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28. Jahrgang Freitag, den 1. Februar 1901. Nr. 27 siir Hotzniilrin-krnsllWl, LdniMWitz, EcrsStts- Lugau, Wüstenbrand, Urspmng, Mittelbach, Hermsdorf, Bemsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. Jnsertionsgebühren: diefiuisgesp^ue ^^Z^rts P^ ' Raum für den Verbreitungsbezirk 10 PW-- -gäbe Rabatt. Reclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger Vorm. Annahme der Inserate für die her erbeten. 1« Uhr. Größere Redaclion und Expedirion: Bahnstraße 3 (nahe dem 5t. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. T a g e S g s s ch i ch L e. Deutsches Reick Berlin, 30. Januar. Reichstag. Auf der Tagesordnung stehen die Anträge auf Herbeiführung einer Wohnungsresorm. Die Debatte war bereits am vorigen Mittwoch geschlossen, es erhalten heute noch die Antragssteller das übliche Schlußwort. — Abq. Moller (natl.): Wir wünschen eine dauernde Reichs-Wohnungs kommission. Es ist ganz gut, wenn wir dem Reichsamt des Innern eine gewisse Direktive geben. Man könnte vielleicht einen Beirath einsetzen für Wohnungsfragen nach dem Muster des Colonialbcirathcs; vielleicht könnte man die Commission auch an die arbciterstatistische Reichskommission angliedern und dieser damit neue Arbeiten zuwcisen. Wenn hier Private Vereinigungen, Kommunen, Einzelstaaten und Reich zusammentreten, so können wir Praktisch doch einen großen Schritt vorwärts kommen, und lediglich einen solchen praktischen Schritt verfolgt unser Antrag, den ich Sie daher anzunehmen bitte. — Abg. Dreesbach (Soc.): Die vom Staats sekretär abgegebene Erklärung bedeutet nichts weiter als: Wasch mir den Buckel, aber mach' ihn nicht naß. Die Mißstände werden anerkannt, aber von Reichswegen soll nicht eingeschritlen werden. Die Verwaltung der einzelnen Staaten helfe umso weniger, als die Volksvertretungen in den Einzelstaaten lediglich Vertretungen bestimmter Klasseninteressen stien. Auch von den Kommunen, den Gemeindevertretungen sei nichts zu hoffen, denn diese seien erst recht kapitalistische Interessenvertretungen. Praktisch sei nur der socialdemokratifchs Antrag. Auf dem Lande sei es ebenso schlimm wie in den Industrie städten; die Landarbeiter wohnten mißerabel. Wenn Genossenschaften zu Wohnungsbauten kommunale Gelder zur Verfügung gestellt würden, so müßte in das Grund buch die Einschränkungsbedingung eingetragen werden, baß solche Häuser nur vermiethet, aber nicht verkauft werden dürften ; denn als Hausbesitzer seien die Arbeiter erfahrungsgemäß ebenso schlimme Hausagrarier wie jeder Andere. — Bei der Abstimmung wird der national liberale Antrag Hieber und Genossen, für den Centrum, Nationallrberale und Socialdemokraten stimmen, nachdem zuvor derAntragder Socialdrmokratenabgelchntworden ist, angenommen. — Auf der Tagesordnung steht ferner der Antrag Barchmann (freis Vp), der in Form einer Novelle zur Gewerbeordnung die Theatercensur abschaffen will. Es dürfe künftig weder für die einzelnen Theater vorstellungen, noch für einzelne Singspiele, GesauqS- und deklamatorische Vorträge und Schaustellungen von Personen eine vorgängige Eclaubniß erforderlich sein. Das müsse auch für die nicht gewerbsmäßigen Ver anstaltungen gelten. — Am Schluffe der vorgestrigen Reichstagssitzung folgte eine Reihe „persönlicher" Bemerkungen, über die noch Folgendes zu berichten ist: Abg. Fürst Bismarck (wildkons.): Ich möchte der Rede des Abg. Fischbeck einige Bemerkungen zu Theil werden lassen. Erstens hat derselbe einige von mir gebrachte Zahlen bemängelt; dieselben sind aber durch den Abg. Dr. Oertel bestätigt worden. (Zuruf links: Nicht persönlich! — Präsident Graf Ballestrem: Herr Abg. Fürst Bismarck, das war keine persönliche Bemerkung.) — Außerdem hat Abg. Fischbeck versucht, mit persönlichen Anzapfungen gegen mich