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Nr. 102. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 29. Juli 1925. Seite 3. kam der Internationale Sozialistenkongreß in Ham burg, Pfingsten 1923. „Da kamen sie alle angefahren, die sozialistischen Barden, aus fernen Ländern, die Faure, Grum bach nud Blum aus Frankreich, die Henderson, Webb und Huxton aus England, die Bandervelde, Hymans und Debrou- quöre aus Belgien, der Hillquitt aus Amerika. Sie behaup teten unsere Schuld am Kriege, forderten ihre Kontributionen und verlangten die Fron des deutschen Arbeiters für den Ausgleich der Rechnung ihrer Kapitalisten. Wir aber wedelten demütig mit dem Schwänze, ließen uns michelhaft von Neuem auf die faulen Eier der Internationale setzen und gelobten, daß wir uns jetzt hundert Jahre lang dafür aus quetschen und verprügeln lassen, daß unser Vorkriegsimperia- lismus die Absicht hatte, die anderen zu verprügeln." So sichen auf dem Hamburger Sozialistenkongreß die Sozialisten Deutschlands und die Sozialisten des Auslandes aus. Der Vergleich wird eine heilsame Lehre für den vernünftigen deutschen Arbeiter sein. Die deutschen Sozialdemokraten ver trauten darauf, daß die so kurze Sozialistenregierung dem deutschen Volke Vorteil verschaffen könne. Das deutsche Volk wurde bitter enttäuscht. Nicht einmal in England vermochte MacDonald irgendwelche sozialistischen Experimente in die Wirklichkeit umzusetzen. Noch viel weniger vermochte er die englische Außenpolitik dahingehend zu beeinflussen, euro päischen Verständigungs- und Friedenspolitik zu betreiben. Dem Kabinett MacDonald war nur kurze Lebensfrist ge geben. Nach einem halben Jahr mußte es einer nationalen Regierung in England weichen. Die deutschen Sozialisten haben Recht, wenn sie MacDonald Verrat an der internatio nalen Arbeiterklasse vorwerfen. Hat doch MacDonald in ver schiedenen Reden in England ausgeführt: „Ich werde nichts tun, was die Interessen Englands verletzt. Vor wenigen Tagen schrieb ich an den französischen Sozialisten Renaudel, ich wünsche, daß das französische Volk mit dem englischen freundschaftlich zusammen wirken möge, damit ein neues Europa entstehe, das für die gemeinsamen Interessen han deln könne. Ich werde mich bemühen, zwischen England und Frankreich Beziehungen zu ermöglichen, die von kleinlicher Eifersucht frei werden; denn ich bin immer ein Freund Frankreichs gewesen." Mit diesen Worten setzt MacDonald die englische Kriegspolitik bewußt fort. Es ist falsch, wenn man sagt, die erste Arbeiterregierung habe von der Gnade des Klassengegners gelebt. Eine Regierung in England ist eben undenkbar, wenn sie nicht nationale Politik treibt. Die Führer der deutschen Sozialdemokratie haben aus der Vergangenheit nickts gelernt. Wenn die Hoffnung nicht bestehen'würde, daß die weitesten Kreise des deutschen Volkes vernünftiger als ihre Führer wären und den richtigen In stinkt für eine Deutschland allein aus den augenblicklichen politischen Krisen herausführende nationale Politik hätten, müßte man an der deutschen Zukunft verzweifeln. Die Inter nationale hat uns unsere Ketten nicht abgenommen. Die Fron von Versailles ist geblieben. Aber das eine haben wir aus der Vergangenheit gelernt, daß internationale Schaum- fchlägerei Deutschland nicht retten kann. „Deutschei Fran zosen, hört auf Ramsey MacDonald!" Diese politische Fata Morgana muß ihre Geltung behalten für die unverbesser lichen sozialdemokratischen Parteibonzen und Drahtzieher. Das deutsche Volk — das haben die Wahlen des vergangenen