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ulsmherFayeblatt Donnerstag, 9. Juli 1925 Beilage zu Nr« 86 77. Jahrgang Das System der KuffolmWea Revolution. Das System der Mussofinischen. Revolution folgt dem ersten Auftreten des Faschismus, irr welchem Stadium der Faschismus sich orgauisiecte und zu einer innerpolitischen Macht erwuchs. Die faschistische Aktion in Oberttalien ergab eine Interessengemeinschaft zwischen Industrie und Faschismus. Wenn die italienische Industrie durch Faschisten geschützt sein wollte, so mußte sie als Gegenleistung für die Anstellung von Faschisten als Arbeiter, technische und kaufmännische Angestellte Sorge tragen. Das hatte für den Faschismus den Vorteil, systematisch seine Anhänger auf die verschiedenen Unternehmungen verteilen zu können und gegenüber der Industrie als Macht wirken. Außerdem mußte die italienische Industrie finanzielle Zuschüsse gewähren, die jedoch nicht besonders hoch und keine laufenden Zuschüsse waren. Die Kampfverbände Mussolinis waren selbst auf dem Marsch nach Rom sehr bescheiden ausgerüstet. Mussolini rechnete nie im Ernst mit der Möglichkeit eines Kampfes mit regulären Truppen. „Eine Revolution macht man nicht gegen die Armee, sondern mit der Armee!" Genossenschaft liche Organisationen und Konsumvereine waren eine zweite Geldquelle für Mussolini. Seine Organisationen waren seine Intendantur, aus der heraus er bei jeder Aktion seine Truppen mit Lebensmitteln versorgen konnte. Nach Regelung der Finanzlage wandte Mussolini die Methode der Durchdringung an. In die staat lichen und wirtschaftlichen Institutionen wurden faschistische Keimzellen gesetzt zwecks Kontrolle und Sammlung von Material, um später zur Propaganda überzugehen. Als Sozialist kannte Mussolini die Macht der Propaganda. In einem kritischen Augenblick des Faschismus rief er, ruhig am Schreibtisch sitzend, seinen mahnenden Freunden zu: „Die Entscheidung hängt jetzt von der Prägung eines neuen Schlagwortes ab!" Die italienische Regierung erkannte bald, daß das System Mussolinis sich gegen sie selbst richtete und nahm daher eine Gencralreinigung der Staatsämter vor. Mussolini parierte den Hieb, indem er neben jedes staatliche Organ ein faschistisches einsetzte. Es entstand ein faschistischer Staat im Staate. So kam es bald, daß bei Streitigkeiten die Bevölkerung sich lieber an die Vertrauensleute des Faschismus wandte als an die staatlichen Institutionen. Daun kam die Methode der Gewalt. Sie staffelt sich folgendermaßen: die polifische Aktion, die Strafaktion, die Repressalie, die Einschüchterungsaktion, die Geiselnahme und der Ueberwachungsdienst. Die Idee von der unwider stehlichen Gewalt des Generalstreiks wurde gebrochen. Die methodische Anwendung der Gewalt schüchterte Sozialisten und Kommunisten ein, und damit hatte Mussolini sein Ziel erreicht. Zum Schluß mußte die Eroberung der Eisenbahnen als wichtigste Voraussetzung der Revolution erreicht werden. Mussolini gelang es durch die Methode der Durchdringung I und der Gewalt, die bisher völlig radikalen Eisenbahngewerk schafton faschistisch zu machen. Der 1. Mai 1922 wurde ein völliges Fiasko für alle die, welche an die unwider stehliche Gewalt des Generalstreiks geglaubt hatten. Damit war die zweite Epoche des italienischen Faschismus zu gunsten Mussolinis entschieden) PsMsche NmMchL« Aus dem Aufwertungsausschuß. DBerlin, 9. Juli. Der Aufwertungsausschuß