Volltext Seite (XML)
Nr. 103. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 26. August 1916. Seite 6. Verordnung über den Verkauf von Fallobst und Pflaumen. 8 1. Es ist verboten, Pflaumen in unreifem Zuilande zu pflücken, abzujetzen oder sonst in den Verk.hc zu bttnpen. 8 2. Für Fall und Pretzäpfel dürfen folgende Preise nicht überschritten werden: beim Verkaufe durch s) den Erzeuger: 5 M für den Zentner, d) den Großhändler: 8 M für den Zentner, c) den Kleinhändler: M 0.12 für das Pfund. Kleinhandel ist der Verkauf vom Händler an den Verbraucher. 8 I. Die in 8 2 bezeichneten Preise sind Höchstpreise im Sinne des Gesetzes, betreffend Höchstpreise, vom 4. August 19l4 in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1914 (R. G. Bl. S. 816) in Verbindung mit der Bekanntmachung vom 21. Januar 1918 (Reichsgesetzblatt S. 25) und vom 23. März 1916 (R. G. Bl. S. 183.) 8 4. Zuwiderhandlungen gegen 8 1 werden auf Grund von 8 17 der Vundesratsverordnung vom igl8 — R. G. Bl. S. 607 und 728 — mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 1860 M, Zuwiderhandlungen gegen 8 2 nach den im 8 3 gekannten Gesetzen mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 10000 M oder mit einer dieser Strafen bestraft. Dresden, am 23. August 1916. Ministerium des Innern. Ne Heimkehr der Handels-MerseehMies „SeaWland", eine neue deutsche MW. Durch ganz Deutschland braust ein mächtiger Jubel' und die altberühmte Hansastadt Bremen strahlt in Heller Freude und kann ihren zur See erworbenen Lorbeerkranz mit berechtigtem Stolze tragen. Das Handelsunterseeboot „Deutschland", das erste Handelsunterseeboot der Welt, eine Schöpfung von Bremens Unternehmungsgeist zur See, ist glücklich von seiner ersten Amerikafahrt heimgekehrt. Die »Deutsche Ozeanreederei" in Bremen, der das Handelsunter seeboot gehört, hat verkündet, daß das Handelsunterseeboot .Deutschland" glücklich an der Wesermündung am Abend des 23. August vor Anker ging, daß am Bord des Schiffes Alles wohl ist, daß die Maschinen des Schiffes tadellos ar beiteten, und daß sich das Schiff als ausgezeichnetes See schiff bewährt hat. 4200 Seemeilen, davon 100 Meilen, un ter Wasser, legte es auf seiner Rückfahrt von Baltimore nach Bremen zurück. Ein großer nationaler, seemännischer und auch technischer Triumph Deutschlands ist dies vor den Augen der ganzen Welt! Die deutsche Handelsflagge, die sich seit zwei Jahren in keinem amerikanischen Hasen mehr zeigen konnte, wurde durch das Handelsunterseeboot »Deutsch, land' wieder in Amerika gehißt, und den acht vor dem Ha fen von Baltimore auf der Lauer liegenden englischen Kriegs- schiffen und der großen Zahl der von den Engländern be- zahlten privaten Hascher in Gestalt von vielen gemieteten amerikanischen Fischerdampfern, die den Engländern Kund- schasterdienste leisteten, ist es nicht gelungen, das deutsche Handelsunterseeboot zu sangen. Der Kapitän König ver- stand es, mit seinem Schiffe zur rechten Zeit vor den Augen der Späher und Feinde in der Tiefe des Meeres zu ver schwinden. Die feindlichen Schiffe, die Stürme des Welt- meeres und der Nebel an der englischen Küste und im Ka nal haben dem deutschen Handelsunterseeboote nichts anha ben Können, und der Kapitän König hat sicy als ein großer Meister in seinem Fache glänzend bewährt. Moralisch und seerechtlich hat das deutsche Unterseeboot die englischen Blo- kade in Scherben geschlagen, und wenn die neutralen Staa ten nicht samt und sonders eine