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Rinde gelöst, die Steinobstbäume sämtlich veredelt sind, können wir an das Umveredeln der Kern obstbäume gehen und hierbei das Veredeln hinter die Rinde anwenden, wie wir es gewöhnt find. Ratsam erscheint es mir jedoch, nicht allzuweit in den Sommer hinein dieses vorzunehmen, be sonders dann nicht, wenn die alten Kronen nicht in der Saftruhe abgeworfen wurden. Also, alles zu seiner Zeit und dann unter Beobachtung des Baumlebens. U. Zukunftsprobleme im Obstbau. Vortrag, gehalten tm Bezirks-Lbstbauverein Dresden am 6. Dezember 1910 von Emanuel Groß, Professor der landwirtschaftlichen Akademie in Tetschen-Liebwerd. (Schluß.) Es ist klar, daß sich Personen, welche sich die Aufgabe gestellt haben, samenbeständige Sorten heranzuziehen, sehr intensiv mit den Blühverhältniffen und dem Blütenbau der ver schiedenen Obstspielarten befassen müssen, denn es gibt da Verschiedenheiten, die auf das Zustande kommen des Samenkornes von einschneidendem Einfluß sind. Bei den meisten Äpfel- und Birnensorten*) eilen die Narben den Pollen körnern in der Reife voraus (Protogynie); tritt die Geschlechtsreife bei den männlichen und weiblichen Geschlechtszellen gleichzeitig ein, so spricht man von Homogamie, bei welcher, wenn Narben und Staubgefäße ziemlich gleich hoch stehen, ein Besuch von Insekten zum Zwecke der Befruchtung nicht unbedingt notwendig sein muß. Tritt die Geschlechtsreife der männlichen Geschlechtszellen früher ein als die der weiblichen, so ergibt sich ein Verhältnis, welches Botaniker als Protandrie bezeichnen. Strebt man das Zustandekommen von Samen körnern an, aus denen samenbeständige Nach kommen hervorgehen sollen, so ist 4s von größter Wichtigkeit, streng darauf zu achten, daß keine Kreuzungen mit anderen Sorten Platz greifen, da doch erwartet werden kann, daß aus einem Samenkorn, welches durch Vereinigung gleich tendierender Geschlechtszellen, sei es solcher ein und derselben Blüte, ein und desselben Baumes oder endlich verschiedener Bäume ein und der selben Sorte, zustande kam, wahrscheinlich der Elternpflanze ähnliche oder doch ähnlichere In dividuen hervorgehen werden als aus Samen körnern, bei deren Entstehen Geschlechtszellen von Sorten mit mehr oder weniger verschiedenem Charakter mitgewirkt haben. Es wäre von mir gewiß gefehlt, wenn ich diefe Betrachtungen ab schließen würde, ohne auf eine Kardinalschwierig keit hingewiesen zu haben, welche uns bei der Anzucht samenbeständiger Sorten hemmend in den Weg tritt. Es ist dies der Umstand, daß bestimmt sehr viele unserer edlen Apfelsorten Produkte der Kreuzung sind, wir also bei der Samengewinnung es meist nicht mit reinen Rassen, sondern mit Mischlingen zu tun haben, *) vr. R. Ewert, Die Parthenokarpie oder Jungfern früchtigkeit der Obstbäume. Parey, Berlin, 1907. deren störender Einfluß auf das uns vorschwebende Ziel wenigstens vorläufig kaum auszuschalten ist. Ein weiteres Problem im Obstbau, mit dem sich die Zukunft ernstlich zu befassen haben wird, besteht darin, die Beziehungen zwischen Unterlage und Edelreis einwandfrei zu klären. Daß solche bestehen, fällt schon heute niemandem ein in Abrede zu stellen, wenn auch die bezüglichen Auffassungen gegenwärtig nach mehr als einer Richtung auseinandergehen. Wenn ich hier betone, daß Sämlinge des Holzapfels und Sämlinge von Edelsorten als Unterlagen verwendet und mit derselben Sorte vereddlt nicht in jeder Beziehung gleich geartete Bäume ergeben, so sage ich damit für Fachleute eigentlich nichts Neues. Dürfte es doch den meisten bekannt sein, daß Kronen auf Holzapfel unterlage auffallend später zu tragen beginnen. Außerdem wird Bäumen dieser Art die Möglich keit der Erreichung eines höheren Alters nach gesagt. Benützen wir, wie dies im Formobstbau der Fall, Quitten, Paradiesapfel usw. als Unter lage, so erhalten wir schwachwüchsige Kronen mit verhältnismäßig rasch eintretender und mitunter sehr ausgiebiger Tragbarkeit. Beeinflussungen des Edelreises durch die Unterlage bestehen also, und wir sagen, daß der herabgesetzte, eingedämmte Wuchs des Zwergobstbaumes dadurch zustande kommt, daß die Unterlage als solche selbst schwach wüchsig ist, daß namentlich deren Dickenwachstum sehr langsam vor sich geht und daß eben infolge dessen die Menge der der Krone durch den engen Samenkanal zugeführten Nährsalze beschränkt bleibt, was begreiflicherweise in der Einschränkung des Kronenwuchses seinen natürlichen Ausdruck findet. Daß z. B. nicht alle Apfelsorten, auf ein und dieselbe Unterlage veredelt, gleich gut wachsen, weiß wohl jeder Obstzüchter, namentlich aber der, welcher sich viel mit Umveredlungen älterer Obst bäume zu befassen hatte oder aus irgend einem Grunde auf ein und demselben Baum Reiser verschiedener Sorten aufpfropfte (Sortenbäume). Direktor Fifcher-Schönborn bei Eutin*) ist z. B. der Überzeugung, daß die Unterlage den Geschmack der Früchte des Edelreises zu beein flussen vermag, und verweist auf seine Erfahrung, H ^*) Deutsche -Obstbauzeitung 1909, Heft 5 und 6.