vorzugehen. Ich habe keine Ursache, auf seine persönliche Meinung Gewicht zu legen und ver zichte darauf, mir die Tonart anzueignen, die er ange schlagen hat. Vielleicht lernt er bessere Formen, wenn er erst länger Mitglied des Hauses ist. (Unruhe links.) — Präsident Graf Ballestrem: Das war auch keine persönliche Bemerkung! Beschränken Sie sich bitte immer auf Richtigstellungen dessen, was Sie gesagt haben, sonst bin ich in der traurigen Lage, Sie immer unterbrechen zu müssen! lHeiterkeit.) — Abg. Dr. Oertel (kons., persönlich): Herr Bebel hat die Freund lichkeit gehabt zu sagen, daß ich den Humor des Hauses zu wecken pflegte, wenn ich mich erhöbe (Heiterkeit), er selbst pflegt den Humor des Hauses erst zu wecken, wenn er sich setzt. (Erneute Heiterkeit.) — Präsident Graf Ballestrem: Das war auch keine persönliche Be merkung. (Heiterkeit.) — Abg. Gerstenberger (Cemr., persönlich) will auf den im Laufe der Debatte erwähnten Wildschweinbestand im Spessart eingehen. — Präsident Graf Ballestrem: Sie dürfen keine persönlichen Be merkungen im Namen der Wildschweine des Spessarts machen. (Große Heiterkeit.) — In drei Armeen ist der Kaiser jetzt Feld marschall: im deutschen, österreich-ungarischen und im englischen Heere. Ferner ist der Kaiser Groß admiral der deutschen Flotte, Königlich großbritanischer Ehrenadmiral der Flotte, Königlich schwedischer Flaggen admiral, Königlich norwegischer und Königlich dänischer Ehrenadmiral und Admiral der Kaiserlich russischen Flotte. Außerdem steht er noch zum portugiesischen Heere in Beziehung als Ehrenoberst des 4. portu giesischen Reiterregiments. — In Berlin tagt zur Zeit der preußische Städle- tag, dessen Verhandlungen über das Bcrhältniß der Gemeinden zu den Straßenbahn-Gesellschaften allgemeines Interesse haben. Es hat sich gezeigt, daß die Gemeinden gut thun, Unternehmungen, die sich überhaupt für den städtischen Betrieb eignen, möglichst gleich selbst in An griff zu nehmen. Sonst läuft nickt blvs das Interesse üer Kommune Gefahr, sondern auch das allgemeine Interesse nimmt Schaden. Wenn gegen die Kommnnali- sirung der Verkehrsbetriebe geltend gemacht worden ist, daß die Gemeinden zum Betrieb von Straßenbahnen weniger geeignet erscheinen als Privatunternehmer und solche Versuche mit finanziellen Opfern büßen müssen, so sind das Behauptungen, die durch die Thatsachen längst widerlegt sind, und über die man deshalb zur Tagesordnung übergehen kann. Auch die Vertreter der hervorragendsten städtischen Gemeinwesen Preußens sprachen sich au? dem Städtetag zu Gunsten der Ueber- nahme der Straßenbahnen in kommunalen Betrieb aus. Obermeister Aoickes (Frankfurt a. M.) erachtet es für nothwendig, in den Leitsätzen auszusprechen: Der preußische Städtetag spreche sich grundsätzlich für den Straßeubahnbetrieb von Seiten der Gemeindeverwaltungen aus. Oberbürgermeister Bender (Breslau) erklärt, er könne dem Vorredner nur beipflichten. Ganz besonders in Berlin seien die Verhältnisse solche, die den städtischen Betrieb der Straßenbahnen nothwendig machen. Ober bürgermeister Becker (Kölns sprach sich ebenfalls für den städtischen Betrieb aus, hatte aber Bedenken, ob sich dies auf Grund des bestehenden Rechts werde ausführen lassen. Bei dieser allgemeinen grundsätzlichcn Ueber- einstimmuug der Ansichten dürfte die Ueberleitung aller Straßeubahubetriebe in die kommunale Verwaltung wohl nur noch eine Frage der Zeit sein. — Die ultramontane Kölner „Volkszeitung" ver öffentlicht unter der Rubrik „Ungeschminktes aus China" einen Bericht, welcher besagt, daß hoffentlich dieser unselige Zustand bald ein Ende hat. Die Rohheit auch unter unseren Soldaten nimmt erschreckend zu. In großer Zahl werden Soldaten zu langjährigem Zuchthaus oder Gefängniß wegen Morius, Nolhzucht und Einbruchs verurtheilt. sWie verlieren