Schassgeduld gegen England zeigten, oder gar eine englandsfreundliche Neutralität ausüb- ten, so müssen sie jetzt alle einmütig durch ihre Gesandten in London erklären lassen: Die Blokade Englands gegen Deutschland besteht nach dem Völkerrechte nicht mehr, denn sie wurden schon zweimal von deutschen Schiffen durchbro chen. Wenn diese Erklärung der neutralen Staaten auch das Unterbinden des deutschen Seeverkehrs durch England nicht aufheben würde, so müßte sie doch für den Handel der neutralen Staaten mit Deutschland eine Bahn schaffen. Man darf neugierig sein, ob die neutralen Staaten und ganz besonders Amerika aus diesem neuen Beweise von dem Durchbruche der englischen Blokade einige Folgerungen ziehen und entsprechende Forderungen gegen England auf- . stellen werden. Während der Anwesenheit des Handelsun terseebootes »Deutschland" in den amerikanischen Gewässern hat sich ja die amerikanische Regierung streng neutral ge zeigt, und die amerikanischen Kriegsschiffe haben auch mit Strenge darauf gesehen, daß die neutrale Linie am Eingänge des amerikanischen Hafens Baltimore von den englischen und französischen Kriegsschiffen beachtet wurde, was um so notwendiger war, weil ein englischer Kreuzer in Anwendung der bekannten englischen Frechheit in der Nacht heimlich in die Bucht von Baltimore eingelaufen war. Nun wir warten es ruhig ab, was für Folgen die neutralen Staaten aus der Durchbrechung der englischen Blokade durch das deutsche Unterseehandelsboot ziehen werden, und freuen uns inzwi schen der herrlichen Tat, welche der deutsche Unternehmungs geist durch den Bremer Reeder Lohmann, den Schiffsbauer Krupp und den Kapitän König vollbrachte. Die Ankunft der „Deutschland" in Bremen. Bremen, 25. August Das Handels-U-Boot „Deutsch land" ist heute mittag 12 Uhr im Freihafen eingelaufen. Bremen, 25 August. Ueber die Ankunft der »Deutsch land" meldet der Vertreter der „Telegrasen-Union" noch folgende Einzelheiten: In unvergleichlichem Triumphzuge ist heute die „Deutschland" in ihrem Heimatshasen eingeholt worden. Bereits vom frühen Morgengrauen ab zeigten die Straßen ein lebhaftes Treiben, alles strömte die Weser ab wärts, um der heimkehrenden „Deutschland" den Willkommen- grutz zu entbieten. Weder die Eisenbahn nach den an der Weser gelegenen Orten noch die sonstigen Verkehrsmittel waren ausreichend, um den riesenhaften Verkehr zu be wältigen. Um 9 Uhr begann die Fahrt der Pressevertreter dic der „Deutschland" bis Blumenthal entgegensuhren, wo ste um '/,11 Uhr anlangten. Noch keine Viertelstunde hatte der Dampfer sestgemacht, als die „Deutschland" von mehreren Dampfern begleitet in Sicht kam. Es war ein erhebender Anblick, der allen Beteiligten unvergeßlich bleiben wird. Stolz durchschnitt das Schiff die Fluten der Weser. Es hatte zwei Maste und alle Wimpel gesetzt, der vordere Mast trug die amerikanische Flagge, der letzte die Flagge der Ozean-Reederei. Hoch auf dem Kommandoturm stand neben dem Wasserlotsen Kapitän König in seinem Gummizeug, lebhaft mit Mütze und Taschentuch winkend Offiziere und Mannschaften standen ebenfalls an Deck. Dann ging die Fahrt Weserauswärts, wobei das Presseschiff neben der „Deutschland" hielt. Auf ein von den Vertretern der Presse ausgebrachtes Hoch auf Kapitän König erwiderte dieser mit einem Hoch auf die neutrale, die verbündete und die deutsche Presse. Ueberall an den Ufern hatten zahlreiche Menschen Posto gefaßt, die dem vorüberfahrenden Handels-n-Äoot jubelnde