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fehlt. Angeblich soll er nach München gereist sein. Eine weitere Nachfrage bei dem ersten Vorsitzenden de« Kredit- Verein«, Privatier und GemeindebevollmSchtiglen Dorn, ergab, daß dieser ebenfalls fehlte. Eine sofort durch die Mitglieder de« Nusstchtsrathes und Polizeibeamte vor- genommene oberflächliche Nachforschung in der Kasse ergab genügende Anhaltspunkte dafür, daß die Genannten zu- sammen den Verein schwer geschädigt haben. Wie hoch sich die Fehlbeträge belaufen, kann augenblicklich noch nicht angegeben werden, da heute erst eine genaue Ne Vision statlfinden wird. Wie die „Fränk. Ztg " in Ans bach hierzu noch meldet, hat noch gestern Abend eine Sitzung de« Aufsichtsrathe« stattgefunden, in der es sich heraurstellte, daß von dem über 300000 Mark betragen den Reservefonds nur noch ein geringer Betrag vorhanden ist und daß Fälschungen in den Büchern vorgenonnnen worden sind. — Die städtischen Verwaltungskörper von Ebers walde hatten vor einiger Zeit beschlossen, gegen den Reichstags- und Landtagsabgeordneten Gymnasial professor Pauli einen Civilprozeß anzustrengen, damit die principiell wichtige Frage, wer die Stellvertretungs kosten mittelbarer, ins Parlament gewählter Staatsbe amten zu tragen habe, rechtlich gelöst werde. Wie jetzt aus Eberswalde gemeldet wird, hat Professor Pauli dieser Tage an die dortige Stadtkasse 2000 Mark be zahlt, da verschiedene Juristen ihm erklärt hatten, daß die Stadt nicht verpflichtet werden könne, für die Stell vertretungskosten aufzukommen. Konitz, 15. Januar. Der Erste Staaatsanwalt Schweigger ist auf die Nachricht von dem Funde des Ueberziehers schleunigst hierher zurückgekehrt und hat die Ermittelungen in die Hand genommen. Der Berliner Crimminalcommissar von Kracht weilt außer halb von Konitz, um im Interesse des zur Zeit die Situation beherrschenden Verdachtes der Thäterschaft Nachforschungen anzustellen. Die Bevökerung hat die Nachricht von dem neuen Fund mit Ruhe ausgenommen; man glaubt, daß der Schuldige durch überschlaues Vorgehen sich selbst verrathen hat und hofft auf dessen baldige Verhaftung. Das Monogramm, das in dem Futter des Ueberziehers Winters eingestickt worden war, ist, wie es scheint, ausgetrennt worden. Italien. Rom, 15. Januar. Gestern hielten der Herzog der Abruzzen und der Capitän Cagni im Collegio Romano zu Rom einen vierstündigen Vortrag über ihre Polarexpedition. Am Schluß des Abends überreichte die Königin, die mit ihrem Gemahl dem Vortrage bei gewohnt hatte, dem Herzog und dem Capitän Cagni die ihnen von der Geographischen Gesellschaft verliehenen goldenen Medaillen und den übrigen anwesenden Theil nehmern der Expedition silberne Medaillen. Der Vor trag des Prinzen begann folgendermaßen : „Nicht Hoff nung auf materielle Vortheile und Reichthümer führt den Menschen in die Einöden des Poles, sondern der Trieb, der den menschlichen Geist anstachelt, die Kennt- niß der Welt und ihrer Kräfte anszndehnen. Er schildert die Vorbereitungen der Reise und die Fahrt bis zum Fiorakap, von dort bis zur Teplitzbay. Man versuchte, Alexanderland zu umgehen, aber vor den Eisbarren bei Grant mußte man zucückweichen. Man suchte Wege durch den Nightingalsund und lief in den Britanniakanal ein, wo man die „Capella" traf, eisfrei zur Verwunderung der Reisenden. Je mehr sich der Herzog in seinen Gegenstand vertieft, umsomehr reißen ihn seine Erinnerungen fort. Er spricht laut, klar, fließend, ohne sein Manuscript anzusehen. Man glaubt nicht, daß dieser zarte, kleine Körper derartigen Srapazen gewachsen war, und er war doch immer voran, bis er sich am Wcihnachtsfeste bei einem Sturze in eine Schneegrube mit Cagnie die Hand verletzte und die Hütte nicht mehr verlassen durfte. Jetzt ergreift Capitän Cagnie das Wort zur Schilderung seiner Fahrt bis zum