Jahres bewiesen — hat gelernt, daß allein nationale Willens und Entschlußkraft das deutsche Polk einer besseren Zukunft entgegenführen kann, daß in der eigenen Kraft die Wurzeln des deutschen Aufbaus liegen. A—o. deutscher Reichstag. Sitzung vom Dienstag. Als Vizepräsident Or. Bell die Rcichstagssitzung um 1,30 Uhr eröffnete, erklärte er unter Widerspruch von der Linken, daß sich der Aeltestenausschuß soeben über tue Geschäftslage geeinigt habe Zur Durchführung der in Aussicht genommenen Maßnahmen soll ober die heutige Sitzung um eine halbe Stunde vertagt werden. Die Plenarsitzung beginnt also erst um 242 Uhr. Entgegen den Gerüchten, daß der Reichstag beabsichtige sich baldigst zu vertagen, um Steuergejetze und Zollvorlage erst im September zu verabschieden, erfahren wir von parlamentarischer —E.. dsssi eine Aussprache zwischen den masiaebUcbcn ^rer,on»reyretlen der Rcgterungspartercn statlgefunden hat, in der der allseits vorhandene feste Wille zum Ausdruü kam, nicht eher auseinander zu gehen, bis so wohl die Steuergesetze, wie auch die Zollvorlage verab schiedet sind. Eine Hinausschiebung der Zollvorlage wäre schon mit Rücksicht auf die schwebenden Handels vertragsverhandlungen und die bereits abgeschlossenen Handelsverträge, welche auch auf dem neuen Zolltarif basieren, völlig untragbar und würde einen enor . Schaden für die gesamte deutsche Wirtschaft bedeuten. Keine der hinter der Regierung stehenden Parteien würde des halb eine Verschleppung der Zollvorlage vor ihren Wählern recht fertigen können. Nach den gegebenen Mehrheitsverhältnisfen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch jeder etwaige Obstruktionsversuch seitens der Linken niedergekämpft werden kann. Allerdings setzt dies voraus, daß alle Volks vertreter in den Regierungsparteien sich ihrer Pflicht bewußt bleiben und ständig im Reichstag anwesend sind. Wie wir hören, sind nunmehr auch die letzten Schwierig keiten, welche bezüglich einzelner Positionen des Zolltarifs unter den Regierungsparteien noch vorhanden waren, in einer nächt lichen Besprechung unter dem Vorsitz des Reichskanzlers Or. Luther beseitigt worden. Es wurde heute bemerkt, daß einige Anschläge der Regierungsparteien bezüglich der Fleischzölle nun mehr auch die Unterschrift von Zentrumsabgeordncten haben, die bisher eine gewisse Opposition in der Frage der Agrarzölle zur Schau trugen. Die Verständigung scheint dadurch zustande ge- kommen zu sein, daß die landwirtschaftlichen Kreise ein sehr weit- gehendes Entgegenkommen hinsichtlich einiger Lebensmittelzölle, insbesondere in der Frage der Einfuhr von Gefrierfleisch und Speck gezeigt haben. Vizepräsident 0r. Dell eröffnet die Sitzung wiederum um 1 Uhr SO Min. und spricht dem Abg. vr. Sorge (D. Vp.), der heute seinen 60. Geburtstag feiert, die Glückwünsche des Hauses aus. Die zweite Lesung der Steuervorlagen wird darauf fortge setzt, und zwar beim Einkommensteuergesetz. Nach einer Verein barung im Aeltestcnrat werden Gruppen von Paragraphen zu sammengefaßt, für die eine Redezeit von 20 Minuten gilt. Zu nächst zur Beratung gestellt werden die 88 2—5, die die persön liche Stcuerpflicht betreffen. Abg. Koenen (Komm.) bemängelt, daß Ausnahmen von der Steuerpflicht nur für Kapitalisten vorgesehen seien, nicht aber für Proleten. Abg. vr. Fischer-Köln Dem.) fragt die Reichsregierung, ob sie nicht doch eine Ermächtigung in das Gesetz hineinnehmen möchte, durch die sie bis zum 31. Dezember 1930 die unbeschränkte Steuerpflicht der Ausländer, die in Deutschland