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Nr. 102. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 29. Juli 1925. Seite 2. abgehalten. Unter den Ehrengästen befanden sich Vertreter der Staatsbehörden, der städtischen Körperschaften und be freundeter Verbände. Namens der Staatsregierung begrüßte Regierunasrat von Broizen die Versammlung. Dem Ver- bandsvorsitzenden Direktor Pflugbeil wurde durch Ehrenober meister Kuntsch die Silberne Medaille der Gewerbekammer Dresden überreicht. Das Silberne Ehrenzeichen bezw. die Ehrenurkunde erhielten die früheren Obermeister Apel-Plauen, Flurschütz-Chemnitz, Peter - Mittweida'und das aktive Mit glied Krüger-Burgstädt. Aus dem von Direktor Pflugbeil erstatteten Geschäftsbericht ergab sich, daß der Mitgliederbe stand gestiegen ist, dem Verbände gehören jetzt 107 Innungen mit 12700 Mitgliedern an. Den ersten Hauptvortrag hielt der Geschäftsführer des Reichsverbandes Dr. Menningen- Elberfeld über die Organisation des Reichsverbandes und seine Einrichtung in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für das Schneidergewerbe. Frau Else Stück-Dresden sprach über die Damenschneiderei und den Wettbewerb der großen Kon fektionshäuser. Der Haushaltplan wurde genehmigt und der Gesamtvorstand mit Direktor Pflugbeil an der Spitze, wie dergewählt. Der Ort des nächsten Verbandstages wird voraussichtlich in zeitlichen Zusammenhang mit dem deutschen Schneidertag gebracht werden, der im August 1926 in Dresden stattfindet. .Hoyerswerda. (Die Unterschlagungen in Hoyerswerda.) Ueber die großen Unterschlagungen bei der Stadthauptkasse gab die letzte Stadtverordnetenversamm lung ein genaues Bild. Darnach beträgt der von Gebauer hinterzogene Betrag nach den bisherigen Feststellungen 9364 Mark und der von Noak 5757 Mark. Die Stadt ist dem nach um ca. 15 200 Mark geschädigt. Gegen beide Beamte ist das Strafverfahren, gegen den Rendanten der Stadt hauptkasse das Disziplinarverfahren eingeleitet worden. vr. Schacht über die Lage am deutschen Geldmarkt. Berlin, 2g. Juli. In d-r gestrigen Zentralousichußfitzung der Retchsbank machte der Relchsbankprüfibent Dr. Schacht bemerkenswerte Ausführungen über die Wirtschaftslage Deutsch lands. Seil der letzten Zentralausschutzstkung am M MS« 1925 Hobe stch die immer noch gedrückt« Lage der deutschen Wirt schaft aus dem Geld- und Kapitalmarkt deutlich widergesptegelt. Die graste Nachsroge nach lang- und kurzsrtstjpem Kapital habe nicht nachgelassen. Die Reichsbank habe auch in dem ver flossenen Vierteljahr ihre Ausgabe darin gesehen, der deutfchen Wirtschaft so wett zu helfen, als es w>t dem Schutze der Währung irgendwie zu vereinbaren sei. Wir flehen nach wie vor aus dem Standpunkt, daß die Ausrechrerhaltung der beut scheu Währung, die uns tn vollem Umsange gelungen ist, allen künftigen Ausgaben voronzvgrhen hat. Auf das Mittel der Kreditbeschaffung werden wir dabet auch weiterhin nicht ver zichten, wenn wir nicht den Zollmarkt vollkommen in Unordnung bringen wollen. Wir verzeichnen mit Genugtuung, dast die anfänglichen Bedenken gegen dies« Politik fast restlos zerstreut lind und alle ernsthaften Kreise der deutschen Wirtschaft ihre Billigung dieser Politik ausgesprochen haben. Es ist kein Ge heimnis, dast tn den letzten Monaten die Nachfrage nach De visen auf dem deutschen Markt etne sehr starke gewesen ist. Die Ursache dieses Fehlers liegt zum Teil in unserer Handels bilanz begründet. Ohne die Gründe dafür erschöpfend behandeln zu wollen, Mächte ich daraus Hinweisen, dast ein erheblicher Teil der deutschen Wirtschaft dem Export nicht diejenige Auf merksamkeit zuwendel, die im Interesse unserer Zahlungsbilanz erwünscht wäre Andererseits