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für die Allgemeinheit fast gar keine Bedeutung. Das Fleisch dieser Thiere kommt doch wohl nur auf den Tisch der Wohlhabenden, der sogenannte» obere» Zehn tausend. Ob diese für ein Pfund Fleisch 10 oder 20 Pf. mehr bezahlen, drückt sie nicht weiter, Wenns ihnen auch etwas unbequem sein mag. Etwas Anderes ist aber, wenn der kleine Mann, der Arbeiter und auch der Mann des Mittelstandes, höhere Preise für die tägliche Nahrung anzulegen gezwungen wird. Diese olle müssen ihre Lebensführung nach dem schmalen Inhalte ihres Geldbeutels einrichten und werden natur- I gemäß weniger Fleisch verzehren, als ini Interesse der! allgemeinen Volksernährung gut ist." I Breslau, 9. November. Hiesige Oesterreicher slvavischer Abstammung erhielten polizeilicherseits die I Aufforderung, binnen 14 Tagen das preußische Gebiet zu verlassen. Oesterreich-Ungarn. — Bei den Anklageanträgen gegen das Ministerium Thun im österreichischen Abgeordnetenhausekam es am Dienstag zu wüsten Auftritten. Einen furchtbare» Entrüstungssturm rief Wolf hervor, als er in einer thatsächlichen Berichtigung sagte, das polnische Volk sei ein Schmarotzervolk. Die Polen und Tscheche» breche» in wilde Rufe aus: „Hinaus! Das lassen wir uns nicht gefallen, man muß ihn ohrfeigen, preußischer Spion!" Zahlreiche Abgeordnete der Rechten stürzten auf Wolf zu und umdrängen ihn mit drohenden Geberden. Die Skandalszene endete nach viertelstündiger Dauer, indem der Präsident Wolf das Wort entzieht. Der Skandal wiederholt sich, als der Sozialdemokrat Daschinsky Wolf einen politischen Bettler nennt, der in Böhmen Geld für sich sammeln läßt (Wolf ruft: Lügner und Schurke! Großer Lärm); er spreche ihm im Namen des polnischen Volkes Verachtung aus. Während Daschinsky noch > spricht, giebt der polnische Bauer Kubik, ein Mitglied der Stojalowskipartei, Wolf von rückwärts einen heftigen Stoß. Der Deutschnationale Hofer sagt zu Kubik: „Das ist hundsgemein, hinterrücks Jemand anzufallen, echt slavisch!" Unter fortdauerndem Tumult erklärt! Gniowosz Namens des Polenclubs, ein Gassenbube könne die polnische Nation nicht beleidigen. (Stürmischer Beifall rechts). Damit war der peinliche Auftritt zu Ende. Wolf wird Gniowosz, der Rittmeister a. D. ist, fordern. Das Abgeordnetenhaus lehnte schließlich mit 187 gegen 115 Stimmen die Anträge der Abgg. Kaiser und Schönerer auf Versetzung des Ministeriums Thun in Anklagezustand ab. Frankreich. Paris. 9. November. Es verlautet, daß Kaiser Wilhelm seine Rückkehr nach der Heimath nicht so sehr wegen der Komplikationen in Afrika als wegen der Philippinenfrage beschleunige, die einen akuten Charakter annehmen dürfte, falls Amerika thatsächlich die Philip pinen um 200 Millionen Pesetas von Spanien käuflich erwerben sollte. Bei einer solchen Veränderung würde Deutschland eine Kohlenstation auf den Philippinen in Anspruch nehmen. Paris, 9. November. Der Kassationshof scheint entschlossen zu sein, die Untersuchung der Dreyfus An gelegenheit so schnell wie möglich zu führen. Er hält seit heute früh 9 Uhr eine Sitzung ab, um Cavaignac zu vernehmen, besten Verhör noch audauert. Die Sitzung wurde nur durch die Frühstückspause unterbrochen. Zur- Verhinderung von Indiskretionen sind andauernd die strengsten Maßregeln getroffen. — Der Londoner „Daily Chronicle" veröffentlicht aus angeblich gut unterrichteter Quelle eine erstaunliche, Mittheilung, der zufolge in Paris eine Verschwörung bestehe, die für den Fall, daß der Kassationshof eine Revision des Dreyfus-Prozesses oder die Niederschlagung des ersten Prozesses verfüge, einen Handstreich zum Umsturz der Civilgewalt in Frankreich und zur Er-1 mordung aller hevorragenden Parteigänger Dreyfus' bezwecke. Die Pariser Polizei habe Kenntniß von der Verschwörung erlangt und die Geächteten bereits gewarnt, daß ihr