irgendwie an Geschäften beteiligt sind, erweitern könnte. Staatssekretär Popitz wendet sich gegen diese Anregung. Die 88 2—5 werden darauf gegen die Kommunisten an genommen. Zu den 88 6—14, die die zur Einkommensteuer heran- gezogenen Einkünfte behandeln, beantragt Abg. Or. Fischer (Dem), daß die auf Grund der Perfonalabbauverordnung ge zahlten Abfindungssummen nicht der Einkommensteuer unter liegen sollen. Staatssekretär Popitz erklärt, in den Ausführungsbestim- mungen werde verfügt werden, daß die an die abgebauten Beam tinnen gezahlten Abfindungssummen nicht einkommensteuer pflichtig sind. Die 88 6—14 werden unverändert angenommen. Handel. Berliner Börse vom Dienstag. Die feste Haltung des gestrigen Tages ist schnell von einer wenn auch nur geringfügigen Abschwächung abgelöst worden. Wahrend die Börse gestern noch die an anderer Stelle schon ein mal gewürdigte Transaktion der Deutsch-Luxemburgischen Berg werksgesellschaft günstig beurteilen zu können glaubte, faßte heute eine gegenteilige Meinung Platz, da man der Ansicht ist daß das ausländische Kapital nunmehr in stärkerem Maße in die deutche Industrie Eingang finden wird. Die Kurseinbußen hielten sich aber in ziemlich engen Grenzen. AmMche OrvüenHotterung. Bankdiskont: Berlin 9 (Lombard 11), Amsterdam 4, Brüssel 5)4, Paris 6, London 5, Wien 10, Prag 7, Devi; e n ttn RelchSmuM LS Juli 27. Juli GeG I Brie' Geld Bne» New Port , , 1 § 4.1 5 'l>205 4.195 M. 4.205 London .... 1 2V.373 20,423 20,372 ev.422 Amsterdam , 100 Fl. 168,37 168,79 168.44 168.86 Kopenhagen , 100 Kron. 97,18 97.42 95,63 95,87 Siockholm . , 100 Kron. 112.66 112 94 112,66 12 94 Oslo ..... 100 Kron. ,7,50 ,7.7a 77,20 77,40 Italien , ,, 100 Lire 15,32 15.36 15,416 15,465 Schweiz , , . 100 Frcs. 81,42 81.62 81,43 81,63 Paris .... 100 Frcs. 19 82 19.86 19.82 19.86 Brüssel , ,, 100 Frcs. 19.375 19.4 5 19,41 1945 Prag . . ,,. 100 Kron. 12,434 12.474 12,434 >2,475 Wien ..... 100 Schill. 69,067 59.207 59p 62 59,202 Spanien .. . 100 Peseta 6084 61,00 ^'0 65 60.81 Effektenmarkt. In deutschen Anleihen gestaltete sich der Verkehr recht ruhig. Von inländischen Bankaktien büßten Darm- städter und Deutsche Bank je 0.25, Reichsbank-Anteile 0,75 Pro zent ein. Eisenbahnaktien waren gegen gestern wesentlich ruhiger. In Schiffahrtsaktien hielten sich die Umsätze gleichfalls in ziemlich engen Grenzen. Montanaktien neig ten überwiegend zur Schwäche. Auch Kaliwerte waren trotz der freundlichen Mitteilung über den Erfolg der amerikanischem Reise des Vorstandes bis um 0,50 Prozent abgeschwächt. Farbwerte waren vernachlässigt und leicht nachgcbend. Che mische Werte gebessert. Elektrlzitätsnktien nach ihrer gestrigen Steigerung vernachlässigt. Die Aktien der Ma schinen- und Moto'renfabriken hielten sich ungefähr auf ihrem letzten Stande. Berliner Produktenbörse vom Dienstag. Am hiesigen Produktenmarkt herrschte auch heute wieder nur geringe Unternehmungslust. Die Stimmung war nicht gleich mäßig, der Grundton aber fest Nordamerika hatte eine leichte Abschwächung England dagegen eine Preiserhöhung gemeldet und die Angebote lauteten unverändert. Weizen stützten einige Kauf aufträge aus Mitteldeutschland, dagegen zeigten sich die Mühlen sehr vorsichtig. Für Roggen bestand einige Nachfrage aus der Provinz auch waren die Mühlen in geringem Umfange für frachtgünstige Ware Abnehmer. Ler Mehlabsatz blieb schleppend. Amtlich festgesetzte Preise an der Produktenbörse zu Berlin vom 2». Juli. (Getreide und Oelsaaten per 1000 Kilo gramm, sonst per 100 Kilogramm, alles in