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Halfter, welche ihnen angelegt waren, zerrissen hatten und in dem gefährlichen Raume durcheinander irrten. Als der Schirrmeister am Sonnabend früh den Pferde stall öffnete, da lagen zwei Pferde todt da, während die übrigen Thiere durch die Einathmung des Qualmes furchtbar aufgetrieben waren. Zwei derselben sind noch in bedenklicher Weise erkrankt, doch hofft man, dieselben ebenso wie die klebrigen zu erhanen. Zum Glück ist der Stall massiv erbaut und gewölbt, sonst hätte leicht das Unglück noch viel größer werden können. Vermischtes. * Der Mündigsprechung des Prinzen Wilhelm hat der frühere Lehrer unseres Kaisers, Franz Apmö, in dem Werke „Kaiser Wilhelm II. und seine Erzieher" einige charakteristische Züge entnommen. Aymö erzählt: Im Monat Januar des Jahres 1877 wurde unser fried'iches Leben in Kassel sehr gestört, und die ersten Zeichen der kommenden Auflösung des kleinen Hofstaates machten sich bemerklich. Prinz Wilhelm ist am 27. Januar 1859 geboren und vollendete somit 1877 sein achtzehntes Lebensjahr, welches zugleich das Mündigkeits alter für die preußischen Prinzen ist Bisher pflegte man seinen Geburtstag, wie an anderer Stelle bereits erwähnt, mit einer Festvorstellung im Theater zu feiern. Diesmal aber begab sich der Prinz nach Berlin, wo ihm selbst die Hauptrolle bei den kommenden Festlich keiten zufiel. Nach altem Herkommen wurde er mit großer Feierlichkeit in Gegenwart aller Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses der Würdenträger des Hofes und der Staatsminister für mündig und damit für berechtigt erklärt, im Nothfalle von diesem Tage an die Krone zu tragen. Bei jener Gelegenheit wurden ihm auch die sänuntlichen preußischen Orden verliehen. Die Zeremonie fand in einem der großen Säle des Königlichen Schlosses zu Berlin statt. Alle anwesenden Herren waren in glänzenden Uniformen oder Hofgala erschienen. Der PUnz soll in dem moje stätischen großen Pur,urmantel, den er trug, sehr vor- theilhaft ausgesehen haben. Er hat übrigens auch seither bewiesen, daß er die Kunst, sich geschmackvoll zu kleiden, nicht vernachlässigt hat. Bei seiner Rückkehr nach Kasse gratulirten ihm Jederman. Da ich sein leicht begeistertes Temperament und seine Vorliebe für solche prunkvolle Festlichkeiten kannte, wie er sie eben mitgemacht hatte, war ich nicht wenig erstaunt, ihn statt mit leuchtenden Augen womöglich noch ernster und nachdenklicher als vor dem Fest zurückkommen zu sehen. Er nahm ruhig seine Studien wieder da auf, wo er sie bei ftiner Ab reise liegen gelassen. Mag sein, daß die Verantwort lichkeiten und die Pflichten seiner neuen Stellung ihm zu denken gaben. Jeder unparteiische Mensch muß zu geben, daß solcher Ernst, eine derartige gründliche Auf fassung übertragener Verpflichtungen, die große Selbst beherrschung, die er zeigte, indem er sich mit seinen Mitschülern und seiner Umgebung ganz auf den früheren kameradschaftlichen und freundlichen Fuß stellte und so vermied, sich lächerlich zu machen, in sich selbst aber einen der größten menschliche» Fehler, die Eitelkeit, zu unter drücken wußte, bei einem jungen Mensche» von 18 Jahre» eine» gut entwickelte» Charakter zeigen und wirklich volles Lob verdienen. Ei» Jüngling, der, zum Mittel punkt einer so seltenen und großen Feier gemacht, seine alte Bescheidenheit bewahrt, kann keine gewöhnliche Natur sein. Ich, der ich ihn gerade in dieser Zeit mit Muße habe beobachten könne», muß sagen, sein Benehmen war wirklich bewmiderswerth. Ich will nicht behaupten, daß er gar keine Fehler gehabt habe, denn das würde lächer lich sein, aber jedenfalls war er den »leisten seiner Alters genossen geistig weit voraus. Prinz Heinrich wollte diese Gelegenheit benutze», uni sich von dem drückenden Joch der Arbeit für eine Weile zu befreien. Er komite Loch seine Theilnahme an der allgemeinen Freude gewiß nicht dadurch beweisen, daß er sich hinter seine Bücher steckte! So versuchte er denn