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Nr. 210. Pulsnitzer Tageblatt. — Sonnabend, den 5. Dezember 1925. Seite 10. ** Gefährliches Spiel. Durch Spielen mit Patronen hülsen ist, wie aus Wolgast gemeldet wird, wieder ein mal ein schweres Unglück verursacht worden. Der 14 Jahre alte Willi Jahn ing war damit beschäftigt, in einem Löffel Blei im Ofen flüssig zu machen. Der Bruder des Knaben, der 22jährige Max Iahning, goß das Blei in 9 Milli meter breite Patronenhülsen. In einer der Hülsen befand sich noch der Zündhut und Pulver. Beim Aufgießen des flüssigen Metalls erfolgte die Explosion, wodurch die beiden Brüder und der 6jährige Erich Schuhmacher schwer ver letzt wurden. Der ältere der beiden Brüder wurde ins Krankenhaus nach Greifswald gebracht. " Ein sensationeller Versicherungsbetrug. Einen einzig dastehenden Versicherungsbetrug hat der in Nesselwang im Allgäu wohnhafte Skifahrer Theodor Ports verübt, indem er einen tödlichen Absturz erdichtete, um sich in den Besitz der Versicherungssumme über 120 000 Mark zu setzen. Die Frau des angeblich Verunglückten hatte sechstausend Lire für die Bergung der Leiche ausgesetzt. Später trat die Frau an die Versicherungsgesellschaften heran mit dem Ersuchen um Auszahlung der Versicherungssumme. Eine Gesellschaft zahlte auch 15 000 Mark aus, drei andere aber vertraten den Standpunkt, daß erst nach der amtlichen Todeserklärung die Summe ausaezahlt werden könne. Im November erfuhr nun die Polizeibirektion München, daß sich Ports im Elsaß aufhalte und bereits fünf Tage nach seinem angeblichen Ab sturz in der Nähe von Metz eingetroffen war. Frau Ports wurde verhaftet. ** Große Spritschieberaffäre. Eine aufsehenerregende Spritschiebungsaffäre hat sich in Tilsit ereignet. Auf dem Bahnhof sind 30 000 Liter Transitsprit, die für das Memel gebiet bestimmt waren, nach Insterburg verschoben worden. Auf Anordnung des Landesfinanzamts Königsberg wurden einige Personen, darunter einige Zollassistenten und die Spediteure Gebrüder Kubarth festgenommen. Der eine Zollasststent, N old e, hat sich seiner Verhaftung durch Selbst mord entzogen. " Ein englisches Motorschiff auf Grund geraten. Das englische Motorschiff „G lensmo y" ist im Hafen von Stettin bei Tonne 5 auf Grund geraten. Mit den Bergungs arbeiten ist bereits begonnen worden, doch wird das Schiff erst einen Teil der Ladung ableichtern müssen, ehe es ge lingen dürfte, es wieder flott zu machen. ** Eisenbahnunfall. Der aus Basel kommende V-Zug 355 fuhr mit sehr großer Geschwindigkiet in der Nähe der Station Zalt - Bommel auf zehn von einem-Güterzug abgerissene und auf dem Gleis stehen gebliebene Kohlenwagen auf. Trotz der Heftigkeit des Zusammenstoßes wurden Personen nicht verletzt. Sechs Kohlenwaggons wurden zerstört. Nach beiden Richtungen erlitt der Zugverkehr erhebliche Verzögerungen. Angeblich ist der Zusammenstoß darauf zurückzuführen, daß der Maschinist des D-Zuges ein Haltesignal überfahren hat. " Richard-Strauh-Konzert