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Pulsnitzer Wochenblatt Donnerstag, 5. Oktober 1916. Beilage zu Nr. 120. Amtlicher Teil. 68. Jahrgang. Die nachstehende vom Bundesrat erlassene Verordnung wird hierdurch zur öffentlichen Kenntnis gebracht Dresden, den 2. Oktober 1916. Ministerium des Innern. Bekanntmachung zur Ergänzung der Bekanntmachung über die Bereitung von Backware. Vom 28. L-eptember >9l6. Der Bundesrat hat aus Grund des H 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrats za wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 4. August >914 (Reichs-Gesetzbl S. 327) folgende Verordnung erlassen: Artikel l. Im 8 11 der Bekauntmachuvg über die Bereitung von Backware vom 26. Mai 1916 (Reichs Gesetzbl. S. 413) werden dem Abs 1 folgende Sätze hinzugefügl: Nur techni ch reines Holzmehl, Strohmehl oder Spelzmehl, ohne mineralische Zusätze, darf als Streumehl verwendet werden. Als Wirkmehl zum Aufarbeiten des Telges darf nur backsähiges Mehl verwendet werden. Artikel 2 Diese Verordnung tritt mit dem 4. Oktober >9 >6 in Kraft Berlin, den 28. September 1916. Der Stellvertreter de« Reichskanzlers. Dr. Helfferich. Auf Grund von Artikel 1 Abs. 3 der Verordnung des Reichskanzlers vom 18 Sept. 194 6 über die Abänderung der Verordnung über Höchstpreise für Hafer vom 24 Juli 1946 ßtzl das Ministerium mit Zustimmung des Knegsernährunqsamles fest, daß in dem Bezirk der Amtshauptmannschasten Annaberg, Chemnitz, Flöha, Marienberg, Stollberg, Freiberg, Dippoldiswalde, Auerbach, Oelsmtz, Plauen, Schwarzenberg, Zwickau und der Städte Freiberg und Plauen der Preis von 300 Mark sür die to Hafer für Lieferungen bis zum 15. Oktober >916 einschließlich bezahlt werden darf. Die Verordnungen des Reichskanzlers vom 24. Juli 1916 und vom 18. September 1916 werden hierunter zur öffentlichen Kenntnis gebracht. Dresden, den 2 Oktober 1916. Ministerium des Innern Verordnung über Höchstpreise sür Hafer. Vom 24. Juli 1916 Auf Grund der Bekanntmachung über Kriegsmaßuahmen zur Sicherung der Volksernährung vmu 22. Mai 1916 (Reichs Gesetzbl. S. 401) wird solgende Verordnung erlassen; 8 Der Preis sür die Tonne inländischen Hasers darf beim Verkaufe durch den Erzeuger dieihnndert Mark nicht übersteigen. Dieser Preis gilt bis zum 30. September 1916 einschließlich. Für die spätere Zeit werden niedrigere Preise festgesetzt werden, die auch aus vorher abgeschlossene Verträge Anwendung finden sollen, soweit sie bis znm 30. September 1916 einschließlich noch nicht erfüllt sind 8 2. Die Höchstpreise gelten für Lieferung oh.w Sack. Für leihweise Ueberlassung der Säcke darf eine Sackleihgebühr bis zu zehn Pfennig sür den Doppelzentner berechnet werden. Werden die Säcke nicht binnen drei Wochen nach der Lieferung zurückgegebeu, so darf die Leihgebühr dann um fünfundzwanzig Pfennig für die Woche bis zum Höchstbetrage von zwei Mark und fünfzig Pfennig erhöht werden. Angesangene Wochen sind voll zu berechnen. Werden die Säcke mitoerkanst, so darf der Preis sür den Sack nicht mehr als eine Mark und sür den Sack, der simsundsiebzig Kilogramm oder mehr hält, nicht mehr als eine Mark und sechzig Pfennig betragen. Werden Leihsäcke nicht zurückgegebeu, so gilt der Höchstbetrag der Leihgebühr als verfallen. Außerdem ist sür den Verlust der Säcke eine Entschädigung zu zahlen, die den Sackhüchstpreis uichr übersteigen darf. Bei Rückkauf der Säcke darf der Unterschied zwischen dem Verkanfs- und dem Rückkaufspreise den Satz der Sackleihgebühr nicht übersteige». Die Höchstpreise gelten für Barzahlung bei Empfang; wird der Kaufpreis gestundet, so dürfen bis zu zwei vom Hundert Jahreszinsen über Reichsbankdiskont hinzugeschlagen werden. Die Höchstpreise schließen die Beförderungskosten ein, die der Verkäufer vertraglich übernommen hat. Der Berkämer hat auf jeden Fall die Kosten der Beförderung bis zur Verladestelle des Ortes, von dem die Ware mit der Bahn oder zu Wasser versandt wird' sowie die Kosten des Einladens daselbst zu tragen. 8 s. Für die beim Weiterverkäufe des Hafens zulässigen Zuschläge gilt der H 20 der Verordnung über Hafer aus der Ernte 1916 vom 6. Juli 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 666). 