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Nr. 127. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, üen'N. Oktober 1916. Seite 6. Sächsischer Landtag. Dresden. 16. Oktober. Erste Kammer. Am Regierungstische: Kultusminister Tr. Beck, Fr- nanzministsr von Seydewitz. Beginn der Sitzung 11^ Uhr. Den Verbandlungen wohnte auch Prinz Johann Georg bei. Auf der Tagesordnung steht der Gesetzentwurf über die Zusammenrechnung des Einkommens und Vermögens der Ehegatten bei den direkten Staats- und Gemeindceintom- mensteuern. Der Berichterstatter Dr. Sahrer von Sahr- Dahlen beantragte namens der 2. Deputation, die Vorlage in Nebereinstimmung mit der Zweiten Kammer anzuneh men. Das Haus beschließt demgemäß einstimmig und ohne Debatte. Zugleich erfolgt die Ausfertigung und Ge nehmigung der ständischen L-chrift. Nächste Sitzung: Donnerstag, den 19. Oktober, vormit tags 11^ Uhr: Elektrizitätsvorlage. Zweite Kammer. Auf der Tagesordnung der heutigen Abendsitzung steht als einziger Punkt die Schlußberatung über den Gesetz entwurf über die weitere Hinausschiebung der Gemeinde- Wahlen. Abg. Dr. Mehnert-Plauen (Kons.) beantragt als Be richterstatter der Gesetzgebungsdeputation die Annahme des Entwurfes mit einigen von der Deputation beschloße nen Abänderungen. — Abg. Uhlig (Soz.) wendet sich gegen die Raffung des 8 5 und beantragt hierzu eine Abänderung. — Abg. Brodaus (Fortschr. Vpt.) wendet sich ebenfalls gegen die Fassung des 8 5. — Die Abgg. Kleinhempel sNatl.) und Spieß (Kons.) erklären sich namens ihrer politi schen Freunde für den Deputationsantrag. — Geh. Regie- rungsrat Graupe bittet, den sozialdemokratischen Abände- rungSantrag abzulöhnen, da es sich nur um eine KriegS- maßnahme bei Vorlage des Gesetzes, nicht aber um einen dauernden Zustand handele. Hierauf wird der sozialdemo kratische Abänderungsantrag abgelehnt und der Gesetzent wurf in der Deputationsfasfung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Fortschrittlichen Äolkspartei an genommen. Nächste Sitzung: Morgen vormittag 10-4 Uhr: Fort setzung der Besprechung der Interpellationen über die Er nährungsfragen. — Schluß 6-4 Uhr. Dem Landtage ist ein Königliches Dekret zugegangen zu dem Entwürfe eines Gesetzes über die Wahl von stell vertretenden Mitgliedern der Kreisausschüsse, sowie ein Dekret zu dem Entwürfe eines Gesetzes über die Hinaus schiebung der Wahlen zu den Bezirksversammlungen. Dresden, 17. Oktober. Zweite Kammer. Am Regierungstische: Iustizminister Dr. Nagel. Haus und Tribünen sind bei Beginn der auf 10)4 Uhr angesetzten Sitzung sehr schwach besetzt. Zur Beratung stehen die Interpellationen und Anträge betreffend die Lebensmittel versorgung. Die Besprechung, die heute vor einer Woche abgebrochen worden ist, wird fortgesetzt. Abg. Mehnert-Plauen (Kons.) bespricht die Frage der Kartosfelversorqunq und meint, daß es für die Ueberschuß- bezirke augenblicklich unmöglich sei, die Kartoffeln so zu liefern, wie es ausgemacht worden war. Organisation und Handel könnten nebeneinander nicht wirken. Der Präsi dent des Kriegsernährungsamtes sei bestrebt, für Sachsen zu tun, was irgend möglich sei. Es müßten eben alle Kreise des Volkes alle Opfer willig tragen» um die äußere Gefahr abzuwenden. — Abg. Göpfert iNatl.): Die Klagen der Landwirtschaft seien doch wohl nicht voll berechtigt, denn der landwirtschaftliche Betrieb dec Stadt Dresden, das Rittergut Klingenberg, habe im Krieasfahre einen be deutend höheren Reingewinn ergeben als im Frieden. Ein Futtermitte-lmangel bestehe. Deshalb sollte man das Win terkorn den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben nicht be schlagnahmen. Mit dem markenfreien Mehl werde Wucher getrieben. Die Widerstände im Reiche nötigten dazu, dem sächsischen