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WsnitzerMchenblatt Dienstag, 26. September 1916. Beilage zu Nr. 116. 68. Jahrgang. Die letzten Anstrengungen des Vierverbandes. Wir stehen im Weltkriege vor den größten Entschei dungen, auch wenn dieselben noch nicht unmittelbar zu er- warten sind Die lange Dauer des Weltkrieges hat unge heuere Tatsachen geschaffen. Riesenheere sind von den kriegs führenden Parteien in einer Zahl und Ausdauer ins Feld geführt worden, wie man es früher niemals für möglich ge halten hätte. Riesenausgaben für den Weltkrieg sind auch gemacht worden, deren Summen früher niemand aufzubrin gen für denkbar erachtet hätte. Dazu kommt, datz die Feinde Deutschlands sammt und sonders unter dem teuflichen Ein flüsse Englands stehen, dessen Hauptplan die Vernichtung Deutschlands ist. Aber das Deutsche Reich und seine Bun desgenossen stehen auch im dritten Jahre des Weltkrieges mit ihren beldenmütigen Scharen unerschüttert wie die eiser nen Mauern, und es kann auch mit Genugtuung gesagt werden, daß so groß die Opfer an Blut und Gut auch in Deutschland, Oesterreich-Ungarn, und-der Türkei und in Bulgarien in Folge des Weltkrieges sind, so reichen doch diese Opfer nicht an diejenigen der Mächte des Vterverbon- des heran. Die Feinde Deutschlands haben vielmehr an Soldaten eingebützt und vielmehr Geld ausgegeben al; es verhältnismäßig bei Deutschland und seinen Bundesgenossen der Fall ist. Da muß doch naturgemäß auch der Zeitpunkt kommen, wo Vie große Krisis sich bemerkbar macht, und es bei unseren Feinden schwierig, ja unmöglich wird, mit vollem Einsätze an Soldaten und Geldopsern den Krieg weiterzu- sühren. Zwei Führer -er Sozialisten in Frankreich haben in der französischen Deputierte-'Kammer offen erklärt, daß Frankreich durch den Krieg verblute und verarme. 5 Millis nen Soldaten und 80 Milliarden Frank hat nach den An gaben der französischen Sozialisten der Weltkrieg Frankreich schon gekohet. Nach den französischen Ministerpräsidenten Briands Erklärung will aber Frankreich mit der Todes wunde siegen. Nur würde sich fragen ob überhaupt Frank reich noch lange großer Anstrengungen im Weltkriege fähig ist Es fehle in Frankreich an Reserven, und Frankreichs Bundesgenossen sollen in die Lücke eintretcn, welche an der französischen Front einzutreten droht. Die englischen Zeitun gen bezeichnen es aber auch als eine der notwendigsten Aus gaben des englischen Parlamentes, für ein mues Heer zu sorgen, und die etwa geplante Aufstellung eines neuen gro ßen Heeres in England, nachdem das englische Heer an der Somme zum größten Teile vernichtet worden ist, wird eine sehr schwere Ausgabe für England werden. Zugleich meh ren sich aber die Anzeichen, daß es im Vieroerband an Geld fehlt, und daß es sogar England sehr schwer fällt, seinen Kredit aufrecht zu erhalten. England scheint sogar schon so weit gegangen zu sein, daß es seine Bundesgenossen ersucht hat, ihren Goldbestand nach England zu schaffen, um Eng- lanvs Kredit zu stützen. Darin kann wirklich der Anfang vom Ende des Weltkrieges gesehen werden, denn die stanzi- ellen Ueberanstrengungen der Vierverbandsmächte müssen ei nen ungeheueren wirtschaftlichen Rückschlag heivorbringen, zumal die Kriegskosten des Vierverbandes verhältnismäßig viel größer sind als diejenigen Deutschlands und seiner Bun desgenossen, und weil auch der Vierverband in Folge der großen Bestellungen für Munition, Waffen und Kriegsma terial in Amerika in große Schulden gegenüber den ameri kanischen Lieferanten geraten ist. Nach dem Meldungen schweizerischer Zeitungen sollen auch bereits Frankreich, Ruß land und Italien einen Teil ihrer Vorräte an Gold an das englische Schatzamt abgeführt haben, damit England seine Goldwährung aufrecht erhalten und seine Kredit in Amerika wieder verbessern kann. Diese Goldreserven der Mächte des Dierverbandes werden noch aus 10 Milliarden geschätzt. Was bedeuten aber diese >0 Milliarden in dem furchtbaren Weltkriege, welcher den Vieroerbandsmächten bereits 230 Milliarden gekostet hat. Es ist noch dieser Entwickelung der Finanzen für den Vierverband tatsächlich fetzt mit der Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daß es ihnen wegen Gold mangels schließlich unmöglich werden wird, in der bisherigen Weise massenhaft Lieferungen an Munition und Lebensmit tel aus Amerika zu beziehen. Blickt man nun noch auf die Kriegsschauplätze und die großen Angriffe der Heere der Vierverbandsmächte in den letzten Monaten und Wochen, so muß man in Hinblick aus die auch sehr schwierig gewor dene Beschaffung der gewaltigen Kriegskosten und der neuen Soldaten für den Vieroerbänd zu dem Schluffe kommrn, daß er seine letzten großen