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Nr. 267. innerhalb des^Deu^jchen^ iRefches^ Ni^tmitglisöer^im ^ A«U^berechaet. — In dem illust^srl^, TeU: sür Mitgtteder ^ ^r36^Ä?r»" i?hrUch?o^^ch ^em^ÄusU-nd Äokgt?!e?eimog N «oUm 15-pf^^S^z!50M^/s.2SM^ V.^50 M.° sür Mich " « ^Z vber Lei^r^ig oder durct^ Kreuzband, an «Hich!mit^liedec in Mitglieder 4d ^pf.. 52 M.. 60 M.. 100 M. — Deilagen werden « N^MuinöMWnMrÄMUNLNWM'üctjNM^^ Letpjtg, Donnerstag den 16. November 1818. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Filmroman und Nomanfilm. Bon Josef Rieder (Steglitz). Wie in so vielen anderen Fällen, so stützt auch die Wertein- schätzung eines Dichterwerkes auf grotze Schwierigkeiten. Im all gemeinen spricht man beispielsweise bet einem Roman von seinem literarischen oder dichterischen Wert; das ist ein sehr ungenauer Begriff, und die Kritik geht bei ein und demselben Werke weit auseinander. Was dem einen ein Machwerk schlimmster Sorte er scheint, ist dem andern unter Umständen ein Kunstwerk ersten Ranges. Die Gegensätze sind gewöhnlich unvereinbar. Es gibt noch einen anderen Wertmesser, der wenigstens scheinbar auf fester Basis steht — der buchhändlerische Erfolg. Dieser aber wird nur selten als verlässiger Matzstab für den inneren Wert anerkannt, und mau muß sagen — nicht mit Unrecht. Ir gend eine Modeströmung reißt recht platte Werke mit sich, ver- hilft ihnen zu Riescnauslagen, oder ein ausgcschlachtetes sen sationelles Ereignis bewirkt dasselbe. Nach kurzer Zeit wird daun erkannt, daß der vermeintliche Stern am literarischen Him mel Wetter nichts als eine Rakete mit Leuchtkugeln war. Eigentlich gäbe es schon einen richtigen Wertmesser. Statt des literarischen Wertes müßte man eigentlich fragen: welchen kulturellen Wert hat das Werk? Ist es so beschaffen, daß es eine Bereicherung unserer Kultur vorstellt? Gut in diesem Sinne wäre alles, was den Lesern gute neue Gedanken gibt oder doch zu solchen anregt. Gut, was ihm hilft, aus der Flut der Neuer scheinungen das täglichen Lebens das Wertvolle zu erkennen, Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Gut, was ihm Einblick in verwickelte wirtschaftliche Verhältnisse gibt, latente Energien zum eigenen und zum Nutzen der Allgenreinheit auslöst. Gut schließlich alles, was die sittlichen Kräfte des Volkes zu heben vermag und ihre Indienststellung für das Gedeihen der Nation fördert. Aber damit das alles in Wirkung tritt, ist es erforderlich, daß das Werk zugleich spannend und unterhaltend ist, weil sonst ein buchhändlerischer Erfolg ausgeschlossen erscheint. Ein Ro man aber, der dem Verleger unverkauft auf dem Lager liegt oder doch nur sehr geringe Verbreitung findet, kann beim besten Willen seine Aufgabe nicht erfüllen. Er gleicht einem in der Tiefe der Erde liegenden Edelstein, der ja auch erst seinen Zweck erfüllt, wenn er an das Licht des Tages gezogen ist. Eine solche Bewertung stimmt allerdings nicht mit der rein literarischen überein. Diese legt mehr Wert auf Stil, Feinheit der Ausarbeitung, Schönheit der Sprache, wie überhaupt auf die äußere Form. Gewiß ist es ungemein wertvoll, daß auch in dieser Hinsicht das Bestmöglichste geleistet wird. Aber man ver gißt zu leicht, daß cs nur ganz wenige Autoren gibt, die allen diesen Anforderungen gerecht lvcrden können und imstande sind, Werke von bleibendem Werte zu schaffen. Das Gros wird sich immer bescheiden müssen, für seine Zeit Wertvolles zu leisten, und auch das ist keine unfruchtbare