mehr an's Zuchthaus, als an Todten; Krankheiten sind gleichfalls sehr häufig, sehr viel Typhusfälle sind vorgekommen, die Ruhr nimmt ab. — Eine großartige Kundgebung für die Buren sah dieser Tage das Wupperthal. In der Barmer Stadt halle sprach vor einer unzählbaren Volksmenge ein Neffe von Christian De Wet, der in englische Gefangen schaft gerathen war, aber dann Gelegenheit zur Flucht hatte. Er schildert in Mchter ^Schulden kommen welche sich die Engländer haben z lebhafter Ent- rüstung lauschte die Veriammlung des Redners. An Präsident Kruger w «Mow erhielt telegramm gesandt. Reichskanzler s Wnvverthaler folgendes Telegramm: „Tausende , sprechen Bürgern, in der Barmer Stadthalle Krieg- ihre tiefste Entrüstung aus über die m s ) 1 ersicht- führung Englands in Südafrika un . per lich, daß die europäischen Großmächte B MenschlichkeitMittel und Wege finden werden - endigung des gräßlichen Krieges.' umkehren mußten, soll eine zweite Vollsversammtung Bülow über die Erhöhung der Getrcidezolle s g „Nowoje Wremja": Angesichts muner mehr h vortretenden Bereitwilligkeit der preußischen . eeg -- , . - sür eine Erhöhung der Getreidezölle einzutreten, 1 . Rußland und die Vereinigten Staaten, anstatt einander Concurrenz zu machen, sich über die Versorgung europäischen Märkte mit Getreide verständigen, B Amerika sollte man doch bemerken, daß auch em Sternenbanner der Republik von Deutschland Oesahr drohe. Charakteristisch sei es, daß einer der Hauptfugr^ der Agrarier, Graf Kanitz, für das Ausland noch Compensationen auf Kosten Amerikas suche Dw Ge meinsamkeit der Interessen Rußlands und Amen las in der Getreidesrage sei so offenbar, daß nur das über mäßige Selbstvertrauen der transatlantischen freunde, der Concurrenten Rußlands auf deu europäischen Ge- lreidemärkten, sie verblenden und an einer richtigen Abschätzung der Lage hindern könne, die deutlich für den Vorzug einer Verständigung und das Nnvorlhell- hafte einer Concurrenz spreche. Die Concurrenz der Hauptlieferanten von Getreide für den Weltmarkt sei wohl die am schwersten wiegende Ursache slir die aus den ersten Blick unerklärliche Erscheinung, daß in den Industrieländern, die nicht ganz eigenes Getreide pro- duciren, die Getreidezölle nicht nur bestehen bleiben, sondern auch eine beständige Neigung zum Steigen offenbaren. Die „Nowoje Wremja" macht sich schließ lich die Ansicht der einflußreichsten Zeitung des russischen Südens „Kiewljanin" zu eigen, daß es in Folge der agrarischen Agitation in Deutschland zwischen Rußland und Deutschland nicht ohne einen Zollkrieg abgehen dürfte, so zerrüttend er auch sein würde. Diese Droh ung mit einem Zollkrieg ist wohl nicht recht ernst zu nehmen. Bis die Herren des Ostens und Westens erst eingesehen haben, daß die deutsche Regierung nicht da zu da ist, für russische nud amerikanische Getreidehändler zu sorgen, sondern daß sie in erster Linie Pflichten gegen das deutsche Volk har, wird allerdings wohl noch einige »Zeit vergehen. — Stach einer Meldung der „Franks. Ztq." erging an den Fabrikanten Wilhelm Raßbach in Magdeburg im Dezember vorigen Jnhres von einem Herrn S in Berlin die Anfrage ob er nicht Commerzienrath werden wolle Herr R. ging zum Scheine auf die Sache ein Es stellte sich nun heraus, daß ein angeblicher pen- sionirter Offizier gegen eine Enff .idigung von 50 000 Mark durch eine» Verwandten die Verleihung des Titels seitens des Ministeriums durchzusetzen erbötiq war. Herr R. übergab schließlich den gesammten Brief wechsel der Crinnnalpollzei, die wohl feststellen 'wird daß er es mit einer Schwindlergesellschaft zu thun qe- habt Hatz wenn nicht etwa der „Franks. Ztq " mit der ganzen Geschichte etwas aufgebunden worden ist Kassel, 30. Januar. Auf Ersuchen der B» Hörden wurde eine Abtheilung des hie a n Nachts ata-mkt. °um mVLLLch