Reichsmark.) Weizen, märkischer 243—248, Juli 263—265, September 248—250 u. Geld, Oktober 249—252, befestigt. Roggen märkischer 193—197, Juli 201—205 September 198—201 u. Geld. Oktober 203—206—205, befestitgt. Gerste, Futtergerste 198—212, Wintergerste 187—195, ruhig. Hafer, märkischer, Juli 185. September 188, matter. Mais loko Berlin 213—215, Juli 206. ruhig. Weizenmehl per 100 Kilo gramm frei Berlin brutto inkl. Sack (feinste Marken über Notiz) 33—35, matt. Roggenmehl per 100 Kilogramm frei Berlin brvtto inkl. Sack 27,50—29.50, matt. Wcizcnklcie frei Perlin 13.60, stetig. Roggenkleie frei Perlin 13.70, stetig. Raps 350—355, ge fragt. Viktoria-Erbsen 27—35; kleine Speiseerbsen 25—27; Futtererbsen 23—26 50: Peluschken 23—26,50: Ackerbohnen 24 bis 26; Wicken 26—28; Lupinen blaue 12—13.50; Lupinen, gelbe 15—16,50; Rapskuchen 16,80—17; Leinkuchen 23,40—23,50; Trockenschnitzel 12—12 20; Soja-Schrot 22; Torfmelasse 30(70 9,75; Kartoffelstöcken 26—26,20. Frühmarkt. (Amtlich.) Hafer gut 265—280, mittel 256 bis 264, amerik. 260—265, Gerste 250—260 Wintergerste 220 bis 234, Futterweizen 278—280 gelber Platamais loko 220—222. Roggenkleie 140, Weizenkleie 138—140. Alles per 1000 Kilo gramm ex Waggon oder frei Wagen. Berliner amtliche Notierung für Nauhfutter am 28. Juli. Drahtgepr. Rogenstroh (Ouadratballen) 0.90—1,25 drohtgepr. Haferstroh (Ouadratballen) 0,75—1 drahtgepr. Weizen stroh sOuadratballen) 0,80—1,10, Roggenlangstroh (zweimal mit Stroh gebündelt) 1,30—1,80. bindfadengepr. Rogen- und Wclzen- stroh 1—140 Häcksel 1.30—1.75, handelsübl Heu gesund und trocken, nicht über.30 Prozent mit minderwertigen Gräsern 2,70 bis 3,20, gutes Heu desgl. nicht über 10 Prozent 340—4 Kleeheu lose 4,25—4,75 Die Preise verstehen sich als Erzeugerpreise ab märkischen Stationen frei Waggon für 50 Kilogramm in Reichs- mark. Dunkle Mächte. 13j Kriminal-Roman von Friedr. L. Zöllner. Wiemanns Zeitungs-Verlag, Berlin W. 66. 1925. „Hm, Sie glauben also wirklich, auch von etwaigen Bekannten nicht entdeckt zu werden?" „(Kanz gewiß nicht." „Schön. — Noch eine Frage. Wäre es nicht doch besser, wenn wenigstens mein Freund, der Geheim rat, in das Geheimnis etngeweiht würde? Er könnte Ihnen doch bei der Abfassung des Diebes behilflich sein, oder wenigstens ihm das Gelingen seines Vor habens erschweren." „Gerade das wünsche ich gar nicht, Herr Kom merzienrat, ebensowenig, wie ich beabsichtige, den etwai gen Dieb zu verhaften oder auch nur im geringsten zu stören. Der Diebstahl soll und muß vielmehr gelingen. Nur dann bin ich imstande, der Fährte, die ich aufgespürt habe, weiter zu folgen." „Der Diebstahl — muß — — ?" „Ja, er muß ausgeführt werden. Dis Familie des Geheimrates darf also unter keinen Umständen argwöhnisch sein, folglich ist es auch nötig, daß sie von meinem wahren Ich und der Absicht, die mich in ihr Haus geführt hat, nichts erfährt." Der Kommerzienrat schüttelte verständnislos den Kops. „Sie sind ein außergewöhnlicher Mensch, Herr Wallner." „Das scheint Ihnen nur so, Herr Kommerzien rat. Heute kann ich Ihnen meins Wünsche und Ab sichten noch nicht näher erklären; später aber werden Sie alles begreiflich finden. Außergewöhnliche Um stände verlangen eben auch eine außergewöhnliche Be handlung." „Gut denn. Wenn es Ihnen recht ist, werde ich Sic morgen als einen Geschäftsfreund einführen, dem ich besonders verpflichtet bin, und den ich des halb nicht gut zu Hause lassen konnte. Ich will das schon so machen, daß es niemandem als ungewöhnlich auffallen soll." „Ich danke Ihnen." „So