8 4. Die Vorschriften dieser Bekanntmachung gelten nicht bei Verläufen u) von Saathafer, wenn die vom Reichskanzler auf Grund des § 6g, der Verordnung über Hafer vom 6. Juli 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 666) zu erlassenden näheren Bestimmungen innegehalten werde«. Als Saachafer im Sinne dieser Borschrift gilt Saaihaser, dec in anerkannten Saatgutwirtschaften oder in solchen Betrieben gezogen ist, die sich nachweislich in den Jahren 1913 und 1914 mit dem Ver kaufe selbstgezogenen Saathafers befaßt haben; d> von Hafer, der durch die Kvmmunalverbände nach 8 16 der Verordnung über Hafer aus der Ernte 1916 vom 6. Juli 1916 (Re'chs-Gesetzbl. S. 666) abgegeben wird,, sowie bei Weiterverkäufen dieses Hafers; Sf mm Hafer, der auf Grund eines von der Reichssuttermittelstelle nach 8 6 Abs. 8 k der Beiordnung über Hafer aus der Ernte 1916 vom 6. Juli 1916 (Reicks Gesi-tzbl. S 666) ausgestellten Erlaubnisscheins freihändig erworben wird. 8 5- Mil Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft: 1 . wer die in dieser Verordnung festgesetzten Preise überschreitet; 2 wer einen anderen zum Abschluß eines Vertrags auffordert, durch den die Preise überschritte» werden, oder sich zu einem solchen Vertrag erbietet. 8 6. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Berlin, den 24. Juli 1916. Der Stellvertreter der Reichskanzlers. Dr. Helfferich. Verordnung, betreffend Abänderung der Verordnung über Höchstpreise sür Haser vom 24. Juli 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 826). Bom 18. September 1916. Aus Grund der Bekanntmachung über Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Volkse:- uährung vom 22. Mai 1916 (Reichs Gesetzbl. S. 401) wird solgende Verordnung erlassen: Artikel 1. Der § 1 der Verordnung über Höchstpreise für Hafer vom 24. Juli 1916 (Reichs-Ge setzbl. S. 826) erhält folgende Fassung: Der Preis sür die Tonne inländischen Hafers darf beim Verkauf durch den Erzeuger, so weit bis znm 30 September 1916 einschließlich geliefert wird, dreihundert Mark, und soweit nach diesem Zeitpunkt geliefert wird, bis zur anderweiten Festsetzung zweihundertachtzig Mork nicht übersteigen. Die Landeszentralbehörden können sür Gegenden mit besonders später Ernte mit Zu stimmung des Kriegseruährungsamts festsetzen, daß dec Preis von dreilmndert Mark sür die Tonne sür Lieferungen bis znm 15. Oktober 1916 einschließlich bezahlt werden darf Artikel 2. Diese Verordnung tritt mit dem Tage dec Verkündung in Kraft. Berlin, den 18. September 1916. Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Dr. Helfferich. Die Spione. Kriegsroman von Johannes Fnnck. 7 Ich reichte idr meine Hand und bat sie, mir zu ver- leiheu. Da hättest Du Olla sehen sollen, Pekka. Sie sah or- dcmlich hübsch ans, so runzelig ihr Gesicht sonst auch ist. Awe Angen glänzten förmlich und ein entzückter Ausdruck lag in ihnen." „Dn bittest mich nm Verzeihung, Mädchen! Soll ich, die verachtete Zigeunerin Dir ein Unrecht verzeihen? Jetzt zieht gewiß ein Gottesengel durch den Wald! Wisse, MädchenI Aoch niemand hat mich je um Verzeihung gebeten, wie viel Ünheil er mir sonst auch zngesügt hat. Niemand! Gottes Friede und Segen sei mit Dir, Mädchen, mögen alle Deine Hoffnungen in Erfüllung gehen!" „Das war eine fromme Bitte," sagte Pekka, „ich glaubte »ichl, daß Olla andere Mächte, als den Bösen, anrufen würde." „Während die Zigeunerin meine Hand noch in der ihrigen dielt," fnhr Aina fort, „sagte sie: setz' Dich an meine Seite, duun will ich Dir etwas erzählen." „Ich war nicht ängstlich, sondern setzte mich zn ihr, und Hst» erzählte mir von ihrem Stamm, ihrem Vater und 'dcer Mutier und deren frühen Tod, und wie sie von einem häßlichen schwarzen Mann erzogen und geschlagen sei. Sie lecme von ihm allerlei Künste, den Eiertanz, das Wahrsagen ans Karten, Sterndeuten, und sie lernte es, aus dem Seuf ze» des Windes ini Walde und dem Echo der Klippen die Zukunft der Menschen zn prophezeien." „Also schwarze Künste zu treiben," murmelte unwillig Pckla. „Sie erzählte mir, daß sie in ihrer Jugend sehr hübsch ge» wesen sei, und eines Tages sei ein reicher Gutsherr