hat be schlossen, daß die Markunleihen des Reiches, der Länder und Gemeinden zu einem Umtauschsatz von 214 v. H. in Ablö sungsanleihen umgetauscht werden. Nach der Regierungs vorlage und nach den früheren Beschlüssen des Aufwertungs- Ausschusses betrug der Ablösungssatz 5 v. H. Für den An leihe-Altbesitz ist eine Verschlechterung gegenüber den Be schlüssen erster Lesung hiermit nicht verbunden, da die Ablö sungsanleihen der Altbesitzer mit einem erhöhten Aufgeld ge tilgt werden. Richter und Barmat. G 1 rlin, 9. Juli. Der Untersuchungsausschuß für die Prüfung der Vorkommnisse bei der Staatsbank, sogenannter Varmatausschuß, vernahm abschließend den früheren Reichs minister Bauer und den früheren Polizeipräsidenten Richter, um ihnen, wie das bei allen Zeugen geschehen war, vor ihrer Vereidigung Gelegenheit zur Ergänzung oder Berich tigung ihrer früheren Aussagen, die sie inzwischen nach dem Stenogramm hatten durchsehen können, zu geben. Hiervon wurde ausgiebiger Gebrauch gemacht. Als an den Zeugen Richter Fragen nach Art und Umfang seines Freundschafts verhältnisses zu Iulius Barmat gerichtet wurden, versagte ihm die Stimme und er vergoß Tränen. Er entschul digte sich damit, daß seine Nerven diese öffentliche Schilderung seiner sehr herz lichen Freundschaft zu Barmat nicht aus- hielten. In nichtöffentlicher Sitzung gab Richter Auskunft über Zuwendungen, die er von Varmat erhalten habe. Den Kaufpreis für die von Barmat bezogenen Aktien könnte er, weil damals in der Inflationszeit der Geldwert dauernd geschwankt habe, nicht genau angeben. Einmal habe er für familiäre Zwecke sich fünfhundert Mark von Barniat geliehen. Er gab dann auch Auskunft über gesellige Zusammenkünfte und Reisen, deren Kosten Barnrat bestritten hübe. Noch keine Vollstreckung des Moskauer Urteils. D Moskau, 8. Juli. Das Gnadengesuch der Eltern Kindermanns und Wouchts sowie des Verteidigers Dittmars ist dem Zentralexekutivkomitee am 4. Juli zugegangen. Kalinin hat verfügt, daß die Vollstreckung des Ur teils vorläufig ausgesetzt werde, bis der Ent scheid des Vräsidiums der Zentralexekutive über die persön lichen Gnadengesuche Kindermanns und -Moischts vorlieae. Voraussichtliche Witterung. Freitag, 10. Juli: Zeitweise wolkig, vielfach heiter, trocken, Nacht kühl, Tagestemperatur etwas wärmer. Vom Blitz getroffen. Von Dr. Mosbacher-Charlottenburg. Schon den ganzen Tag hat das Unwetter gedroht; heiß brannte die Sonne am Vormittag herab auf den rüstig ansschreitenden Wanderer; aber in der Ferne am blauen Himmel ballten sich erst weißliche, dann grau-schwärzliche, immer dunkler werdende Wolke» zusammen, bis am Nach mittag der ganze Himmel von schwarzen, niedrig hängendem Gewölk bezogen ist. Schon rollt in der Ferne der Donner; stärker und stärker wird das näherkommende Grollen; der Sturm wirbelt allen Staub empor, der erste Blitz fährt durch die schwüle Luft herab, Donner folgt und Regenmassen stürzen hernieder; ununterbrochen krachen Donnerschläge und zucken grelle Blitze. Immer weiter und weiter hastet der bis auf die Haut durchnäßte Mann; da am Kreuzweg der Landstraße steht eine einsame Buche; in eiligem Lauf flüch tet er sich in ihren — vermeintlichen — Schutz. Der Re gen dringt nnr langsam durch die dichten Zweige und Blätter; unaufhörlich tobt das Gewitter fort; da — auf einmal ein wildes Hinundherzncken am grell erleuchteten Firmament — ein entsetzlicher Krach — die hohe