Huldigungen darbrachten. An der Einfahrt zum Freihafen bildeten Militär und Schulen Spalier. Der Empfang im Freihafen selbst war ein geradezu überwältigender. Böllerschüsse ertönten, die Menge brach andauernd in „Hurra"-Rufe aus, Kapellen spielten „Deutsch land, Deutschland über alles", in das die Massen schließlich einstimmten. Im Hafen selbst waren zahlreiche Schiffe ver ankert, auf denen sich geladene Gäste befanden, um die „Deutschland" zu begrüßen, die um 12 Uhr' mittags im Freihafen einlief. Bremen, 25 August. Die Ehrengäste der deutschen Ozean-Reederei bestiegen gegen 10 Uhr einen Dampfer, um sich die Weser abwärts zu begeben, um die „Deutschland" vor Bremen zu begrüßen. Der Grotzherzog von Oldenburg ist mit seinen militärischen Begleitern erschienen, ferner find u. a. anwesend Gras Zeppelin, der Kommandeur des 9. Armeekorps General Falk, außerdem Generaloberst von Falkenhausen, die Herren vom Aufsichtsrat und vom Direk torium des Norddeutschen Lloyd, die sämtlich mit einer Reihe von anderen Würdenträgern zusammen von Herrn Dr. Loh mann an Bord des Dampfers empfangen wurden. SonntagsgedanLen. Unter dem Jubel des ganzen Volkes ist die „Deutsch land" in den Heimathafen zurückgekehrt Zwei feind iche Geschwader lauerten ihr auf Wehe ihr, wenn ste von ihnen gesunden wurde. Da tauchte sie unter, fuhr unter ihnen hin weg und war frei! — „Untertauchen können': das ist eine Kunst, die auch unsere Seele in diesen Tagen nötig braucht Geht es ihr nicht auch jetzt ost so, wie jenem kühnen Schiff: Ganze Geschwader von Sorgen lauern ihr auf. Bis in die Nacht hinein spüren sie ihr nach und wehe der Seele, die sich von ihnen ergreifen läßt! Da gibt es nur eine Rettung: Untertauchen in das stille, tiefe Meer der Liebe Gottes. Wie fährt es sich so sicher, wenn die Seele weiß, daß alle Sorgen und Kümmernisse ihr nichts anzuhaben vermögen! Wie kann ste da freudig ausatmen und alles vergessen, was ste eben noch so hart quälte! Fürwahr eine feine Kunst, dieses Untertauchen. Und eine Erfindung, die nicht erst von gestern ist, sondern von Jahrtausenden erprobt. „Beten" heißt der wunderbare Hebel, der die Seele aus der unruhigen, gefahr vollen Brandung der eigenen Gedanken hinuntersührt in das Meer der Liebe Gottes. Wir sollten thn fleißig und oft in diesen Tagen gebrauchen. Gewiß : nicht immer ist es uns vergönnt, auf diese Weise den Sorgen zu entfliehen. Das Leben und die Arbeit ruft uns baldaus der stillen Kammer des Gebetes wieder heraus. Aber wenn wir dann wieder „austauchen" in den unruhigen Alltag empor, dann liegt Sorge und Unruhe weit hinter uns und vor uns offenes Meer und glückliche Fahrt. Iugendveranstaltungen. Mhorn. Sonnt ag. den 2 7. August, nachm. '/,2 Uhr: Wehrturnen aus dem Spielplatz Pünktliches Erscheinen aller Beteiligten wird erwartet. — Leiter: Herren Hell riegel und Ostermai. Kirchen-Nachrichten. Pulsnitz. Donnerstag, den 31. August, abend» 8 Uhr Jung frauenverein. Jungfrauenverein Ohorn. Verein und Strickadend wird wie üblich gehalten. Lichtenberg. Sonntag, den 27. August, 16. n. Trinitatis: >/,9 Uhr Gottesdienst mit Predigt und Sammlung für die Mission unter Israel. Großnaundorf. Sonntag, den 27. August, 10. n. Trinitatis: 9 Uhr Predigtgottesdienst. Tert: Klaget. Jsr. 3, 37—44. Kollekte für die Mission unter Israel. 8 „ Sitzung des Kriegshilfeausschusses. Dberlichtena». Sonntag, den 27. August, 10. nach Trinit.: 9 Uhr Predigtgottesdienst. 