darf ich Sie wohl morgen aoeno, jagen wir gegen acht Uhr, bei mir erwarten? Sie fahren dann mit uns zusammen hinüber. Meine Damen werden sich gewiß freuen, Sie als meinen Gast be grüßen zu dürfen. Uebrigens haben Sie mir fa vor einigen Tagen durch meine Tochter einen Gruß aus richten lassen, für den ich Ihnen nachträglich herz lich danke. Sie waren in der Kapelle, wie ich hörte?" „Ja, ich gestattete meiner Neugier den kleinen Abstecher, um den Ort kennen zu lernen, der eine sunge Dame allmorgendlich so früh schon aus dem Hause wandern läßt." „Ich vermute aber, daß der einfache, kleine Raum Ihnen Ellis Vorliebe für ihn kaum verständlich ge macht hat." „Allerdings nicht, Herr Kommerzienrat, und um so weniger, als Fräulein Elli mir anvertraut hat, daß sie selbst nicht weiß, was sie eigentlich dorthin zieht. Sie erklärte mir, daß ein unbestimmter innerer Zwang, den sie selbst sich nicht erklären könne, sie zu ihren morgendlichen Gängen in die Kapelle ver anlasse." „Ganz recht; das Mädel ist auch uns ein Rätsel. Früher hat sie ja Sonntags auch stets die Kirche besucht, weil ihr das als Pflicht erschien. Nachher war sie aber in ihren Anschauungen bedeutend unab hängiger geworden, und ich kann nicht sagen, daß sie sich darin neuerdings wieder geändert hätte. Und doch jetzt dies allmorgendliche Laufen in die Messe. Wie gesagt, meine Fran und ich stehen hier vor einem Rätsel." „In der Tat, diese Schwärmerei des gnädigen Fräuleins für die Morgenmesse in der Kapelle ist sehr merkwürdig. Wann begann denn diese seltsame Schwärmerei?" „Begann?" Der Kommerzienrat dachte einen Augenblick nach und fuhr dann fort: „Von „Be ginnen" kann man eigentlich überhaupt nicht sprechen. Die Neigung war eines Tages da und beherrschte sie seitdem vollständig." „Und wann war das?" „Zum Kuckuck!" polterte der Kommerzienrat gut- , mütig. „Mir scheint, ich werde hier einem BerhSr unterworfen." Norbert Wallner lenkte sofort ein. ..Verzeihung, Herr Kommerzienrat! Ich wollte nc^ ich nicht aufdringlich werden. Aber so geht's. wenn man mir einem Detektiv zr tun hat. Unsereins kann bekanntlich das Fragen nicht lassen. Selbst verständlich verzichte ich gern aui die Beantwortung meiner Frage. Sprechen wir von etwas anderem." „Aber ganz und gar nicht, verehrter Zderr Wall- s ner", gab der Hausherr eifrig zurück. „Bleiben wir rubig beim Thema. Es ist durchaus kein Geheimnis oder sonst etwas dabei, was ich verschweigen müßte. Elli war im Frühjahr einige Wochen bei einer Tante, einer Schwester meines Vater, in Köln, und ich denke mir, daß das Leben in dem streng katholischen Hause i dort den Anstoß zu ihrer Gemütsänderung gegeben ! hat; denn gleich nachdem sie zurück war, zeigte sie : diese merkwürdige Vorliebe für die Morgenm'ssfe in i der Kapelle." „Soso, also seit März schon!" „Verzeihung! Sagte ich März? Tann habe ich - mich versprochen. Im Mürz war sie ja noch gar l nicht fort. Erst im April fuhr sie nach Köln, und i es war Anfang Mai, als sie wicderkam." „Hm." Ter Detektiv sah auf die Uhr und stand dann ; auf. „Sie entschuldigen mich wohl jetzt, Herr Kommer zienrat. Ich muß eilen, daß ich fortkomme. Für morgen bleibt's also bei unserer Verabredung, nicht wahr?" „Natürlich, Herr Wallner! Ich erwarte Sie um > acht Uhr hier!" ! Sie waren währenddessen zur Tür geschritten. Im Begriff, hinauszugehen, wandte sich der Detektiv noch einmal um. „Entsinnen Sie sich vielleicht noch, Herr Kommer zienrat, wann der erste Diebstahl bei Herrn Kommer zienrat Herrmanns ausgeführt wurde?" (Fortsetzuna iew!)