höchsten Norden, eine Leidensgeschichte, die er mit dramatischer Lebendigkeit vorträqt. Seine Schilderung der Polarnächte, in denen das Thermometer auf 52 Grad Kälte sank, in denen unter grauenvollem Donnern und Knattern vor und neben ihm sich abgrundtiefe Eisspalten auflhatcn, die übersprungen werden mußten, und wie man rastlos vorwärts drang, tagelang ohne ein Wort zu wechseln, in den entsetzlichen Eiswüsten, bis sie endlich auf Nansens Breitengrad in den ent zückten Ruf: „Es lebe der König!" ausbrachen, wird mir unvergeßlich bleiben. Noch übermenschlicher und aufregender aber sind die Anstrengungen der Expedition auf der Rückkehr zur Teplitzbay, und Capitän Cagni kann seine Bewegung in Erinnerung an die geradezu unglaublichen Leiden nickt verbergen. Jetzt schildert der Prinz wieder seine Rückfahrt, seine Rede wird ständig von Beifall unterbrochen, der sich zu enthusiastischem Jubel gestaltet, als er erzählt, wie ihn bei der schmerz lichen Nachricht vom grausamen Tode seines Königs der Gedanke trostreich war, dem italienischen Namen Ehre gemacht zu haben. Nach Schluß des Vortrages, dem auch als Gäste des Herzogs seine treuen piemontesjschen Alpenführer beiwohnten, wurde ihm wie dem Capitän Cagni die große goldene Medaille der Geographischen Gesellschaft überreicht. England. — Ein ernster Konflikt ist, wie verlautet, im Londoner Kriegsamt ausgebrochen. Die hervorragendsten Mitglieder desselben wollen angeblich ihre Demission einreichen, falls dem neuen Befehlshaber Lord Roberts freie Hand zur Reorganisation des Kriegs-Departements gelassen werden sollte. Lord Roberts hat aber das ihm übertragene Amt gerade unter dieser Bedingung übernommen. Er soll entschlossen sein, mit den bis herigen Traditionen zu brechen oder sein Amt nieder zulegen. Er soll sich mit dem Kriegsminister Brodrick im Einverständniß befinden, und auch dieser werde nicht nachgeben. Oertliches «Nd Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 16. Januar. — 2. öffentliche Sitzung der Stadtverordneten am 15. Januar. Am Rathstische die Herren Stadträthe Claus und Schulze. Vor Eintritt in die Tagesord nung giebt der Vorsitzende Herr Redslob bekannt, daß der Herr Bürgermeister in Zukunft die erste Stadt verordnetensitzung auf den Wunsch der Herren Stadt verordneten hin gern selbst eiaberufen wolle. Er habe dies deshalb nicht gethan, um nicht vorgreifen zu wollen. Alsdann danken die in der ersten Sitzung abwesend gewesenen Herren Vicevorsteher Koch und Schriftführer Jähnig für das Vertrauen und nehmen die auf sie gefallene Wahl an. Punkt 1) der Tagesordnung be traf die Zusammensetzung der Ausschüsse, die nach dem Antrag des Rechts- und Verfassungsausschusses be stimmt werden. (Die Veröffentlichung der Ausschüsse erfolgt in amtlicher Bekanntmachung.) Punkt 2) Festsetzung der Baufluchtlinie der verlängerten Zeißigstraße. Mit Herrn Beck als Besitzer von Grund Nucken »des in Frage stehenden Areals sind Verhand lungen gepflogen worden betreffs kostenloser Abtretung von Areal zu Straßenzwecken. Herr Beck kann vor der Festlegung einer Baufluchtlinie jedoch keine Erklärung abgeben. Herr Redslob ist dafür, daß ein Bedauungs plan aufgestellt wird, welcher das ganze Areal zwischen ver Bahn westlich und der König Albertstraße bezw. Lerchenstraße umfaßt. Herr Stadtrath Claus ist auch für einen Bebauungsplan, jedoch nickt für eine Fest legung der Baufluchtlinie, da noch nicht abzusehen sei, zu welchen Zwecken da« Bauareal Verwendung finde. Nachdem noch mehrere Herren zu dieser Sacke gesprochen, wrrd ein Antrag angenommen, daß im Sladtbauamte einige Projects aukgearbeitet werden sollen zur Auf schließung des ganzen Terrains. Punkt 3) erfolgt die Richtigsprechung der 1897er Armenkassenrechnung von Hohenstein. Außerdem fragt Herr Vicevvrsteher Koch an, ob K 2 der Bauordnung noch gehandhabt werde. Da