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Pulsnitzer Wochenblatt : 24.08.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-191608240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19160824
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19160824
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-08
- Tag 1916-08-24
-
Monat
1916-08
-
Jahr
1916
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 24.08.1916
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Nr. 102. Pulsnitzer Wochenblatt — Donnersstag, den 24. August 19'6. Seite 3. Keulenschwingens beibrachten und gut zur Ausführung ge langten. Die Riegenvorturner für das Geräteturnen am Tisch, Doppelreck, Barren und Pferd hatte unser alter Turn- verein gestellt, der damit bewies, daß er auch in schwerer Kriegszeit auf der Höhe ist. Twt. Tübel-Pulsnitz Tbd. zeigte als volkstümliche Uebung Stabhochsprung, der leider noch viel zu wenig beachtet wird. Des weiteren leitete Twt. Beyer, hier, einige neue Turnspiele und anschließend das Handgranatenwerfen, das als neuzeitliche Erscheinung schon manchem Jünger Jahns von Vorteil gewesen ist und noch sein wird. Ein kurzes Kürturnen beendete den praktischen Teil. In der Nachversammlung im Schützenhause begrüßte Gauvenr. Fischer, wie er bereits am Beg'nne der Lernstunde getan hatte, nochmals die Teilnehmer aufs herzlichste, dabei dem Wunsche Ausdruck gebend, daß die nächste Zusammen- Kunst im Zeichen des Friedens stehen möge. Der 2. Be- zirksturnwart Haase-Demitz hatte Grütze aus dem Felde übersandt, die bestens erwidert wurden. Der geturnte Uebungs- stoff wurde, wie üblich, einer Besprechung unterzogen Mit dem Gebotenen war man allseitig zufrieden Nachdem Gauvertr. Fischer an Hand einer vorschriftsmäßigen, jedoch ungeladenen Handgranate deren Handhabung erläutert hatte, schloß er die Verhandlungen mit einem Gut Hell! und in Erwartung siegreicher Heimkehr unserer braven Krieger. Dresden, 22. August. (KomikerMörbitzch.) Mör bitz der in unserer Stadt allgemein bekannte Darsteller, wurde heute früh im Hauseingang des Grundstücks Bür gerwiese 24 in einer Blutlache tot aufgesunden. Es ist noch nicht festgestellt, ob der Künstler von der Treppe gestürzt ist, oder ob er von einem Blutsturze betroffen wurde, das letz tere ist aber wahrscheinlicher. Mörpitz hat zwei Söhne im Felde stehen. Riesa. (DerParlamentär vonLille gefal len.) Hauptmann Hans Fiedler, Batteriechef im 78. Feld artillerie-Regiment, der bei Ausbruch des Krieges als Bri gadeadjutant von hier aus ins Feld rückte, hat den Helden tod gefunden. Bei der Einnahme von Lille im Oktober 1N4 hat er sich als Parlamentär hervorgetan. Mit verbundenen Augen hatte er einen längeren Marsch durch die Straßen der Stadt zum Festungskömmandanten machen müssen, der ihn jedoch nicht empfing. So mutzte er unverrichteter Sache die Festung wieder verlassen. Er wurde für diese gefahrvolle Unternehmung mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse aus gezeichnet. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Berlin, 23. August. Das Ober kriegsgericht verurteilte Karl Liebknecht zu 4 Jahren, 1 Mo nat Zuchthaus, Entfernung aus dem Heere und 6 Jahren Ehrverlust (W.T.-B.) — Die Verhängung einer schwere ren Strafe als in erster Instanz erscheint trotz voller Würdi gung der zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, daß Liebknecht seine Pflicht als Soldat und als Staatsbürger zur Kriegszeit zum Schaden des bedrohten Vaterlandes in schwerster Weise ver-' letzt hat. Ec hat auch selbst eingestanden, daß er durch Flug- blattvertellung und durch die Veranstaltung der öffentlichen Demonstration eine Schädigung der deutschen Kriegsmacht bezweckte. Ueberdies war Liebknecht bereits früher wegen eines ähnlichen Vergehens mit i Jahr 6 Monaten Festungs haft bestraft. Gegen das heutige Urteil steht Liebknecht das Rechtsmittei der Revision zu. Berlin, 23. August. In dem Verfahren gegen Kari Liebknecht begann heute vormittag 9 Uhr in dem Militär- gerichtsgebäude in der Lehrterstraße die oberkrie^sgericht- licke Verhandlung. Das Gericht ist besetzt mit einem Fre gattenkapitän als Vorsitzenden, einem Oberkriegsgerichtsrat, der die Verhandlungen leitet, einem weiteren richterlichen Militärjustizbeamten, zwei Majoren einem Hauptmann und einem Oberleutnant. Dem Angeklagten steht als von ihm erwählter Verteidiger wieder Rechtsanwalt Bracke-Braun schweig zur Seite. Bei Beginn der Sitzung beantragte der Vertreter der Anklage den Ausschluß der Oeffentlichkeit we gen Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit und wegen Gefährdung militärischer Inter essen. Diesem Anträge wurde stattgegeben. Die Verkündi gung des Urteils fand ebenso wie in der ersten Instanz nach Wiederherstellung der Oeffentlichkeit statt. Berlin, 23. August. (Die neue Fleischoer brauchsregelung ab 2. Oktober 1916) Nach einer im Reichsgesetzblatt erschienenen