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Nachdruck verboten. Kttlmn Kewelbc-AusAtkiig. Hartenöau-Ausstessuug. Durch rastlose» Fleiß und unermüdliches Ringen uns Streben ist nicht nur das ehemalige Fischerdorf zu einer Weltstadt umgewandelt worden, sondern auch der unfrucht bare Sandboden in seiner Umgebung zu einem blühenden Garten. Aus dem sterilen Boden der Mark Brandenburg, die man spöttischer Weise einst des heiligen römischen Reiches Streusandbüchse nannte, gewinnt der Gärtner jetzt Produkte wie die in den Vororten Berlins in Baumschulen gezüchteten Koniferen und Obstbäume, die bis nach Nord- und Süd-Amerika, nach Süd-Afrika, China und Japan gehen. Blattpflanzen und Blumenzwiebeln sind im ganzen Reich, in Rußland, England, Holland, Schweden und Nor wegen ein sehr begehrter Artikel, und es ist unbestritten, daß in Bezug auf Baumschulenzucht die Stadt Berlin in ganz Europa einen der ersten Plätze einnimmt. Man kann daher schon,Jetzt mit Sicherheit voraussagen, daß der Gartenbau auf der,Berliner Gewerbe-Ausstellung von 1896 eine hervorragende Stelle einnehmen, und sich schon aus diesem Grunde für jeden Gärtner und Blumenliebhaber, sowie für alle Naturfreunde ein Besuch der Ausstellung lohnen wird. Das der Gruppe „Gartenbau" überwiesene Terrain ist bedeutend größer als das aller übrigen Gruppen der Ausstellung. Es befindet sich im Mittelpunkte des Verkehrs, zwischen der Treptower Chaussee und dem früheren Spielplatz, der jetzt zu dem Neuen See umgewandelt ist, und umfaßtJemen Flächenraum von mehr als 60 000 gM. Zur Aufnahme der Gewächshauspflanzen und der Erzeug nisse des Gartenbaus sowie seiner Hilfsmittel und Werk zeuge, soweit sie im Freien nicht untergebracht werden dürfen, sind 8 Gewächshäuser von verschiedener Konstruktion, darunter ein Haus aus hohlen Glassteinen ohne Eisen sparren, bestimmt, die zusammen einen Flächenraum von zirka 800 PL einnehmen. Außerdem werden zu diesem Zwecke zwei offene Gartenhallen, sowie eine bedeckte, auf einer Fläche von zirka 530 gw erbaut. An der Aus stellung beteiligen sich über 120 Firmen, die sich nicht nur aus Berlin und seinen Vororten rekrutieren, sondern auch Mitgliedern der in Berlin domicilierenden und über ganz Deutschland verbreiteten Fachvereine gehören, wie des Vereins zur Beförderung des Gartenbaus in den preußischen Staaten, des Vereins der Handelsgärtner Deutschlands und des Vereins deutscher Gartenkünstler. Diese Kollektiv- Ausstellungen werden sich sehr reichhaltig und interessant gestalten, da einige Firmen mit einer sehr großen Aus wahl ihrer Produkte beteiligt sind. Der Gartenbau bildet Gruppe 22 der Berliner Ge werbe-Ausstellung und zerfällt in 10 Untergruppen, die nach den verschiedenen Zweigen der Hortikultur geordnet sind. Von diesen Untergruppen werden Topfpflanzen, Freilandpflanzen, Baumschulenerzeugnisse, Obst und Obst produkte, Gemüse, Blumenzwiebeln und Samen in per manenter Ausstellung vorgeführt werden, neben periodischen, die je nach der Jahreszeit in längerer oder kürzerer Frist ihre Produkte ändern werden. Binderei und Arrangements aus Blumen sowie die Landschaftsgärtnerei und Dekoration werden bei dem hohen Stande, den diese Industrien in Berlin eirmehmen, selbstverständlich in hervorragender Weise vertreten sein, während die übrigen Untergruppen „Wissen schaftliche Abteilung" und „Technische Leistungen" ganz besonderes Interesse durch ihre Reichhaltigkeit erregen werden. Vor allem werden uns in dieser letzten Gruppe der ganz enorme Fortschritt und die neuesten Errungen schaften auf diesem Gebiete gezeigt. Gewächshäuser in verschiedenen Formen, die zweckmäßigsten Heizungsanlagen, Dörrapparate und Obstprefsen neuester