dies ver neint wird, so wird der Antrag gestellt^ und auch ange nommen, daß die Bauordnung in Druck gelegt werden soll, wenn nicht nach dem neuen Baugcsetze eine neue Bauordnung aufgestellt werden müsse. Weiter wurde noch bekannt gegeben, doß das neue Sieuerregulaliv in Arbeit sei; ein vorgebrachter Wunsch, daß dasselbe dieses Jakr schon in Anwendung kommen solle, sei jedoch unmöglich, da die Ausarbeitung gründlich erfolgen solle und dann doch auch noch die Genehmigung zu erfolgen habe. Hierauf Schluß der Sitzung. — Das König!. Finanzministerium hat einen Be trag von 60 Mill. Mark 3prozentiger Sächsischer Rente an ein unter Führung der Deutschen Bank in Berlin stehendes Konsortium begeben. Der Ueber- nahmekurs ist 82,68 Proz. Nach Ansicht der „Berliner Börs.-Ztg." ist das Gebot, das das Konsortium abge geben hat, in Anbetracht des augenblicklichen Kurs standes der 3prozentigen Sächsischen Rente ein über raschend hohes und läßt sich dadurch erklären, daß man in Bankkreisen die weitere Entwicklung der Geld marktsverhältnisse und die Aufnahmefähigkeit des An lagemarktes überaus günstig beurtheilt. Die letzte Ausgabe 3prozentiger Sächsischer Rente vom ver gangenen Jahre im Betrage von 51'/, Mill. Mark erfolgte zum Kurse von 83^. Dresden, 15. Jan. Die gegenwärtige Situation auf dem Baustellenmarkl in Dresden ist nichts weniger als aussichtsreich und die allgemeine Depression scheint auch Dauer erlangen zu sollen. Jedenfalls erfährt die vorher herrschende überspannte Kauflust, die die Preise auf eine Höhe trieb, bei denen man nur die Miether be dauern konnte, die dieselben verzinsen sollten, ihre Ab- schwächung in nachdrücklichster Weise. Beispiele dafür sprechen am deutlichsten. So mußten, wie die „D. B- Ztg." mittheill, schon vor einiger Zeit Rath und Stadt verordnete dem Käufer resp. Erstehcr einer städtischen Baustelle in der Nähe der Silbermannstraße das Zurück- trelen vom Kaufe gegen Reugeld gestatten. Neuerdings soll sich wieder etwas ganz Aehnliches vorbereiten, indem ein weiterer Ersteher solchen städtischen Areals um die Entbindung vom Kaufverträge nachgesucht hat, was zur Folge haben würde, daß er eine Vertragsstrafe von mehreren Tausend Mark entrichten müßte. Es muß schon schlimm stehen, wenn man solche Verluste ruhig aus sich nimmt, nur um noch gröberen aus dem Wege zu gehen. Das Nachlaßen des Verkehrs auf dem Grund stücksmarkte in Dresden zeigt sich auch in de» neuesten, vom städtischen Statistischen Amte in dessen „Monats berichten" veröffentlichten Angaben. Darnach wurden im ersten Halbjahr 1900 in Dresden nur 397 bebaute und 261 unbebaute Grundstücke verkauft gegen 525 und 326 im gleichen Zeitraum des Jahres 1899. Bemerkens- mcrth ist, daß dagegen die Zahl der Zwangsversteiger ungen bebauter Grundstücke sich von 35 auf 49 ver mehrt hat; wenn bei den unbebauten die Zahl 13 gegen 37 im Vorjahre betrug, so dürfte sich darin der Rück gang der Baustellenspekulation zeigen. Noch ganz anders werden die Zahlen au« der zweiten Hälfte Jahres 1900 lauten. — Seit voriger Woche hat die Frau Prinzessin Friedrich August im Krankenhause der evangelisch-luthe rischen Diaconissenanstalt in Dresden einen Cursus be gonnen, um unter der Leitung des Herrn Hofrath I)r. nwck. Rupprecht die Behandlung von Wunden kennen zu lernen. Leipzig. Die Arbeitslosigkeit wächst ganz er heblich in der Textilbranche und der Eisenindustrie; in zahlreichen Betrieben wird nur in beschränktem Umfang weitergearbeitet. Vor der Wollkämmerei, deren Leit ung für Montag mehrere Arbeiter brauchte, hatten sich 200 bis 300 Mann angesammelt. Leipzig, 15. Januar. Im Lippeschen Apanagen- proceß erkannte das Reichsgericht heute auf Verwerfung der vom Graf-Regenten Ernst eingelegten Revision gegen das Urtheil des Celler Oberlandesgerichts vom 23. September 1900. Dem Kläger wurde außerdem