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Rr. 59. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 11. März 1926. Seite 2. beschleunigten Durchführung der Schnellzüge diese in großen Städten allgemein nur auf einem Hauptbahnhof, nicht aber auch auf Vorbahnhöfcn halten möchten. Die Deutsche Reichs- bahn-Gejellschast ist bestrebt, diesem Wunsch nach beschleu nigter Durchführung der Schnellzüge nach Möglichkeit zu entsprechen, obwohl bereits auf zahlreichen Schncllzugsstrecken durch Einlegung von ID Zügen und durch Gcschwindigkeits- erhöhungen gute Fortschritte erzielt worden sind. Es wird deshalb versucht werden, alle Aufenthalte, die der Bedeutung der Schnellzüge nicht mehr entsprechen sollten, allmählich auszuschalten. — lD i e G e w i n n l i st e) der 2. Ski-Heim-Lotterie, die am 2. März d. I. gezogen worden ist, liegt während der üblichen Geschäftszeit in unserer Geschäftsstelle zur Einsicht aus. — (Kleinkrafträder.) Auf Anfrage hat sich der Reichsverkehrsminister damit einverstanden erklärt, daß bei Personen, die ein vom 1. März 1926 unter die Verordnung über den Kraftfahrzeugverkehr fallendes bisheriges Klein kraftrad (bis 0,95 Pferdestärken) längere Zeit einwandfrei geführt haben, aus die Forderung des Ausbildungsnachweises verzichtet wird. Der Nachweis längerer einwandfreier Führ rung eines bisherigen Kleinkraftrades ist vom Gesuchsteller zu erbringen. — (Verband Sächsischer Polizeibeamter.) Der Verband hält vom 24. bis 26. März in Zittau seinen 8. ordentlichen Verbandstag ab. Die Referate betreffen u. a. die Neugestaltung des Polzeibeamtenrechtes und die Neuor ganisation der Polizei. — (Grabpflegc aus Stiftungen) Das Reichs gericht hat vor einiger Zeit eine Entscheidung getroffen, die außerordentlich beachtenswert ist. Es handelt sich darum, daß Kirchgemeinden, die auf Grund von Stiftungen zu regel mäßiger Grabpflege verpflichtet waren, durch die Inflation von dieser Verpflichtung entbunden worden sind. Das Reichs gericht hat sich ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, nachdem vorher untere Instanzen ein anderes Urteil gefällt hatten. Klägerin war eine Famlie, die im Besitz eines Erb begräbnisses ist und seinerzeit vertraglich sich hatte zusichern lassen, daß, solange der Friedhof besteht, alljährlich an be stimmten Tagen ihre Gräber geschmückt werden. Das Reichs gericht hat entschieden, daß das seinerzeit geschenkte Kapital durch die Inflation entwertet ist. — (Wünschen Sie etwas zu verzehren?) Für das reisende Publikum ist eine Verfügung neuesten Datums von Interesse, wonach die Bahnhofswirte jetzt be rechtigt sind, die im Wartesaal sich aufhaltenden Personen zu fragen, ob sie etwas zu verzehren wünschen. Bisher war dies den Bahnhofswirten nichr erlaubt. — (GebührenfürEinreisebescheinigungen.) Bei der letzten Zusammenkunft der Vorsitzenden und Syndici der sächsischen Handelskammern ist beschlossen worden, die für Verwaltungsarbeit der Kammer erhobenen Gebühren weiter abzubauen und auch bei Einreisebescheinigungen von der Erhebung einer Gebühr vollständig abzusehen. Die Ge bühren für Beglaubigungen von Rechnungen sollen mit den Gebühren für Ursprungszeugnisse gleichgestellt werden. Dies bedeutet auch Gebührenfreiheit bei Rechnungsbeglaubigungen, sofern bei den einzelnen Kammern für Ursprungszeugnisse keine Gebühren mehr erhoben werden. Bei der Handels kammer Leipzig z. B. besteht auch für Ursprungszeugnisse, von einzelnen Fällen, die besondere Erhebung nötig machen, abgesehen, Gebührenfreiheit. — (Gebühren für Waffenscheine.) Die säch sischen Handelskammern haben sich beim Wirtschaftsministerium in Dresden für die Herabsetzung der alljährlichen Erneuerungs gebühr für die Ausstellung von Waffenscheinen, die bisher 15, mitunter sogar 20 RM. betrug, eingesetzt. Handel und Industrie sind für die Sicherung ihrer Warenlager auf den Besitz von Waffenscheinen angewiesen. Von ihnen kann aber nicht verlangt werden, daß sie jährlich für die