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27. Jahrgang. Nr. 138. Dienstag, den 19. Jnni 1900. Redaction und Expedition: «ahnstrake » (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. Frankreich. — Ein schrecklicher Nnglücksfall ereignete sich in Paris um halb 5 Nhr. Ein Wagen der Dampfbahn, die van Passt) zum Hotel de Ville geht, blieb iu der Nähe des Troeadero plötzlich steheu. Der Kondukteur stieg ab, um nach der Ursache des Stillstandes zu forschen, als plötzlich der nun führerlose Wagen mit der größten Schnelligkeit davonfuhr. Zunächst wurde eine Droschke umgeworfen, das Pferd in Stücke ge rissen und dem Kutscher beide Beine abgefahren. Die ganze Gegend, die der Weltausstellung benachbart ist, war um diese Stunde sehr belebt. Die Verwirrung war unbeschreiblich. An der Place Alma entgleiste der Wagen, fuhr gegen einen dicken Baum und riß ihn um; dann blieb er stehen. Die Passagiere sprangen heraus, etwa 10 durch Glasscherben verletzt. Die Nachrichten über die Zahl der Opfer sind sehr wider sprechend. Es heißt, et wären 2 Todte und etwa 14 Verwundete. Dem „Soir" zufolge beträgt die Zahl der Opfer im Ganzen 14 Verwundete, darunter ist der am schwersten Verwundete Dr. Magenfisch aus Zürich, dem die Zehen abgefahren sind und der schwere Verletzungen am Kopfe erhallen hat, ferner seine Gattin und weiter von Fremden zwei Amerikaner Sherer und Caesar. England. — Eine Massenversammlung von Frauen wurde in der Queens Hall iu London abgehalten, um den Krieg zu verurtheilen. Die Vorsitzende, Mrs. Courtney, theilte mit, daß die Veranstalter der Versammlung viele Sympathiekundgebungen von Friedensgesellschaften in Berlin, Paris und Amsterdam erhalten hätten. Folgende Resolution wurde gegen wenige Stimmen angenommen: „Diese Versammlung von Frauen aus allen Theilen des Vereinigten Königreichs verurtheilt den jetzt in Südafrika wüthenden unglücklichen Krieg, der haupt sächlich ein Resultat der schlechten Politik der Regier ung ist, einer Politik, die bereits an Todten, Verwun deten und Vermißten über 20,000 unserer tapfersten Soldaten und Millionen Geldes von den Ersparnissen und dem Schweiß des britischen Volkes gekostet hat, während es den zwei kleinen Staaten, mit denen wir Krieg führen, völligen Ruin bringt." Weitere Resolu tionen protestirteu gegen die Unterdrückung der Rede freiheit und gegen die Annektirunz der zwei Repub liken. Transvaal. — Im Westen des Transvaalstaates rückt jetzt Baden-Powell vor und bekämpft die dort zurückge bliebenen Burenkommandos, die sich nicht rechtzeitig zum Hauptheere zurückgezogen haben. Eine Depesche meldet: Oberst Baden-Powell sandte aus seinem Lager, 40 Meilen südwestlich von Rustenburg, eine Depefche, worin es heißt, er habe über 100 Auf ständische festgenommen und sei mit einer Truppe von 800 Mann in Transvaal eingerückt. Er stelle jetzt planmäßig die Ordnung wieder her, indem er Waffen und Vorräthe einsammle. 600 Buren hätten sich er geben; auch seien 230 Gefangene gemacht worden. Wie bereits gemeldet, hat sich Cronje bei Klerksdorp den Engländern ergeben. Wie groß seine Truppenzahl war, oder ob er keine bei sich hatte, ist noch nicht be kannt. — In Südafrika nimmt neben dem Transvaal kriege, dessen Ende noch nicht abzuziehen ist, eine politische Bewegung ihren Anfang, welche volle Auf merksamkeit verdient. DaS Ministerium Schreiner, welches 1898 an die Regierung kam, als die Afrikaner die Mehrheit im Capparlamente erlangten, ist gestürzt und Sir Gordon Sprigg wurde mit der Bildung eines neuen Ministeriums beauftragt. Den Briten insbe sondere dem Generalgonverneur Milner, war die sm Hchnstml-ßnistAl, MrlilWitz, 