Leben in Gefahr schwebe; auch lasse sie ihre Wohnungen mit Geheimpolizisten bewachen. Die Mit glieder des Kassationshofes empfingen täglich Schmäh- und Drohbriefe. Der Pariser Vertreter der „Daily Chronicle" pflog infolge dieser Enthüllung Unterredungen mit Pressens« und Senator Trarieux, die beide bestätigten, der Polizeipräfekt habe sie gewarnt; Pressens« habe seine Wohnung gewechselt, Trarieux gehe nie ohne Revolver in der Tasche aus. — Wie aus Paris gemeldet wird, sollten in der auf gestern angesetzt gewesenen Sitzung der Friedens- conferenz die amerikanischen Delegirten die Antwort Amerikas auf die Wünsche Spaniens bezüglich der Philippinen mittheilen. Das sehr lange Schriftstück war jedoch erst gestern Vormittag eingetroffen nnd noch nicht vollständig übersetzt worden. Die amerikanischen Delegirten verlangten deshalb Vertagung der Sitzung auf heute. Nach einer Madrider Meldung dagegen wird dort in gut unterrichteten politischen Kreisen ver sichert, daß die Verhandlungen vorläufig abgebrochen seien und die spanische Regierung sich nunmehr an die Mächte wenden werde, um einen Schiedsspruch über die Forderungen der Vereinigten Staaten zu erwirken. Die „Times" melden aus Philadelphia unter dem gestrigen Tage: Französische Inhaber spanischer Obli gationen, für die Cuba die Garantie leistet, haben durch die französische Botschaft beim amerikanischen Staats- I secretär Vorstellungen erhoben und auf das Dringlichste ! verlangt, daß die Vereinigten Staaten die neue Regierung in Cuba, wen» sie eingesetzt sei, veranlassen möge, die Garantie für diese Obligationen zu übernehmen. — Bei der letzten Vertheilung von Tabakverschleißen erhielt Bürger Curtat in Annecy einen solchen, weil er 1870 eine Fahne erobert habe. Nun sind aber all- niählich schon ein Schock Krieger wegen Eroberung einer Fahne belohnt worden, während die Jnvalidenkirche in Paris doch nur eine 1870 eroberte Fahne aufweist. — Bis jetzt begrüßten sich gleichnummerige französische und russische Regimenter drahtlich bei ihren Festen. Jetzt geht die Verbrüderung auch aus Feuerwehren über. Die Feuerwehr von Jekaterinoslaw hat zu ihrem Jahresfest den Obersten der Pariser Feuerwehr, Varigault, angedrahtet. Lertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 10. November. — Die 8. diesjährige Bezirksausschußsitzung findet Donnerstag, den 17. November 1898, Nachmittags 3 Uhr im Sitzungssaale der König!. Amtshauptmannschaft in Glauchau statt. — In der am Dienstag Nachmittag im Zwickauer Landgerichtsgebäude vorgenommene» Geschworenenaus- losung für die IV. Quartalsperiode des Schwurgerichts wurden unter Anderem folgende Herren zum Geschwo- ! renenamte bestimmt: Kaufmann Richard Woldemar Huschke in Glauchau, Fabrikbesitzer Ernst Julius Bößneck in Glauchau, Kaufmann EmilKratz in Glauchau und Färberei besitzer Hermann Gustav Meichsner in Glauchau, Fabrik besitzer Oskar Lebrecht Malz in Meerane, Oberrentmeister Müller in Waldenburg, Baumeister Julius Hedrich in Lichtenstein, Obersteiger a. D. Johann August Puschmann in Hohndorf bei Lichtenstein, Braugutsbesitzer Gustav , Emil Wetzel in Oberlungwitz, Kaufmann Emil Immanuel Eger in Mülsen St. Jacob, Bergdirektor Robert Hey in Gersdorf. — Der Reichsbankdiskont ist auf 5'/«, der Lombard- zinsfus auf 6'/, Prozent erhöht worden. Es ist dies unverkennbar ein Zeichen großer Geldknappheit. — Ganz eigenthümliche Begriffe von dem, was klug ist, muß ein Bewerber um ein Amt haben, das vor Kurzem in einer größeren Stadt zur Vergebung kam. Er stellte sich, wie das so üblich, dem Chef der Behörde vor, zu welchem Besuche er sich in Frack, weiße Hand schuhe und Halsbinde geworfen hatte. Er machte einen recht günstigen Eindruck. Bald darauf traten die Mi- chaelisferien ein, die der betreffende Stellenbewerber zu einem kleinen Ausflug benutzte. Auf diesem glaubte er sich in