — In den Borsigschen Werkstätten ist ein Ausstand ausgebrochen. Der Anlaß ist so ungewöhnlich, daß die öffentliche Meinung geMhigt ist, sich mit diesem Vor- gonge eingehend zu beschäftigen. Es liegen keine Mei- nnngsvcrfchiedenheilen üb-'r die Lohnverdältnisse, über die Arbeitsbedingungen vor, sondern Verfügungen, die ein ganz anderes Gebiet angchen. Der Betriebs-Direktor hat folgende Verfügung erlassen: „Vom 1. Februar treten folgende Bestimmungen in Klüft: I. Das Mit bringen von Bier und anderen geistigen Getränken in die Fabrik, sowie das Trinken von Bier end anderen geistigen Getränken während der Arbeitszeit ist verboten. 2. Während der Arbeitstage wird am Vormittag von 8'/., bis 9 Uhr und am Nachmittag von 3'/, bis 4 Uhr warmer Kaffee zu den bisherigen Preisen verkauft. 3. An Sen Sonnabend Nachmittagen findet ein Verkauf von Kaffee nicht statt. 4. Die Kantine ist nur während der Mittagspause von 12 bis 1 Uhr geöffnet. Während der übrigen Zeit, auch Abends nach 6 Uhr, bleibt die Kantine geschlossen." — Daraufhin hoben die Arbeiter zunächst den Direktor ersucht, die Verfügung zurückzu- nchmen, und dann, als diese Vorstellung erfolglos blieb, die Arbeit niedergelegt. — Seit der großen Eisenbahn-Verstaatlichung in Preußen, also seit zwei Jahrzehnten ist kein so be deutendes wirthschaftliches Unternehmen geplant worden, wie das der Kanal-Vorlage zn Grunde liegende. Schön seit den achtziger Jahren ist eme starke Bewegung zu, Gunsten des Ausbaues von Wasserstraßen vorhanden; Deutschland, so hieß es, ist im Ausbau von Kanälen gegenüber andern Staaten, besonders gegenüber seinen wirthschaftlich hochentwickelten westlichen Nachba, ländern, stark zurückgeblieben. Im Jahre 1886 wurde durch Gesetz eine Grundlage gelegt und das Werk mit dem ersten Stück: dem Dortmund-Emshäfen-Kanal begonnen. Die Staatsregierung hatte in ihrem Entwurf nur den Dortmund-Einskanal vorgesehen; der Landtag aber er weiterte das Gesetz dahin, daß die Regierung ermächtigt wurde, zur Ausführung eines Schifffahrts-Kanals zwischen Rhein und Ems in Verbindung mit.der untern Weser und Elbe, und zwar zunächst für die Kanalstrecke von Dortmund nach der unteren Ems, 58,4 Millionen Mark zu verwenden. Als die Regierung im Jahre 1894 den Weiterbau des Ems-Dortmund-Kanals nach dem Rhein verlangte, lehnte der Landtag die Vorlage ab. Die Landwirthschaft glaubte sich durch die Industrie, der Osten durch den Westen benachtheiligt. Dann kam vor drei Jahren eine Zeit mit vielen Eisenbahn-Kata strophen, während sich zugleich unter einem großartigen wirthschaftlichen Aufschwünge Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Güter-Verkehrs durch die Eisenbahnen, zumal im industriellen Westen herausstellten. Das gab den Kanalplänen neuen Anstoß. Die Vorlage über den Mittelland-Kanal erschien — und wurde nach schweren Kümpfen im Sommer 1899 verworfen. Jetzt hat die Sache ein anderes Gesicht bekommen. In dem neuen Entwurf sind auch für den Osten der Monarchie wichtige Kanal- und W.irthschafts-Pläne hineingearbeitet, so daß ein gerechter Ausgleich von vornherein gegeben ist. Im ganzen werden 389 Millionen Mark gefordert. Von diesem entfallen 260,8 Millionen auf den soge nannten Mittelland-Kanal. Weiter werden 41,5 Mill, zur Herstellung eines Großschifffahrts-Weges Berlin- Stettin, 22,6 Millionen für die Wasserstraße zwischen Oder nnd Weichsel, sowie die Schifffahrtsstraße der Warthe von der Mündung der Netze bis Posen und 4,1 Millionen Mark für den Schifffahrtsweg zwischen Schlesien und dem Oder-Spree-Kanal verlangt. Der Rest von 60 Millionen entfällt auf die schon im Etat für 1901 erwähnten Betheiligungen des Staates an >er Verbesserung der Vorfluth- und Schifffahrts-Ver- ;ältnisse in der untern Oder und Havel, sowie an dem Ausbau der Spree. Die Begründung, welche die Re gierung ihrer neuesten Vorlage beigegeben hat, ist kurz