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Frankreich. Paris, 6. Costarica an den Bund der Vereinigten Staaten Central-Amerika dürfte nur eine Frage der Zeit von sein. Hütte und blickt auf's Meer hinaus. Obgleich er eine starke Natur hat, könnte eine plötzliche Mittheiluug, daß er die Teufelsinsel verlassen dürfte, ihm das Leben losten. Wenn der Moment gekommen ist, wird Frau Dreyfus zweifellos ermächtigt werden, ihn brieflich vvrzubereiten. Paris, 6. Sept. Der letzte Bries, welchen Frau Dreyfus von ihrem Gatten erhalten hat, datirt vom 27. Juni und lautet: „Ich fühle durch die endlose Ent fernung hindurch, wie Du angsterfüllt nicht blos Deine Leiden, sondern auch meine empfindest. Daß ich, obwohl ich Dir erst dieser Tage geschrieben, nochmals mit Dir sprechen, Dir noch näher sein will als mit bloßen Ge danken, welcher sich niemals von Dir trennt, nur um Dir wie immer jene Worte zu wiederholen, welche Deinen unerschütterlichen Muth aufrecht erhalten sollen. Frei von jenem abscheulichen Verbrechen habe ich meinen Noth- schrei dem Vaterlande zugerufen, um meine Ehre, um die Revision des Prozesses zu verlangen. Wir haben Einer wie der Andere moralisch zu sehr gelitten. Unsere Leiden dauern zu lange. Die Stunden fließen in zu schwerer Eintönigkeit dahin, als daß ich von mir sprechen svllte. Alles, was ich Dir sagen kann, ist, daß Tag und Nacht zu jeder Stunde, Minute mein Herz, mein Gedanke, alles, was in mir lebendig ist, für Dich, für unsere Kinder da ist. Gewiß, mein Leben gehört meinem Lande, heute wie gestern, aber meine Ehre gehört ihm nicht, das ist das Erbe meiner Kinder, das ureigenste Gut zweier Familien. Darum frei von jenem abscheulichen Ver brechen, habe ich nochmals meinen Nothschrei ausgestoßen, um diese Ehre zurückzufordern mit meinem ganzen Herzen als Franzose, Soldat, Gatte und Vater, um endlich vom Präsidenten der Republik die Revision des Prozesses zu erlangen." I — Der französische Volkscharakter hat sich dieser I Tage ganz in seiner Eigenart gezeigt. Man sagt, daß der Sturmangriff einer durch vorhergegangene Siege berauschten französischen Sturmkolonne unwiderstehlich ist, und er ist es in der That bisweilen gewesen. Die Erfahrung lehrt andererseits, daß eine oft durch ein Nichts entstandene Panik diese Helden in Hasen ver wandeln kann. Das große Publikum, taub für alle Vernunftsgründe, wollte durchaus nichts von der Re vision des Dreyfusprozesses wissen, in drei Tagen hat sich ein völliger Umschwung seiner Meinung vollzogen, und dieses Wunder hat ein Rasiermesser verrichtet. Und wie dies Publikum ehedem in seinem Haß gegen die Dreyfüslec keine Grenzen kannte, so verliert es auch jetzt wieder in seiner Begeisterung für die Idee der! Revision seine Besonnenheit und fordert die tollsten den Hütern des Gesetzes folgen sollte, bat er, seine Toilette noch etwas in Ordnung bringen zu dürfen, begab sich aber auf den Dachboden des Hauses, von wo er sich mittelst einer Wäscheleine herabließ und flüchtete. Sein Entweichen wurde zwar sofort bemerkt, doch gelang es nicht, seiner wieder habhaft zu werden. — Der Gemeinderath zu Oelsnitz i. E. beschloß einstimmig, die elektrische Straßenbeleuchtung für Oels nitz einschließlich dem Ortstheil Neuölsnitz einzufühen und der Firma Schlickert L Co. die Coneession zur Errichtung einer elektrischen Beleuchtungsanlage in Oels nitz einschließlich Neuölsnitz, auch zur Abgabe von Licht und Krast an Private, unter vertragmäßig noch zu vereinbarenden Bedingungen und Bestimmungen zu er- theilen. — Die öffentliche Versteigerung der in diesem Jahre auszumusternden Dienstpfcrde der Cavallerie, Artillerie und des Trains soll an den nachgenannten Tagen und Orten von Vormittags 10 Uhr ab stallfinden: Montag, den 12. September, in Dresden (Garde-Neiter-Negiment einschließlich Militär-Reitanstalt) sowie in Oschatz und Königsbrück; Dienstag, den 13. September, in Dresden (1. Feld-Artillerie-Regiment Nr. 12); Sonnabend, den 17. September, in