unter diesem Vorwand, sich einen oder zwei studienfreie Tage zu verschaffen, wurde jedoch von Dr. Hinzpeter scharf an seine Pflichten erinnert. Aber auch für ihn schlug die Stunde der Er lösung. Prinz Heinrich sollte auf eine Seekadelteiischule geschickt werden, um sich daselbst die für den Dienst der Marine nöthigen Kenntnisse anzueignen. Später sollte er in den aktiven Dienst eintreten. Er war voll Jubels, ohne sich vor der Hand viel Kopfzerbrechen zu machen über die Arbeit, die seiner wartete, und die Disziplin, der er sich auf der Schule zu unterwerfen haben würde. Die Aussicht, aufs Schiff zu kommen, entzückte ihn der maßen, daß er alles Andere darüber vergaß. Man kann diese jugendliche Ungeduld, dem verhaßten Joch der Schule zu entrinnen, kaum tadeln. Manche Leute wollen zwar behaupten, daß die Schuljahre die schönsten des Lebens seien, aber schließlich wird doch Jeder zu geben, daß das größte Glück eines Schülers immer darin besteht, mit der Schule fertig zu sein. * Der Gerichtsvollzieher auf dem Maskenball. Eine unangenehme Störung erlitt ein Maskenfest des Vereins „Frohsinn" in Berlin. Kurz nachdem die Vorstands mitglieder und die ersten Masken sich eingefunden hatten, erschien Plötzlich auf der Bildfläche ein Gast in der Uni form eines Gerichtsvollziehers, der sofort seines Amtes M walten begann. Die ursprüngliche Annahme, daß es sich um einen Maskenscherz handle, wurde bald da durch zerstreut, daß der Beamte die Anwesenden auf ¬ forderte, das Lokal zu verlassen, weil der Besitzer der Wirthschaft gerichtlich gepfändet und das Etablissement geschlossen sei. Zwei alsbald hinzugerufene Schutzleute erwiesen dem Beamte» die geforderte Unterstützung und verblieben den Abend über auf dem Posten, um das Betreten des Saales durch die bald in Schaare» an- strömeuden Festtheilnehmer zu verhindern. * Der älteste Mann in Deutschland war ein Greizer. Im Vogtlande weht bekanntlich eine sehr gesunde Luft. Das haben auch die jüngsten Sterblichkeitsausweise aus dem Vogtland wieder bewiesen. Aber auch der älteste Mann, der je in Deutschland gelebt hat, war ein Vogt länder. Er hieß Wunder, war in seinen jungen Jahren aus dem Salzburgischen eingewandert und starb 1761 im Alter von 186 Jahren in Greiz, nachdem er erst in der allerletzten Zeit kindisch und hilflos geworden war. * Den widerspenstigen Garantiefondzeichner» der Berliner Gewerbeausstellung geht es jetzt ernsthaft an den Kragen. Wie nämlich die „Polem. Corresp." wissen will, wird jetzt bei den Nichtzahlern ohne Gnade ge pfändet und die Thätigkeet des Arbeits-Ausschusses der selige» Gewerbe-Ausstellung beschränkt sich jetzt nur »och auf die Durchsicht von Pfändungs-Protokollen. Nicht weniger als 20000 Mark der Garantiesumme sind auf solche Weise einzutreiben. Freilich giebt es unter de» Zahlungsverweiger» auch solche, welche erst „daran glauben" wollen, wenn alle Instanzen — auch das Reichsgericht gesprochen haben. Unter solche» Um stände» dürfte die Endabrechnung vor dem nächsten Jahre nicht zu erwarten sein. * In seinem Kolleg kam Rudolf Virchow dieser Tage auf die vielerörterte Entdeckung des Professors Schenk oder, wie sich Virchow ausdrückte, das „Orakel, das jener Herr von sich gegeben," zu sprechen. In sar kastischen Worten meinte Virchow, jede denkende Mutter brauche nur ihre eigene Erfahrung zu Hilfe zu nehmen, um die Unglaubwürdigkeit des neue» Lehrsatzes zu er weisen. Allerdings wäre ja auch für jene Leute, die Alles für möglich halten, auch dies nicht unmöglich. Aber gegen diese Auffassung stehe die bis jetzt durch nichts zu erschütternde Ueberzeugung, daß die iereits i» den Keime» vorhandene Prädestination, welche eine ge wisse Summe von Eigenschaften enthalte, nicht durch de» Willen oder besondere Wahl zu bestimmen sei. Dazu müßte man die Anlage bestimmter Fähigkeiten beein flusse» können, welche aber von äußeren Einwirkungen unabhängig seien. Wäre das richtig, was Professor Schenk behaupte, so mühte die Vorstellung von der