8tMrs, Lilgail, Wüstmbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf OertlicheS und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 18. Juni. - Der gestrige Haupttag des Schützenfestes hatte leider unter der Ungunst des Wetters sehr zu leiden Die massenhaft herbeigeströmten Leute mußten bei dem Eintreten des Platzregens schleunigst Unterkommen suchen, wodurch tue bedeckten Zelte großen Zuspruch hatten, wahreild der Platz und die kleineren Verkaufs stände vom Publikum gelichtet wurden. Den meisten Andrang hatte wohl der Cirkus Reiffarth, in welchem die Zuschauer auch voll befriedigt wurden. Spannte das dressirte Schwein tue Lachmuskeln ganz besonders an, so verfolgte man bei der Vorführung des dressir en Baren fede Bewegung mit erhöhtem Interesse Lobens- werthes leisten auch die Kunstreiter. Auf dem Rund gang besucht man nach das Welt-Hippodrom un^ Afrikaner Regierung immer ein Dorn um hätte mau die Afrikaner gewaltsam auf .Meinem schöbe». Nachdem nun das lavrrende M s Schreiner ins Waulen kam, hat man sosor gängern Schreiners berufen, der völlig " s^ll abhängig ist. Wie seine Regierung . .^t läßt sich nicht absehen, da die antlengllsche - j vou 1898 noch besteht, nur eine Auflösung d ' p' parlamentes und Neuwahlen könnten Aenderung des Verhältnisses herbeiführen. Recht wayr scheinlich ist es nicht, denn die neuesten Beschu st , - Afrikauderbondes haben gezeigt, daß das hollas) Element nicht im Geringsten geneigt ist, vor den Aue» zu capituliren. Deutlich ist zu erkennen, daß 0) ß- britannien durch den Transvaalkrieg auch dort nicht Ansehen gewonnen hat. So beginnt der vru'ch Krieg mit den Republiken unterbrochene poUtycye Kamps zwischen den Afrikanern und den Ingo-Bnm von Neuem in verschärftem Maße. Blerben die Afrikaner zunächst Sieger, so bekommt die britische sud- asrikapolitik einen empfindlichen Stoß. Es fragt sich nun, ob England auch gegen diese Strömung ^enfo gewaltsam vorgehen wird, wie gegen die Buren-Repu bliken. Damit würde man dem parlamentarischen System einen argen Schlag versetzen. In Südafrika entstehen für England immer neue Schwierigkeiten, deren Ueberwindung nicht abzusehen ist. Amerika. — Der New-Uork Herald" sagt in einem Artikel über die Annahme des Flottenqesetzes im deutschen Reichstage, dieselbe sei namentlich der anfeuernden und unermüdliche« Energie des Kaisers zu danken. Das gewaltige Anwachsen von Deutschlands Handel, der Schutz seines ausgedehnten Kolonialsystems und die moralischen und materiellen Einflüsse, welche Deutschland im Rothe der Völker geltend zu machen hat, verlangen eine Vergrößerung seiner Flotte. Wenn Deutschland eine so starke Flotte besitzt, muß man mit ihm rechnen wenn diese fehlt, würde es rangiren unter den Nationen zweiten Ranges. Nach einer anerkennenden Besprechung der deutschen überseeischen Politik schließt der „Herold" mit den Worten: Die Vereinigten Staaten thun gut daran, über Fortschritte der deutschen Marine zu wachen und bereit zu sein, der deutschen Flotte Stand halten zu können. Wenn Deutschland Freundschaft will, so ist es gut. Aber selbst wenn Freundschaft besteht, so dürfen doch die Vereinigten Staaten nicht vergessen,Hdaß ihre traditionelle Politik und ihr Handelswettbewerb auf dem freien Meere möglicher weise einmal zu einem Angriff führen könnten, auf den sie vorbereitet sein muffen. — Die „Tribune" bemerkt: Der Kaiser beabsichtigt, das Deutsche Reich ebenso stark zur See zu machen, wie sein Großvater dies auf dem Lande gethan hat, und es muß gesagt werden, daß er ganz gute Aussichten auf Erfolg hat Der Bezugspreis betragt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der lllustrrrten Sonntagsbeilage. Insertionsgebü hren: die fünfgespaltene 12 Pfg., Raum für den Verbreitunasbezirk 10 Pfg., vu. Rabatt. Rcclame 25 Pfg. Bei mehrmaliger Vorm. Abnahme der Inserate für die folgende . erbeten. 