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NasÄbenünWorl 1925 Schriftleiter: Paul Lindenberg 1925 mal die tziorm war. „So, wünsch Ihnen eine gutö Nacht." Mncki, der das ebenfalls wünschte, verabschiedete sich. Sechs Stunden später wanderte ein anspruchslos gekleidctcr Mann dnrch die Straßen der kleinen böhmischen Stadt. Sein Auftreten ließ darauf schließen, daß er, wenigstens in diesem Augenblicke, nicht den Ehrgeiz besaß, die öffentliche Meinnng auf seine Person lenken zn wollen. linier dem Arm trug Mucki sein Einbruchswerkzeug, einen, etwa halbmctcrlangcn, zylinderartigen Gegenstand in Papier. Nun war er vor dem Tor zu den Büroräumeu der Fabrik angelangt. Rechts von dem Tor befand sich die Loge des Nachtportiers, die erleuchtet war. Mucki hob sich auf die Zehenspitzen und sah durchs Fenster. Zufrieden nickte er. „Ich weiß gar nicht, warum die Leute soviel gegen den Alkohol zetern, eine Flasche Slibowitz niit Beronal ist doch eine ganz famose Erfindung." Gelassen schloß der nächtliche Besucher das Tor auf und stieg die Drcppc empor, vorbei an der Zelle des unmäßig schnarchenden Wächters der Nacht. Oben vor dem allcrheiligsten Privatkabinet des Chefs, dein Ziel seines Bcrlangens, machte Mucki Halt und öffnete ein kleines Schiebefenster, das auf den Korridor führte, aber in und dein Doktor zur Beschaffung des erforderlichen Radiums auf ^sgenc Kosten nach Europa gc- ch'ckl hatte. „Mister Nelsons jv>rd sicher sehr gerührt sein über uhr Mitgefühl, aber —" „Nein, nein," entgegnete Mucki, „cs ist nichts da. Schlaucherl Der Doktor hatte begriffen, denn er war ein sehr Praktischer H -Rann. „Well, Mister Nelson ist zwar ein Junggeselle von siebzig 7 TO "bcr immerhin, ich wolltc sciiicn Dickdarm mit ? Radium behandeln und nicht mit Ihrer Moral. Also? " 4 „Die Stadt Kyritz muß warten, aber —" ? „Gewiß", unterbrach der Amerikaner Mucki, „Sic erhalten fk s ^raparat gut ist — ich kenne cs genau — das- 8 bot. Finden sol! es schon nie- ? mand bei mir „Ich, sehr gut, Herr Doktor. Sehen Sic, ich § wurde gewiß das Geld nicht nehmen, aber ich kann doch nach A Während Mucki die Adresse schrieb, begab sich der kleine, dicke, gutmütig ausschende Schlaucherl zu dem großen Geldschrank, öffnete ihn umständlich und entnahm, keuchend von der ungewohnten körperlichen Arbeit, dem Innern des Tresors ein Blcikästchen. Bor sichtig klappte er den Deckel des Kästchens zurück, warf eineu Blick wahrhaftig mütterlicher Liebe auf deu iu der Dämmerung sanft fluo reszierenden Inhalt und vollbrachte daun die verschiedenen Tätigkeiten in umgekehrter Richtung noch einmal. „Die Wölt ist schlöcht, mein Lüber, sehr schlöcht, ganz schlöcht, es wümmelt von Eunbröchern und Mördern." SchlaucherlS rundes rotes Ge sicht glänzte vor Wohlwollen bei diesen Worten. Mucki war der liebenswürdige Pessimismus seines Chefs zur Ge nüge bekannt, es siel ihm mir ans, daß er die Welt heute dreimal schlecht fand während sonst zwei- nuu göhen Eü, mein Lüber. Ich err Doktor Bigbug? Ja, der wohnt hier. Wen A darf ich melden?" Mucki gab seine Karte. Es war Z ihm etwas schwül. Das Gewissen begann wieder 2 UMUNm?"» -Ä' .."»iähriaes üüUem und vorhin L „Der ickdarm eines Vtilliollärs ist nickst weniger wert als E der anderer Menschen," so hieß die Formel, lind überhaupt, Z er handelte ja in einer Zwangslage, denn Nana hatte gesagt, K daß ste ihn treu uud wahr liebe, aber unter einem tüchtigen L Monatszuschuß nur platonisch. ' A ,Lerr Doktor lassen bitten." K Mucki riß sich zusammen, und trat ein. F „Es freut mich sehr, Sic zu schcn," sagtc dcr höflichc Doktor K Bigbug. Mucki wollte nun ebenfalls cme Verbindlichkeit von sich geben, aber jetzt erkannte ihn der Ameri kaner plötzlich. „Onw, sind Sie nicht? " „Jawohl, Herr Doktor, ich bin der Privatsekrctär des Direktor Schlaucherl." „Ah, und er Will mir doch noch Radium verkaufen?" schrie Bia bug, der vorzüglich deutsch sprach, entzückt. „Nein, leider nicht -—" Eine Weile schwieg Mncki: er hatte den llebcrgang vergessen; nervös rückte er aus dem Stuhle. Gott sei Dank, ja, das war's. „Aber der arme Mr. Nelsou, von dem Sie zu Herrn Schlaucherl sprachen, tut mir so über alle Maßen leid." „Well," sagte der Amerikaner etwas verwundert über die Teil nahme Mnckis an den: Leiden seines Auftraggebers, der cigen- jiuuig iu kein 'Krankenhaus wollte hätte Ihnen bei deni Angebot viel zu gern verkauft, jedoch wir haben auf zwei Jahre Lieferungen zn erfüllen bei hohen Ber- säumnisstrafcn. Auf Lager haöen wir nur die 800 Milli für die Stadt Kyritz, die nächste. Woche abgcliesert werden sollen. Und dieso zog UW Ach Gott, Sie ahnen ja gar nicht, wie leid mir der Mister Nelson tnt " Nnn wnrdc Bigbng aufmerksam. Mucki aber fuhr fort: „Wcuu ich so denke, daß es nur an dem bißchen Radium liegt, das blühende Leben dieses braven Mannes seiner Fran und seinen Kindern zu erhalten, so wäre ich wahrhaftig im stande — — Aber Sie halten mich gewiß für sehr unmoralisch und - - - —" dorr Msnns (Nachdruck verboten.) her nicht weiter bei der Radinmmanufaktnr — — — und dann — . " . „Well, ich verstehe, jedes Ding hat seinen Marktpreis, auch ein ramvoniertcs Gewißen, das ist bei Nils drüben auch so." Mucki, den, diese oluffassung etwas reichlich realistisch war, unterdrückte tapfer seine Empfindlichkeit, denn er dachte recht zeitig an die diatonische Nana. Er beschloß aber im Berkehr mit Doktor Bigbng fürderhin die schönen Gefühle auszu- schallen. „Bis übermorgen nacht dann," sagte er in geschäftsmäßi gem Tone, machte eine tadellose Verbeugung und verschwand. Es war übermorgen abend und es schlug 7 Uhr. Herr SchlauR"rl diktierte Mucki, — — — „und ich werde mi/ die Ehre geben, Ihnen das Präparat morgen selbst zu überbringen, wo mit ich verbleibe — einer löblichen Stadtverwaltung allcrergebenster Direktor dcr .Ocstcrrei chischen Radiummaunfaktur'".