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Mehr Spaliere! Deutschlands Bevölkerung nimmt jährlich um eine Million Menschen zu; unser Ackerboden reicht schon heute nicht mehr aus, um uns auch nur mit Getreide und Fleisch genügend zu ver sorgen. Auch für frisches und gedörrtes Obst senden wir noch viele Millionen Mark ins Ausland. Nun gilt zwar, dank den Bemühungen der zahlreichen Obst bauvereine und dem Wirken ver- ständigei Ärzte, das Obst schon längst nicht mehr bloß als angenchmeZugabe zu den Mahlzeiten, nicht bloß als Ge nußmittel, sondern ist in weiten Krei sen auch als not wendiges und ge sundes Nahrungs mittel anerkannt, das nicht mehr ent behrt werden kann. Aber es stehtselbst- verständlich in zweiter Linie; der Landwirt wird fei ne besten Felder mit Getreide, Kar toffeln, Zuckerrü ben usw. besetzen, nicht mit Obst bäumen, die spät und unregelmäßig tragen und viel Pflege bedürfen. Es gilt also dem Obstbau Plätze zu suchen, an denen er den Getreide bau nicht stört und doch in seiner Ei genart sich entfal len kann. Beide Bedingungen erfüllt der Obstbau am Spalier, an den Wänden der Häuser. Das hat man besonders in Frankreich, doch auch in Süd deutschland längst erkannt. Der Altmeister Goethe-Geisenheim hats.Z. in einemsehr lesens werten Buche darauf hingewiesen, wie viele Quadratmeter Wandfläche in Stadt und Land unbenutzt dastehen, Flächen, an denen mit wenigen Kosten Tausende von Zentnern edelsten Obstes gezogen werden könnten, ohne daß dazu ein besonders tiefes Verständnis für Schnitt und onstige Behandlung notwendig wäre. Natürlich würde es sich nicht darum handeln, kunstvolle Formen zu erziehen, etwa Verrier- palmetten mit vier bis fünf Etagen, sondern man müßte einfache senkrechte Kordons auf Paradies- bezw. Quitten-, höchstens II-Formen empfehlen, die früh und gut tragen und die Ausgaben für Drähte und Latten bald wieder einbrächten. In Sachsen, wo wir so viele Obstbauvereine und eine große An zahl ausgebildeter Baumwärter ha ben, wäre es eine Leichtigkeit, die Landwirte bei der ersten Anlage und Pflege der Wand- fpaliere zu beraten und zu unterstüt zen; in wenig Jah ren könnten viele Zehnpfundschach teln des schönsten Spalierobstes auf den Markt kom men und von Pro duzenten und Kon sumenten aufsbeste verwertet werden. Auch manches ödeFabrikgebäude, manche Arbeiter- wohvung könnte bepflanzt werden, freilich nicht jede; denn der Rauch der Fabrikefsen ist für dieObstbäumeGift. Aber hier und da gibt es doch manche schöne Ost- und Südwand, die mit dem lauschigen Grün von Äpfel-, Birnen- und Kirschbäumen, auch wohl Pfirsichen, bekleidet werden und so dem Besitzer Freude und Nutzen bringen könnte. Auch an Weinspaliere ließe sich denken; aber seit Peronospora und Oidium wüten, auch seit Ungarn, Italien, Spanien und neuerdings sogar die Türkei uns mit frischen Trauben über schütten, ist es fast sträflicher Leichtsinn, den Anbau von Reben zu empfehlen. Höchst erfreulich ist es, daß jetzt auch die Heeresverwaltung unsere Bestrebungen unter stützt. Bayern ist hier vorbildlich gewesen. Die