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Einige Minuten spater entfernte sich der Untergebene des Kom- missars mit raschen Schritten : Holleben aber unterwarf jeden einzelnen Angestellten des Hauses einem lurzen Verhör, das indessen in keinem Falle neue Anhaltspunkte von irgend welcher Bedeutung ergab. Die Buchhalter fanden es etwas befremdlich, daß gerade der Prokurist Wilberg nur einige anscheinend ziemlich belanglose Fragen hatte be-! antworten müssen: denn nach ihrer Meinung ging der ganze Vorfall ihn doch viel näher an, als sie. Und sie schüttelten vollends die Kopse, j als sich der Beamte nun in die Privatwohnung ihres Chefs hinaus begab, um dort seine Erhebungen sortzusetzen. „Welche Auskunft er sich da oben wohl holen will?" meinten die junge» Leute untereinander. „Es scheint, daß inan nicht gerade de»! Geschicktesten ausgesandt hat, um diese merkwürdige Diebstahlsgeschichte auszu Hellen." In der Thal sand der Kommissar bei der Vernehmung der Dienst mädchen und der Gesellschafterin Magda Märkliu nur vollkommen be stätigt, was er zuvor bereits aus dein Munde Rohlosf's erfahren hatte, j Daß keine dieser drei Personen in irgend welcher Beziehung zu dein Diebstahl stand, mußte ihm alsbald klar werden, und Heinrich Rohloff j fand es sehr überflüssig, daß Holleben nun auch »och den Wunsch auü- sprach, einige Fragen an seine Gattin richten zu dürfen. Irma, die noch mit ihrem Anzüge beschäftigt war, erfuhr erst jetzt aus dem Munde ihres Mannes von dem Vorgefallenen, und sie legte eine viel lebhaftere TheUnahme für sein Mißgeschick an den Tag, als er es noch vierundzwanzig Stunden früher erhofft haben würde. Mit großer Wißbegierde fragte sie nach allen Einzelheiten, während sie aus Rücksicht auf den Wunsch des Kommissars die Voll endung ihrer Toilette beschleunigte, und dann erklärte sie sehr ent schieden: „Wie konntet ihr nur einen einzigen Augenblick an dies thörichte Märchen von einem nächtlichen Einbruchsdiebstahl glauben? Ich meine doch, man brauchte in diesem Fall nicht lange nach dem schuldigen zu suchen." „Irma!" mahnte Rohloff bestürzt. „Es ist Walter Wilberg, den Du im Verdacht hast, daß er mich bestohlen habe?" „O, ich bezichtige ihn nicht: aber ich glaube auch nicht an Wunder. Auch das festeste Vertrauen in die Ehrlichkeit eines Menschen könnte mich nicht bestimmen, meine Augen vor offenbaren Thatsachcn zu ver schließen. Doch am Ende ist es ja Sache der Polizei, sich Gewißheit I» dcr Tubcrow tat .tröuiM'ustcrhauffn. (S. 12) darüber zu verschaffen. Es sollte mich wahrlich Wunder nehmen, wenn ihr gar kein Argwohn gegen Deinen Prokuristen käme." Sic trat in das Rebenzimmer, wo der Kommissar aus sie wartete, und begrüßte ihn mit einer gewissen »ornehmen Herablassung, die ihn unwillkürlich veranlaßte, seine Fragen im höflichsten Tone und mit zartester Rücksicht zu stellen. Sie bestätigte ihm Alles, was ihm schon Rohloff über die Unmöglichkeit gesagt hatte, unbemerkt in das Schlafzimmer einzudringen, und ihre Aussage mußte auch der letzten Vcrmuthung, die er etwa noch nach dieser Richtung hin gehegt, jeden Boden entziehen. Eben hatte sich Holleben in den verbindlichsten Formen von der Dame des Hauses verabschiedet, als dcr Kriminalschutzmann, den er vor etwa anderthalb Stunden sortgeschickt hatte, wieder erschien, um ihm leise eine längere Meldung zu machen. „Besorgen Sie eine Droschke," befahl der Kommissar, als er ihn angehört hatte. „Wir können die Sache nun ja rasch zu Ende führen." Dann ging er in das kleine Eckzimmer, wo Wilherg eben damit beschäftigt war, einen Brief zu schreibe», u»d schloß hinter sich die Thür. Sein Gesicht war von »och tieferen: Er»st als zuvor, u»d seine Stimme hatte einen kalten, scharfen Klang, als er sich an den Prokuristen wandte: „Sic bleiben also dabei, daß Sie das Geld gestern : Abend in den Schrank gelegt und heute nicht mehr darin vorgcfunde» ! haben? Sic habcn sich nicht ctwa inzwischen darauf besonnen, daß diese Darstellung an wesentlichen Jrrthümern leidet?" Betroffen von dem völlig veränderten Ton des Beamten blickte : Wilberg aus. „Nein, mein Herr! Und ich weiß nicht, wer Ihnen ein Recht -gibt, derartiges zu vermuthen." Ohne sich durch diese Erwiederung beirre» zu lassen, fuhr Holleben mit noch größerem Nachdruck fort: „Sie habcn an Ihrer Erzählung auch daun nichts zu ändern, wenn ich Ihnen sage, daß Sie uns da- j mit etwas ganz Unmögliches glauben machen wollen? Es ist nämlich - durch die bisherige» Ermitteluttge» bereits »»umstößlich festgestcllt, daß 'in der Zeit von gestern Abend bis heute Früh eine Beraubung des Schrankes nicht ersolgt sein kann." Der Prokurist richtete sich hoch auf. „So wird es Ihre Sache sein, eine andere Erklärung zu suchen." „Sie ist bereits gefunden! Ein Wort unter uns, Herr Wilberg! Sie habcn Schulden und befinden sich in den Händen notorischer Wucherer: Ihre Geldverlegenheiten hatten vielleicht gerade in diesen Tagen eine» besonders hohen Grad erreicht —"