wird die Kaufkraft des inländischen Marktes durch etne vielfach verkehrt gehandhabte Bewilligung vffentlicher Gelder künstlich ,erhöht und täuscht damit etne Konjunkturbelebung vor, die bet der Steuerbclastung der Wirt schaft notwendigerweise ein rasches End« findet. Die so not wendige dauernde Stagnierung der inneren Kaufkraft kann nm durch Produktionsoerbilligung und insbesondere durch rin« Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion erzielt werden. Eine wettere Ursache der Deoisennachsrage waren die aus mehreren Anlässen, teils politischer, teils wirtschaftlicher Natu« erfolgten Kündigungen kurzfristiger Auslandskredite. Die Reichsbank Hal die deutsche Wirtschaft aus das Bedenklich« solcher kurzfr-fligen Auslandskredite wiederholt hingewtesen. Endlich dors nicht vergessen werben, dast auch aus den Repara- uonsoerpflichtungen eine erheblich« Nedenbeiaflung sür die deutsch« Wirtschaft resultiert. Die Zahlungen für den Ztnjen- dienft der Dawesanleihe, sür den Rceooeiyact und für di« Verwaltungs- und Rrparationslasten, bre seilens der Empfänger in fremden Valuten umgcwandelt werden, haben bisher den Betrag von 250 Millionen Reichsmark stcherltch überschritten. Trotzdem ist die Retchsbank in der Lage gewesen, ihren Gold bestand auf nunmehr 1100 Millionen Reichsmark zu erhvhen. Wir beabsichtigen, an der Vermehrung unseres Goldbestandes weiter sortzufahren. Es ist erfreulich, dast die Retchsbank tn der Lag« gewesen ist, allen an sie gestellten Dev senanforderungen gerecht zu werden, ohne dast sie etne Einstellung ihrer bisher gewährten Kredite bat vornehmen müssen. Auch weiterhin ist, wie die Dinge im Augenblick liegen, zu dieser Besorgnis Keine Veranlassung Andererseits darf mit einer Erhöhung der Kredit gewährung seitens der Reichsbank nicht gerechnet werden. Politische Nunvscha» Coolidge für de« Sicherheitspakt. Berlin, 29. Juli. Der Lokalanzeiger meldet aus Newyork: Wie das Weiße Haus erklärt, wird der Präsident Coolidge das Zustandekommen des Sicherheilspaktes be grüßen, da so dre Möglichkeit gegeben werde, eine Abrüstungs konferenz einzuberufen. Auf diese Weise würde dann auch eine weitere Annäherung der europäischen Nationen zustande kommen. Der Präsident bezweifelt nicht, so wird weiter erklärt, daß Europa vollständig abrüsten könne. Er sei aber überzeugt, daß man auf die Bewaffnungsverhältnisse vor dem Kriege zurückkommen könne. Das AnfwertungSgesetz vsm 16. Juli 1925. Aufwertung vo» Hypotheten. 8 4. Hypotheten werden auf 2ü vom Hundert des Gold martbetrages, jedoch nicht höher aufgewertet als die durch sie gesicherten Forderungen. (Auswertuugsdetrag.) 8 5. Für die Berechnung des woldmartbeträges (H 2) wird vermutet, daß die Hypothek an dem Tag« erworben ist, an dem sie für den Gläubiger in bas Grundbuch eingetragen ist. Ist I ree pyporyer vurcy nvrrewngserrmrunq uns MDeugave SW Briefes abgetreten, s» wird vermutet, daß sie a« dem Aus stellungstage der Abtretungsurkunde erworben ist. Die an Stelle einer Rangänderung sorgenommene Abtretung oder Neueintragung bleibt für di« Berechnung des Goldmark- betrages außer Betracht. Dos gleiche gilt, wenn eine Hypothek desbaib gelascht und alsbald wieder eingetragen ist, weil nach landesgesetzlicher Vorschrift bei einem Eigentum-Wechsel die Be seitigung aller auf dem Grundstück ruhenden Lasten geboten ist; es gilt ferner im Falle der Auswechslung des belasteten Grund stücks gegen ein anderes Grundstück desselben Eigentümers. Der Goldmartbctrag einer Hypothek für die Forderung aus einer verzinslichen oder an Stelle der Verzinsung mit einem Auf geld rückzahlbaren Schuldverschreibung, die aus den Inhaber lautet oder durch Indossament übertragbar