11 „ Kindergottesdienst. (vbergersdorf. Sonntag, den 27. August 10. n. Trinitatis: >/,9 Uhr Predigtgottesdienst. Kollekte für Israel. '/,2 „ Kindergottesdienst. rieichenbach. S o n n t a g, den 27. August, 10. n. Trinitatis: 8 Uhr Beichte und Feier des heiligen Abendmahls, be sonders für Heimaturlauber und deren Angehörige. >/,9 „ Predigtgottesdienst. Kollekte für die Mission unter Israel 2 „ Unterredung fällt aus. In eiserner Zeit. KriegSroman von Charlotte Wilbert. 34 Wie auS einem Traum erwacht, schaute sie auf und mit ihrem kleinen Taschentuch winkte sie dem dahinrollenden Zuge nach, bis er, in Rauch und Qualm gehüllt, in der Ferne ver- Ichwtmd. - 12. Kapitel. Eie hatten tapfer gekämpft, die braven, tapferen Deut schen. ES hatte viele hundert Opfer gekostet, die Erde ivar mÄ Blut getränkt — aber sie siegten. Sie schlugen den Feind, der ohtredieS noch Verstärkung hatte, glänzend in die Flucht. »Besonders die „Garde du corps" .hatten sich glänzend hervorgetan. Wie die Teufel stürmten sie drauf los, kein Hin- demtS scheuend, nicht wankend und nicht weichend; Trotz, ManneSmut, Lebensverachtung in den markigen, glühenden Gesichtern. Allen voran, auf seinem Fuchse, mit hochgeschwun genem Säbel» Leutnant Gordis. Hei, wie die Augen des jungen Recken blitzten, wie die Wangen glühten, der Helm war ihm vom Kopfe gerissen, der Wind wühlte in dem blon den, lockigen Haar. Mit kernigen Worten seine Soldaten an- seuernd, stürmte er mitten in das furchtbarste Kampfgewühl hinein, ihm nach mit lautem „Hurra" die Soldaten! „Los! Immens macht Euerm Vaterland Ehre I Los! Mir nach!" Phiki von Gordis rief es immer wieder mit schallender, frischer Stimme seinen Leuten zu. Dort den kleinen Hügel, der dicht besetzt von Feinden war, den mußten ste haben, um jeden Preis. Mann an Mann standen die Rothosen da oben, wie gesät, dichtbeieinander. Es würde ein schwieriges Stück Arbeit geben, aber — es muß gehen. „Zur Attacke! Los! Nieder mit der Bande! Los Hurra! Hurra!" Mit flammenden Augen rief es Leutnant Gordis seinen Soldaten zu. Und sie stürmten hinaus ihrem Führer nach, der in wil dem Galopp vorallsauste. Ein dichter Regelt vou feindlichen Kugeln empfing sie. Wie rasend schossen die Franzosen auf die „mauvais Prussieus", die aber gewannen Stück um Stück, und immer näher rückten ste dem Ziele. „Hurra, Kameraden! Sv weiter! Er muß unser werden. Hurra l Los l" .„—— - . — Ein lautes, donnerndes „Hurra" aus den Kehlen feiner todesmutigen Mannschaft antwortete ihm auf seine feurigen, ermunternden Worte. Da — plötzlich — entfiel Phili von Gordis der Säbel, die Hände griffen nach der Brust, ein kur zer, röchelnder Schrei und lautlos sank der brave Offizier vom Sattel. In demselben Moment traf ein französisches Ge schoß das Pferd Gordis in den Leib. Wie rasend bäumte es sich auf, weißer Schaum trat vor das Maul, aus den blä henden Nüstern trat Blut, das brave Tier krümmte und bog sich vor Qual, die die in den Gedärmen wühlende Kugel ihin verursachte. Noch ein letztes Aufbäumen und zuckend, verendend, stürzt dann das Tier zu Boden, noch ein leises Zittern läuft über den mächtigen, schönen Körper, dann liegt es still, neben ihm, leblos, bleich und starr, sein Herr, den es in das wil deste Schlachtgetümmel hineingetragen; nun hat sie beide, die wie zwei treue Kameraden zusammengekämpft, die feind liche Kugel ereilt. Dem treuen Pferde hat ste den Tod gebracht und dem jungen, mutigen Offizier — Ein Wehrnf ging durch die Reihen der tapferen Sol daten. Ihren Leutnant, ihren