Buche wankt vom Blitz getroffen — und neben ihr liegt der Wanderer — ein toter Mann, vom Blitzschläge gefällt. — — Es ist der größte Fehler, den man begehen kann, wenn man sich bei einem Gewitter unter Bäume, beson ders unter a I l ein st eh en d e Bäume flüchtet; denn ge rade diese üben eine außerordentliche Anziehungskraft auf den Blitz aus; schon zahlreiche Menschen sind dem Außer achtlassen dieser Regel zum Opfer gefallen. — Der Tod tritt beim Blitzschlag als Folge schwe rer Verletzung lebenswichtiger Körperteile ein; im Gehirn und Rückenmark kommt es zu Zerreißungen des Gewebes und zu unzähligen kleinen Blutungen; die Kleidung ist gewöhnlich ganz unregelmäßig zerrissen und weist deutliche Brandspuren auf; im Gegensatz zu nicht- tödlichen Blitzschlagverletzungen, bei denen die Kleider entweder ganz unversehrt bleiben oder lochähnliche Zerstö rungen ausweisen; aber auch hier können Brandspuren auf treten. Wird die Kleidung sehr stark erhitzt, so entstehen natürlich auf der darunter liegenden Haut echte Brand wunden; während der Blitz selbst auf der Haut nur brandwnndcnähnliche Verletzungen hervorruft; bei nahe wie Schußwunden, von wachsartigem Glanz, ja wie gekocht sehen die getroffenen Stellen aus, die dann meist seltsame Figuren bilden. Die oberflächlichen hoch roten Blitzfiguren pflegen fast stets nach einigen Ta gen spurlos zu verschwinden; tiefer gehende Brandstellen hinterlassen bräunliche Narben. Arbeit adelt. Original-Roman von H. Courths - Mahler. 66) (Nachdruck verboten.) »Ja, ja, alles sollen Sie wissen. Also ich habe doch schon von Anfang an gemerkt, daß hinter Ellinors starkbetonter Abneigung gegen Eie etwas anderes steckt. Ich kenne doch Lllinor. Um einen Menschen, den sie wirklich nicht leiden kann, kümmert sie sich nicht, sie wird nicht rot und aufgeregt, wenn sie ihn sieht. Ich bin überzeugt, meins Kusine Gitta hat da eine Teufelei angezettelt. Gitta hat Ellinor erzählt, Sie wären mit Gitta heimlich verlobt gewesen, weil Sie geglaubt hätten, Gittas Bater würde Lemkow erben. Als das nicht ge schah, hätten Sie sich von Gitta zurückgezogen und sich um Ellinor bemüht, bloß weil Sie in Ellinor die reiche Erbin sähen. Deshalb war nun meine Schwester immer so abweisend gegen Sie. Aber ich habe ihr gestern, als sie mir das in ihrer Erregung verriet, gleich gesagt, daß ich es nicht glaube, und daß das alles wohl ganz anders sein müsse. Und, nicht wahr, Herr Baron, Sie können bas ganz anders aufklären? Und meine arme Ellinor braucht nicht so unglücklich zu sein und immer zu weinen?" Vertrauensvoll sahen Freds blaue Augen in die seines Freundes. Heinz sprang auf und ritz Fred mit sich empor, ihn fest an sich ziehend. „Fred — lieber, lieber Fredy — wie danke ich Ihnen für Ihr Vertrauen! Tausend neue Leben wecken Sie in meinem Herzen. Hergott — ist es denn mög. lich? Kann Ellinor mich lieben? Deine herrliche, stolze Schwester, Fred? Ich mutz du zu dir sagen, mein lieber, lieber Junge. Wenn ich das glauben dürfte, daß Ellinor mich liebt! Aber ja — ja — ja -- nun ist au<ch> mir, als falle eine Binde von meinen Augen. Aber zu Ellinor muß ich gehen — und mit ihr sprechen Hilf mir dazu, mein lieber Fred. Deine Schwester würde mich abweisen lassen, käme ich jetzt zu ihr, ich weiß es. Reit« jetzt nach Hause und sieh zu, daß du deine Schwester veranlassen kannst, mit dir zum Tennisplatz zu gehen. Dort in den kleinen Pavillon mußt du