Arbeit, wenn sie gut getan wird. Aber wie mau auch das Ziel steckt, zwischen dem Wünschens werten und Erreichbaren bleibt doch meist eine unüberbrückbare Kluft. Je leichter und vielgestaltiger das Leben durch die moderne Kulturentwicklung wird, desto schwerer ist es zu fassen, desto bilderreicher muß die Sprache sein, will sie auch nur einen Aus schnitt aus dem Ganzen auf das Papier zaubern. Und je bilder reicher sie wird, desto mehr verliert sie an Allgemeiuberftändlich- keit, desto weniger ist sie Volkssprache. Die Chancen einer wei teren Verbreitung sinken. Dies erscheint auf den ersten Augenblick paradox, denn eigentlich müßte gerade die Sprache um so verständlicher sein, je bilderreicher sie ist. Gewiß ist das auch bis zu einem gewisse» Grade richtig, nämlich so lange der Autor mit Vergleichsbildern auskommt, die jedermann kennt. Damit kann er aber das mo derne Leben nicht mehr meistern — er muß schon höher greifen, Vergleiche heranziehcn, die selbst wieder nur einem Teil der Le serwelt bekannt fein können. In dieser Hinsicht herrschen ganz falsche Vorstellungen. ES wird ganz vergessen, daß die Sprache nicht selbst im Gehirn des Lesers Bilder hervorzaubern, sondern nur vorhandene zur Aus lösung bringen kann. Beschreibt ein Schriftsteller mit dem größten Auswande von Gestaltungskraft den Ort der Handlung, sei es eine Landschaft oder Stadt, — wir werden das Geschilderte niemals wirklich vor uns sehen. Wir holen ein Vergleichsbild aus dem Vorrat un seres Gedächtnisses, und es kommt deshalb ganz darauf an, was wir in unserem Besitze haben. Spielt beispielsweise ein Roman in München, so wird der Bewohner dieser Stadt mehr im Bilde sein als einer, der vorübergehend als Besucher dort war — dieser wieder mehr als jemand, der München nur teilweise aus Bildern kennt. Wer gar nichts gesehen hat, setzt an die Stelle ein an deres Stadtbild, das natürlich der Wirklichkeit ganz und gar nicht entspricht. Das ist ja schließlich noch nicht schlimm, wie cs vielleicht auch nichts schadet, wenn der Held oder die Heldin, lote sie dem Autor vorschwebteu, beim Leser durch eine bekannte Gestalt ersetzt werden, die gar nichts mit dem Urbild gemein hat, wenn auch innerlich damit der Einfluß des Schöpfers ausge- fchaltet wird. Schlimmer dagegen wird es schon, wenn Lebensgewohn heiten und Sitten geschildert werden. Damit wird bereits viel Unheil angerichtet, weil statt des so notwendigen gegenseitigen Verstehens, das allein die Menschen näherbringen kann, gerade neue Mißverständnisse geschaffen werden. Daß so viele unreife Menschen von den Großstädten angezogen werden und Schiff bruch leiden, wird zum guten Teil durch Lektüre mit verursacht, und zwar nicht nur durch schlechte, sondern ebenso durch gute. Der Leser, dem die Bilder des Großstadtlebens nicht vertraut sind, sieht gerade da etwas Verlockendes, wo der Dichter ab- schrccken möchte — es geht ihm wie dem Großstädter im Gebirge, der gewisse Gebirgsromane gelesen hat und nun auf der Suche nach den wunderschönen Sennerinnen ist. Noch unverständlicher wird der Roman, wenn er in wirt schaftliche Verhältnisse hineinleuchten will, die heute so ver zwickt wie möglich sind. Es wird dem Romancier wirklich nicht leicht gemacht, die Forderung zu erfüllen, daß der Roman ein Spiegelbild des Lebens sein soll, will er wahr bleiben und all- gemeinverständlich sein. Das ist keine Erkenntnis von heute — es ging den früheren ! Dichtern ebenso, nur war das Leben einfacher und durchsichtiger,