Erneue rung der Scheine hohe Gebühren zahlen. Die Kammern haben deshalb gebeten, diese Erneuerungsgebühr mit 2 bis 3 Mark für jeden Fall zu bemessen. Sie Haven außerdem die freiere Gestaltung des Waffenverkehrs im Interesse des Waffenhandels angeregt und mit der Eingabe gleichzeitig den Wunsch verbunden, auch in anderen Fällen der staat lichen Gebührenerhebung die bisher vorgeschriebenen Sätze zu ermäßigen. — (Ins Stammbuch der Italien-Reisen den.) Aus Rom wird gemeldet: Die faschistische Zeitung „Tevere" schreibt: Die Drohung mit dem Boykott reizt uns zum Lachen. Wir haben ja während des Heiligen Jah res gesehen, welches Gesindel diese Deutschen sind, d:e die Halbinsel überschwemmten. Die abscheulichen Handwerks burschen und Strolche verunstalteten unsere Straßen. Ein Volk, das mit dem Wasser niemals in Berührung kam, zog herdenweise mit schwerbeladenen Rucksäcken und Alpenstangen, Orangen kaufend und hartes, schimmeliges, selbstmitgebrach les Brot kauend, durch unsere Stadt. Welche Vorteile die italienische Volkswirtschaft von diesen Viehherden ziehen sollte, ist nicht einzuschen. Wir könnten der irredentistischen Pro paganda für ihre Boykottaufrufe im Interesse der Reinlich keit und des Anstandes in unserem Lande nur Dank wissen. — (Der Lehrer als „böser Mann".) Fast überall begegnet man der leidigen und verhängnisvollen Un art, schon wochenlang vor dem Schulbeginn den ABC-Schützen gründlich bange zu machen und den Lehrer gewissermaßen als „! ösen Mann" an die Wand zu malen. Mit drohen- vcr Geste gleichsam wird dem Kinde erklärt, daß die schönen Tage nun vorbei seien und daß es jetzt endlich schwer ler nen müsse! Etwa so, als ob Lernen eine Strafe und nicht eine Wohltat fürs Leben sei. Diese unselige Unsitte zahl reicher Eltern verdient die allerschärfste Bekämpfung. Die Angstmacherei ist nicht in wenigen Fällen von unheilvollem Einfluß und kann dem Kind den ärgsten feeligen Schaden Don deutscher Seite wird immer wieder darauf hinge- wiesen, daß die Auffassung über die Erweiterung der Rats sitze auch im Völkerbund durchaus geteilt sei und daß Deutsch land es ablchnen müsse, vor seinem Eintritt in den Rat irgendein Urteil über die Nützlichkeit oder Unnützlichkeit sol cher Vermehrung der Ratssitze abzugeben. Es ist ja bekannt, daß zum Beispiel Schweden ganz unabhängig' von dem deut schen Eintritt sich immer auf den Standpunkt gestellt hat, daß eine Vermehrung des Völkerbundrates außer des Sitzes für Deu tschland, der ja im Ver trag von Versailles schon vorgesehen war, schädlich und falsch wäre. Man nimmt, natürlich mit den notwendigen Vorbehalten, cm, daß Briand, der am Donnerstag nach Genf zurück kehrt, die Beratungen zum Abschluß bringen will. Trotz der neuerlichen Unterhandlungen und Unterredungen ist es durchaus verfrüht, von einer Beilegung der Krise zu sprechen, die ja ebensosehr eine Krise des Völkerbundes wie eine Politik der, wie es diplomatisch heißt, am Rheinlandpakt beteiligten Mächte darstellt. Es scheint bisher allerdings festzustehen, daß die Saar - frage unter allen Umständen erst dann behandelt wird, wenn Deutschland in den Völkerbund eingetreten ist. Bessere Einsicht in Genf? Genf. Nachdem die Konferenz der Staatsmänner von Locarno am Mittwoch ohne Ergebnis geendigt hat, machen sich die ersten Anzeichen einer besseren Einsicht bei den für die Völkerbundpolitik verantwortlichen Mächten bemerkbar. Diese Anzeichen sind vorläufig zwar nur äußerlicher Natur. An Stelle der ursprünglich beabsichtigten inoffiziellen Kon ferenz der Ratsmächte ist eine Besprechung beim Tee in der Privatwohnung des Generalsekretärs Sir Eric Drum mond getreten, zu der man auch den polnischen Außen minister Skrzynski hinzugezogen hat. In dieser Be sprechung ward man sich offenbar über die Taktik einig, die die Ratsmächte nunmehr einschlagen müssen, nachdem sie ein gesehen haben, daß sie Deutschland * die Verantwortung für ihren eigenen Streit nicht übertragen können. Der englische