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dorf hin und verliert sich daselbst. Jedenfalls hat sie früher, wie noch unten nachgewiesen werden soll, weiter südwärts, jedenfalls bis Böhmen geführt. Da die Garnstraße ein echter Höhenweg ist und sie sich auch zwischen Gersdorf, Bernsdorf, Hohndorf hinzieht, ohne diese Ortschaften zu berühren, so liegt die Vermuthung nahe, daß sie vielleicht schon vor Gründ ung dieser deutschen Niederlassungen als Verbindungs pfad zwischen den sorbischen Siedelungen Kuhschnappel, Oelsnitz und Zschocken gedient hat. Den Namen „Garnstraße" hat sie dann später er halten. Dieser hängt höchstwahrscheinlich mit der Leinen industrie von Chemnitz zusammen. Leinewand wurde schon von Alters her hier angefertigt. Schon 1048 wird eine Chemnitzer Bleiche urkundlich erwähnt. Man hatte frühzeitig verstanden, sich eine Art Leinen-Monopol zu sichern. 1347 wurde durch den Markgrafen Friedrich den Strengen befohlen, daß alle Ortschaften im Kreise von 10 Meilen um Chemnitz ihre Waaren zur Bleiche dorthin bringen mußten Auch durste bei hoher Strafe niemand Garn oder ungebleichte Leinewand anderswohin als »ach hier verkaufen. Daß ein solch markgrüfliches Gebot der Stadt Ruf und großen Reichthum brachte, liegt auf der Hand. Die Chemnitzer erhielten Garn und Leincwand billig, denn sie allein machten den P: eis dafür, und sie verkauften diese Stoffe mit hohem Ge winn weiter. DaS Hauptabsatzge! iet war Böhmen. Um wohlfeiler einkaufeu zu können, kamen nun oft böhmische Garnaufkäufer in die Umgegend von Chemnitz und traten in direkte Handelsverbindungen mit den Garn- und Leinenproduzenten Die Chemnitzer brachten es aber l.52 soweit, daß diese fremden Einkäufer auf kurfürstlichen Befehl oufgehalten und ihr Gut wegge nommen wurde Nun machten sich unternehmende Leinrweber selbst auf, brachten ihre Waaren nach Böhmen und setzten sie hier besser ab, als in Chemnitz 1456 wu:de auch dies von Friedrich dem Sanftmüthigen auf Betreiben der Chemnitzer bei harter Strafe unter sagt, das Verbot von 1357 wurde erneuert Der hohe Gewinn, der durch den Verkauf des Garns und der Leinewand nach Böhmen erzielt wurde, lockte aber immer wieder Leute an, mit ihren Produelen dorthin zu ziehen. Man wurde nun voisichtiger, man benutzte nicht mehr die begangenen böhmischen Straßen, sondern Schleichwege, um über die Grenze zu kommen. Ein solcher scheint nun unsere Garnstraße gewesen zu sein, ihre einsame Lage in großen Waldungen machte sie ganz besonders hierzu geeignet. Darum kann man wohl auch mit Recht annehmen, daß sie nicht in Hohn dorf endete, sondern früher weiter dem Gebirge zu ge führt hat Jedenfalls sand sie Anschluß an dir uralten böhmischen Straßen von Zwickau über Eibenstock und Friebtts nach Karlsbad oder von Zwickau über Harten stein, Lößnitz, Schwarzenberg nach Böhmen. Der dichten Besiedelung der Höhndorfer und Oelsnitzer Gegend wegen ist dieser Anschluß nicht mehr recht zu erkennen. Die vorstehende Arbeit soll durchaus keine Geschichts forschung darstellen. Sie hat nur den einen Zweck, die Aufmerksamkeit auf einen alten Pfad hinzulenken und womöglichst Interesse an diesem zu erwecken. H. Koth. B e r m i s c' t e 6. * Wiederum kommt eine sensationelle Meldung aus Konitz Schulkinder fanden den Ueberzieher des er mordeten Gymnasiasten Ernst Winter auf dem Hose einer Mädchenschule! Selbstverständlich ist die Be völkerung im höchsten Grade erregt, hat es doch den Anschein, als ob die Mörder die Untersuchuugsbehörde und das Publikum geradezu verhöhnen wollten! Man denke nur an den schon gemeldeten Fund eines 10 Cent»- melcr großen Stück.