Volltext Seite (XML)
Sechsundzwanzig st es Kapitel. Sie fuhrren durch die Stadt zurück, über Altona bis » zur Elbchaussee. Schweigend starrten beide in die dunkle I Nacht. Auf einem großen, von Bäumen und Anlagen um- I zäunten Platz verließen sie den Wagen. Weit und breit » war kein Mensch zu sehen. Die Nachtluft war erfüllt vom betäubenden Atem ! blühender Rosen. Quer durch einen Park führte der Weg. I Er reichte ihr feinen Arm, und sie hängte sich bei ihm ein. ' Er ging wie im Traum. Alle Erregung der letzten ; Stunden war von ihm abgefallen und hatte einer stillen » Müdigkeit Platz gemacht. Wie seltsam, daß ein junges I blühendes Leben neben ihm einherging, ein hübsches, sehr ! gescheites und überaus energisches Mädel! Sie diente ; ihm und schlug ihr Leben für ihn in die Schanze. Weshalb » tat sie das? Ein Gedanke tauchte blitzschnell auf. Aber er I verwarf ihn sofort wieder. Nein, sie war nicht für ihn da. Bald würde er heim- I kehren, um dunkles Wissen reicher. Nach dem Abenteuer i dieses Abends mußte er an das Dunkle und Schwere I glauben. Bald würde er heimkehren. Schon fielen ihm die ! Worte des kleinen Japaners aus der „Maritsu Marn" ein: I „Sie müssen starr werden, Sir, und zurückkehren. Es muß I so sein, als ob ein Schatten Ihr Herz gestreift hätte, weiter ! nichts." ; Plötzlich wurde es lichter: ein Helles Loch im Hori- i zont. Dann standen sie an einer Brüstung und unten, tief I unter ihnen lag der breite dunkle Strom im matten Glanz ! der Nacht. ; Sie schritten steinerne Stufen hinab in die Tiefe, i Unten lagen Gartenlokale, und dann erreichten sie einen I schmalen gepflasterten Pfad, der sich nur wenige Meter ; oberhalb des Sandstrandcs am Ufer hinzog. Rechts lagen ; blanke einstöckige Häuser, vor ihnen reichten schmale Gras- > gärten an das steil abfallende Ufer. Endlich blieb Christa stehen. Im dunklen Grün des ! großen Gartens schimmerte ein Weißes Haus. Da die ; Läden geschlossen waren, machte es den Eindruck, daß es i unbewohnt sei. „Hier wohnen Sie, Fräulein Christa?" „Nicht in diesem Hause, aber auf dem Grundstück." ! Sie ösfnete die Gartenpforte und ließ ihn eintreten. I Ein schmaler Kiesweg führte auf das Haus zu. Sie bog j aber vorher ab, und plötzlich befanden sie sich vor einem » hölzernen Gartenpavillon. Drinnen knipste sie Licht an; er stand in einem kleinen I freundlichen Vorraum. Dann kam das Wohnzimmer: im , gelben Schein eines Pergamentschirmes lag ein hübscher » und gemütlicher Raum. In der Mitte stand ein Tisch mit ! Sesseln, an der Wand eine Ottomane, eine Kredenz und l vor dem Fenster ein Schreibtisch. Eine Tür führte in ein > zweites Zimmer, das ganz in Weiß gehalten war: der - Schlafraum. ! Nachdem sie den Samowar angezündet hatte, huschte I sie hinaus, um sich umzuziehen. Nach wenigen Minuten > kam sie zurück, ganz unbefangen, frisch gewaschen und ; rosig, in einem hübschen japanischen Kimono, nach Kölni- » schem Wasser duftend. „So, Herr Read, Sie schlafen natürlich auf der Otto- I mane. übrigens wird es bald hell, dann Wachen die ; Amseln auf, das sind die ersten, die frechen Dinger. - Trinken Sie den Tee mit Rum? Und jetzt müssen Sie I erzählen, was Sie da unten erlauscht haben. Wenn Sie , fertig sind, dann werde ich die Geschichte ergänzen." Atemlos lauschte sie seinem Bericht. Als er zu Ende war, fragte er: „Aber nun sagen Sie I mir, wie Sie auf die Idee verfallen sind, mir in diesem I Hof aufzulauern. Vor allen Dingen: woher wußten Sie, ! daß ich in Gefahr war?" Es war eine etwas feltsame, aber doch ziemlich ein- I fache Geschichte. Sie hatte, als sie John gestern abend » verließ, im Treppenflur die Witwe Regendanz mit einem ! Mann zusammen gesehen, der ihr verdächtig