Konstruktion, Garten werkzeuge und Gartenpläne und endlich Gartenmöbel aller Stilarten sollen daselbst vorgeführt werden. Wie es sonst auf Gartenbau-Ausstellungen nicht üblich, in den meisten Fällen auch nicht möglich ist, haben eine Anzahl Aussteller der Untergruppe „Baumschulenerzeug- nisse," „Landschastsgärtnerei und Dekoration" bereits ini Frühling des vorigen Jahres und im Laufe des Sommers mit ihrer Ausstellung begonnen und dieselbe fast vollständig fertig gestellt. Es ist daher anzunehmen, daß diese schon jetzt fertigen Anlagen sich während der Ausstellungs-Saison herrlich entwickeln und einen Glanzpunkt des ganzen Unter nehmens bilden werden. Die Firma L. Späth, Baum schulen bei Nixdorf, hat allein einen Flächenraum von 10 000 Quadratmetern mit Baumschulartikeln bepflanzt. Den Mittelpunkt bildet ein 2 500 gM großer Spalier- Obstgarten, der die schönsten, tadellos gezogenen Spalier bäume, Pyramiden, senkrechten und wagerechten Schnur bäume aufweist. An 800 auserlesene Koniferen (Nadelhölzer) und eine große Anzahl der schönsten und seltensten Laubhölzer sowie Allee- und Parkbäume sind zu einem landschaftlichen Garten angepflanzt. Besonders wirkungsvoll wird sich ein großes Rosenparterre gestalten, das aus Monatsrosen von verschiedenen Farben zusammengesetzt ist. Ferner werden größere und kleinere Rosenbeete sowie Gruppen hoch stämmiger Rosen durch den zu erwartenden Blütenschmuck dekorativ hervortreten. Auch eine kleine Koniferenschule, durch die die Anzucht der beliebtesten und bekanntesten Nadelhölzer veranschaulicht wird, hat Platz gefunden. Neben Vieser Ausstellung befindet sich die von Görms aus Potsdam und die von Buntzel aus Nieder-Schönweide, die einen Rosengarten mit vielen tausend Rosen Herrichten. Bis auf weniges hat ferner auch die Firma A. Hranitzky in Mariendorf ihre Anlage fertig gestellt. Dieselbe bringt ein reichhaltiges Sortiment von Koniferen, Gehölzen und Obstbäumen in allen Formen zur Ausstellung und hat die Anpflanzung in landschaftlich geschickter Weise durchgeführt. Auch eine Anzahl hervorragender Berliner Landschafts gärtner wie Körner in Steglitz, der einen Lawntennisplatz mit gärtnerischen Anlagen errichtet, ferner K. Wredow, sowie W. Wendt in Berlin und Koch L Rohlfs in Groß- Lichterfelde haben ihre Gartenanlagen bereits vollendet. In großartigster Weise wird auch die Binderei aus frischen Blumen ourch die verschiedenartigsten Arrangements ver treten sein. Die Firma I. C. Schmidt, Unter den Linden, baut für ihre eigene derartige Ausstellung einen Pavillon von 90 ^ra. Grundfläche. Die Gewächshäuser werden namentlich mit den in großen Massen in Berlin gezogenen Mark»pflanzen, Palmen, Dracaenen, Begonien, Gloxinien und dergl. gefüllt sein. In der Nähe des Terrains der Gruppe „Gartenbau" werden die Obstzüchter von Werder ihr Obst in einem eigenen Pavillofi nicht nur ausstellen, sondern auch verkaufen. Außer dem dieser Gruppe zuge wiesenen Platz werden namentlich noch die Ufer um den Neuen See herum durch die Aussteller der Gartenbaugruppe mit schönen Dekorationspflanzen geschmückt werden. Zum ersten Male wird uns hier ein vollständiges Bild von dem großartigen Aufschwung der Berliner Garten kunst dargeboten; Kamelien mit Knospen, Azaleen, Flieder in Töpfen und andere sogenannte Marktpflanzen, die jetzt von ganz Deutschland aus Berlin bezogen werden, werden wir in den prachtvollsten Exemplaren bewundern können, und ganz besonders wird die Ausstellung von Hyazinthen und Tulpen einen überraschenden Anblick gewähren, da M Berlin schon längst ein Hauptort für Blumenzwiebeln ist und, was Produktion und Export anbelangt, die Stadt Haarlem in Holland auf dem Weltmärkte bei weitem über flügelt