in Turin. In Turin (Italien) fand das erste der Richard-Strauß-Konzerte statt. Unter den Anwesenden wurde auch der italienische Kronprinz bemerkt. Der Erfolg war außerordentlich groß. Handel. Berliner Börse vom Freitag. Die schaffe Abschwächung zum Schluß der Donnerstagbörse hat sich auf den Freitagverkehr nicht übertragen. Zwar war die Stimmung anfangs etwas schwächlich, jedoch trat bald darauf eine Erholung ein. Effektenmarkt. Die Schutzgebietsanleihe hatte mit 3,928 Prozent eingesetzt. Die öproz. Reichsanleihe eröffnete mit 0,1725 und zog späterhin auf 0,175 an. Von Bankaktien gewannen Berliner Handelsanteile und die Anteile der Reichsbank je 0,50 Prozent. Eisenbahnwerte vernachlässigt. Schiffahrts. aktien nicht ganz einheitlich. Am Montanaktienmarkt überwogen oie Kursbesserungen. Kaliwerte waren erneut rückläufig. Von chemischen Werten gaben Anglo Guano um 2 Prozent nach. Farbwerte vernachlässigt und wenig ver ändert. Elektrizitätsaktien lagen nicht ganz einheitlich Waggonaktien verkehrten in sehr ruhiger und wenig ver änderter Haltung. Vom Glück vergessen. Roman von Fr. Lehne. 70. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Ach Gwendoline! Sie hat mich nie verstanden. Doch ich "verzeihe ihr. Mein Los war, verkannt zu werden in meinen besten Absichten und Wünschen. Nur du, Mut lerle, hast mich verstanden, und das danke ich dir in meiner letzten Stunde." Jedes Wort machte ihm Beschwerden; sein Sprechen sank zu einem unhörbaren Flüstern. — „Mama, grüße mir auch die Hanna! Sag' ihr, daß ich sie doch geliebt, mich ihrer aber nicht würdig genug suhlte — ich wollte nur erst innerlich reifer werden! Ah, der elende Zwiespalt in mir — ich bin kein ausgeklügeltes Buch, ich bin ein Mensch voll Widerspruch — und du, Mama, hast immer meine größte Liebe besessen aber das Leben hat mir jetzt einen Ekel eingeflößt —" Er tastete nach ihrer Hand. Die Krankenschwester, die etwas abseits gestanden, trat näher und gab ihr einen Wink — es war Zeit zu gehen! Die Baronin zwang ein Lächeln um den bebenden Mund. „Ich muß jetzt fort, mein Bub! Doch ich komme morgen wieder —" Sie wäre so gerne geblieben; aber sie mußte sich dem Gebot fügen — ohne Widerspruch. Sie neigte sich über den Sohn zum Abschiedskuß. Da erfaßte ihn jäh eine heiße Angst — er hielt mit feiner letzten Kraft ihre Hand. „Du bleibst, Mutter, du bleibst hier ich fühle es, ich muß sterben! — Du hast mir das Leben geschenkt, ei nun auch in meiner letzten Stunde bei mir —! Aber ich will doch nicht sterben — er richtete sich mühsam auf und starrte mit weit offenen Augen geradeaus. Gwendoline war es sehr peinlich, dem Herzogpaar von den Ereignissen der letzten Tage zu berichten. Ernst und traurig sah Maria Christina sie an. Sie schüttelte den Kopf, wie nicht begreifend. „Warum hast du mir nichts gesagt? Ich stand doch zu deiner Verfügung, Gwendoline! — Um Geld ein Men schenleben zu opfern! Ein Wort hätte es dich gekostet — und das alles wäre nicht geschehen —" sagte die Herzogin mit ernstem Vorwurf. Der Herzog sagte gar nichts, er sah Gwendoline nur unverwandt an. Ostdevisen: Warschau 63,36 G 53,64 B, Riga 80,20 G 80,60 B, Reval 1,117 G 1,123 B, Kowno 41,395 G 41,605 B, Kattowitz 55,86 G 56,14 B, Posen 44,86 G 45,14 B. — Noten: Gr. Polen 59,70 G 60,30 B, Kl. Polen 59,70 G 60,30 B, Letten 79,40 G 80,20 B, Esten 1,095 G 1,105 B, Lit. 40,89 G 41,31 B. Amtliche Devisen-Notierung. Devisen (in Reichsmark) 4 Dezember 3 Dezember Geld Brie« Geld Brie! M M. M Di New Dork , . 1 r 4,195 4,205 4,195 4,205 London . . . . 1 ^6 20,342 20,392 20,322 20,372 Amsterdam > 100 Fl. 168,59 169,01 168,66 169.08 Kopenhagen , 100 Kron. 105,07 10^,33 104,35 104,61 Stockholm . . 100 Kron. 112,11 112,39 112,16 112,44 Oslo 10V Kron. 85,56 85,78 85,19 85,41 Italien .. , 100 Lire 16,90 16,94 16,905 16,945 Schwei- ,, . 100 Frcs. 80,84 81,04 80,82 81,02 Paris . , ,, 100 Frcs. 16,085 16,125 16,06 16,1U Brüssel .. . 100 Frcs. 19,0 i 19,05 19,01 19,05 Prag . .. . 100 Kron. 12,425 12,465 12,415 12,455 Wien ..... 100 Schill. 59,15 59,29 59,16 59,3V Spanien . . 100 Peseta 59,53 59,67 59,33 b9,47 Bankdiskont: Berlin 9 (Lombard 11) Amsterdam 4, Brüssel 7, Paris 6, London 5, Wien 9, Prag 614. Amtlich festgesetzte Preise an der Produktenbörse zu Berlin vom 4. Dezember. (Getreide und Oelsaaten per 1000 Kilogramm, sonst per 100 Kilogramm, alles in Reichsmark.) Weizen, märkischer 256—260, Dezember 270—268,50, März 282 bis 278, Mai 284—280, fest. Roggen, märkischer 161—165, De zember 174—172, März 190,50—187,50, Mai 195—193, fest. Gerste, Sommergerste 194—218 (feinste Qualitäten über Notiz), Futter- und Wintergerste 158—171, fester. Hafer, märkischer 170—180, März 184 u. Brief, stetig. Mais loko Berlin 185—195, Platamais 205—208, stetig. Weizenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz) 33,75—38, sehr fest. Roggenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin brutto inkl. Sack 24,25—26,25, fest. Weizenkleie frei' Berlin 11,60—11,75, fester. Roggenkleie frei Berlin 9,80—10,10, fester. Viktoria-Erbsen 25 bis 32; kleine Speiserbsen 22—24; Futtererbsen 19,50—20,50; Peluschken 17—18; Ackerbohnen 20—21; Wicken 20—22; Lupinen, blaue 11,75—12,25; Lupinen, gelbe 12—14,50; Serradella, neue 19—21; Rapskuchen 15,20—15,60; Leinkuchen 23,20—23,40; Trockenschnitzel 8,10—8,60; Sojaschrot 21,60—21,70; Torfmelasse 30/70 7,80—8; Kartoffelflocken 15-15,40. Amtlicher Marktbericht vom Magerviehhof in Friedrichsfelde vom 4. Dezember. Der Austrieb betrug 691 Stück Rindvieh, darunter 649 Milchkühe, 2 Zugochsen, 13 Bullen, 27 Jungvieh, 110 Kälber, 430 Pferde. Der V rlauf des Marktes war bei Großvieh langsam; Preise für geringe Quali täten gedrückt; für Pferde stilles Geschäft. Es wurden gezahlt für das Stück in Reichsmark: -1. Milchkühe und hochtragende Kühe: 1. Qualität 400—550, 2. Qualität 300—400 3 Qualität 200—300. Ausgesuchte Kühe und Kälber über Notiz. 