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Nr. 120. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 5. Oktober 1916. Seite 6. Die Höchstpreise für Schuhwaren. Amtlich wird mitgeleilt: Ein« Verordnung des Bundesrat» vom 28. Sep tember 1916 führt, um ungebührlichen Preiserhöh ungen, wie sie vielfach vorgekommen sind, zu steuern, eine Preisbeschränkung für Schuhwaren «in. Die zulässige, obere Preisgrenze ergibt sich aus der Zusammenrechnnng der Gestehungskosten, eines angemessenen Anteils der allgemeinen Unkosten und eines angemessenen Gewinn». Die Grundsätze für die Berechnung dieser Bestandteile de» Preise» werden von der vom Reichskanzler ernannten Gutachterkom mission für Schuhwarenpreise, Berlin, Leipziger Straße 123a, ausgestellt. Die Pret»beschränkung erstreckt sich auf Schuh waren, die ganz oder zum Teil au» Leber-, Strick, Web- oder Wirkwaren, Filz oder ftlzartigen Stoffen bestehen. Sie ist insofern rückwirkend, al» sie auf ab- geschlossene, ober vor dem Jnkraftreten der Verordnung noch nicht erfüllte LieferungSverträge Anwendung findet. Der Kettenhandel in Schuhwaren ist unter sagt; der Großhändler darf nur an Kleinhändler, diese dürfen nur an Verbraucher absetzen Die Schuhwaren müssen vom Hersteller oder Importeur durch Angaben über Zirmen und Grt der Herstellung (oder eine dem Hersteller vom Gut- achterauSschuß zugewiesene Nummer), Uleinverkaufs- preis und Zeitpunkt der Anbringung der Anga ben gekennseichnet werden. Dadurch, daß der Her- steller verpflichtet ist, für alle von ihm in den Verkehr gebrachten Schuhwaren den Klein- vom Reichrprei» nach Maßgabe der Retchrsätze der Gutachterkommisston festzusetzen und auszuzeichnen, wird eine gewisse Gleichmäßigkeit der Preise gewährleistet und gleich zeitig der Kleinhändler von Schwierigkeiten bewahrt, die ihm bet selbstständiger Preitfestsetzung durch die notwendige Kontrolle der Angemessenheit der Preise erwachsen würden. Die gleichmäßige Festsetzung der Preise bedeutet insofern keine grundsätzliche Abwetch- ung von den bisherigen tatsächlichen Verhältnissen, al» die hauptsächlichsten Gebrauchsstiefel auch im Frieden bereit» von der Mehrzahl der Händler zu annähernd gleichen Preisen verkauft worden sind. Bet Vermutung übermäßiger PreiSforderung kann der Käufer — auch der kaufende Schuhwaren händler — ein Schiedsgericht anrufen. Da» Schied», gericht prüft die Preise auch auf Anrufen der zustän digen Behörden nach. Ergibt sich hierbei, daß der Preis für eine bestimmte Art von Schuhwaren unan gemessen hoch ist, so hat da» Schiedsgericht zugunsten de» Reich» «inen dem Ueberpretse aller in den letzten drei Monaten mit der beanstandeten Prei»au»zeich- nung in den Verkehr gebrachten Schuhwaren «ntsvre- q-enden Betrag von dem zur Aurzetchnung Verpfltch- teten einzuziehen. Veranstaltungen fu besonderer Beschleunig ung des Verkaufs von Schuhwaren — Au»verkäufe und GelegenheitSverküufe aller Art — sind verboten; zur Vermeidung von Härten kann die OrtSpolizeibe- Hörde Au-nahmen zulassen. Au-nahmen von den Vorschriften der Verordnung überhaupt kann der Reichskanzler gestatten; er kann auch die Preise für die Ausbesserung von Schuhwaren regeln. Die Verordnung tritt, abgesehen von den Vor- schriften über die Kennzeichnung der Schuhwaren und den Strafbestimmungen, sofort, die Strafbestimmungen mit dem dritten Tage nach Verkündigung, dte Vor schriften über die Kennzeichnung am 25. Oktober 1916 in