erschien. ! Man schwieg, als sie vorüberkam. Und sofort wußte sie: I da lauert die Gefahr. Es wäre ein blonder verwegener I Bursche gewesen. ! (Fortsetzung folgt.) s> "" j Schüsse. Aber sie waren schon draußen. Eine dunkle, » schmale Gasse. Dicht an die Mauer gedrückt, jagten sie hin. Vis sie eine Ecke erreicht hatten. Fünfundzwanzig st es Kapitel. John lugte um die Ecke. Die Gasse war menschenleer. ! Also hatten die Verfolger die Aussichtslosigkeit ihres I Unternehmens eingesehen. Schweigend schritten John und Christa nebeneinander » her, bis sie endlich eine Helle und breite Straße erreicht , hatten. Er atmete auf. Sie fanden eine Autotari und er schob sie hinein. ! „Ganz gleich, wohin Sie fahren", befahl er dem Chauffeur. Obgleich er wußte, daß Christa ihm die Rettung I gebracht hatte, kamen Zorn und Ärger in ihm hoch. Zu- 1 nächst musterte er ihre Erscheinung. Sie trug weite > dunkle Hosen, ein Marinejackett, außerdem hatte sie das ! Gesicht geschwärzt, war sich anscheinend mit schmutzigen I Händen darin herumgefahren, um möglichst echt zu wirken. „Sie sind wirklich des Teufels, Fräulein Christa", » begann er zu schelten. „Ihre schönen Haare haben Sie » sich anscheinend auch abgeschnitten." „Sie stehen mir ebenso gut wie die langen", ant- I wartete sie leise. ! Aber er wütete noch immer. „Was soll der Unsinn? ' Ich kann die Verantwortung weder vor mir noch vor I Ihren Eltern tragen." Sie lächelte demütig. „Ich wußte, daß Sie in Gefahr ! waren, Herr Read." „Woher wußten Sie das? Wie kamen Sie überhaupt I zu mir?" „Oh, das war furchtbar einfach. Aber jetzt möchte ich » es Ihnen nicht erzählen. Ich mutz erst wissen, wohin wir , jetzt fahren." „In irgendein Hotel, ich werde mich ausschlafen und ; mir morgen überlegen, was zu tun ist. Im „Royal" kann ' ich in diesem Aufzuge nicht erscheinen." „Ich halte es sür gefährlich, wenn Sie ein Hotel auf- j su 'en, Herr Read. Man wird Sie dort vielleicht auf- ! stö ern. Es ist unbedingt nötig, daß Sie heute nacht von ! der Bildfläche verschwinden." „Aber ich muß doch irgendwo schlafen, das sehen Sie l doch hoffentlich ein." „Herr Read", flehte sie, „Sie dürfen mir nicht mehr - böse sein. Ich sehe doch wirklich wunderbar echt aus, mir I konnte doch unmöglich etwas passieren." „So echt wie ein Mädel, das auf einen Masken- ; ball geht." „Es ist ja auch mein Maskenkostüm." Sie kamen über den Steindamm. Hoteltransparente I leuchteten auf. Er streckte die Hand aus, um gegen die ! Scheibe zu klopfen. Sie hielt ihn zurück. „Nein, das geht ! nicht, man wird vielleicht heute nacht sämtliche Hotels I kontrollieren. Sie müssen bedenken, mit welchen Leuten I Sie es zu tun haben. Ich möchte Ihnen einen anderen ! Vorschlag machen." „Nun?" „Sie können bei mir zu Hause übernachten." Er fiel in den Sitz zurück und starrte sie an. Sie aber ; war ganz unbefangen. „Ich finde nichts dabei. Ich habe i zwei Zimmer. Dort wird man Sie sicher nicht suchen. Und I polizeilich bin ich auch noch nicht gemeldet." „Warum nicht?" i „Weil ich gestern erst eingezogen bin. Ach, eine herr- l liche Wohnung." „Aber Fräulein Christa, ich kann Ihnen doch nicht so » einfach mitten in der Nacht in Ihre Wohnung folgen. Nein, ! das geht doch wirklich nicht." „W«rum nicht? Warum so Puritantisch? Haben Sie I das in Amerika gelernt? Wir sind doch kein Liebespaar, ; nicht wahr? Sie sind mein Chef. Hier liegt ein zwingender » Notfall vor. Ich werde uns einen Tee machen und Ihnen I alles erzählen. Es wird sehr gemütlich werden. Ich kenne I Sie, und ich habe Vertrauen." ; Sie lachte und sprach so freimütig, daß John sah, sie - hatte nur den einen Wunsch, ihm zu helfen. Da willigte I er endlich ein. Sie nannte das Ziel: Oevelgönne.