Prädestination erhebliche Einschränkungen erfahren. Diese Gesetze seien aber durch die Schenk'sche Theorie nicht im Geringsten entkräftet worden. * Aus Monte Carlo wird gemeldet, daß ein etwa 35 jähriger, elegant gekleideter Deutscher sich im Bad die Pulsader aufschnitt und starb. Auf einem Zettel waren Spielverluste als Motiv des Selbstmordes angegeben. * Muster ohne Werth! Nicht in Berlin, Hamburg oder München, sondern in einem kleinen Ort Holsteins, der „im Grunde liegt", hat von dieser postalischen Ein richtung freventlichen Mißbrauch gemacht. „Er" und „Sie" liebten sich und zwar so inniglich, daß „Sie" eines schönen Abends eine Locke ihres schwarzen Haares abschnitt und „Ihm" verehrte. „Doch mit Mädchen flechten — ist kein ew'ger Bund zu flechten und das Unglück schreitet schnell." Eines schönen Tages war die Liebe erkaltet und sie trennten sich. Doch „Er" hatte die Locke noch, die ihn täglich an „Sie" erinnerte und das durfte nicht sei»! Aber wie sollte er die Locke los werden? Da kam ihm ein rettender Gedanke. Mit einer Stecknadel heftete er die Locke auf ein Stück Papier fest, steckte d es in ein Kouvert und sandte es als „Muster ohne Werth" an seine frühere Geliebte zurück. „Du ahnst es nicht!" Kriegs-Erittnerungen eines Infanteristen. Aachdruck^vcrboitii. (16. Fortsetzung.) Endlich kam etwas Abwechselung. Die Würtem berger verließen uns, sie rückten zur Verstärkung in die erste Linie. Wir sollten am 30. früh wieder nach Crosne rücken, ich freute mich schon auf den Müller und marschierte seelenvergnügt mit den Four'eren nach dort hin. Kaum in dem Dorfe angelangt, es war etwa 11 Uhr l Vormittags), so hörten wir in nächster Nähe kräftiges Jnfanteriefeuer und erkannten ganz deut- ich unsere Zündnadelgewehre. Wir eilten daher nach Limeil zurück und fanden hier unser Bataillon nicht mehr vor; einige Verwundete von den Würtembergern theilten uns mit, die Regimenter ständen schon im Feuer; im Laufschritt ging's nun vorwärts und nach einer kleinen halben Stunde hatten wir unseren Truppen theil erreicht, der noch vorläufig in Reserve stand, also war es noch Zeit. Schon in der Nacht vom 29. zum 30. ließ uns der General Trochu schlecht schlafen; aus allen Süd- und Süd-Ostforts brummten die Geschütze; tausende von Granaten wurden verschwendet, man wollte sich Muth verschaffen. Wir waren an diese Musik schon gewöhnt und keiner von uns hatte geglaubt, daß es Ernst würde. Doch dem war nur einmal so. In aller Frühe wurden vor Limeil-Valenton die Vorposten der Würtemberger mit überlegenen Kräften angegriffen und naturgemäß zurückgedrängt. Wie beim Manöver, so klar und deutlich vermochte man das Ge ¬ fecht von unserem Standpunkt aus zu übersehen, nur war es ein kleiner Unterschied: man schoß nicht mit Platzpatronen, sondern mit echten blauen Bohnen, die so Manchen dahinstreckten. Auf dem Mont Mesly, einem beträchtlichen Berg, waren die Rothhosen ange kommen, im Dorfe, welches am Fuße seitwärts ßer Anhöhe lag, hatte man ebenfalls die unsrigen zurück- gedrängt und in dichte» Massen strömten sie nach einem Wäldchen, welches nicht mehr weit von uns lag. Eine feindliche Ausfall-Batterie fuhr auf dem Berge auf, uud bewarf uns mit Granaten. Jetzt kam auch eine Mitrailleusen-Batterie, es dauerte nicht lange, so schnurrte es; plötzlich feuerte ein Zug von unserer preußischen Batterie, der erste Schllß traf in eine Infanteriekolonne, die direkt voni Berge nach dem Wäldchen lief! Die Granate mußte gut gesessen haben, denn wie Spreu waren sie anseinander. Die württembergischen Batterien brachten die feindlichen zum Schweigen, denn immer schwächer schossen die Geschütze. Wohl an tausend Mann schienen im Wäldchen zu sein; unser Kommandeur hielt den Moment für geeignet, zum Angriff vorzu gehen; zwei Kompagnien, mit ihren Schützen an der Töte, nähern sich im Laufschritt dem Gehölz, empfangen von dein wahnwitzigen Feuer, Einzelne fallen, hie und da schlägt eine Granate ein, doch sie thut keinen Schaden. Plötzlich