Grimma; Montag, den 10. September, in Borna und Riesa; Dienstag, den 20. September, in Großenhain; Donnerstag, den 22. September, in Pirna; Donnerstag, den 20. Oktober, und Freitag, den 21 Oktober, in Dresden (Train-Bataillon Nr. 12). Hohndors, 4. Sept. Nach beendigtem Vormit tagsgottesdienste fiel den heinikehrenden Kirchgängern eine Frau auf, die von einem größeren Knaben geführt, mit blutüberströmtem Gesicht daher geschwankt kam. ! Speisen mengte und diese dann wieder den Gästen vor setzte. Außerdem erachtete das Schöffengericht für er wiesen, daß die verehel Jakob auch faule ungenießbare Gurken in die Speise mit verschnitten hat. Das Be- rufungsgericht gelangte zu denselben Feststellungen, wie das Schöffengericht, das Rechtsmittel wurde deshalb ver worfen und die Angeklagten in die sämmtlichen Kosten des Verfahrens verurtheilt. Das Urtheil ist außerdem auf Kosten der Eheleute in den Dresdener Tageblättern zu veröffentlichen. Leipzig, 5. Sept. Heute vereinigten sich im Saale von „Hotel de Prusse" hier weit über 100 Arbeitgeber aus ganz Deutschland zur Abhaltung einer Arbeitsnach weis-Conserenz. Den Vorsitz führte Herr vr. Martens- Hamburg. Die Verhandlungen begannen Nachmittags iu der zweiten Stunde. Die Beschlüsse der Conserenz werden noch bekannt gegeben werden. Borna bei Leipzig. Zwei Carabiniers der 4. Eska dron waren am Donnerstag Abend in der alten Kaserne von einem Pferde geschlagen worden. Hierbei erlitt der eine, welcher demnächst zur Reserve entlasten werden sollte, derartige Verletzungen, daß er gestern Nachmittag gestorben ist. Auch der andere Verletzte soll in Lebensgefahr schweben. — Zu den beiden hier befind lichen Kasernen (einer städtischen und einer Privatkaserne) des hier in Garnison stehenden Carabinierregiments dürfte sich in nicht zu ferner Zeit eine dritte (städtische) gesellen. Das Königl. Kriegsministerium soll bereits Anregung dazu gegeben haben, da von zuständiger Stelle an den Bürgerguartieren, welche noch von zwei Eskadronen be nutzt werden, erhebliche Ausstellungen gemacht worden sind. Plauen, 5. Sept. Vom Alldeutschen Verbandstage ist zu berichten: Die beiden Commerse, die am Sonnabend Abend in der „Centraldalle" und in der „Freundschaft" stattfanden, hatten einen so außerordentlich starken Besuch auszuweisen, daß Spälkommende überhaupt keinen Platz fanden. Die Commerse wurden beide mit einem Hoch auf Kaiser und Reich eröffnet. Nachdem die Anwesenden, und namentlich die von auswärts erschienenen Gäste, von den Leitern der Commerse begrüßt worden waren, folgten die verschiedensten Reden. U. a. sprach Reichsraths- abgeordneter Wolf. Erwähnt sei, daß die Commerse als „gemüthliches Beisammensein" angemeldet waren, denn die Polizeibehörde hatte das Halten politischer Reden untersagt. Hiermit wurde es nicht buchstäblich genommen, womit sich wohl die Gerüchte über das strenge Verhalten der Behörden Plauens zum Theil selbst widerlegten. Am Sonntag früh trafen zwei festlich geschmückte Extra züge mit deutschen Volksgenossen aus Asch und Eger an. Der Letztere brachte u. a. den Reichsrathsabgeordneten Jro und den Redakteur Hofer mit. Nach Schmückung des Kaiser Wilhelm-Denkmals durch die Festgenossen aus I Asch und Eger erfolgte gegen '/,1l Uhr die Ausstellung des Festzuges, während dessen Kränze am Bismarck- und am Krieger-Denkmal auf dem Alberlplatze niedergelegt wurden. In der „Centralhalle" und „Freundschaft" wurde hieraus der Frühschoppen eingenommen. Der große Schützenplatz war am Nachmittag das Ziel von vielen Tausenden. Dort waren zwei Festhallen errichtet, in denen Nachmittags Commers stattfand. Eine Anzahl Reichsdeutscher wie Oesierreicher hielten Ansprachen, welche saiiinit und sonders begeisterte Aufnahme fanden. Im Ganzen war die Haltung der österreichischen Redner eine gemäßigtere als bei der vorjährigen Sedanfeier in Leipzig, vielleicht weil den Deutsch-Oesterreichern durch den Rücktritt Badeni's doch ein Hauptwunsch erfüllt worden ist. Jedenfalls war der