Außenminister Chamberlain gab im Hotel Beau Rivage ein Diner, zu dem auch die deutschen Delegierten, Staatssekretär von Schu bert, Staatssekretär Kempner und Ministerialdirektor Gaus eingeladen waren. Allgemein vermutet man, daß in diesen Unterhaltungen die Einigung vorbereitet wurde. bringen. Die Schule ist keine Strafanstalt, sondern die Stätte, die tüchtige und erfolgreiche Menschen heranbildet und ihnen die wertvollsten Schäse für das spätere Leben gibt. Jeder, der vor der Schule bange macht, versündigt sich an seinem Kinde aufs schwerste und erreicht mit dieser Unart das Ge genteil von dem, was er beabsichtigt. Colditz. (Ein Pfarrer in der Kirche vom Tode ereilt.) Im nahen Orte Lastan wurde am Sonn tag der 58 Jahre alte Pfarrer in der Kirche vom Tode er eilt. Schon während der Predigt litt er unter schweren Atembeschwerden, nachdem er den Segen gesprochen hatte, brach er infolge eines Herzschlages tot zusammetf Das Handwerk gegen Fürstenenteignung. Der erweiterte Vorstand des Deutschen Handwerkbundes erläßt zur Fruge der Fürstenenteignung einen Aufruf, in dem es u. a. heißt: „Da die Reichsverfassung bas Eigentum jedes einzel nen gewährleistet, so erblicken wir in der Fürftenenteignung eine Ausnahmebestimmung. Damit würde die deutsche Reichsverfassung durchlöchert und ähnlichen Be strebungen mrderer Kreise durch diese Annahme Tür und Tor geöffnet werden. Ohne zur Frage der Fürsten enteignung prinzipiell Stellung zu nehmen, stehen wir auf dem Standpunkt, daß eine derartige Maßnahme ein seitig ist und die wirklichen Volksausbeuter frei aus gehen läßt." Weiter heißt es in dem Aufruf, die linksstehenden- Par teien, die auch unseren Handwerkerstand zu enteignen be absichtigten und mit ihren Sozialisierungs- und Kommunali- sierungsanträgen dos Eigentum des deutschen Handwerks meisters sowie feine Freiheit und Selbständigkeit rauben wollten, könnten nie von einem deutschen Handwerksmeister in ihren Plänen unterstützt werden. Demokraten und Fürstenentschädigung. Berlin. Der demokratische Parteiausschuß trat im Preußischen Landtag zusammen und faßte nach einem Referat des Freiherrn von Richthofen über das Kompromiß, das im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den Fürsten abgeschlossen worden ist, folgende Entschließung: „Der Parteiausschuß spricht dem Parteivorsitzenden und der Reichstagsfraktion wärmsten Dank aus für die unermüd lich und erfolgreiche Tätigkeit, die sie zur Verbesserung des Gesetzentwurfes über die Fürstenabfindung entfaltet haben. Die Volksbewegung, die durch die maßlosen Ansprüche der Fürsten entfesselt wurde, und deren sich als erste die Demo- kraten angenommen haben, hat mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zwar nicht alle Ziele erreicht, aber einer er träglichen Regelung die Wege geöffnet. Der Parteiausschuß stimmt dem Gesetzentwurf der Kompromißparteien zu. Für den Fall, daß die verfassungsmäßige Mehrheit des Reichs tages für den jetzigen Gesetzentwurf infolge des Widerstandes der Rechten nicht erreicht werden sollte, behält sich der Partei ausschuß die Regelung der Frage durch den Volks entscheid vor." Deutschland kann aber nur eine Einigung hinnehmen, bei der höchstens ein mit keinerlei bestimmten Aufträgen ver sehenes Komitee des Bölkerbundrates zur Erörterung der Frage der Erweiterung eingesetzt wird. Offenbar beabsichtigt Chamberlain, Frankreich auf diese Linie zu führen, denn die französische Presse stellt sich bereits darauf ein, daß der Einspruch Schwedens berücksichtigt werden muß. Der Reichs kanzler vr. Luther hatte im Hotel Metropole eine Unter redung mit dem schwedischen Außenminister Unden. Das neue Kabinett Briand. Paris. In Paris wurde folgende offizielle Minister liste bekanntgegeben: Briand, Ministerpräsident und Außenminister, Pierre Laval, Justiz, Malvy, Inneres, Raoult Peret, Finanzen, Painlevch Krieg, George Leines, Marine, Lamoureux, Oeffentlicher Unterricht, de Monzie, Oeffentliche