Kraft. Warenumsatzstempelgesetz. Am 1. Oktober dieses Jahre» trat da» Gesetz über einen Warenumsatzstempel vom 26. Juni 1916 in Kraft. Danach hat jeder Gewerbetreibende am Schluffe de» Kalenderjahre», erstmal» also am 31 De zember 1916, der Steuerstelle den Gesamtbetrag der Zahlungen anzumelden, die er im Laufe des Jahre», erstmal» also für die Zeit vom 1. Oktober bi» 31. De- . roo -720 Vok/. «0 LM-220VE) - In ölt /raben 465 zember 1916, für die im Betriebe seiner inländischen Niederlassung gelieferten Waren erhalten hat. Mit der Anmeldung ist gleichzeitig die Abgabe in Höhe von einem Tausendstel de» Gesamtbetrages der Zah- lungen für die gelieferten Waren bar einzuzahten. Al» Bezahlung der Lieferung gilt jede Leistung de» Gegenwerte», auch wenn sie nicht durch Bezahlung erfolgt, also z. B. auch die Abgabe von Waren an Angestellte unter späterer Verrechnung auf da« Ge halt. Al» Warenlieferung gilt dte entgeltliche Ueber- tragung beweglicher Sachen, auch dann, wenn sie ohne vorgängliche Bestellung erfolgt; ferner auch die Liefe rung von Glas, elektrischem Strom und Lct!ung»was- ser. Ist der Inhaber eines gewerblichen Betriebe» nicht imstande, den tatsächlichen Gesamtber^ag der Zahlungen anzugeben, weil in seinem Betrieb« eine geregelte Buchführung nicht stattstndet, und ihm auch sonstige Unterlagen für di« genaue Berechnung de» Gesamtbeträge» fehlen, so hat er unter Versicherung dieser Tatsache den von ihm geschätzten Gesamtbetrag der Zahlungen anzugeben und danach die Steuern zu entrichten. Der Steuerpflichtige kann jedoch an Stelle der in dem Steuerzeitraum erfolgten Zahlun gen in der Anmeldung den Gesamtbetrag der Eni- gelt» für die in seinem Betrieb« während dieses Zeit- raum» erfolgten Lieferungen, ohne Rücksicht auf die Bezahlung, angrben und danach dis Steuer entrichten. Wie der Großhandel für seine Lieferungen an den Kleinhandel, so ist der Kleinhandel für sein; Lieferungen an da» Prion Lpublikum steuerpflichtig.) Sind Lieferungen au» Verträ- gen, die vor dem Inkrafttreten diese? Gesetzes erfolgen, also dem Oktober 1916, Zahlungen nach diesem Zeit punkt zu leisten, so ist der Abnehmer mangels abwei chender Vereinbarung verpflichtet, dem Lieferer einen Zuschlag zum Preise in Höhe der auf diese Zahlun- gen entfallenden Steuer zu leisten. Der Preiszuschlag bildet keinen Grund zur VertragungSaufhebung. Vermischtes. . r>. I:. K. (Urteil eines Offiziers über Feldgeistliche.) Im „Derbandsblatt der deutschen evangelischen Pfarrvereine" schreibt R. Storch in Magde burg: Gegenüber teils nichtachtenden, teils gehässigen Aeutzerungen über den Wert der Feldgeistlichen wird den Lesern dieses Blat es das aus reifer Erfahrung beruhende Urteil eines Landwehrleutnants aus den Argonnen nicht un- willkommea sein Nachdem er in seinem Briese von einein Geistlichen erzählt hatte, der mitten im tollsten französischen Feuer mutig seines Amtes gewartet habe, fügt er folgendes hinzu: Es ist direkt herrlich, wie hier die Pfarrer mit dem Stock und der Gasmaske täglich in die vordere Linie gehen und ihre Pfarrkinder aus Posten und in den Unterständen besuchen. Ich habe mich schon oft vorn über den Besuch der Herren beider Konfessionen gefreut und sehe auch mit Freuden die Anhänglichkeit und die Achtung, die die sonst gegen jede Ge ahr abgestumpften und gegen das Sterben um sich vorn vielfach so gleichgültigen Männer vor ihren Geistlichen haben. Nur die Persönlichkeit flößt