sie sühren und sie dann unter einem Vorwand allein lassen, wenn ich erscheine. Denn ich muß allein mit ihr sprechen. Begreifst du das, mein Fred?" Fred nickte hastig „Ja, natürlich Sie können auf mich rechnen, ich bringe Ellinor in den Pavillon.? Der Baron umfaßte seine Schultern. „Sage du und Heinz zu mir, mein kleiner, wackerer Freund. Wie es auch kommt, wir bleiben Freunde, denn du hast dich mir wahrlich als treuer Freund be währt, hast an mich geglaubt." Fred strahlte. „Ja, Heinz, lieber Heinz, ich hab' dich gleich in mein Herz geschlossen, und ich habe es Ellinor gleich gesagt, nur dir selbst würde ich glauben Nicht wahr, Heinz, Gitta hat eine Unwahrheit gesagt?" Lindeck sah ihn mit fieberhaft glänzenden Augen an. „Alles ist Lüge, Fred. Ich habe nie auch nur daran gedacht, mich um Gitta von Lossow zu bewerben. Ich liebe in deiner Schwester nur allein ihre eigene, liebens werte Person. Aber nun schnell nach Hause, mein Fred! Ich folge dir auf dem Fuße, will mich nur schnell um kleiden. Ich warte im Lemkower Park, bis du mit Ellinor kommst. Sage aber nichts." „Nein, nein, Heinz, du kannst dich auf mich ver lassen. Du, ich bin schrecklich stolz, daß ich nun wirklich dein richtiger Freund bin.? „Ja, mein wackerer Fred, das bist du. Und nun gehe und laß mich nicht zu lange warten!" „Nein, nein. Auf Wiedersehen in Lemkow!" Sie drückten sich die Hände, und der Baron schob Fredy zur Tür hinaus. Gleich darauf ritt dieser davon. Während sich Heinz Lindeck umkleidete, verglich er Gitta und Ellinor von Lossow, und Gittas Bild ver blaßte nicht nur, sondern sie hatte sich's durch ihre Handlungsweise selbst befleckt. Er durchschaute alles. Und beinahe würde wahrscheinlich sein Glück an diesem Lügengewebe gescheitert sein, wenn dieser klug« Fredy nicht alles ans Licht gebracht hält«. Er streckte kraftvoll die Arme von sich. Ach, nun hatte er wieder Mut, vor Ellinor hinzu- treten und um ihre Liebe zu werben. Jetzt konnte er seine Sach« führen, konnte ankämpfen gegen dar feind liche Etwas, das ihm den Weg zu ihrem Herzen ver sperrte. Nun hasste er auch, sie würde ihm verzeihen, daß er sie gestern geküßt hatte. Fred war schnell nach Haus« geritten. Ein wenig beklommen war ihm nun doch zumute. Hatte er auch recht getan? Würde ihm Ellinor nicht zürnen, daß er so eigenmächtig in ihr Leben eingegrifsen hatte? Wozu grübeln! Wenn Ellinor nur glücklich würde und er dazu beigetragen hatte Wie herrlich wäre das für ihn! Wie erregt Heinz — sein Freund Heinz gewesen war! Er mußt« Ellinor doch schrecklich liebhaben! Was wohl Vater zu alledem sagte? Ach, Vater würde sich gewiß freuen über einen Schwiegersohn wie Heinz, zu mal dieser sein Kind vor einem schrecklichen Tode bewahrt hatte. Und solchen Gedanken verging Fred der Weg sehr schnell. Ehe er mit Nachdenken fertig war, langt« «r in Lemkow an. Ellinor kam ihm schon auf der Treppe entgegen. Sie trug ein weißes Kleid und sah noch immer sehr blaß und traurig aus. Fred eilte auf sie zu, nachdem er Favorit dem Reitknecht übergeben hatte. Mit unruhigem Ausdruck blickt« ihm Ellinor ent gegen. ^Du kommst schon zurück, Fredy? Hast du Baron Ltndeck nicht angetroffen?? Fred sah sie forschend an. „Doch, Lllinor, zu Hause war er schon Aber er war in einer sehr schlimmen Stimmung. Ich glaube, er hat sich schrecklich um dich gesorgt.? Sie wurde rot. Aber zugleich erschien ein bitterer Zug um ihren Mund. ^Fortsetzung folgt.)