ist, wird nach den für die Forderung geltenden Vorschriftei, des 8 2 Abs. 2 berechnet. Die gesetzliche Miete im Monat August. D Berlin, 28. Zu-li. Für Abgeltung der dem Hausbssitz durch das neue Aufwertungsgesetz auserlegten erhöhten Hypothekenzinsen hat das Preußische Staatsministerium beschlossen, die gesetzliche Miete für den Monat August von 76 auf 82 Prozent der reinen Friedensmiete zu erhöhen. Im übrigen behält die Verordnung des Ministers für Volkswohlfahrt vom 28. Juni 1924 auch sür den Monat August Gültigkeit. In den Fällen, in denen der Mieter Reparaturen selbst übernimmt, ernräßigt sich der Satz um 4 Prozent. Annahmeder ZMovelleersiimSeplember G Berlin, 28« IM. Dor Aeltestenrat des Reichstages tritt erneut zu einer Sitzung zusammen, um die Geschäfts lage des Reichstages zu beraten. Wahrscheinlich wird be schlossen werden, die Reichstagsverhandlungen am Sonn abend, dem 1. August, abzubrechen und die Sommerpause eintreten zu lassen, da es außerordentliche Schwierigkeiten bietet, das Haus beschlußfähig zusammenzuhalten. Es sollen noch die Steuorgesetze in zweiter und dritter Lesung sowie die dritte Lesung des Etats erledigt werden, gegebenenfalls auch noch die Amnestievorlage. Eine Erledigung der Zollvor lage im Plenum hält man in "dieser Tagung für ausgeschlos sen. Voraussichtlich wird der handelspolitische Ausschuß bis Ende der Woche seine Arbeiten in erster und zweiter Lesung abschließen, so daß die Aollgorlage dann an das Plenum gelangen könnte. Die zweite und dritte Lesung im Plenum soll aber erst in einer besonderen Tagung des Reichstages im September erfolgen, die voraussichtlich vom 10. bis 12. Sep tember dauern würde. Der Kampf um die Schiedsveriräge. G Paris, 28. Juli. Der englische Geschäftsträger in Paris, Botschaftsrat Sir Erick Phipps, hatte eine Un terredung mit dem Generalsekretär im Ministerium des Aeu- ßern Philippe Berthelot, in deren Verlaus über den Eindruck gesprochen worden sein soll, den die deutsche Sicherheitsnote in London hervorgerufen habe. Nach dem Petit Parisien soll der französische Botschafter in London neue Weisungen erhalten haben, nach denen er bei den künftigen Verhandlungen mit Staatssekretär Chamber lain die französische Auffassung über einige internationale Rechtsprobleme, die durch die deutsche Note vom 20. 7. aufge worfen worden seien, darzulegen habe. Das Blatt glaubt ferner zu wissen, daß die französische und die englische Auf fassung, namentlich in der Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund sowie hinsichtlich der entmilitarisierten Zone am Rhein und der Gestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit sich schon wesentlich einander genähert hätten. Aber die bri tische Regierung scheine die Garantie bei den Schiedsgerichts verträgen, die zwischen Deutschland und Polen und der Tschechoslowakei abgeschlossen werden sollen, immer noch an ders anfzufaffen als in Paris. Keine französisch-englische Front. D London, 28. Juli. Manchester Guardian wesst in einem Londoner Bericht ^darauf hin, daß die britische Stel lung in den Paktverhandlungen heikel sei. Besonders die deutsche Note enthalte vieles, was England nicht anneh men könne. Andererseits wünsche man nicht, Schwierig keiten zu schaffen oder der deutschen Opposition in die Hände zu arbeiten. Die Paktverhandlungen würden nur langsam fortschreiten. Die Regierung beabsichtige, mit Paris einen Meinungsaustausch zu pflegen, aber nicht eine gemeinsame französisch-britischen Front gegen die Deutschen zu verein baren. Die Krise im Ruhrbergbau. G Dortmund, 28. Juli. Ain 1. August sollen 8000 Mann der Belegschaft der Zeche „Tremonia" gekündigt werden. Die Zechen „Kaiser Friedrich" und „Glückauf-Tiefbau" werden vom 1. September bzw. I. Oktober ab stillgelegt. Die Kokerei anlagen auf diesen Zechen bleiben in Betrieb. Auf der Zeche „Tremonia" werden 40 Koksöfen in Betrieb gehalten. Der Arbeitsnachweis von Buer benrüht stch zurzeit stark um die Unterbringung von Erwerbslosen des Bezirks Buer im sächsischen Bergbau. Ein Vertreter des sächsischen Berg baues ist seit einigen Tagen ebenfalls mit der Werbung von Hauern und Lehrhauern,,aus Horst und Buer beauftragt. Cs kommen im ganzen etwa 1000 Bergleute in Frage, die in Sachsen Beschäftigung finden können. Während in Horst viele Bergleute auf das Angebot eingegangen sind, haben sich in Buer nicht so viele für den Fortzug erwärmen können. Die Zahl der Erwerbslosen beträgt zurzeit 1300. Eine beträcht liche Steigerung ist in der nächsten Zett mit Sicherheit zu erwarten. Die Not des Saarlandes. T Saarbrücken, 28. Juli. Anläßlich des Streikausbruchs im Saarbergbau hat der Landesrat folgendes Telegramm an das französische Arbeitsministxrium gerichtet: Die Notlage der Bergleute ist groß. Infolgedessen ist der Kampf und der Streik im Saarbergbau ausgebrochen. Wegen der schweren Folgen für die Bevölkerung bitten wir daher dringend, den Forderungen der Bergleute weitgehend gerecht zu werden, gez. Scheuer, Präsident des Landesrats. Verstärkte Propaganda Abd el Krims. T Paris, 28. Juli. An der gesamten Front herrsch Ruhe. Soweit die Feinde Angriffe. unternehmen, zeigt es sich, daß diese an Stärke gegenüber den bisherigen verloren haben. Die Stämme, die mit den Franzosen Verhandlungen Uber ihre Unterwerfung eingeleitet haben, werden von Abd el Krim bedrückt. Dieser setzt im übrigen seinen Propa gandafeldzug fort, und man meldet, daß Abgesandte Abd el Krims auch im äußersten Süden Marokkos auftreten. Das energische Vorgehen der französischen Kommandostellen un terbindet aber einen Erfolg dieser Propaganda. Osftnsive Abd el Krims gegen die Spanier? Aus Tetuan wird gemeldet, daß Abd el Krim an der spa nischen Front große Truppenmaffen zusammengezogen hat, und zwar soll es sich um seine besten Kampfeinheiten han deln. Abd el Krim ist bemüht, in der spanischen Zone meh rere aufständige Stämme hierbei zu benutzen, um den Spaniern die rückwärtigen Verbindungen abzu schneiden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß Abd el Krim einen großen Angriff gegen die Spanier vorbereitet und hierzu von der französischen Front reguläre Truppen zurückgezogen hat. Die Rückzugsbewegung der Kabylen tn den letzte« Tage« scheint auf diese Umgruppierung der Kräfte zurückzuführen z« sei«. Aus aller Welt Stade, 29. Juli. Großer Brandschaden. Gestern mittag kurz nach 12 Uhr brach in Neukloster ein Feuer aus, das in rasender Schnelligkeit den ganzen oberen Teil des Dvrfes ergriff und in Asche legte. Soweit bis jetzt festge stellt werden konnte, entstand das Feuer in der Futterküche des Gastwirtes Dammann und wurde dann durch den Luft zug auf die Diele getragen, wo gerade Korn abgcladen wurde. Durch den Wind und die Trockenheit begünstigt, wurden tue Feuergarben auf die anderen Häuser getragen. Dieser ganze Vorgang spielte sich in etwa 10 Minuten ab. Es wurden 12 Wohnhäuser und etwa 16 Nebengebäude ein Raub der Flammen. Der Schaden ist sehr groß. Manche Besitzer haben die ganze Roggenernte und die erste Heu ernte verloren. Das ewige Narrenspiel. Es ist ein Verhängnis für die deutsche Außenpolitik ge wesen, daß die seit der Revolution bis vor geringer Zeit für die deutsche Außenpolitik maßgeblichen Partei in Deutsch land, die deutsche Sozialdemokratie, eng mit internationale« Ideologen verbunden war, und auf Schnitt und Tritt de« Sirenenklängen des Auslandes vertraute. Traurig