« von Winters Taschentuch mit dem Morrog-anun E. W. Dieses Stückchen Taschentuch hätten doch die Mörder zweifellos in jedem Stubenofen vor brennen können, aber man wollte es nicht, man wollte der Behörde und des empörten Publikums spotten! * Ein echt russischer Prozeß hat soeben in Charkow seinen Anfang genommen. Er richtet sich gegen eine Räuberbande, die von Personen in hervorragender amtlicher Stellung geleitet wurde. Die Bande, welche 150 Köpfe stark war, pflegte im Gouvernement Charkow zu rauben und zu plündern. Sogar an, Hellen Tage führte sie ihre Ueberfälle aus. Bou den Gefangenen suchte sie hohes Lösegeld zu erpressen. Die Polizei war theils machtlos, theils bestochen. Das aufgebotene Militär konnte erst nach heftigem Scharmützel die Bande gefangen^nehmen. Die Anklageakten umfassen 9 Bände. Mehrere Hundert Zeugen sind vorgeladen. Der Prozeß wird nach dem Kriegsrecht geführt und dürfte mehrere Wochen dauern. * Ein einfaches Verfahren, auf Glas zu schreiben, wird in dem Pariser Kosmos angegeben. Schon vor etwa drei Jahren machte Professor Margot aus Genf eine merkwürdige Eigenschaft gewisser Metalle, wie Zink, Kadmium, besonders Magnesium und Aluminium bekannt, derzufolge sie an Glas haften bleiben und metallische Spuren darauf hinterlassen. Der Genfer Physiker wies schon daraus hin, daß man auf Glas schreiben könnte, wenn man ein Snick dieser Metalle in einen Zeichenstist entspannt. Es ist unerklärlich, daß diese wichtige Entdeckung bisher fast garnicht aus genutzt worden ist, denn man braucht nur einen Aluminiumstift zur Hand zu haben, um damit auf Glas genau ebenso gut schreiben zu können wie mit einem gewöhnlichen Bleistift auf Papier. Das Ver fahren empfiehlt sich umsomehr, als die auf dem Glas erzeugte Schrift sich weder durch Waschen noch durch Reiben entfernen läßt, also sehr dauerhaft. Das Metall scheint sich mit der Oberfläche des Glases oerart zu verbinden, daß es nicht mehr daraus entfernt werden kann und sogar solchen Flüssigkeiten widersteht, die das Glas selbst angreifen. Neuerdings hat Professor Berger von der Universität Brüssel noch weitere Ver suche mit diesem Verfahren angestellt und es für aus- gez^chnet befunden, besonders, wenn das Glas vorher mit einigen Tropfen einer Lösung von kieselsaurem Kali befeuchtet wird. Eine vorzügliche Verwendung kann diese Alumininmschrift zur Herstellung dauerhafter Bezeichnungen auf Glasgeräthen finden, deren Inhalt bisher meist durch Aufkleben von papiernen Etiketten bemerkt wurde. Tie unangenehmen Folgen, die durch den Versuch solcher Etiketten bisher oft genug entstehen, können dadurch in Zukunft mittels der Äluminium- schrift völlig vermieden werden. Handels-Nachrichten. 'oriln, 15. Januar. (Wechsel-Cours). Uanic- I6soo»i Mark Amsterdam 3-,. ö T ' 169,40 B per 100 fl. k. " 2M 168,10 G Brüssel und Antwerpen 4 ST 81,30 G pr. 100 Francs. * 3M 80,30 G Italienische P ätze - 10 T 77,10 G pr 1c.O Lccre 2M Schweiz. PI. cOO Frc. 5 81,— G London 8T 20,44 G pr. I Lstrl. 4 3M 20,22 G Mao-id und Barcelona 14 T — pr. 100 Pesetas 2M — Paris 3 ST 81,45 G pr 100 Franc 3M 80,75 G Petersburg 5'/," T — vr. >oc> Rubel 3M — Warschau 100 Rubel 5'» 8 T — Wien ,, - T ! 84,85 G per 100 Kr. 3 W. '3M ! 84,- G Reichsbank 5"/,., Lomb -Z.-F. 6"/,. lterli». 15. Jan. Spiritus 70er loco ohne Faß 4-1,70 M. Umsatz : 28 000 Lil- r . Ar ,!<4>15. Jan. Korn ucker cxcl. 88 "/„ Rcndemenl 10,05 bi 10,25. Nachprodu le excl. 75"/» Rendement 7,95 bis 8.05. Stimmung: Ruhig. Krystallzucker l 28,95. Brov- rafäuade ! 29,20. Ge a. Raffinade mit Faß 28 95. Gem. MeliS l mit Faß 28,45. Rohzucker I. Product Transit» f. a. B Hamburg per Jan. 9,35 Gd., 9,45 Br., per Febr. 9,4 i Gd/, 9,47'/, Br., per März 9.47'/, bez., 9,47'/, Gd., per Mai 9,57'/, Gd., 9,00 Br., per August 9,77'/, Gd., 9,80 Br. Tendenz : Ruhig. Uumbur . 