hat. Von dem Berliner Gemüsebau werden wir dagegen keine so vollkommene Vorstellung erlangen, da bisher nur wenige Firmen ihre Beteiligung zugesagt haben; jedoch werden wir eine Anzahl Champignonzüchtereien im Betrieb erblicken. Daß zur Eröffnung der Ausstellung eine ganz besondere Blumenpracht entfaltet werden wird, ist wohl selbstverständlich; wie reizlos und farblos wäre auch selbst die größte Feier ohne die duftigen Kinder Floras. lPatentbureau H. L W. Pataky, Berlin.) Nachdruck verboten. Der FrWiU i- Kimmen. Skizze von L. S. Warm schien die Sonne nach langer Winterherrschaft, gelöst war der Bann des Eises, welches bis dahi Weiher und Bach bezwungen, und lustig plätscherten die Wellen. Die erste Lerche ließ sich vernehmen, und unten im Thal, ganz in der gegen den rauhen Wind geschützten Ecke, blühten die ersten frohen Kinder des Frühlings. Ganz wenige Blümlein waren es nur erst; auf der kleinen Stelle hatten sie vorsichtig das Köpschen erhoben, um zu prüfen, ob sie es wagen dürften, in Wind und Wetter Hinauszuschauen. Ein kalter Hauch ging noch durch das Thal und scheu zogen sie sich wieder zurück. Aber dann war die Sonne gekommen, und der Frühling. Kahl war's noch in der Runde, die schwarzen Zweige der Bäume hoben sich scharf ab im Hellen Sonnenlicht, das vom fleckenlos blauen Himmel nur so herunterflutete; es wärmte die Erde, aus der es bald grünen und sprießen soll, es wärmte und erquickte die Menschenherzen nach langer Winterszeit. Ueberall wurden frohe Stimmen laut, überall zeigten sich lustige Menschen, denen die Freude über das Herein- lugeu des Frühlings in's Land nur so aus den Augen leuchtete. Man sprach von der kommenden besseren Jahres zeit und erging sich schon in Erntehoffnungen. Wo ein Wanderer den anderen antraf auf der Land straße, da flogen heitere Worte zum Gruße hinüber und herüber, und die Jugend tummelte sich rechtschaffen auf dem trockenen Grunde, der nun keine sichtbaren Zeichen des übermütigen Spiels mehr an den Kleidern zurückließ. Der Weg, der von der Höhe ins Thal führte, war auf beiden Seiten mit einer Reihe Pappeln besetzt, die gerade und stramm dastanden, wie eine Kolonne Soldaten. Schon von weitem sah man aus ihren Reihen hinab in den Thalgrund. Jetzt bog oben auf der Höhe ein Mann um die Walbecke; er ' ging langsam, schleppenden Schrittes, als ob ihm der Weg sauer zu werden beginne. Er hielt den mit einer abgerissenen Schirmmütze bedeckten Kopf gesenkt und fuhr alle Augenblicke mit der Linken über das Gesicht, das trotz der frischen Luft hier oben hoch gerötet war. Die Rechte hielt einen wuchtigen Knüppel aus Tannen holz, der droben aus dem Walde abgeschnitten sein mochte. Droben aus dem Walde? Und hinter dem Walde lag ein schweres, massives Haus aus Stein, das wenige frohe Insassen zählte und nur geringen Besuch erhielt. Dort hatte der Mann die letzte Nacht verbracht, und viele früheren dazu. Jetzt warf er einen langen Blick auf den Ort im Thale; dann ging ein hämischer Zug um den Mund und ein kurzes, grelles Auflachen folgte. „Was sie wohl sagen werden, wenn ich komme?" Das schienen die Bewegungen des Wanderers auszudrücken. Er brauchte nicht lange auf Antwort zu warten, denn jetzt kam ihm jemand von unten herauf entgegen. „Grüß Gott, Landsmann!" klang's da schon. Der Mann mit dem Knotenstock murrte ein finsteres „Grüß Gott!" Nun kam der andere näher, ec schien ein kurzes Ge spräch anknüpfen zu wollen; da stieß er aber auch schon hervor: „Was, Du bist's?!" Uud schnellen Schrittes eilte er davon, ein heiseres Lachen erklang ihm nach. Weiter und weiter schritt der Mann mit der Mütze; nun kam er herunter in's Dorf. Er warf den Kopf in den Nacken und auf seinem Gesicht