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Worauf sollen wir unsere Kernobstbäume veredeln? Die Kenntnis der verschiedenen Wildlings- formen ist ebenso wichtig, als die der Obstarten und Sorten selbst, denn es würde eine Pflanzung trotz peinlicher Sortenwahl ihren Zweck verfehlen, wenn die Bäume nicht auf die richtige Unter lage veredelt sind. Die Verwendung derselben richtet sich ganz nach der Form und dem Zweck, für welchen die Bäume bestimmt sind. Im nachfolgenden soll auf die Eigenschaften der verschiedenen Wildlingsformen kurz hingewiefen werden. Die Kernsämlinge, welche aus den Samen kernen der Apfel und Birnen gewonnen werden, haben ein starkes Wachstum und dienen zur Heranzucht der großen, dauerhaften Bäume, der Hoch- und Halbhochstämme. Ter Doucin oder Splittapfel sowie der Paradies- oder Johannnis- apfel dienen als Unterlage für die Zwergbäume, und zwar so, daß ersterer sür die größeren For men: Buschbäume, Pyramiden, Palmetten, und letzterer für die verschiedenen Kordonarten ver wendet wird. Der Doucin kommt in zwei ver schiedenen Formen vor, der eine, stärker wachsende nähert sich mehr dem Wildling, der andere schwächere mehr dem Paradies. Im Handel kommt fast ausschließlich der erstere vor. Er ist leicht kenntlich an dem starken aufrechten Trieb, wolligen Blatt und bei starkem Wachstum an den fast rechtwinklig abstehenden vorzeitigen Trieben. Mitunter begegnet man noch einer dritten Form, dessen Spezies mir nicht bekannt ist, von starkem Wuchs, hellfarbiger Rinde und großem, etwas gekräußeltem Laub. Die Ver edlungen hierauf wachsen auch auf den minder wertigsten Exemplaren tadellos. Wie es sich jedoch mit der späteren Entwicklung und der Fruchtbarkeit verhält, entzieht sich meiner Kenntnis. Vom Paradies- oder Johannisapfel existieren auch zwei Formen, der gelbe oder Metzer Para dies ist der bessere. Er wächst kräftiger als der gewöhnliche, auch roter oder Parifer Paradies genannt; die Bäume haben eine längere Lebens fähigkeit und bessere Fruchtbarkeit. Er ist noch nicht allzulange im Handel und kann noch nicht in solchen Mengen herangezogen werden, daß der andere dadurch hinfällig wird. Die Firma Max Huth in Halle a. S. zieht alljährlich große Mengen davon, die aber bei der starken Nach frage im August und September jeden Jahres regelmäßig ausverkauft sind. Er soll sich in Frankreich nicht so erfolgreich ziehen lassen. Bei den Birnen hat man außer dem Wild ling nur noch die Quitte und zwar die Angers quitte, welche für alle Formbäume als Unter lage dient. Die Quitte gedeiht nicht überall; sie verlangt guten milden und warmen Boden. In schwerem, kaltem und nassem Boden wächst sie schlecht und erfriert leicht im Winter. In solchen Bodenverhältnissen muß man auch für Formbäume den Wildling verwenden und wählt dann nur die weniger stark wachsenden, aber früh und reich tragenden Sorten dazu. Viele Sorten gedeihen überhaupt schlecht auf Quitten, z. B. Clairgeaus Butterbirne, Napoleons Butter birne, Andenken an den Kongreß, Triumph von Vienne usw. Diese sind entweder nur auf Wildling, oder aber auf Zwischenveredlung zu verwenden. Hierzu eignen sich alle stark wach senden Sorten, z. B. Pastorenbirne. Auf diese werden dann die schwach wachsenden Sorten veredelt, so daß die indirekt auf Quitten stehen. Beim Pflanzen der Wildlinge muß man fol gendes beobachten: Die Sämlinge dürfen nicht höher und nicht tiefer gepflanzt werden als sie gestanden haben, sie entfallen im Boden ein tief und weit gehendes Wurzelwerk, das auch dem größten und stärksten Baum den nötigen Halt im Boden gibt; sie entbehren sehr bald des Baumpfahles. Die aus Ablegern gezogenen Wildlinge, also Doucin, Paradies und Quitten, müssen möglichst tief gepflanzt werden, je tiefer um so besser. Sie bilden an der ganzen Länge im Erdboden Wurzeln, die stärksten meist dicht an der Erdoberfläche. Das Wurzelsystem besteht aus langen, riemenartigen Wurzeln, die flach unter der Erdoberfläche sich hinziehen, ohne tief gehende Wurzeln; sogenannte Pfahlwurzeln sind ausgeschlossen. Für unsere Busch- und Form bäume genügt diese Wurzelkrone, um den Baum im Boden festzuhalten, obgleich sehr häufig große Pyramiden- und Buschbäume vom Wind und Wetter umgeworfen werden. Schlimmer ist es jedoch, wenn es sich um Halbstämme auf dieser Unterlage handelt, denn wenn diese nicht eine ganz windsichere Lage haben, werden sie immer einen Pfahl brauchen. Das Anpfählen ist dann um so schwieriger, je älter die Bäume werden und je größer die Kronen sind, besonders unter der Last der Früchte. Im Provinzial-Obstgarten zu Diemitz sind einige Apfelquartiere so angelegt, daß der Bäume auf Wildling als Hauptpflanzung und s/t auf Doucin als Zwischenpflanzung stehen. Jeder Besucher des Gartens wird leicht an dem schiefen Stand und den Pfählen diese zweierlei Bäume erkennen. Jetzt, seitdem an der Westseite des Gartens die Grenzmauer aufgeführt ist, wo durch die Bäume großen Windschutz haben, ist das Verhältnis günstiger geworden. O. R. Heimann, Diemitz.