15. Januar Weizen Matt, Holsteiner loco 140 bis 154, La Plata 135—138. — Roggen ruhig, südruss. cif. Hamburg 110 bis 114, loco 112—114, Mecklenburgischer 136 bis 145. Mais- Matt, loco 105'/,, La Plata 85. — Hafer ruhiger, Gerste ruhig. Wetter: Schon. romen, 15. Januar. «Baumwolle). Tendenz: Willig. Upl. middl. loco 51'/, Pfg. lüreap-wl, 15. Jan. (Baumwolle.) Muthmaßlicher Umsatz: 600o B llen. Stimmung: Ruhig. Jmoort: 15 000 Ballen. 'Preise '/«« "/«, niedriger. Umsatz: 70 0 Ballen, davon für Speculation und Export 50» Ballen verkauft. Amerikaner ruhig, niedriger, Ostindische ruhig, '/,» niedriger. Middl. amerikanische Lieferungen. Jan -Febr. 5""/»« Käufer, März- April 5'««t Käufer, Mai-Juni 5"°»« do, Juli-Aug. b",»» do. Moralische Verbrechen. Roman von Riina Meyke. 119. Fortsetzung. „Prinzessin," begann er endlich mit bewegter Stimme, „wollen Sie mir wirklich kein einziges Wort des Abschiedes sagen? Wallen Sie mir nicht einmal „glückliche Reise" wünschen? So etwas sagt man sich doch gewöhnlich beim Scheiden — und nun noch, wenn es ein Scheiden für das Leben ist!" Prinzessin Lia antwortete noch immer nichts, sie wandte sich nicht einmal um, aber er sah, daß ihre Schultern wie von verhaltenem Schluchzen bebten, sah, daß große Thränen langsam über ihre Wangen rollten, und ehe er selbst wußte, was er that, lag er zu ihren Füßen, preßte den Saum ihres Gewandes an seine Lippen nnd drückte sein glühendes Gesicht in die Falten ihres Kleides. MU unterdrücktem Aufschrei trat sie einen Schritt zurück, minutenlang stand sie regungslos, scheu in eine Ecke der Fenstervertiesung geschmiegt, mit fest vor die Brust gepreßten Händen und einem Aus druck qualvoller Angst in dem schmerzvcrzogenen Ant litz, ihr thränenumflorter Blick begegnete seinem flehend zu ihr emporgcrichteten, langsam, als zwänge sie dazu eme unsichtbare Macht, näherte sie sich ihm, ihre krampfhaft gefalteten Hände lösten sich und legten sich wie zum Segen auf seinen Scheitel. „Gott geleite Dich!" hörte er sie mit erstickter Stimme flüstern, und dann — ihm schwindelte — fühlte er ihre zuckenden Lippen auf seiner Stirn, aus seinem Mund. „Lia!" Aber seine Arme griffen in die Luft, der Platz vor ihm war leer. Wie ein Trunkeiicr erhob er sich endlich, suchte sein Zimmer auf und warf sich, das Gesicht in beide Hände veigrabend, ans den nächsten Sessel. So verbrachte er Stunden in einem Zustand schinerzlich-glücklichen Rausches Der Tag war schon weit vorgerückt, als er sich er nüchtert endlich wieder aufrichtete. Der kurze Traum war ausgeträumt, die Wirklichkeit trat wieder in ihre Rechte, und diese forderte mit unerbittlicher Strenge, daß er seinen einmal gefaßten Entschluß so schnell al- möglich zur Ausführung brachte, denn jedes Zögern seinerseits hätte ihn und sein Handeln in ein falsches Licht gestellt. Mechanisch strich er sich das Haar aus der Stirn und blickte nach der Uhr. Wieviel Zeit er verloren hatte! Um keinerlei Aufsehen zu erregen, wollte er den Weg bis zur Station zu Fuß zurücklegen, mußte also aus dem Grunde früher aufbrechen. Sein Koffer konnte ihm nachgeschickt werden, in Moskau mußte er sich ein paar Tage auftragen, während dieser Zeit konnten seine Sachen eintreffen, und daS Noth- wendigste barg die kleine Handtasche, die er bequem mit sich nehmen konnte. Das Ordnen seiner Effecten nahm nicht allzu lange Zeit in Anspruch, seine Bücker mußten fürs erste unge packt bleiben, er wollte die Fürstin schriftlich bitten, daS Absenden zu besorgen, und als das alles endlich besorgt war, setzte er sich tiefathmend an den Schreibtisch, um — Abschied von den Menschen zu nehmen, mit denen er unter einem Dache weilte und die er doch nicht mehr sehen sollte. — Was sollte er schreiben, wie beginnen? — Den Kopf in die Hand gestützt, dachte er lange darüber nach, dann flog die Feder über das Papier. — Es waren Worte tiefempfundenen Dankes und warmer Verehrung, die er