Sedantag in Plauen in seinem ganzen Verlaus ein vollständig gelungener. Schwarzenberg, 5. September. Im Raschauer Staatsforstrevier ist eine altehrwürdige mächtige Tanne, die Schmiedlvchtanne, von Freunden und Einheimischen Eskimos getroffen hätten, welche ihnen erzählten, daß vor einem Monat Männer bei ihnen eingetroffen seien, welche an der Küste der Hudsonbucht aus den Wolken herausstiegen. Man hofft, die Meldung beziehe sich auf Andröe. verlesene Brief nicht die einzige Fälschung Henrys sei. Wie die Erklärung Cavaignacs selbst besagt, bilde dieser Brief nur einen Theil einer regelrechten Correspoudenz. Insbesondere hängen zwei andere Schriftstücke mit dem gefälschten Brief als Antwort und Rückantwort direkt zusammen. Paris, 6. Sept. Ein Marine-Offizier weilte kürzlich dienstlich auf der Teufelsinsel. Er sah den zum Skelett abgemagerten Dreyfus, welcher seit vier Jahren, frisches Fleisch verschmähend, von Conserven lebt. Seiner Wache giebt er keinen Anlaß zur Klage. Er steht stundenlang mit gekreuzten Armen vor seiner Befragt, was ihr fehle, antwortete sie nur: „Mein Mann, mein Mann!" Wie sich später herausstellte, war die arme Frau von ihrem gänzlich betrunkenen Manne in der rohesten Weise mißhandelt worden. — Gegen unappetitliche Wirthsleute hatte das Dres dener Landgericht als Berufsinstanz zu verhandeln Der Priratus und früherer Schänkwirth Carl August Jakob und seine Frau waren vom Schöffengericht wegen Ver gehens gegen das Nahruugsmittclgesetz zu je 14 Tagen Gefängnis) und zu einer Geldstrafe von 100 Mk. oder noch weiteren 10 Tagen Gefängniß verurtheilt worden. Die Beiden hatten seit Anfang Juli bis September vorigen Jahres gegen das Nahrungsniittelgcsetz verstoßen, indem sie Bierneigen, die von den Gästen in den Gläsern gelassen worden waren, in ein Gefäß gossen und dem frischen Bier beimengten und es auf diese Weise wieder an die Gäste verschänkten. Weiter wurde sestgestellt, daß die verehel. Jakob die von den Gästen liegen gelassenen Fleisch-, Kartoffeln- und Gcmnsereste mit den Händen von den Tellern nahm, in die Kochtöpfe unter die anderen vielfach aufgesucht worden. Der riesige Baum, der Stolz der Forstleute, ist leider in voriger Woche durch freche Bubenhand in Brand gesteckt und dak nrch zu Fall gebracht worden. Die Tanne war etwas hohl, sonst aber noch gesund. Der Frevler ist noch nicht entdeckt. Annaberg, 5. Sept. In äußerst raffinirter Weife haben zwei hiesige Kaufmannslehrlinge sich in den Be sitz bedeutender Baarmittel zu setzen gewußt. Die beiden Schuldigen, die Kaufmannslehrlinge Paul Reichert und Moritz Sinns, beide hier in Geschäften, im Alter von etwa 17 Jahren stehend, haben folgendermaßen operirt: Reichert hat die Eigenthumsvergehen begangen und Sinns hat den Hehler gespielt und von dem erschwindelten Gelbe mit in weitem Umfange Nutzen gezogen. Bisher ist festgestellt, daß nicht weniger als 29 Postabschnitte mit falscher Unterschrift von Reichert versehen und die darauf erhobenen Gelder von ihm unterschlagen worden sind. Es handelt sich also um eine ganze Anzahl Ur kundenfälschungen; 2600 Mk. sind den jugendlichen Spitzbuben auf diese Weise iu die Hände gefallen. Durch Fälschung eines Checks seiner Firma über 600 Mk. hat Reichert auch diesen Betrag sich zu verschaffen ge mußt. Die zahlreichen Unredlichkeiten wurden dadurch erleichtert oder waren überhaupt nur deshalb möglich, weil der Prinzipal auf längere Zeit abwesend war und sein Stellvertreter vermuthlich keinerlei Grund einer miß trauischen Kontrole gegen den bctr. jungen Mann hegen zu dürfe« glaubte. In der unsinnigsten Weise haben nun Reichert und Sinns mit den auf so unredliche Weise erlangten Summen qewirthschaftet; alles nur er denkbare Zeug zusammen gekauft, Spritztouren nach Leipzig, Berlin, Hamburg und anderen Gegenden September. „Sivcle" führt heute den Nachweis, daß der von Cavaignac in der Kammer Dinge. Der eine will, daß die Kammer sofort eiube- rufen werde, — vermuthlich, um die herrschende Ver