Anstrengungen im Weltkriege macht. In Deutschland und bei Deutschlands Bundesge nossen gilt es daher gerade nun erst recht mit aller Kraft und aus allen Gebieten durchzuhalten, um den Sieg zu er ringen. — Zum Siege verhilft nur die Kriegsanleihe! Zn/raüen 467 Tagesgeschichte. Deutsches Reich. (Zur Eröffnung des Reichstages.) Der Eröffnung der Reichstages am nächsten Donnerstag fleht man mit großer Spannung entgegen, da man gleich in einer der ersten Tagungen des Reichstage» eine große Rede de» Reich»kanzler» erwartet. Bekanntlich haben sich aber auch in der letzten Zeit leider wieder einmal rechr seltsame Un- stimmtgleiten in der Beurteilung der Politik de» Reichskanzler» in gewissen «reisen gezeigt, auch wurde der um die deutsche Flotte so hoch verdiente Groß- Admiral von Ttrpitz tn einer fast unbegreiflichen Weise verdächtigt. La der Retch»kanzler bet einem ähnlichen Unlasse früher mit großem Erfolge solchen Quertreibereien entgegengetreten ist, so dürfte man erwarten, daß dies nun abermal» geschehen wird. E» ist auch bedauerlich, daß der Staatssekretär de» au»- wärtigen Amtes zur Vorbereitung der Reichstagsoer handlungen nach einer Zeitungsmeldung beabsichtigen soll, in der Angelegenheit mtt jedem Parteiführer de» Reichstage» ein,ein und vertraulich zu verhandeln. Der Reichstag»abgeordnete vr. Heckscher, welcher neben dem Abg. Bassermann jahrelang für den Reich»1ag den Bericht über da» auswärtige Amt erstattete, hat sich gegen diese neue Praxi» in der Vorbereitung mit den Parteiführern de» Reichstage» au»gesproch«n, und sogar erklärt, daß er eS für eine Pflicht der Partei führer erachte, alle» abzulehnen, was auch nur den Schein erwecken könnte, daß die aurwärttge Politik des deutschen Reiche» zu einer Domäne widerstreben- der Parteiinteressen werde. Da e» in Bezug auf die auswärtige Politik Deutschlands doch wahrhaftig keine großen Meinungsverschiedenheiten geben kann, so dürfte wohl auch die betreffende Schwierigkeit und Einseitigkeit in der Vorberatung mtt den Parteifüh rern de» R«tch»tage» leicht überwunden werden können. — (Die Zahl der Verordnungen seit KrtegSbeginn.) Seit Kriegsausbruch sind, wie die „Tügl. Rdsch." feststell», 400 Bundesratsverord- nungen veröffentlicht, mehr als 3000 Regierungs verordnungen und unzähliche andere von Kommunen und Kreisen, Provinzen und Nachgeordneten Behörden. Auf den Tag berechnet find durchschnittlich ein Du- tzend erschienen. — (Herabsetzung der Kriegsbesoldung der Offizier«) Durch Kaiserliche KablnettSorder werden große und einschneidende Herabsetzungen in der KrlegSbesoldung der Offiziere und OffizierSstellver- treter bekannt gemacht. Für die höheren Stellen e.- folgen z. T. wesentliche Ermäßigungen, so wird für den Krieg-Minister die monatliche Dienstzulag« um j« 1000 Mk, für die kommandierenden Generale um je 650, die Divisionskommandeure oder Offiziere in ähnlichen Stellungen um je 150 Mk. herabgesetzt. — (600 deutscheKtnder) kehren nach Mor- genblättermeldungen nach Beendigung ihrer Irrten aus Holland nach Deutschland zurück, s» den Kämpfe» um Vermischtes. W * (Das gute Geschäft.) In einer Stadt der Uckermark hatte im Laufe des Krieges ein Lieferant soviel verdient, daß seine Frau an die Erfüllung ihres größten Wunsches, nämlich den Besitz eines Brillantschmuckes, denken konnte. Sie hatte sich zu diesem Zweck 900 M zurückgelegt und begab sich nun eines Tages zu einem größeren Juwelier. Ihre Wahl fiel auffeinen Schmuck, der 2000 M kosten sollte. Nach einigem Ueberlegen machte sie nun dem Juwelier folgenden Vorschlag: Sie zahlte ihm ihre 900 M aus den Schmuck an, gehe dann nach Hause und werde ihren Mann schicken, dem der Schmuck als von seiner Frau ausgesucht für 1100 M vorgelegt werden solle. Aus keinen Fall dürfe jedoch ihr Mann den wahren Preis erfahren. Der Juwelier ging darauf ein, undLusrieden machte sich die Frau auf den Weg nach Hause. Ihren Mann zu überreden, fiel ihr nicht schwer, und noch am selben Tage erstand er den Schmuck für 1100 M. Aus dem Rückwege vom Juwelier trifft er einige gute Freunde, und man wird dies Wiedersehen erst gebührend feiern. Bei vorgerückter Stimmung holt der Meister seinen Schmuck hervor, um mtt itzm zu glänzen, läßt auch aus eine Frage eines Freundes den Preis verlauten. Sofort bietet ihm der Bekannte für den Schmuck 200 M mehr, also 1300 M, und der brave Mann, der sich diesen Profit nicht entgehen lassen will, ver tauscht ihn für den Preis. — Das Wie dersehen zwischen ihm und seiner so arg enttäuschten Gattin soll recht lebhaft ge- wesen sein. München, 25. September. (Ge storben) ist gestern in München der Maler und Radierer Professor Otto Greiner im Alter von erst 47 Jahren an einer Lungenentzündung.