Gesandten in Berlin und den Vertretern Sach sens im Bundesrate wesentlich bessere Grundlagen sür die Vertretung der sächsischen Interessen zu geben. — Abg. Wilde (Soz.,: Es sei ein großer Mißstand, daß das Reich kein einheitliches Wivtschasts- und Versorgungsgebiet bilde. Die Regierung müsse im Bundesrate eine bessere Regelung der Ernährungsverhältnisse durchsetzen. Sie habe das ganze sächsische Volk hinter sich. — Abg. Roth (Fortschr. Vpt.) wünscht, daß bei der Lebensmittelverteilung die Rechte der Gemeinden künftig besser gewahrt würden. Geh. Regierungsrat Dr. Koch: Alle Maßnahmen der Regierung hätten das eine Ziel gehabt, eine gerechte Ver teilung der Lebensmittel Herbeizusühren. Freilich seien die Schwierigkeiten hierbei außerordentlich groß. Dem Ideal einer einigermaßen gerechten Verteilung sei man aber schon wesentlich näher gekommen. Alle behördlichen Maßregeln seien ein Kampf gegen den Eigennutz auf der einen Seite und die Forderungen auf der anderen Seite. Hinsichtlich der Hausschlachtungen scheine die Politik der Regierung doch nicht schlecht gewesen zu sein, denn die Zahl der Schweine habe bedeutend zugenommen. Bezüglich der Kar toffelversorgung vertraue die Regierung der Versicherung des Präsidenten des Kriegsernährungsamtes, daß die Höchstpreise nicht erhöht werden sollten. Auf dem Obst- ünd Gemüfemarkte führe sedes Eingreifen der Nsgierung zu einem Verschwinden der Ware. Bestrafungen von Land wirten wegen zu niedriger Ernteschätzung seien nur dann vorgekommen, wenn die Schätzungen unter der Hälfte des Ernteertrages geblieben seien. Die Kriegswirtschaft brauche aber diese Schätzungen. Abg. Schönfeldt (Kons.) beklagt sich über das allzu große Maß von behördlichen Verfügungen und Verordnun gen, durch die die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft ganz erheblich eingeschränkt werde. Der Redner bespricht dann die Frage der Kartoffelversorgung und bemerkt, die Landwirtschaft fetzt zu zwingen, auf einmal die gesamte Versorgung der Städte mit Kartoffeln vorzunehmen, hieße Unmögliches verlangen. Obwohl die Zahl der Viehbestände zugenommen habe, dürfe man nicht allzu große Hoffnun gen auf die Beseitigung der Fleischnot setzen, denn der Mangel an Futtermitteln, auch an Kartoffeln, setze der Viehmästnng Schranken. Die Landwirtschaft verlange keine Wucherpreise, sondern nur Preise, bei denen sie ihre Erzeu gung aufrecht erhalten könne. Man sollte die setzt im Handel brach liegenden Kräfte mehr als bisher zur Mit arbeit heranziehen. Die Regierung sei über den Handel falsch unterrichtet. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt: Er habe volles Verständnis für die Bedeutung des Handels und wäre glücklich, wenn die Kriegswirtschaft mit ihm durch geführt werden könnte. Die Schwierigkeiten lägen aber darin, daß man den freien Handel sich nicht betätigen lassen könne, wenn ihm auf der anderen Seite durch Höchstpreise die Hände gebunden würden. Abg. Biener (RfP.) wünscht, daß angesichts der gerin gen Kartoffelernte die Frage ernstlich geprüft werde, ob die Kartoffel noch zur Brrtstreckung notwendig sei. Man könne dafür Weizen oder Hafer, vielleicht auch Gerste nehmen, deren Ernte reichlich sei. Redner verlangt dann, daß dem kleineren und mittleren Handel beim Güteraustausch ein größerer Einfluß als bisher zugestanden werde. Abg. Bauer (Natl.): Die Hoffnungen, die die Zuschußgebiele auf den Präsidenten Batockh gesetzt hätten, seien nicht in Er füllung gegangen. Die Absperrungen seien sogar noch ver schärft worden. Man solle auch den freien Handel sich be tätigen lassen. — Nach kurzen Erwiderungen der Abg. Schmidt-Freiberg (Kons.) und Nitzschke-Leutzsch (Natl.) wird die Debatte geschlossen. Der mit den Interpellationen zur Beratung stehende nationalliberale