8. Tragende Färsen: 1. Qualität 250—430, 2. Qualität 160—230. Ausgesuchte Färsen über Notiz. L. Jungvieh zur Mast: Bullen, Stiere, Fär sen 36—40. Ausgesuchte Posten über Notiz. — Pferdemarkt. Die Preise lauteten in Reichsmark und für das Stück für 1. Kl. 900—1200, für 2. Kl. 600—900, für 3. Kl. 300—600, für 4. Kl. 50—300. Magdeburger Zuckernotierung vom 4. Dezember. (Zuckerterminpreise, Weißzucker inkl. Sack frei Seeschiffsseite Ham burg für 50 Kilogramm netto.) Dezember 13,90 D 13,70 G, Januar 1926 14,10 B 13,90 G, Februar 14,30 D 14,20 G, März 14,40 B 14,30 G, April 14,45 B 14,35 G, Mai 14,60 B 14,50 G, August 14,90 B 14,80 G. Tendenz: Behauptet. Kartoffelerzeugerpreise: Keine Notiz. Wegen Frost nur kleines Geschäft, aber lebhafte Nachfrage. Die Viehmärkte der Woche. Erneuter Preisrückgang! Der Auftrieb an Schlachtvieh zu den Märkten in dieser Woche war in allen Gattungen, außer bei Schweinen, auf den meisten Märkten wieder niedriger. Das ruhige Geschäft hielt fast überall weiter an, und trotz der geringeren Zufuhren machte die leit einigen Wochen anhaltende Abwärtsbewegung weitere Fortschritte. Während Rinder auf einer ganzen Reihe von Märkten eine Kleinigkeit höhere Preise erzielen konnten, bzw. noch unverändert blieben, meist aber doch niedriger notierten, gingen die Preise für Kälber, Schafe und Schweine fast durchweg weiter zurück, und zwar wurden Kälber um 1—10 Pf., Lchase um 1—6 Ps. und Schweine um 1—8 Ps. je Pfund billiger bzw. notierten vereinzelt unveranvert. Auf den 1 Pfund Lebendgewicht in Rinder Berlin .... 20—50 Bremen . . . 25—56 Breslau . . . 18—53 Chemnitz . . . 18—54 Danzig*) . . . 15—45 Dortmund . . 15—53 " Dresden . . . 25—60 Düsseldorf . . 25—63 Elberfeld . . . 20—58 Essen .... 25—60 Frankfurt a. M. 10—60 Hamburg . . . 14—55 Hannover . . 15—53 Husum (keine Zufuhr) Karlsruhe . . 18—58 Kassel .... 20—57 Kiel .... 16—51 Köln .... 20—60 Leipzig . . . 20—55 Magdeburg . . 18—54 Mannheim . . 14—56 München . . . 18—63 Plauen . . . 18—57 Stettin . . . 8—54 Stuttgart . . . 13—56 Zwickau . . . 15—52 nachstehenden Pfennig: Kälber 40-93 38—90 47—68 45—74 24—74 40—9V 45—72 50—90 50—85 45—90 35—70 30—95 30---8S 65—72 40—55 27—68 52—82 34—67 30—60 48—75 55—74 60—70 30-90 52-70 40—70 Märkten notierten für Schafe Schweine 29—52 78—90 30—5V 70—85 30—51 72—91 30—46 75—95 12—30 52—65 22—53 75—88 26—60 70—98 38—43 80—92 30—55 80—90 30—48 80—89 24—50 78—91 20—46 70—88 20—45 70—88 — 80—90 - 75—92 20—45 49—89 25—50 74—91 20—55 76—95 20—40 70—90 29—86 68—93 — 60—90 26—55 87—1VV 12—42 80—95 70—96 25—50 82—98 *) Für 50 Kilogramm Lebendgewicht in Danziger Gulden. Marktpreise in Kameaz am 3. Dezember 1925. Am heutigen Wochenmarkte wurden gezahlt pro Zentner: Weizen 11,00-11,50 Mark Roggen 7,50-8,00 Maik, Gerste 9,00 10,00 Mark, Hafer 8,00- 9M Mart, H e u 4 25—4,50 Mart, Stroh 1,00-1,25 Mark, Kartoffeln: Erzeugerpreis: 1,80 bis 2,00 Mark, Rutter Pfund 2,20—2,30 Mark, Eier 18 Pfg. das Stück. Gänse Pfund 0.80-1.10 Mark. Ferkelmarkt. Ferkel 22,00—30,00 Mark, Läufer, niedrig ster — M, höchster — Di das Stück. Für ausgesuchte Ware Preis über Notiz. Dresdner Provakreadörse vom 4. Dezember 1925. Weizen, inländischer, Basis 74 Kilogramm 238—243, fest. Roggen, inländischer, Basis 71 Kilogramm, 169 — 174 fest. — Sommergerste, sächsische 205—225, fester — Wintergerste 180—190, ruhig. Hafer, sächsischer neuer 160—185 ruhig; preußischer neuer 190 — 195, ruhig. — Raps 320—340, ruhig. — Mais (Laplata) 210—215, fest; Ciuquantin 245 - 255, fest. — Trockenfchmtzei 11,00-11,2S, fest. — Zuckerschnitzel 17-19, ruhig. — Kartoffel flocken 18,50—19,00, fester — Weizcnkleie 11,00—11,50, ruhig — Roggenkleie 10,50—11,70, ruhig. — Dresdner Marken: Kaiser.Auszug: 50,50—52,00, ruhig. — Bäckcrmnndmehl 42,00 43 00, ruhig. — Weizcunachmehl 18,50—19,50 ruhig. — Jnlandswrizenmehj, Type 70"/,, 37,50 39,00 ruhig. — Roggenmeh! 01, Type 60"/,, 30,50 bis 31,50, ruhig; Roggenmehl I, Type 70"/„ 28,50- 29,10, ruhig — Roggennachmehl 17,50—18,50, ruhig. Feinste Ware über Notiz. Die Preise verstehen sich bis ein schließlich Drais per 1000 Kilogramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Reichsmark. Rotklee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen Mehl (Mehl frei Haus) in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager DreSdei, alles andere in MirSesim.mgen von 10000 Kilogramm waqgonsrri söeksiick' > BersandOotio»» Voraussichtliche Witterung. Sonntag: Trockene strenge Kälte, vielfach heiter, stellenweise starker Nebel. — Montag: Südlichere Teile: Heiter, trocken, vielfach staiker Nebel, strenge Kälte; später Frost mäßiger, zeitweise Schec. Norden: Frost mäßiger, zeitweise Schnee, wolkiger, vorübergehend Temperatur nahe Null. — D i e n s l a g: Affgeheilert, kälter. Kirchen-Nachrichten. Reichenbach Sonntas, 6. Dezember, 2. Advent: 9 Uhr Prcdigtgotbsdienst (Herr Pfarrer Höhne, Oberlichtenau); darnach Abendmablsfeier in kurzer Form. 2 Uhr Unterredung mit Taufe. Donnerstag, 10. Deznnber: Bibelstunde in Nledcrlichicnau (bei Herrn Böhme) „Hoheit, es wäre ein Wasserschöpfen mit Sieben gewesem Ich hatte Hoheit schon von meinem Bruder erzählt — ich konnte Hoheit nicht damit belästigen! Bei der Veranlagung meines Bruders wäre es ganz zwecklos! Ich. habe schon mehr als genug für ihn getan — ich fühle mich frei von aller Schuld." . Maria Christina schauerte le,cht zusammen. „Und dennoch," flüsterte sie mtt blassen Lippen, „du bist hart, Gwendoline —" " ... . . „Man muß es manchmal sein, Hoheit, und wenn es einem das Herz brechen will. Meins Mutter ist untröstlich! Malte war ihr Abgott und mir zürnt sie — wir sind uns innerlich nicht nahe gekommen! Ich bin immer allein gewesen —" Der Herzog sah mit verzehrendem Blick auf die schwarz gekleidete Mä'dchengestalt mit dem ernsten schönen Gesicht, und heiß wallte es in ihm auf. „Allein sind Sie, Fräulein von Reinhardt? Es dauert aber doch sicherlich nicht mehr lange, daß dieses Wort für Sie Geltung hat," bemerkte er lächelnd, „wenn Sie einmal heiraten —" „Ich heirate