wirrung noch zu erhöhen. Ein Zehueransschuß soll sich nän.lich das famose Aktenbündel des Dreyfus prozesses vorlegen lassen, es geheimuißvoll untersuchen und das Weitere entscheiden. Ganz abgesehen davon, daß er zu einer solchen Untersuchung in keiner Weise befngt ist, weiß man aus Erfahrung, was die Ver schwiegenheit der Herren Deputaten bedeulet. Lieber gleich das ganze Aklenmaterial durch Maueranschlag bekannt geben oder amtlich zum Abdruck bringen, dann wird wenigstens Klatsch und Entstellung verhütet! Ein dritter will gar, daß der Präsident der Republik den Untersuchungsrichter spielt, und so fort. Das französische Gerichtswesen ist schon so wie so genug in Verruf ge- rathen, man braucht ihm nicht auch noch einen solchen Eselssußtritt zu geben. Amerika. — Die Vereinigten Staaten von Mittel-Amerika sind gebildet. Ein längst gehegter, aber wegen der innerpvlitischen Unsicherheit in den einzelnen Republiken immer wieder aufgegebener Plan ist somit verwirklicht. Eine in Managua tagende Vertretung hat die Verfassung des central-amerikanischen Staatenbundes, welcher San Salvador, Honduras und Nicaragua umfaßt, unterzeichnet. Unzweifelhaft ist diese Union endlich unter dem Eindrücke des spanisch-amerikanischen Krieges zum Abschlusse gelangt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben durch die Annexion von Portorico und die Losrcißung Cubas von Spanien ihren Einfluß über die natürlichen Grenzen des Landes auf Mittel-Amerika ausgedehnt und dadurch den festeren 'Zusammenschluß der mittelamerikanischen Staaten veranlaßt. Der Anschluß von Guatemala und , Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, den 7. September. *— In der gestern Abend abgehaltenen 15. öffent- I lichen Stadtgemeinderathssitzung wurden unter Punkt 1 I verschiedene Eingänge dem Collegium zur Kenntniß ge bracht. Punkt 2, Verkauf einer Baustelle an den I Tischler Herrn Albin Gläser zum Preise von 2 Mark pro Quadratmeter, wird nicht genehmigt wegen finan zieller Schwierigkeiten. Punkt 3, die Fußwegverbesserung an der unteren Weinkellerstraße wird nach längerer Debatte genehmigt. Zu den ca. 910 Mark betragenden Kosten bewilligt die Stadt 460 Mk. Unter Punkt 4 werden Herrn Revierförster Schröder vom 1. Oktober d. Js. ab jährlich 50 Mk. für Beaufsichtigung und weitere Anlegung des städtischen Forstreviers am Wasser werk bewilligt. Ebenfalls bewilligt werden unter Punkt 5 jährlich 10 Mk. zur Sachsenstiftung. Heber Punkt 6 entspinnt sich eine lang andauernde Debatte und betrifft dies den Ankauf einiger Grundstücke zur Verlängerung und Beschleusuug der unteren Logenstraße. Da man zur Bedingung stellt, daß schon vor Herstellung der Straße mit dem Bau der Häuser begonnen werden soll, hingegen Herr Stadtv. Baumeister Richter erst nach Herstellung der Straße zu bauen beginnen will, so wird gegen 7 Stimmen der Antrag für heute abgelehnt. Nach einigen geschäftlichen Mitiheilungen erfolgt Schluß der Sitzung gegen '/^12 Ubr. *— Das Ministerium des Innern erläßt folgende Verordnung, die Namensangaben der Bauherrn und Bauleiter bei Neubauten betr: „Bei allen Neubauten ist an einer leicht sichtbaren Stelle ein An schlag anzubringen, welcher den Stand, den Familien namen und mindestens einen ausgeschriebenen Vornamen der Bauherrn und der Bauleiter in deutlich lesbarer und unverwischbarer Schrift angiebl. Zuwiderhand lungen dieser Bestimmung werden an den Bauherren und den Bauleitern, welche für deren Beobachtung in gleicher Weise verantwortlich sind, mit Geldstrafe bis zu 150 Mark und im Nuvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen bestraft." — Ein Aufsehen erregender Vorfall trag sich in Gersdorf zu. Der Tischlermeister Eger dort, über dessen Vermögen vor kurzem das Coucursfahrcn eröffnet worden ist, sollte angeblich wegen betrügerischen Bankrotts ver haftet werden, zu welchem Zwecke sich chwei Gendarmen, sowie der Ortsdiener nach der Wohnung E.'s begaben. Nachdem Letzterer für verhaftet erklärt worden war und