empfehlende Erinnerung rufen zu sollen, indem er dem Oberhaupte seiner Anstellungsbehörde eine Ansichtspostkarte mit Namenöunterschrifl zusandte. Dieser machte zwar große Augen, als er auf einmal ein; Karte „Gruß von der Bastei" von dem Stellenbewerber er- s hielt, von dessen Dasein er bisher nur aus seiner Be werbung Kenntniß hatte. Da dieser aber im Uebrigeu treffliche Zeugnisse hatte, widersprach Jener seiner An stellung nicht, indem er ihm nachher mit gute»' Humor mittheilen ließ, er möge seine nächste Ansichtspostkarte ihm erst dann zusenden, nachdem er ihm selbst eine ge schickt haben würde. — Zu Luthers Geburtstag. Der Geleitsbrief, den im Jahre 1521 Herzog Georg von Sachsen für den nach Worms reisenden Dr. Luther ausfertigte, hatte folgenden Wortlaut: „Wir, Georg, von Gottes Gnaden Herzog zu Sachsen, Landgrafs in Thüringen und Mar- graff zu Meißen usw. usw. fügen Allen und Jeden Unsern Amtleuten, Verwesern, Vögten, Geleitsleuten, Schößern, Bürgermeistern, Richtern, Näthen, Gemeinden und anderen Unterthanen und Verwandten hiemit zu wissen: Daß Röm. Kays. Majest. unser Allergnädigster Herr jetzo Dr. Martinum Luther erfordert hat, auf gegenwärtigen Reichstag anhero zu kommen. Dieweil derer derselbe Luther seinen Weg zum Theil durch Unser Fürstenthumb, Land uud Gebiete nehmen wird, so befehlen wir euch und wollen, daß Ihr gedachten v. Martin Luther allenthalben unverhindert und ohne Beschwerung durchpassiren und kommen laßt, ihm amt dage förderlich erscheinet, damit er sicher und ohne Ge fahr reisen und desto eher ankommen möge. Das ist Unsere Meinung und Gefallen. Geben zu Worms uuter Unser zurückgedruckten Secret (Siegel) besiegelt am 8ten Tage des Monats Martii Anno 1521." — Einen unbekannten Ausspruch Luthers enthält im Folio- Manuscript der herzoglichen Bibliothek in Gotha die I Colleckanea ad Historiam Hennebergicam 472 Blätter.) Es heißt darin: „Als Luther im Jahre 1518 zu dem Cardinal Thoma de Cajeta nach Augsburg reiste, be suchte er in Weimar das Barfüßerkloster, wo Johann Kestner, Provisor der Mönche, aus Mitleid zu ihm sagte: „O, lieber Herr Doctor, die Wahlen (Italiener) sind bey Gott gelehrte Leute, ich habe sorge, ihr werdet ewer fachen für (vor) ihnen nicht erhalten können, Wie auch Albertus Kranzius sagte, sie werden euch Alle darob verbrennen. Lntherus antwortete ihm: Mit Besseln ging es hin, aber mit Feuer were es zu heiß, bittet unsern lieben Herren Gott im Himmel mit einem Vater Unser für mich und sein liebes Kindt Christum, deß meine Sache ist; erhellt er nun dem die Sache, so ist sie mir schon erhalten; will er sie dem nicht erhalten, so werde ich sie auch nicht erhallen können. — Durch solche Reden Luthers und durch seine Schriften wurden Friedrich Mecum und Joh. Voitlichen, zwei Mönche in jenem Barfüßerkloster, sofort bekehrt und fingen an, gegen des Papstes Gräuel zu predigen." — Die „Meeraner Zeitung" schreibt: Am 29. März dieses Jahres wanderte der Sohn des hiesigen Ein wohners Herrn Hermann Klemm mit dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große" nach Amerika aus. Am 2. April, vermuihlich während das Schiff einen schweren Sturm zu bestehen hatte, schrieb er einen Zettel mit der Adresse seines Vaters und der seiner neuen Heimath, gab Datum und Zeit der Ausfertigung des Zettels mit an und bat, der Finder möge letztere an die angegebene Adresse seines Vaters senden. Den Zettel steckte er in eine Flasche und warf sie ins Meer. Das Schiff ist mit seinen Passagieren glücklich am Bestimmungsort an gekommen — aber auch die Flasche wurde gefunden. Dieser Tage erhielt nämlich Herr Klemm von einem beim Fischfang beschäftigten Matrosen aus dem franzö sischen Hafenort 8aiut Valkl^-tzn-Ouux (8muk lukkiikui«, Canal la Manche) einen Brief, in welchem er Herrn Klemm Mittheilung machte, daß er bei St. Pierre Mi quelon eine Flasche