war jene Friedensresolutton des Jahres 1917, die den fast unter der Wucht der deutschen Angriffe zusammenbrechenden Feind wieder ermutigte, alle seine Kräfte zum Widerstand gegen Deutschland zusammenzurufen. Schandbar war das unter würfige Entgegenkommen bei den dem Weltkriege folgenden Friedeusverhandlungen in Versailles. Es gibt heute noch viele Deutsche, die glauben — und zwar wohl mit Recht —, daß eine so schwächliche Nachgiebigkeit gegenüber den dikta- torischen Forderungen des Feindes auch trotz des Zusam- menbruches Deutschlands nicht notwendig gewesen ist. Lei der muß man immer wieder feststellen, daß die Sozialdemo kratie aus der Vergangenheit nichts lernt und immer mehr auf den Gegner als auf die eigene Stärke baut. Als Ramsay MacDonald Premierminister von England wurde, jubelten die sozialdemokratischen Blätter in Deutsch land: „Deutsche! Franzosen! Hört auf Ramsay MacDonald!" Kommen uns Deutschen diese Melodien nicht vertraut vor? Am Vorabend des Weltkrieges wurde das Protestmanifest der sozialistischen Arbeitergruppen Englands gegen den Krieg, von Arthur Henderson und Keir Hardie unttrzeichnet, der Welt zur Kenntnis gebracht. Es schloß: „Verkündet, daß die Tay« der Plünderung und der Schläch terei für euch vorbei sind! Schickt die Botschaft des Friedens und der Brüderlichkeit an eure Kameraden, die weniger Freiheit haben als ihr. Nieder mit der Klassenherrschaft! Nieder mit der Herr schaft der brutalen Gewalt! Nieder mit dem Krieg! Hoch die friedliche Herrschaft des Volkes!" Damals war MacDonald so aufrecht, als er schärfste Kritik an der englischen Regierungspolitik übte, dem Lor- Grey, welcher von der „Ehre Englands" sprach, zu ant worten: „Es gab keinen Krieg, auch nicht den verbrecherischsten, für den nicht unsere Staatsmänner sich auf die „Ehre" der Nation berufen hätten. So war es im Krimkricge, so war es im Buren- kriege, und so ist es jetzt im Kriege gegen Deutschland. Was auch geschehen mag und welchen Angriffen wir auch ausgesetzt sein mögen, wir werden immer unser« Stimme dahin erheben, daß England hätte neutral bleiben müssen, weil wir die feste Ueber- zeugung haben, daß dieses einzig Richtige mit der Ehre dec Nation übereingcstimmt hätte." MacDonald lernte schnell um. Der bekannte Sozialist Eduard Bernstein berichtet (Tübingen, 1916): „Hervor ragende Führer der Arbeiterpartei haben dann ganze Agi- tattonsroisen für die freiwillige Bewegung gemacht und darin den Krieg als einen notwendigen Kampf gegen den deutschen Militarismus bezeichnet, der der gefährlichste Feind des Friedens und der Eintracht der Nationen sei. Auch Mae Donald hat in Leicester in einer großen Versammlung seiner Wähler und dienstfertigen Leute zum Eintritt in die Armee aufgefordert." Auch Henderson scheute sich nicht, seinen vor her zitierten Aufruf im Jahre 1916 bereits in das Gegen teil zu verkehren. „Das friedliebende englische Volk ist be gierig, die volle Bedeutung der deutschen FriedLNSvorschlüge kennenzulernen; aber man muß bedenken, daß sie von einer Macht kommen, die im August 1914 das schändliche Angebot gemacht hat, daß England Frankreich verraten und der Ver gewaltigung Belgiens ruhig zusehen soll . . . Es ist von größter Wichtigkeit, daß jeder Friedensvorschlag an den Grund sätzen geprüft wird, derentwillen England den Krieg ausge nommen hat und fortsetzt, nämlich die kleinen Nationen vor Angriffen mächtiger Nachbarn zu schützen, den Glauben an Verträge zu wahren, Frankreich vor preußischen lleberfällen zu verteidigen und für seine'eigene Sicherheit zu sorgen. Das sind die englischen Sozialisten, kurz charakterisiert, auf welche die ewigen deutschen Michel ihre Zuversicht und Hoff- nuna setzten.