erschien ein trotziger, böser Zug. Und wo ihn Lerne vom Fenster aus sahen, da fuhren sie sofort zurück. Kein freundlicher Gruß, kein heiteres Wort klang ihm entgegen, in tiefem Schweigen ließ man jenen vorübergehen. Und immer finsterer wurde der Gesichtsausdruck des Mannes. Nun stand er vor einem Hause, noch mit Stroh ge deckt, nicht groß und nicht klein; es verriet keinen Luxus, sondern zeugte von ruhigem Behagen, von bescheidener Zufriedenheit seiner Bewohner. Einen Augenblick zögerte der Fremde, dann trat er ein, während ein zottiger Hof hund laut bellend seine Ankunft meldete. Ein Mann, der Besitzer des Hofes, an dessen Kittel sich ein paar Kinder halb scheu, halb neugierig festhielten, trat näher. Er stutzte, dann aber wandte er sich an die Kinder: „Lauft nur und spielt draußen!" Die Kleinen verschwanden, und die beiden Männer standen einander gegenüber; sie sahen einander sehr ähnlich, trotzdem der Fremde so heruntergekommen war; es waren Brüder. „Du kommst aus dem Gefängnis, Andreas?" fragte endlich der Hofbesitzer. — „Ja, meine Strafzeit ist zu Ende!" — „Wo willst Du hin?" — „Weiß ich's," war die finstere Antwort. „Willst Du mich hier behalten?" Der andere überlegte einige Augenblicke. „Wenn Du versprichst, Dich ernstlich zu bessern, so will ich's versuchen. Aber Geld bekommst Du nicht. Du trinkst wieder, und im Rausch ist Dir nichts heilig " „Ich brauch keinen Prediger —," antwortete der andere heftig, „ich will auch nicht wie ein Lump behandelt sein. Sonst mache ich, daß ich weiter komme!" Der Hofbesitzer blieb ruhig und verzog keine Miene: „Meinst Du, wir wollen nochmal erleben, was wir mit Dir einmal erlebt? Jetzt hast Du einen Menschen zum Krüppel gemacht, es kann noch schlimmer kommen." Der Fremde stieß einen Schrei des Zornes aus. Dann drehte er sich kurz um und verließ das Haus. Den hinter ihm erschallenden Ruf des Bruders wollte er nicht hören. In Heller Wut lief der eben entlassene Sträfling weiter; ja, er hatte einem Menschen, der ihn gereizt, das Auge ausgestochen, aber was ging das seinen Bruder an? Könnte er diesem unberufenen Moralprediger nur einmal einen rechten Tort anthuen! Und wenn er gleich noch mal ins Gefängnis sollt'. So stürmte er dahin, ohne im geringsten auf das heitere sonnige Frühlingsleben um sich her acht zu geben. Nur der eine Gedanke quälte ihn: Wie mach' ich es, was mach' ich? Jetzt kam er an den Thalwinkel, wo am Bachufer seines Bruders Kinder spielten, und sich ein kleines Sträußchen gepflückt hatten. Mit brennenden Augen starrte der Zornige auf die Kinder, das Wasser und seinen schweren Stock. Ihm flimmert's rot vor den Augen, es tanzte alles vor seinen Blicken. „Da, Mann!" klang mit einem Male eine halb scheue, halb kecke Kinderstimme. Eins der Kleinen hielt ihm das Sträußchen in den unbeholfenen Händchen hin, mechanisch nahm er die Spende, und dann war's ihm, als sehe er sich, wie er vor langen, langen Jahren einmal der Mutter so die ersten Frühlingsblumen gereicht, und er sank am Bachesrande nieder und preßte das Gesicht in beide Hände. Die Kinder sahen mit großen Augen auf den fremden Mann, als sie den Vater erblickten, der nicht ohne Sorge kam, nach seinen Kleinen schauen. Er sah den Bruder am Wasser sitzen und blieb hinter ihm stehen. Jetzt sprang dieser auf, blickte wild um sich und wollte davon. „Du bleibst, Andreas!" klang es da bestimmt: „Es kommt auch für Dich der Frühling und bessere Tage!" Hastig sah sich der Sträfling um, als wollte er er kunden, was man zu seinem Bleiben sagen werde. „Bleib hier, Mann!" rief einer der kleinen Burschen. Und da nickte er, ein weicher Zug flog über sein Gesicht. Es war Frühling geworden. Vexierbild. wo ist der Rutscher?