Arbeiten, Durafour, Arbeit, Duran, Landwirtschaft, Leon Perrier, Kolonien, Jourdain, Pensionen, Daniel Vincent, Handel. Schneller als gewöhnlich und wohl auch nur durch den außenpolitischen Druck der Genfer Verhandlungen erklärbar, ist die innerpolitische Krise in Frankreich binnen drei Tagen gelöst worden. Briand hat sich sofort wieder nach Genf zu rückbegeben. Das neue Kabinett Briand ist ein sogenanntes Kon zentrationskabinett, dessen Majorität in der Kammer von den sozialistischen Republikanern bis zu den Linksrepubli kanern reicht. Das Kartell ist damit endgültig zerbrochen, und die Sozialisten werden jetzt in die offene Oppo sition übergehen. Gute Aufnahin« des neuen Briandkabinetts in Genf. Die Genfer Korrespondenten der Pariser Blätter stellen den befriedigenden Eindruck fest, der allgemein in den Genfer Völkerbund kreisen durch den Entschluß Briands, das neue Kabinett zu bilden, hervargerufen wurde. Sie be merken, baß die augenblickliche Tagung in Genf auf gar nicht so festen Füßen stehe, als daß sie ein weiteres Anwachsen der Schwierigkeiten vertragen könne. Londoner Konferenz der Arbeitsminister. Berlin. Im Anschluß an eine im Mai v. Is. in Frankfurt a. M. zwischen Reichsarbritsminister vr. Brauns und dem englischen Arbeitsminister Sir Arthur Steel- Maitland abgehaltene Besprechung wurde eine neue Konferenz der europäischen Arbeitsminister für den 15. März d. Is. vereinbart. Der nunmehr an Deutschland erfolgten Einladung zur Teilnahme an der neuen Konferenz hat die Regierung entsprochen, und Reichsarbeitsminister vr. Brauns ist in Begleitung des Ministerialdirektors Sitzler und Ministerialrats Feig nebst einigen Dolmetschern nach London abgereist. Gegenstand der Londoner Besprechung wird der Versuch sein, die gleichzeitige Ratifizierung des Washingtoner Uebereinkommens durch die beteiligten Mächte zu erleichtern. Ueber die Angelegenheit hatten vor der Ab reise des Reichsarbeitsministers zunächst die Vertreter der Gewerkschaften und sodann eine Abordnung der Arbeitgeber dem Minister ihre Wünsche unterbreitet. Die Be sprechung in London wird sich unter Umständen auf mehrere Wochen er st recken, da eine Annäherung der sich widersprechenden Auslegungen verschiedener Be stimmungen des Washingtoner Abkommens nicht leicht sein wird und eine schematische Gleichbehandlung aller Arbeits- Verhältnisse der europäischen Länder praktisch überhaupt nicht durchführbar ist. Kreditaktion für den deutschen Osten. Der kürzlich gebildete interfraktionelle Ausschuß für Ostfragen wird im Plenum des Reichstages folgenden An trag einbringen, die Reichsregierung zu ersuchen, durch ein« großzügige Kreditaktion den Deutschen im Osten des Reiches, die durch die Abtretung deutschen Gebietes Heimat und Er werb verloren haben, eines Basis zu geben, auf der sie sich wenigstens eine annähernd gleichwertige Existenz gründen und erhalten können. Angestellten und Arbeitern soll neue Arbeitsgelegenheit gegeben werden. Demnächst will man eine gemeinschaftliche Sitzung mit dem Ostausschuß des Preußi schen Landtages abhalten. Der Kompromißantrag zur Frag« der Fürsten abfindung ist beim Rechtsausschuß des Reichstages eingebvacht worden. Nach der Ueberprüfung durch das Nvichsjustizministerirl« weist er außer einer präziseren Fassung an einigen Stellen keine materiellen Aenderungen auf. Der Kompromißantrag soll an: Freitag im Rechtsausschuß besprochen werden. Ec gilt nicht als unabänderlich, und es ist durchaus möglich, daß sachlich begründete Aenderungen vorgenommen werden. Aus Kreisen der Bayerischen Volkspartei hören wir, daß die Nachricht, die Bayerische Dolksportei werde das zann Fürftenousgleich vereinbarte Kompromiß ablehnen, unrichtig ist. Die Partei werde vielmehr ihre endgültige Entschließung von der endgültigen Fassung des Kompromisses abhängig machen. Das Volksbegehren lehnt die Day«' rische Volkspartei ab. Einen ähnlichen Standpunkt wie die Bayerische Volkspartei vertritt di« Wirtschaft liche Vereinigung.