hier noch Achtung ein und unsere Geistlichen haben es verstanden, sich Achtung und Ehreckietung bei den Leuten zu verschaffen und zu erhalten * (Die PosenerGetreideschiebungen) führ ten zu mehreren Verhaftungen. Gegenwärtig beträgt die Zahl der Verhafteten 12 Darunter befindet sich ein junger Mann von 19 Jahren aus Posen, der bei dem unlauteren Geschäft wöchentlich 35 MO Mark verdient haben soll. Ein Leipziger Kaufmann hat nachweislich eine halbe Million Mark ver dient. Er wurde aus einer Vergnügungsreise im Harz verhaftet, wo er im Begriff war, eine Villa zu Kausen. In der Stadt Posen sind bei einer großen Anzahl von Getrei- degeschästen die Geschäftsbücher beschlagnahmt worden. 2 Lest sorgfäMgst die Zeitung! Unkenntnis amtlicher Verfügungen — schützt nicht vor Strafe! — Lokalerfindungsschau. kDom Patentbüro O. Krueger <L Co., Dresden. Gg. Hirsch, Radeberg: Abgestufte Lampenglocke. (Gm.i Frau Ida Raupach, Pulsnitz: Kontrollkasse usw. (verl. Gm.) Max Mohn, Radeberg: Saugkasten mit gelochter Deckplatte für Papier-, Pappen-, FeMtoffentwässerungs- und ähnliche Maschinen <Ert. Pat.) — Gg. Ruhland, Friedersdorf!>. Puls nitz: Riemenaufleger. (Ang. Pat.) Voraussichtliche Witterung. 6. Oktober: Wechselnd bewölkt, ohne erhebliche Nie derschläge, Nacht milder. Die Spione. Kriegsroman von Johannes Funck. 8 Sie erhoben sich und schritte», innig umschlungen, dem Bache zu, wo jeder in seinen Kahn sprang. Pekka ruderte voran und Stina folgte ihm, bis sie auf der Höhe von Björkmo waren, wo Aina an Land ging, während Pekka am anderen User nulegle. Beide riesen sich eine „Gute Nacht!" zu, und Pekka eilte seinem Heim zu, wo er sich gleich zur Ruhe be gab. Indessen hielten ihn eigentümliche Gedanken wach, und als er endlich einschlief, träumte er unruhig. Gs war im mer derselbe Traum von einer Hexe, die Öllas Kopf und Binas Züge hatte. Am nächsten Morgen ruderte Pekka nach Björkmo hin über. Als er dort ankam und sich auf den Weg nach dem Wohnbanse machte, hörte er drüben aus dem Birkenwäldchen eine wohlbekannte Stimme. Er eilte darauf zu und sah Aina mit einem Slrieistrnmpf in der Hand aus einem Steinblock sitzen. Sie wollte gerade einen neuen Vers beginnen, als er ihr entgegsnries: „Aina!" „SIH, Pelka, Du bist es," rief sie erfreut, während sie sich zu ihm umdrehte. „Was sitzest Du hier und singst?" „Gott sei Dank, daß Du kommst!" „Du bist so sonderbar, Aina," sagte er. „Warum meinst Du das?" „Was sitzt Du hier und singst? Vergißt Du denn ganz, daß der Feind in der Gegend ist. Ein Mädchen wie Du, wird er sich nicht entgehen lassen. Du solltest vorsichtiger «ein, Aina!" „Du bist heute schlechter Laune, Pekka," antwortete Aina. „Ich bin aber so froh und glücklich, daß ich Dich hier habe, Dich und keinen anderen. Gerade jetzt macht es mich beson ders glücklich." „Weshalb denn gerade jetzt? Ich verstehe Dich nicht." „Das will ich Dir sage», Pekka. Ich habe diese Nacht von Feiier geträumt." „Gott tröste uns. Da ist der Russe also nicht weit ent- fernt. Also, hinein, mit Dir, Mädchen l" „Nein, Du sollst erst hören! Ich habe diese Nacht von Feuer geträumt!" „Das hörte ich," sagte Pekka kurz. „Olla hat gesagt —" „Olla, immer Olla, die verwünschte Hexe," unterbrach Pekka sie hastig und stampfte auf die Erde, daß der Staub um den Fuß aufwirbelte. Ich -" „Schäme Dich, Pekka, daß Du die Augenbrauen zusam menziehest und auf den Boden stampfst. Sieh' nur die ar men Blumen, die Du