Antrag findet An nahme. Nächste Sitzung: Mittwoch vormittag 11 Uhr: Inter pellation betreffend Kriegsprimaner und Interpellationen. — Schluß 6 Uhr. Dresden, 18. Oktober. Zweite Kammer. Am Regierungstische: Kultusminister Dr. Beck. Zur Beratung gelangt zunächst die Interpellation Koch und Genossen (Fortschr. Vpt.), betreffend die sogen. Kriegsprimaner. Abg. Koch (Fortschr. Vpt.) begründet die Interpellation. Die süddeutschen Regierungen hätten an geordnet, daß den Primanern aus dem Schuljahr 1914/15 ohne Prüfung das Reifezeugnis gegeben werde. Das könnte bei nns auch geschehen. Eine einheitliche Regelung für das Reich scheine nicht bevorzustehen, nachdem ein entsprechen der Vorschlag der süddeutschen Regierungen von den übri gen Bundesstaaten äbgelehnt worden sei. Die Kriegspri maner sollten später im Sonderkursus auf den Hochschulen weiter ausgebildet werden. Auch den Realschülern und Seminaristen müßte in einem abgekürzten Verfahren Ge legenheit zum Abschlusse ihres Studiums gegeben werden. Kultusminister Dr. Beck erklärt sich zur sofortigen Be antwortung der Interpellation bereit. Der Wunsch der Interpellanten finde innerhalb der Regierung die wärmste Unterstützung. Die Regierung habe deshalb schon früher die erforderlichen Anweisungen an die Schulen ergehen lassen. Ueber eine einheitliche Ordnung der AngelegenkM für das gesamte Reichsgebiet habe eine Konferenz der Re gierungen in Frankfurt a. M. beraten und mit Ausnahme von Bayern, Württemberg und Elsaß-Lothringen be schlossen, eine Kriegs-Reifeprüfungsordnung festzustellen und die damit abgelegten Prüfungen gegenseitig anzuer- kcnnen. Die von: Interpellanten gewünschten Hochschm- hilfsknrse womöglich mit Zwangsbesuch würden wohl kaum zu dem erwünschten Ziele führen. Alle bisherigen Maß nahmen seien getroffen worden in der Voraussetzung, daß der Krieg in diesem Herbste zu Ende sein werde. Es wür den sich aber.nun neue Vereinbarungen mit den übrigen Bundesstaaten nötig machen. Die Regierung werde gern an dieser großen Aufgabe mitwirken. (Beifall.) Auf Antrag des Abg. Roth (Fortschr. Vpt.) wird dM Besprechung der Interpellation beschlossen. Abg. Philip? (Kons.): Die Erklärung des Ministers sei mit Freuden z» begrüßen. Es empfehle sich die Einrichtung von Sonder kursen für die Kriegsteilnehmer, wobei besondere Sorgfalt aus die Auswahl der Lehrkräfte und die Aufstellung de» Lehrplanes zu legen wäre. Abzulehnen seien aber Sonder kurse an den Universitäten. Seine Freunde wünschten eine einheitliche Regelung innerhalb des ganzen Reiches, sträub ten sich aber gegen eine reichsgesetzliche Regelung, weil die ganze Sache Angelegenheit der Landesregierungen sei. Abg. Seyferth (Natl.) hält ebenfalls eine einheitliche Rege lung über das ganze Reich für notwendig. Es gehe nicht an, daß preußische Universitäten die süddeutschen Reifezeug nisse für Kriegsprimaner beanstandeten. Redner spricht sich für die Sonderkurse an den Universitäten aus. Auch für die Kriegssvminaristen müsse eine ähnliche Einrichtung getroffen werden. — Damit ist die Besprechung erledigt. Zur Beratung gelangen noch zwei Petitionen. T»- Haus beschließt gemäß den Anträgen der Deputation. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung: Montag nachmittag 5 Uhr: Inter pellation Zöphel betreffend Notlage des Grundbesitzes mw Petition des Landesverbandes der Saalinhaber. — Schluß nach 11t Uhr. Dresden, 19. Oktober. Erste Kammer. Am Regierungstische: Staatsminister Dr. Beck, E-»I Vitzthum von Eckstädt und von Seydewitz. Den Verhand lungen wohnt auch Prinz Johann Georg bei. Auf der Tagesordnung steht die Elektrizitätsvorlags Die Beratungen beainnen mit einstündiger Verspätung erst gegen 1 Uhr infolge Verhandlungen der Mitglieder der Zwischendepütation mit