gekom- wen und habe um ihre Liebe geworben. Der schwarze Mann bube sie dem Gutsherrn verkaufen wollen; Olla liebte "ber einen jungen Zigeuner, und deshalb schlug sie allen b- miz und Neichnun ans, die der Gutsherr ihr gelobt hatte, /-t : wurde sie eines Tages mit Gewalt genommen, aufs Schloß getragen nnd eingesperrt. Der Gutsherr hatte sie von der Bande gekauft. Celario, so hieß der junge Zigeuner, der sie liebte, ging klagend in der Nähe des Schlosses umher, und manche Nacht hörte sie seinen Gesang draußen vor ihrem Fenster. Sie versuchte, ans dem Schlosse zu entfliehen, es glückte ihr aber nicht. Dagegen verfolgte der Graf sie wieder und wieder mit seiner Liebe und legte ihr all seine Schätze zu Füßeu. Olla konnte den Geliebten ihres Herzens nicht vergessen. — Da fand man den armen Celario eines Tages vor Ollas Fenster an einem Baum hängen." „Hängen," wiederholte Pekka. „Ja, dem Gutsherrn war es gelungen, des jungen Zigeu ners habhaft zu werden." „Und Olla?" „Sie war natürlich trostlos und beschloß, es mochte kosten, was es wollte, sich ihrer Fesseln zu entledigen und Celanos Tod zu rächen. Es glückte ihr denn auch, aus dem Schlöffe zu fliehen, und sie hat das Gelübde, das sie getan, bis zum heutigen Tage nicht vergessen. Anfänglich ernährte sie sich durch Weissagen und andere Künste, die sie von dem schwarzen Manu gelernt hatte. Als sie älter wurde, kam sie hier in die Gegend, wo sie schon früher gewesen war. Die kleine Hittte, in der sie jetzt lebt, stand damals leer, moosbewachsen und bau fällig da. Keiner wagte sich in sie hinein, denn die Pest hatte dort reines Haus gemacht. Aber Olla fürchtete sich nicht. Sie kann ebensogut Unglück und Ansteckung fortbringen, als sie sie herausbeschwört. Sie ergriff Besitz von der verwaisten Hütte und setzte sie, so gut sie es mit ihren eigenen Kräften vermochte, in Stand. Die Leute im Distrikt wichen der Zigeunerin, der Hexe, aus, die in der Pesthöhle, wie sie die Hütte nannten, wohnte, und das Gerücht verbreitete sich in der Gegend, daß sie von dem Tenfel besessen sei, da sie so un beschadet in der gefährlichen und so lange gemiedenen Wohnung hauste." „Ich erinnere mich genau, wie sie hier zuerst auftauchte. Ich war damals noch ein ganz kleiner Junge," sagte Pekka. „Hier will sie auch wohnen bleiben, bis —" „Und die Rache?" „Wie sie sagt, ist sie vor der Ttir." „An wem will ste sich denn rächen?" „Ich weiß es nicht. Ein reicher Schloßherr — Olla hat —" „Hier in der Gegend?" „Ich weiß es nicht. In dieser Hinsicht will sie mit der Sprache nicht heraus. Olla kommt übrigens viele Meilen im Umkreis herum," fügte Aina hinzu. „Aber sie ist gut — und sehr klug." „Aina," sagte Pekka jetzt milde, „ich glaube Dir, aber suche Olla nicht ans." „Warum nicht?" „Sie ist immerhin Zigeunerin und in der schwarzen Kunst zn Hause." „Sie ist gilt, sage ich." „Mit ihren schwarzen Klauen umfaßt sie Dich." „Pfui, Pekka I" „Sie kann — Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn es rührte sich etivas iw Walde, und dort, dort kam ja die alte Zigeunenn selbst. Wohin mochte sie jetzt gehen und weshalb verließ sie so spät ihre Hütte? „Still, sie kommt," fuhr Pekka in flüsterndem Tone fort und drückte Aina fester an sich. Die Zigeunerin näherte sich dem Platz, auf dem sie saßen. Pekka fürchtete, daß die Alte seine Aina verhexen und ü« ihin abspenstig machen könnte. Daher fwar es mehr Augit als Liebe, die ihn bewog, seine Braut fest an sich zu drück, n. gleichsam um sie vor der Hexe zu schützen. Erhoffte auch,daß Olla, ohne sie zu bemerken, an ihnen vorbeigehen würde. Dieser Wunsch ging aber nicht in Erfüllung. Olla Hane sie schon in der Entfernung im Mondlicht gesehen nnd unuUs jetzt wohl ihre Gegenwart zu erkennen geben Denn sie bl.eo stehen, blickte sie an und sagte: „Treue und Liebe und Manneskraft Ruhe und Frieden dem Lande schafft." Damit ging ste, ohne sich umzusehen, weiter. „Hast Du es gehört?" flüsterte Aina. „Ja," flüsterte Pekka gedankenvoll. „Glaubst Du noch, daß Olla schlecht ist?" „Ich weiß nicht," antwortete er zögernd. Doch, gleichst u um ein anderes Thema anzuschlagen, fuhr er schnell fmr „Es wird jetzt Zeit. Latz uns gehe«." 230,20