die Tragung sämmtlicher Kosten auferlegt. Bekanntlich hatte Graf Erich zur Lippe-Weißenfels Klage gegen den Graf-Regenten Ernst zur Lippe-Biesterfeld erhoben wegen Rückzahlung einer feit Jahren bezogenen Rente, zu deren Empfangnahme der Graf-Regent nicht berechtigt sei, weil dessen Großmutter, Modeste von Unruh, nicht freiherrlich ebenbürtigen Standes gewesen sei. Das Landgericht in Detmold hatte die Klage abgewiesen, auf die von dem Kläger eingelegte Berufung aber hatte das Oberlandesgericht zu Zelle das Urthcil aufgehoben und den Klageanspruch für gerechtfertigt angesehen. Chemnitz Heute Morgen 6'/, Uhr tödtete der Volksschullehrer Apelt durch einen Schuß seinen einzigen 9 Jahre alten Sohn und machte dann seinem Leben auf dieselbe Weise ein Ende. Die That geschah offenbar in einem Anfall von Geistes störung. Der Bedaucrnswerthe wurde von erheblichem Nervenleiden geplagt und hat sich namentlich in letzterer Zeit schwermüthig gezeigt. Die während der Ausführung der That in der Küche befindliche Frau des Geistes gestörten eilte hinzu, doch war die Hilfe nicht mehr möglich. — Herrn Stabshoboist Asbahr vom 104. Regiment ist der Titel „Militär Musik-Dirigent" verliehen worden. — Ein Appell ehemaliger Feldzugskheilnehmer von 1870/71 wird am 19. und 20. Januar in Chemnitz ab- gehaltei. Es kommen die nock lebenden Angehörigen der 2. Compagnie des 2. Grenadier Regiments Nr. 101 vom KriegSjahr« 1870/71 am 19. Januar in der Reichs seidelei in der Heinstraße zum Commers, am 20. Januar im Schloßrestaurant zuw Frühschoppen und Mittags im Hotel „Vier Jahreszeiten" zur Tafel zusammen — Die Weingroßhandlung von Frank L Just in Chemnitz stiftete anläßlich des Weihnachtssestes zu Gunsten der Ostasiatischen Truppen und speciell für die sächsischen Mannschaften 1000 Flaschen Wein und Cognak, welche durch die dortige Sammelstelle des „Jnvalidendank" weiterbefördert und bereits auf hoher See schwimmen. Glauchau, 15. Jan. Gestern Nachmittag kurz nach 5 Uhr erschoß sich auf dem Scheerberg« hinter dem Hermannfchen Grundstücke ein kurz zuvor mit dem Zuge gekommener Reisender von auswärts. Der Ver storbene ist völlig unbekannt, er führte nichts bei sich, was zu seiner Recognoscirung hält« dienen können. Es sand sich nur ein Brief vor, in welchem der Verstorbene bat, man möge nicht nach ihm forschen, er sei weit her, er bitte, seinen Leichnam an die Anatomie abzuliefern. Dec Verstorbene ist etwa 40—45 Jahre alt, und gehört seiner Kleidung nach anscheinend dem besseren Stande an. Limbach, 14. Januar. Die diamantene Hochzeit konnte der vormalige Gutsbesitzer jetzige Rentner Joh. Gottfried Hertzsch und seine Ehefrau begehen. Hertzsch steht im 81. Lebensjähre, während seine Frau ein Alter von 80 Jahren erreicht hat. Von den 17 Kindern des Jubelpaares sind noch 5 am Leben, ebenso noch vierzig Enkel und siebzehn Urenkel. Die (tzarnstrasje. Zwischen Gersdorf und Bernsdorf zieht sich eine alte Straße, die Garnstraße, hin. Sie nimmt infolge ihres Namens das Interesse eines jeden Alterthums freundes in Anspruch. ' Will man etwas über einen solchen alten Verkehrs weg berichten, so muß man sich in der Hauptsache auf seine Phantasie verlassen. Man kann eben nur Ver muthungen anstelle», da meist alle urkundliche Auf zeichnungen, namentlich wenn der betreffende Weg früher nicht von besonderer Bedeutung war, fehlen. In früheren Zeiten legte man, da die Thüler dem Verkehre durch Sumpf und Bruch, Felsen, Gerölle, ge stürzte Bäume, gestaute Wassermassen nsw. zu große Hindernisse boten, die Verkehrswege auf den Höhen an. Alle Straßen, die nachweisbar aus dem Alter- thum stammen, sind darum reine Höhenstraßen. Unsere Garnstraße ist auch eine solche. Sie biegt zwischen Oberlungwitz und Bernsdorf von der Reichsstraße ab, zieht sich aus dem höchsten Grate der Anhöhen westlich von Gersdorf bis Hohn-