der Regierung. Den Bericht er stattet Domherr Dr. von Hübel: Er könne sich in der Haupt sache auf den schriftlichen Bericht der Zwischendepütation beziehen. Man ersehe daraus, daß diese unumwunden d»- Bedürfnis anerkennt, die Stromversorgung Sachsens ist- fammenzusassen. Er Hosse .davon eine Verbilligung bk- Strompreises und erblicke darin ein wirksames Mittel pst Hebung der wirtschaftlichen Lage des Landes. Ueber dcU wirtschaftliche Ziel herrsche somit volle Uebereinstimmm'l zwischen der Regierung und den Ständen. Für den An kauf dos Kraftwerkes Hirschfelde und den beginnenden Au^ bau eines Landesunternehmens für Stromversorgung ver lange die Regierung die Ermächtigung, 20 Millionen Mau außerhalb des Etats auszugeben. Die Zweite Kauum'' habe diese Ermächtigung bereits erteilt. Die Zwisch-st deputation der Ersten Kammer hatte diesen Betrag jedo« um 6 Millionsn gekürzt. Er müsse aber nachdrücklich be tonen. daß hierbei nicht die Absicht Vorgelegen habe, da^ Vorgehen der Regierung zu hemmen. In letzter Stunde seien nun der Zwischendepütation von der Regierung Di ten mitgeteilt worden, welche die Deputation davon über zeugten, daß selbst in der kurzen Spanne Zeit bis P»» Wiederznsammsntritt des Landtages die Summe von U Millionen doch nicht aüsreichen werde. Erst in neuestes Zeit habe sich die Notwendigkeit ergeben, das Kraftweck Hirschfelde bedeutend zu erweitern. Aus diesem Grund? habe vor einer halben Stunde die Deputation beschlosfest das Berechnungsgcld doch wieder ans 20 Millionen Mack Die Spione. KriegSroman von Johannes Funck. 16 „Ich war wieder zu Hause. Vorwürfe und Demütigun gen empfingen mich von den Eltern, Geschwistern und den sogenannten wohlwollenden Freunden der Familie. So schmerz lich sie mir auch waren, so suchte ich auch jetzt Trost bei den Büchern. Waren sie doch das Einzige, an dem ich hing. Eine Jugend, wie andere Kinder, habe ich natürlich nicht keimen gelernt, und gar ost habe ich dies empfunden. Inzwi schen hatte ein Freund meines Vaters, Herr Helgerson, mir emen Platz als Gouvernante in einem angesehenen Hause ver schafft. Als solche hatte ich zwei allerliebste kleine Mädchen zu unterrichten, die mit ganzem Herzen an mir hingen. Eie waren fünf und sieben Jahre alt, während ich damals das stebenzehnte Jahr noch nicht vollendet hatte. Mit ihnen wurde ich jung, ich war mehr ihre Gespielin, als ihre Leh- r rin, und spielend lernten die Kleinen von mir, so daß die Eltern, im höchsten Grade glücklich über die Erfolge meines Unterrichts, mich ganz in ihr Herz schlossen und mich mit Liebe überschütteten. Wohl nie hätte ich das Haus wieder verlassen. Doch da ereignete sich etwas. Eines Tages entdeckte ich, daß mein Herz einem andern gehörte." .Ah!" „Der Privatsekretär des Hauses, Olaf Haneson, hatte sich schon rängere Zeit um meine Liebe beworben, und an ei nem schönen, lichten Nachmittag, als ich allein in der Bib- l othek bei meinen Büchern saß, legte er mir sein Herz zu Füßen. Ich war ihm schon lange gut gewesen und habe ilm innig und aus vollem Herzen geliebt. Die Verhältnisse verbaten uns aber das Heiraten und —" Sie hatte den Satz nicht ansgesprochen, als draußen ein Schuß knallte, die Fensterscheibe klirrte, eine Kugel durch d:e Luft pfiff und dicht neben dem Kopf des Landeshaupt manns in die Wand einschlng. „Barmherziger Gott! Mörder! Mörder!" rief Frau Bor- oenholm aus, die sich leichenblaß erhob und wieder in das Sofa zurückfiel. Der Landeshauptmann erhob sich ganz ruhig und klin gelte seinem Diener. Dann trat er an die zerbrochene Fen sterscheibe. „Gehen Sie nicht dorthin! Gehen Sie nicht dorthin!" bat Fran Borgenholm ängstlich, während sie sich erhob und sich in die dunkelste Ecke des Zimmers zurückzog. „Ein Sperling fällt nicht ohne Gottes