nredergetreten hast. Komm hier an den Stem, dann sollst Du hören." „Sprich uur nicht wieder von Olla." „Nur noch einmal," sagte Aina lächelnd und zeigte zwei Reihen glänzender Zähne. Komm, Pekka, Du sollst jetzt et was erfahre^, was Dich freuen wird." „Ich will nichts hören." „Pekka!" „Nun?" „Du liebst mich nicht mehr." „Was sagst Du, Aina?" „Ich war vorher so glücklich, aber jetzt, jetzt —" „Beruhige Dich, Aina," sagte Pekka, eilte zu ihr und legte seinen Arm um sie. Verzeih mir, Aina. Ich bin ja jetzt bei Dir! Nein, weine nicht! Verzeih mir! Ich war vorhin wohl heftig. Aber in diesen Zeiten, wo der Feind im Lande um herschwärmt, ist es für ein junges Mädchen zu gefährlich, sich allein hinaus zu wagen. Ich traf Dich ja gestern Abend im Walde und heute Mor gen schon wieder hier. Glaube mir, Aiua, wenn ich vorhin heftig war, so geschtch es, weil ich Dich so über alles liebe und deswegen in Angst und Sorge bin, daß Dir durch Deine Un vorsichtigkeit ein Unglück znstoßen kann. Du weißt, Aina, was wir einander gelobt haben — glaubst Du, daß man wirklich glücklich seiic kann, wenn inan seinen höchsten Schatz in Ge fahr weiß? Und dann nennst Du immer den Namen dieser Zigeunerin. Ich kann mir nicht Helfeei, aber ich glaube, daß sie Dich nichts Gutes lehrt, sondey» daß sie Dir Deinen Kops verdreht. Komm jetzt, ich will Dich nach Hanse geleiten." „Unsinn," ries Aina auK, entzog sich seiner Umarmung und ließ sich auf die Erde nieker. „Ich kann alleiy gehen," ^«gte sie. . „Was ist Dir, Aiua?" fragte Pekka, während er besorgt ihren Arm ergriff und sie zurückhielt. „In der Tat glcmve ich, daß die Zigeunerin Dich verhext hat. Ich kenne Dich gar nicht wieder. Was fehlt Dir denn eigentlich?" „Nein, ich bin nicht verhext, Pekka," sagte Aina. „Du bist es aber. Du gönnst es mir nicht, daß ich froh bin." „Aber, so sprich doch, Mädchen. Ich lasse Dich nicht eher vom Fleck, als bis Du mir alles erzählt hast." Aina, m deren Augen jetzt Tränen traten, fing jetzt zö gernd und mit leiser Stimme zu erzählen an: „Ich träumte diese Nacht von Feuer, und Olla sagt, daß, wenn inan von Feuer träumt, das wie im Sturm brennt, dies Zorn, Wut und Vernichtung bedeutet." „Den Russen," murmelte Pekka. „Brennt es aber klar und still, wie die Sterne am Got teshimmel, so bedeutet es Liebe." „Und Du?" „Ich träumte vom Feuer auf dein Feuerherd daheim. ES branNte so schön und ruhig und als ich aufwachte, lachte die Sonne mir in die Augen, sie war es wohl, die ich im Tram» gesehen hatte." „Aina!" rief Pekka milde aus und streckte ihr die Arme entgegen. „Ich wurde so glücklich, und Du, Pekka, warst der erste, an den ich dachte, und ich bat den lieben Gott, daß der Zwist bald ein Ende habe, und daß das Wohnhaus auf An sen bald fertig werde, damit die Alten dorthin ziehe» und wir unser Hein, gründen können." „Jnniggeliebtes Mädchen," rief Pekka aus und drückte sie stürmisch an seine Brust. . Später fiel mir auch noch ein," fuhr Aina fort, „daß mau bald heiratet und in der Ehe glücklich wird, wenn man an dem Morgen nach diesem Traum als ersten von alle» seinen Geliebten trifft. Deshalb ging ich, noch ehe die Mut ter aufgestanden war, mit einem Strickstcumpf hierher, mm wo aus ich einen freien Blick über Aasen hatte. Denn ich hoffte, daß Du der erste sein würdest, den meine Augen von hier aus erblickten." Während sie dies sagte, lehnte fie ihren Kopf an seiue Schulter und blickte ihm in die Augen. 230,20