10 Uhr. Größere Anzeigen Abends T a g e s K e s ch i ch t c. Deutsches Reick Eröffnungsfeier des Elbe-Trave-Kanals folgende Rede: „Ich spreche der lL-tadt Lübeck von ganzem Herzen Meinen Glückwunsch zu dem heutigen Tage aus. Voran schicke Ich Meinen herzlichen Dank für den wundervollen Empfang den Sie nur bereitet haben. Ich habe aus der Haltung und den Mienen der Lübecker gelesen, wie freüdia be- wegt ^zhre Herzen heute sind; denn Sie wissen, daß mich ^ch regen Antheil nehme an dem, was Ihre Gemüther bewegt. Möge der Kanal, den Sie mit un verwüstlicher hanseatischer Thatkraft in Angriff ge nommen haben in jeder Beziehung Ihren Erwartungen entsprechen. ^ch hege die Ueberzeugung, das wird er thun! Sie sehen an dem fertiggestellten Werke, was es für eine Bedeutung hat, daß ein einiges Deutsches Reich besteht. Was Lübeck war, verdankt es den deutschen Kaisern, und was Lübeck jetzt ist, verdankt es dem Deutschen Reiche. So möge sich überall in unserem Reiche und Volke die Ueberzeugung immer mehr Bahn brechen, daß durch das Wiedererstehen und Erstarken des Deutschen Reiches jene alten Aufgaben von Neuem an uns herantreten, die durch die Uneinig keit unserer Vorfahren leider verloren gingen und nicht gelöst werden konnten. Zuversichtlich hoffe Ich, daß unter Meinem Schutze Lübeck sich weiter entwickeln wird. Ich würde diese Hoffnung nicht mit der Freudigkeit aussprechen können, wenn Ich nicht jetzt vor Ihnen stünde, freudig gehoben dadurch, daß wie die Aussicht habe«, einmal eine deutsche Flotte zu be kommen. (Lebhaftes Bravo). Für eine Seestadt kann ein Kaiser nur dann den Schutz übernehmen, wenn er ihre Flagge, sei es die lübeckische, sei es die ham burgische, sei es die bremische, sei es die preußische, bis in die entferntesten Fernen der Welt durch seine Kanonen schützen kann. (Erneutes Bravo!) Möge es uns denn vergönnt sein, durch den Ausbau unserer Flotte nach Außen den Frieden mit erhalten zu können, und möge es uns gelingen, durch den Ausbau unserer Kanäle im Innern die Erleichterung des Verkehrs zu erreichen, deren wir bedürfen! Der Segen wird bei unseren Wasserstraßen niemals ausbleiben!" (Leb haftes Bravo und Hochrufe.) — Ueber die deutsche Truppenmacht in Ostasien wird der „Voss. Ztg." geschrieben: Die fünf zum Kreuzergeschwader gehörigen Schiffe haben 2030 Mann an Bord. Die beiden Kanonenboote „Iltis und „Jaguar" zählen an Besatzung 242 Mann. Die Kiautschoubesatzung in Tsingtau und den verschiedenen Lagern kann mit der Chinesenkompagnie auf etwa 2000 Mann angegeben werden und der Ablösungs transport setzt sich, wie bekannt, aus weiteren 1200 Mann zusammen. Im ganzen unterstehen mithin dem Chef des Kreuzergeschwaders, Viceadmiral Bendemann und dem Gouverneur in Tsingtau, Kapitän z. S. Jaeschke, gegenwärtig etwa 5500 Mann. Diese Truppen können in jeder Beziehung als ausgebildet gelten; auch die eintreffenden Mannschaften des Trans ports haben in der Helmath schon eine vollständig ab geschlossene, militärisch-infanteristische Ausbildung ge nossen. . — „Wolffs Telegr. Bureau" wird aus London gemeldet: Aus glaubwürdiger Quelle verlautet, aus Tientsin sei die Nachricht eingetroffen, daß am 13. Juni Abens die Boxer in Peking einmarschirt seren, verschiedene Missionsstationen zerstört und einen An griff auf die Gesandtschaften unternommen hätten, welcher jedoch besonders mit Hilfe eines Maximgeschützes abgeschlagen worden sei. Europäer seien, soweit be kannt, nicht umgekommen. Die Haltung der chinesischen Truppen gegenüben den Boxern sei unsicher.