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114 Jahresbericht des Landes-Obstbauvereins für das Königreich Sachsen auf das Jahr 1910. Erstattet vom Geschäftsführer M. Lindner. Beim Rückblick auf das Jahr 1910 läßt sich deutlich die Verbreitung der vom Landes-Obstbau verein seit Jahren eingeführten Sorten erkennen. Auf Ausstellungen, auf den Obstmärkten, in den Obstläden und Markthallen finden wir mehr und mehr diese Sorten ausgestellt und im Handel unter dem richtigen Namen angeboten. Das Publikum lernt sächsisches Obst kennen und schätzen, die Nachfrage nach bestimmten Sorten ist dauernd im Steigen begriffen. Auch die Züchter haben die Vorteile handelsfähiger Sorten erkannt, der Ertrag befriedigt, und die Verwertung ist erleichtert. Der Vorstand sah sich veranlaßt, feststellen zu lassen, in welchem Verhältnis die Sorten des Landessortiments bei den Aus stellungen vertreten sind. Das Ergebnis von 16 Ausstellungen ist folgendes: Äpfel. Ausgestellt waren 7357 Teller Äpfel, davon 5225 Teller mit Sorten des Landes sortiments 71°/«, 2132 Teller verschiedene andere Sorten -- 29 °/«. Im ganzen waren 236 verschiedene Äpfelsorten ausgestellt; davon waren 48 Sorten des Landes-Obstsortiments und 188 verschiedene andere Sorten. Von den Sorten des Landes- Obstsortiments waren am häufigsten vertreten: Goldparmäne 572 mal, Landsberger Renette 328 mal, Schöner von Boscoop 307 mal, Cellini 246 mal, Gravensteiner 238 mal, Baumanns Renette 237 mal, Gefl. Kardinal 234 mal, Goldrenette von Blenheim 209 mal, Harberts Renette 204 mal, Kaiser Alexander 201 mal, Gelber Edelapfel 185 mal, Jakob Lebl 178 mal, Pariser Rambour 170 mal, Danziger Kantapfel 143 mal, Prinzenapfel 118 mal nfw. 8. Birnen. Ausgestellt waren 2200 Teller Birnen, davon 1889 Teller mit Sorten des Landes sortiments 86°/a und 311 Teller verschiedene andereSorten -- 14o/g. Diese 2200Teller Birnen waren belegt mit 51 verschiedenen Sorten; davon waren 34 Sorten des Landessortiments und 17 verschiedene andere Sorten. Von den Sorten des Landessortiments waren am häufigsten ver treten: Gute Louise von Avranches 290 mal, Diels Butterbirne 144 mal, Neue Poiteau 114 mal, Pastorenbirne 108 mal, Boses Flaschenbirne 100 mal, Napoleons Butterbirne 93 mal usw. Hierüber ist zu bemerken, daß im August und Anfang September reifende Sorten nicht auf den im Oktober stattfindenden Ausstellungen zu finden waren und hier nicht berücksichtigt werden konnten. Auch im Berichtsjahr wurden wie früher die Sorten des Landessortiments als Edelreiser kostenlos in einer Anzahl von ea. 20000 Stück ver teilt. Mit diesen Sorten werden jeweilig auch einige andere zu Versuchszwecken ausgegeben, um festzustellen, welche der neueren, gut empfohlenen Sorten unter den verschiedenen Verhältnissen des Landes Bedeutung erlangen können. Die natürlichen Umstände erfordern aber, daß längere Zeit hindurch die einmal festgestellten Sorten beibehalten werden müssen; ein für ein großes Gebiet bestimmtes Sortiment kann deshalb erst nach längeren Erfahrungen und Beobachtungen, besonders auch im Verkauf, einer Änderung unter zogen werden. Nach den Berichten über die Obsternteaus sichten in Nr. 8 unserer Zeitschrift hatten wir eine Ernte zu erwarten in Äpfeln gut, Birnen mittel bis gering, Pflaumen gering, Süßkirschen mittel bis gering, Sauerkirschen gut bis mittel, Pfirsichen gut, Aprikosen mittel, Weintrauben, Erd beeren, Johannis-, Stachel- und Brombeeren, Preiselbeeren gut, Heidelbeeren sehr gut, Wal nüssen und Haselnüssen mittel. Diese Annahme hat sich bei der Ernte bestätigt. Es lehrt uns dies, daß Erhebungen über die Ernteaussichten für rechtzeitige Maßnahmen zur Verbesserung des Absatzes und etwaige Preisbildung Schlüsse zulassen. Die Gesamtobsternte ist als eine sehr gute Mittelernte zu bezeichnen. Die Ernteergebnisse entsprachen allerdings nicht ganz dem Blüten reichtum der Bäume. Allgemein ist die Beobach tung gemacht worden, daß die Bäume nach dem milden Winter und während der warmen Tage im März früh zu treiben begannen, daß aber der naßkalte April die Blüte dicht vor der völligen Entfaltung sitzen ließ. Spätblühende Apfelsorten haben gut geblüht und auch gut angesetzt; der anfänglich starke Behang wurde jedoch durch die Trockenheit Ende Mai und Anfang Juni er heblich gelichtet; dann setzte bald Regen ein, und die übrigen Früchte konnten sich prächtig ent wickeln. Die starken Niederschläge während der Beerenobst-, Kirschen- und Pflaumenernte haben an diesen Früchten viel Schaden verursacht; der Rest der Erdbeerernte ist in den Pflanzungen verfault, die wenigen Kirschen und Pflaumen sind zum größten Teil gesprungen, und deshalb ist nicht geerntet worden. Über eine auffällige Erscheinung in der Preis bildung und dem Geschäftsgänge muß hier be richtet worden. Unser schön entwickeltes Obst wurde nicht seinem Wert entsprechend bezahlt; selbst der Absatz war schwer. Wir müssen das darauf zurückführen, daß zur Herbstzeit ungemein