an die Fürstin richtete, die Augen wurden ihm mehr als einmal während des Schreibens feucht, dann kam das Schwerste, der Brief an den Fürsten. — Da pochte eS, und gleich darauf trat der alte Alexej über die Schwelle. „Se. Durchlaucht der Fürst lassen bitten!" sagte er mit tiefer Verbeugung und zog sich geräuschlos, wie er gekommen, zurück. Der Fürst? Was mochte er wollen? — Thorheit, natürlich nichts! Gewiß war ihm wohler und er wünschte etwas vorgelesen zu haben, oder ihn einfach auch nur zu sehen; wie dem nun aber auch sein möge, er hatte vem Wunsche sofort Folge zu leisten. Schwerfällig er hob er sich und suchte die Gemächer des Kranken auf. Fürst Korsakow streckte ihm schon von weitem herzlich beide Hände entgegen, trüber Ernst lag auf seinem Ge sicht ausgedrückt; aber die eingesunkenen Augen besaßen ganz den warmen, innigen Glanz früherer Tage. „Setzen Sie sich, lieber Max Maxickowitsch", sagte er freundlich, und Du, Alexei", wandte er sich an den Diener, laß uns für einen Augenblick allein!" „Lia war vor einer halben Stunde bei mir", sagte er, als der alle Mann das Zimmer verlassen hatte, „sie hat mir gesagt, baß Sie fort wollen, hat mir gesagt, weshalb, und auch, daß Sie beabsichtigen, Bieloje ohne Abschied zu verlassen, deshalb eben rief ich sie; denn das, Maxim Maximowitsch, sollen Sie nicht, ich habe das nicht um Sie verdient, und — es hätte mir wehe qethan. Bitte lassen Sie mich aussprechen", fuhr er fort, als er bemerkte, daß Gerojew ihn unterbrechen wollte, nnd legte seine durcksichtiqte Hand beruhigend auf den Arm seines Gesellschafters, „ich glaube zu wissen, was Sie mir sagen wollen. Sie thun recht daran, daß Sie gehen, ich begreife Ihren Entschluß und achte Sie um seinetwillen noch einmal so hoch. Gehen Sie mit Golt, aber nicht auf immer, wir wollen uns heute als Freunde die Hände drücken und mit dem schönen Gruß „auf Wiederseh'n" auseinandergehen. — Lia ist Braut," die wachsbleichen, kühlen Finger des Kranken umschlossen fester die zuckende Hand des jungen Mannes, und seine dunklen Augen blickien ernst in dessen tief erblaßtes Gesicht, sie erfüllt nur den Wunsch nnd Willen ihres Vaters, der sie sterbend dem Grafen Ljubomirska verband, aber sie ist eine jener Naturen, welche ihr einmal gegebenes Wort unter sjeder Beding ung hallen, selbst wenn es nicht ein Todter mit ins Grab genommen Hütte. So etwas muß man verstehen und begreifen. Der Tag ihrer Hochzeit sollte bis zum Schluß des Trauerjahres aufgeschoben werden, heute jedoch erklärte sie mir, daß sie in vier Wochen ihr ge gebenes Wort einzulösen gedenkt, und ich kann diesen ihren Entschluß nur billigen. Auf Bieloje wird es überaus einsam werden. Mein Doctor erklärte mir heute, daß ich den Winter in Kairo verbringen müsse, wollen Sie mich dahin begleiten?" Und als fürchte er, eine abschlägige Antwort zu er halten und suche derselben vorzubeugen, griff er nach einer Brieftasche, welche neben ihm auf dem Tischchen lag und öffnete sie. „Ich bitte Sie, kein weiteres Engagement anzu nehmen, hier ist ihr Gehalt für die Zeit bis zum Wiederantritt Ihrer Stelle, es sichert Ihnen die Mög lichkeit, bis dahin sorgenfrei zu leben und Ihre litera rischen Arbeiten zu beenden; später, auf der Reise, dürfte Ihnen vielleicht nicht ganz so viel Zeit übrig bleiben. — Sind Sie einverstanden?" „Durchlaucht," stammelte Gerojew erschüttert, „Sie beschämen mich tief, ich verdiene nicht so viel Güte, und ich darf dieselbe nicht annehmen!" „Ach.Lsprechen Sie doch kein unvernünftiges Zeug, Maxim Maximowitsch," lächelte der Fürst gütig, „der Dank ist ganz auf meiner Seite, ich bin und bleibe in jedem Falle der eigennützig Fordernde, aber ich meine es wirklich gut mit Ihnen, das wird Ihnen später ein mal noch klar werden, fürs erste aber ist es zu früh