traben seitwärts von uns Württembergische Reiter; jetzt geht's schneller, die Tambours schlagen, die Lisiöre ist erreicht, im Rücken attackiren die braven Reiter, das Gehölz ist umstellt, Huuderte strecken die Waffen, die folgenden Kompagnien nehmen die Ge fangenen in Empfang. Und immer weiter stürmen die Sieger, die Batterie auf der Anhöhe verläßt schleunigst die Position, sie kommt in Gefahr, in die Hände der stürmenden Deutschen zu fallen. Die ganze Linie avanciert, überall sieht man fliegende Fahnen! Vorne ertönt ein kräftiges Hurrah, die Anhöhen und das Dorf sind gegen 5 Uhr in den Händen der unsrigen. Nur uoch einige Schüsse fallen, allmühlig wird es dunkel, grollend zieht sich der Franzmann in seine Forts zurück, nachdem er Tausende znrückgelassen hat. Die Aerzte, Krankenträger teten an die Stelle der Kämpfer und erfüllen ihre traurige Pflicht. Die Württemberger beziehen wieder die alten Stellungen, an einzelnen Stellen werden sie verstärkt. Wir kehren in unsere alten Quartiere zurück; an Crosne war heut nicht mehr zu denken. Im Kamin machten wir uns ein kräftiges Feuer und kochten uns Kaffee, dazu verzehrten wir Schiffszwieback, welchen wir den gefallenen Franzosen abgenommen hatten. Noch in später Abendstunde plauderten wir vom verflossenen Tage, herzlich froh über den so glücklichen Ausgang dieses Gefechts. Nur einige Stunden durften wir schlafen, denn in aller Frühe, es war noch ganz finster, brachen wir auf und marschierten einige Stunden, lleberall trafen wir mit Truppen von unserem Korps zusammen; das war ein Hin- und Hergrüßen, dort sprang wohl dieser und jener aus den Reihen, begrüßte den Freund, de» Bruder oder Laudsma»». Die Offiziere verhiuderte» dies nicht; ahnte doch ein Jeder, daß wir einen: ernsten Tage entgegen gingen und wer weiß, ob man sich dann wohl wieder sieht. Unsere ganze Division vereinigte sich gegen Mittag bei dem Dorfe Sucy; einige Stunden später traf auch die andere Division ein. Wir verblieben hier den ganzen Tag. Der 1. Dezember war ein sehr langweiliger Tag; allzukalt war es ja nicht, frieren that man aber doch, weil man garnichts zu thun hatte. Wir kochten uns Erbswurst und dann ein Täßchen Mokka, gewürzt mit Cognac und anderen Spirituosen. Alsdann trieben wir uns bei den anderen Bataillonen umher, besuchten Bekannte ii. s. w., dort hörte man einen guten Witz mit an nnd blieb länger beim Bivouaksfeuer sitzen, hier wurden lustige Schwenke vorgetragen, kurz, man suchte die Laugeweile so gut als möglich zu vertreiben. Schließlich traf ich einen alten, lieben Freund vom Musketier-Bataillon, mit dem ich über ernste Dinge plauderte; er lud mich ein, Platz zu nehmen, bot mir einen guten Schluck Rothwein an, den ich nicht ver schmähte, und dann las er mir aus seinem Tagebuche etwas vor, das ungemein interessant geschrieben war. Ein räthselhafter Mensch, mein Freund; lustig war er selten, er mußte keine angenehme Jugendzeit verlebt haben, das sah man dem von Furchen durchzogenen Gesicht an. Am heutigen Tage war er mittheilsamer, wie sonst, sprach von seiner Familie, seinem Weib und Kind; schließlich erzählte er auch von seinem früheren Leben. Nach Absolvierung seiner Dienstzeit hatte er sich in verschiedenen Ländern umhergetrieben und, ob wohl sehr fleißig, hatte er kein Glück. Seine Frau hatte er erst vor einigen Jahren, als die nicht un begüterte Tochter eines Schmiedemeisters, kennen ge lernt und geheirathet; kurz vor dem Feldzuge hatte er sich mit Hülfe des Schwiegervaters etabliert, aber das Geschäft ging nicht. „Es ist und war zum Ver zweifeln!" so schloß er. „Ach was, Flausen, nach dem Kriege wird's schon gehen." „Nach dem Kriege, das ist leicht gesagt: ich weiß nicht, man sagt: Ahnungen ist Unsinn! was auch vollkommen richtig ist, und trotz alledem sagt mir eine Ahnung, oder besser gesagt: eine innere Stimme, daß ich nicht wieder zu Hause komme!" „Verdammter Unsinn! Ich bitte Dich." „Mag sein, aber mir ist zu sonderbar zu Muthe; jedenfalls