nicht, Hoheit —" - „Mit solcher Bestimmtheit behaupten Sie das? Das läßt beinahe auf eine unglückliche Liebe schließen, Fraulein von Reinhardt —" Scherzhaft drohte er mit dem Finger, sie dabei gespannt anblickend. Langsam stieg ihr die Röte in das blasse Gesicht. „O nein, Hoheit, ich liebe nicht unglücklich. Aber das Glück liebt mich nicht es hat mich vergessen —" „Beklagst du dich, Gwendoline? Wie viele teilen doch dein Geschick! Du aber hast etwas vor ihnen voraus: Dir gab ein Gott zu singen, was du leidest " Die Herzogin mußte husten; sie sah recht angegrifsen aus; ein böser, langwieriger Katarrh machte ihr zu schaffen. Der Herzog erhob sich, um die Damen zu verlassen. Er streifte Gwendoline mit einem seiner heißen Blicke, vor denen sie sich seit einiger Zeit fürchtete. „Heitern Sie mir die Herzogin ein wenig auf!" sagte Vichts Trauriges sehen und hören." Noch am gleichen Tage, als Maria Christina ein wenig ruhte, gelang es ihm, Gwendoline unbeobachtet zu sprechen. Es war im kleinen Salon der Herzogin, in dem sie nur ihre Vertrautesten empfing und mit ihnen plauderte. Gwen doline erschrak, als sie ihn so unvermutet erblickte. Er faßte nach ihrer Hand. „Die Herzogin schläft noch," sagte er leise, „und ich möchte Sie bitten, die Farbe der Trauer abzulegen, da sie das düstere Schwarz nicht liebt!" Nur, um ihr das zu sagen, hatte er hier auf sie ge wartet? Eine unbestimmte Angst erfaßte sie vor dem schwer atmenden Mann, der jetzt hastig fortfuhr — „Gwendoline, ich habe schon lange auf den Augenblick gewartet, in dem ich Sie einmal sprechen konnte —! Sie können von mir fordern, was sie wollen — weil ich Sie froh sehen will! Die schönen Augen, die mich ganz gefangen haben, sollen froh blicken, und der schöne Mund da soll nicht so häßliche Worte sagen wie vorhin, der soll lächeln, mir lächeln —! Vom Glück vergessen! Sie sind es nicht, Gwendoline, wenn Sie es nicht wollen! Ein so schönes Weib hat nicht nötig zu klagen, daß es vom Glück vergessen ist! — Gebieten Sie über mich, Gwendoline — und alles, was ich bin, gehört Ihnen." Sie fühlte seine heißen Lippen auf ihrer Hand. Entsetzt starrte sie ihn an. Sie riß sich los von ihm und flüchtete in die äußerste Ecke des Zimmers. „Wenn Sie einen Wunsch haben, Gwendoline —" sagte er leise, ihre Bestürzung nicht verstehend, für glückselige Ueberraschung haltend. „Ich möchte jetzt allein sein, Hoheit " stieß sie mit er stickender Stimme hervor, und als er sich mit vorsichtigen Schritten entfernt hatte, stand sie noch immer regungslos da — nur der eine Gedanke brannte in ihrem Hirn: „Fort, du mußt fort von hier! Du kannst nicht mehr hier bleiben!" Diese Zufluchtsstätte war ibr nun auch wieder genommen — und ohne ihre Schuld! Das Glück hatte sie doch vergessen! Heimatlos, fried los war sie — von vorn mußte sie aufbauen, mußte auf die glänzenden Zukunftsaussichten, die sich ihr hier ge boten, freiwillig verzichten, wenn sie vor sich selbst be stehen wollte! (Fortsetzung folat.1