Willen vom Dach, meine Gnädige," antwortete Wibelius sicher. Inzwischen war der Diener eingetreten. Mehrere Personen, die den Schuß hörten, eilten herbei und überall erscholl Lärm und Geschrei. „Ist der Herr Landeshauptmann verwundet?" „Mein Gott, in welchen Zeiten wir leben!" „Wer hat den Schuß abgefenert?" Diese und ähnliche Fragen lösten einander ab. Tine Ant wort wußte niemand zu geben. Still und mit würdiger Haltung teilte der Landeshaupt mann inzwischen seine Befehle aus. Das Haus sollte be wacht und durchsucht werden. Ferner erhielt das Wachtkom- mando der Stadt die Ordre, Patrouillen ausznsenden, die die Stadt Verlassenden sorgfältig zu beobachten und alles Verdächtige anzuhalten und vorzuführen hatten. Darauf dankte er dem Volke für die Teilnahme und bat die Leute, sich wieder zu zerstreuen, er habe für seine Person genügend Schutz an seiner Dienerschaft. „Dort steht eine Frau versteckt," rief inzwischen einer der Leute, die zur Absuchung des Hauses beauftragt waren, und zeigte auf Frau Borgenholm, während die übrigen ihm in die Ecke folgten, in die sie geflüchtet war. „Hi'fe!" Hilfe!" rief sie. Der Landeshauptmann, der sehr wohl wußte, daß eine erregte Volksmasse leicht Torheiten begeht, eilte nach der Stelle hin, wo die Witwe stand ergriff einige Leute am Kra gen und schlenderte sie nach beiden Seiten hin, so daß der Weg frei wurde. Darauf rief er so laut, das alle es hören konnten: „Rühre mir keiner die Dame an. Sie ist mein Gast!" Das Volk zog sich ehrfurchtsvoll zurück und bald darauf waren Wibelius und Frau Borgenholm wieder allein. „Meine Gnädige," sagte der Landeshauptmann, „wenn Sie jetzt noch auf dem Entschluß bestehen, als Krankenpflegerin mit den finnlündischen Truppen ins Feld zu ziehen, so' will ich Ihnen meine Empfehlung geben. Doch warne ich Sie noch einmal, denn es will nach Ihrem Verhalten bei dem soeben Erlebten doch scheinen, als wenn Ihre Nerven einer solche» Arbeit nicht gewachsen sind. .Denken Sie an meine Worts- Sie bleiben diese Nacht mein Gast. Morgen werden wir west ter darüber sprechen." Er klingelte wieder und sagte dem eintretenden Diener, er möge Frau Borgenholm in eins der Fremdenzimmer führe» und auch einstweilen für ihre Beköstigung sorgen. Der Landeshauptmann hatte jetzt alle Hände voll zu 1»»' Der eine Beamte nach dem andern erschien. Das Haus wurde gründlich durchsucht und einige verdächtige Personen wurde» festgehalten. So nahte sich der Tag seinem Ende. . Am Abend speisten der Landeshauptmann und sein zusammen. Frau Borgenholm schien sich von dem Schrecke» erholt zu haben und sprach ruhig und ohne Aufregung >»» ihrem Wirt. „Vielleicht wünschen Sie, gnädige Frau, daß eine meiner Dienerinnen in Ihrer Nähe schläft?" fragte der LandeshaUpst mann artig. . „Nein, ich danke, ich hoffe daß mir keine Gefahr drolst Was sollte mau mir auch tun?" fuhr sie fort. „Ist das H»»' bewacht?" „Zwar ist es nicht ganz umstellt, doch wechseln mehrere Patrouillen einander ab," entgegnete der Landeshauptmann „Haben Sie Ihr Schlafzimmer zu ebener Erde?" „Ja, es liegt unten, nur drei Zimmer von hier." „Wäre es nicht sicherer, wenn Sie eine Treppe höher sch»" fen?" „Mit einem guten Gewissen schläft man überall gut," aw wvrtete der Landeshauptmann?" Die Nacht war ganz langsam vorgeschritten und der Frir^ wurde nur von den unaufhörlich und in ungleichen Richt»" gen marschierenden Patrouillen unterbrochen. Im Hause des Landeshauptmanns war alles still. Landeshauptmann selbst schlief ruhig und fest. Die Ereigwr des verflossenen Tages hatten keinerlei Unruhe in ihm z»r»^ gelassen. 230'" Sein Gast hatte sich dagegen nicht ansgezogen. Völlig v kleidet warf sich Frau Borgenholm ans ihrem Bette hin »» her, und kein wohltätiger Schlummer schloß ihre Augen.