guten, fröhlichen Leutnant, ha ben ste erschossen. Das sollen sie büßen, diese Schurkenbande. Wir rächen ihn, unseren braven Leutnant Gordis! Los! Wie rasend stürmten sie, Mann für Mann ist sausendem Ga lopp die kleine Anhöhe hinan. Immer mehr lichteten sich die Reihen der Feinde, schon lagen die Toten zu Hausen über einander, und als die Feinde sahen, daß ste sich, trotz ihrer Uebermacht, dem deutschen Mut und der deutschen Tapferkeit gegenüber nicht halten konnten, gaben sie ihre Stellung auf. Einige warfen feige ihre Waffen zu Boden, rissen die Arme in die Höhe und ließen sich bereitwilligst gefangen nehmen, die meisten aber ergriffen eine wahnsinnige Flucht, ließen Säbel, Gewehre, alles im Stich und stolperten Wer Leichen und Kadaver, ivie von Furien gehetzt, weiter, weiter, und die „Prussieus" jagten ihnen mit lautem Hurra ihre Kugeln in den Rücken. Nun waren ste obeu, der Hügel von ihnen be setzt. Es war schwer, furchtbar schwer geivesen, aber sie hatten die Zähne zusammengebissen und hatten gesiegt. Einer aber, ein einfacher, wackerer Soldat, schlich still un ungesehen den Hügel wieder hinunter. Er hatte sich di« Stell«, wo fein Leutnant fiel, wohl gemerkt. Dort, dort, mußte eS sein, in ein paar Sätzen war er unten. Da lag ja schon der Fuchs, deS Herrn Leutnants Lieblingspferd, Falk, das arme Tier, da, und dort, dort lag auch er, der junge Offizier, dicht neben seinem Pferde. Bleich sind die sonst so frischen, lebendi gen Züge; weit die Arme von sich gestreckt liegt er da, still und stumm. Langsam sickert der rote Lebenssaft durch seine Uniform, ein Schuß mitten in die Brust. Himmel, sollte er doch schon tot sein? Der brave Soldat kniete nieder an der Seite des Leutnants. Mit hastigen Fin gern öffnete er die blutige Uniform, beugte den Kopf und lauschte nach dem Herzschlag. Ha! War es nicht, als schlüge doch noch ganz langsam und schwer das Herz? Der Soldat riß seinen Tornister ab, öffnete ihn schnell, nahm die kleine Kognakflasche, träufelte von dem Inhalt auf ein kleines Tuch und netzte damit die Lippen des Schweroerwundeten. Hoch- auf richtete sich nun der wackere Mann. Er dachte nach. Wie der Blitz schossen ihm die Gedanken durch's Hirn. Von hier bis zur nächsten Verbandstelle war gut eine Stunde. Bis da hin konnte der Verwundete, wenn er überhaupt noch zu ret ten war, sich längst totgeblutet haben. Was sollte er tun? Was? Ratlos schaute der gute Sol dat sich um. Da zuckte ein rettender Gedanke durch seinen Kops. Er beugte sich zu dem Verwundeten, riß vollends die Uniform auf, sodaß die Wunde bloslag. Unaufhaltsam floß das Blut, sodaß sich die trockene, sandige Erde rotfärble. Sorgfältig wusch der brave Samariter die brennende Wunde aus mit dem Master aus seiner Feldflasche, daun preßte ec das feuchte Taschentuch auf die Wunde, nahm einen ziem lich großen, platten Stein, drückt« ihn fest auf das Tuch, so daß das Blut zum Stillen gebracht wurde. Dann, mit unge heurer Vorsicht und Anstrengung wickelte er seine wollene Binde um die Brust des Verwundeten, daß das Tuch und der Stein sich nicht verschob. „Sooo!" Der brave Mann wischte sich mit dem Rockärmel den Schweiß von der Stirn. Es konnte vielleicht gelingen. „O Gott, Du Allgütiger, hilf Du mir!" flehte er inbrünstig zum Himmel. Dann — mit kräftigem Ruck hob er den noch immer Bewußtlosen aus seine sehnigen Arme, und alle Mü digkeit verachtend, eilte er vorsichtig mit seiner Last weiter, immer weiter, dem Feldlazarett zu. 235,20