mit dem obengenannten Zettel auf gefischt habe und wenn Herr Klemm das Papier wünschte, er ihm es übersenden werde. Auf Wunsch des genannten Herrn sandte nun dieser Tage der Matrose, Francois Pupin ist sein Name, den in der Flasche gefundenen Zettel. Letzterer besteht aus dem Doppelblatt eines Notizbuches, die Schrift ist mit einem Bleistift geschrieben worden und vollständig erhalten. Die Flasche ist über ein halbes Jahr im Ozean herumgeschwommen ehe sie aufgefischt wurde. Dresden, 9. Novbr. Eine Abordnung der säch- rschen Armee unter Führung Sr. Excellenz des Kriegs- ninisters Edlen v. d. Planitz überbrachte Sr. König!. Hoheit dem Prinzen Georg die Glückwünsche der Armee und überreichte gleichzeitig als Geschenk eine Jardinire aus getriebenem Silber in' Rokokostil. Dresden, 9. Novbr. Prinz Georg empfing an einem heutigen Jubiläumstage nach einer Morgenmusik eine Deputation des 12. Armeekorps, die unter Füh rung des Kriegsministers die Glückwünsche der Armee und eine silberne Jardini^ überbrachte. Seine Maje- tät der König Albert und die königliche Familie be- flückwünschten den Jubilar, dem der König das Groß- reuz des St. Heinrichsordens verlieh. Leipzig, 8. November. Auf dem weiten Plane der vorjährigen Sächsisch Thüringischen Industrie- und Gemerbeausstellung herrscht regstes Treiben; über hundert Arbeiter sind mit den Planirungsarbeiten, mit der Her- ^ellung von Wegen rc. beschäftigt; schon gewinnt das Terrain das Ansehen öffentlicher Anlagen. In verhält- nißmäßig kurzer Zeit wird nach den Plänen der städtischen Gartenverwaltung der Albertpark auf dem Ausstellungs areale erstehen. Chemnitz, 9. Novbr. In der am 9. November stattgefundenen Ergänzungsmahl für die hiesige Gewerbe kammer sind die nachstehenden Herren gewählt worden: Herr Stadtrath und Maurermeister Carl Alb. Uhlmann in Stollberg, Herr Stadtrath und Tischlermeister Emil Jäger in Chemnitz, Herr Webermeister Louis Dähne in Hohenstein, Herr Stadtrath und Kaufmann Moritz Drechsler in Zschopau, Herr Tuchmachermeister Friedr. Goldberg in Oederan, Herr Schneiderobermeister Wilhelm Flurschütz in Chemnitz, Herr Stellmacherobermeister Eduard Heergeist in Lausigk, Herr Zinngießermeister Eduard Klemm in Waldenburg', Herr Schmiedemeister Carl Heinrich Fröbel in Waldheim, Herr Tape zierer Emil Benedix in Döbeln. Neugewählt sind die Herren Flurschütz, Klemm, Fröbel und Benedix, die üb rigen Herren sind wicdergewählt. Crimmitschau, 9. November. Der am gestrigen Tage in Zwickau abgehaltenen Versammlung des ärzt lichen Bezirksvereins Zwickau lehnte die Gesuche der hiesigen Ortskrankenkassen und des Krankenkaffen verbandes, für ärztliche Behandlung 2 Mark pro Kopf nnd Jahr zu bezahlen, mit 16 gegen 13 Stimmen ab. Die von den Kaffen gewählten Aerzte waren zur Sitzung vollzählig erschienen und stimmten für die Ge suche. Gerichtsverhandlungen. Zwickau, 8. Nov. Der Agent Robert Hermann Dressel aus Niederplanitz ist wegen Verkaufs von Ge heimmitteln im Umherziehen zu einer Zuchthausstrafe von 5 Jahren, zu einer Geldstrafe von 300 Mk. oder wei teren 40 Tagen Zuchthaus und zum Verlust der bürger lichen Ehrenrechte auf 10 Jahre, außerdem wegen Bei legung eines falschen Namens einem zuständigen Beamten gegenüber zu einer einwöchigen Haftstrafe verurtheilt worden. Dressel hatte im Mai und Juni dieses Jahres in Schönfeld, Altrottmannsdorf und Voigtgrün unter allerlei falschen Vorspiegelungen ein Gemisch von Eichen rindenabkochung und Spiritus verkauft, die Flaschen mit einer hochtrabenden Aufschrift versehen und den Leuten meißgemacht, es sei ein sehr gutes, heilkräftiges Mittel, während es in der That so gut wie nichts taugte. Für eine solche Flasche, deren Werth höchstens 15 Pfg. be trug, ließ er sich 2 Mk. und 2 Mk. 50 Pfg. bezahlen. In den meisten Fällen blieb es nur beim Versuche, da ihm die Leute nichts abkauften.