Verordnung des Reichs kanzlers und der dazu gehörenden Bekanntmachung des Präsidenten des Kriegsernähcungsamtes tritt die Verbrauchs regelung für Fleisch und Fleischwaren im ganzen Reich am 2. Oktober in Kraft. Damit bekommt also die Reichsfleisch karte, das heißt eine Fleischkarte, die zwar von den Landes zentralbehörden oder den von ihnen bestimmten Stellen, ins besondere den Kommunalverbänden hergestellt und ausge geben wird, die aber im ganzen Reiche Geltung hat, Gültigkeit. Der Verbrauchsregelung durch die Reichsfleisch karte werden alle wirtschaftlich wichtigeren Fleischarten unterworfen. Hasen, Wildgeflügel, Gänse und Enten unter liegen der reichsrechtlichen Regelung nicht. Daß die wöchent liche Höchstmenge von 250 Gramm, die das Kriegsernährungs amt vorläufig festgesetzt hat, überall voll gegeben werden kann, auch in den Orten, die jetzt erheblich weniger erhalten, wird sich nicht erreichen lassen. Die einheitliche Rationierung im ganzen Reiche soll aber die Grundlage für eine solche Verteilung des Schlachtviehs bieten, daß möglichst bald die Höchstmenge überall gegeben werden kann- Rußland. (Eine russische Stimme gegen England.) Ungeheures Aufsehen erregt in Petersburg ein Buch des liberalen Politikers Nikolai Suchanow, be titelt : „Warum führen wir Krieg?" Suchanow, der ge rade jenen Moskauer Kreisen entstammt, welche, um die Kriegsindustrie gruppiert, den Krieg um jeden Preis empfehlen, erörtert den Gedanken eines Seperatfriedens. Mit schlagender Logik weist er nach, daß der Versuch eines Friedensschlusses unabhängig von den Verbündeten die einzig reale Forderung einer unabhängigen russischen Politik sei. In dem Buch heißt es: Es war niemals unser Interesse, gegen Deutschland Krieg zu führen, unserer Lehrmeisterin, der wir unsere wichtigsten Errungenschaften verdanken. Wir sind das Opfer englischer Ruhmsucht geworden. England und Frankreich haben sich den nötigen Verbündeten in unserem Lande verschafft, damit er die Hauptbürde und die größten Opfer im Kampfe für englische Interessen über nehme. Die Einsicht ist allgemein gereift: Wir Russen lieben unsere Heimat, nicht unsere Verbündeten und Unter drücker, an die uns ein perverses Bündnis bündel Lin längerer Krieg bedeutet eine unbedingte Niederlage, da ein Sieg der englischen Seite unsere schlimmste Niederlage ist. Die sogenannte patriotische Strömung in Russland ist nur Geschästsmacherei. Nur die Kriegsverdiener wollen in Ruß land den Krieg. England. «Wachsende Nahrungsmittel nöte.) Die liberalen englischen Blätter enthalten lange Be richte über die stetig steigenden Lebensmittelpreise in Eng land, unter denen besonders die ärmeren Kreise schwer leiden. „Daily News" stellt fest, daß seit Kriegsbeginn die Nahrungs mittel um 60 v. H. teurer geworden sind, und daß die Un zufriedenheit überall im Steigen begriffen ist. Der Regierung wird Unfähigkeit gegenüber den Nohrungswuchern vorge worfen, Protestversammlungen und Kundgebungen sind an der Tagesordnung Am nächsten Sonntag wird die Ver einigung der Eisenbahnarbeiter des Londoner Distriktes eine Kundgebung im Hydepark veranstalten. Auch der Weizen wird knapp, Und der Preis der Haushaltkohle ist wiederum um Schilling hochaegangen. was die Negierung mit der Erhöhung der Arbeitslöhne erklärt. — (Schleckte E r n t e a u s s i ch t en in Nord en g l a n d.) „Daily Mail" meldet, daß in England infolge des herrschenden Sturms und Regens große Beunruhigung herrscht. In einzelnen Strecken Südenglands sei das Ge treide zwar eingehol ; es sei von guter Qualität. Auch das noch im Felde stehende Getreide scheine gut zu werden. In Kent, Surrey und Sussex hoffe man, das Getreide gegen Ende dieses Monats einholen zu können. In Nordengland aber habe die Ernte schwer durch den anhaltenden Regen gelitten und sei an einzelnen Stellen gänzlich verwüstet Auszug aus den Verlustlisten Nr. 318—32V der Königlich Sächsischen Armee. Reseve-Infanterie-Regiment Nr. (02, Stab II. Batl.: Reinicke, Ernst, Oberstabsarzt, Großröhrsdorf,Mw. v., l. Oberarm. — 5. Kompagnie: HüblerI, Paul, Großröhrsdorf, l.v., l. Fuß. — 8. Kompagnie: Branitz, Max, Friedrichsdorf (Friedersdorf?), gefallen. — 8. Kompagnie: Kunath II. Erwin, Oberlichtenau, verw. — 12. Kompagnie: Keyn, Richard, Großröhrsdorf l. v., linker Arm. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. (07. 7. Kompagnie: Seifert, Paul, Großröhrsdorf, schw. v., Kopf. —12. Kompagnie: Rentsch, Alfred, Großröhrsdorf, l. v. Verlustliste 289, Bayern. (. Jäger-Bataillon, Frei sing: Bauernfeind, Paul (3. Komp ), Reichenbach, schw. v. (3. Infanterie-Regiment Nr. (78. I. Kompagnie: Garten, Edwin, Unteroffizier, Gersdorf, schw. v. u. a. 20.7.16 gestorben. Zschieschang, Paul, Reichenbach, schw. v. Tanner, Martin, Thiemendorf, schw. v. Höhler, Alfred, Gersdorf, schw. v. Hausdorf, Paul, Reichenau, schw. v. u. a. 11. 7. 16 gestorben. Johne, Paul, Häslich, vermißt. — 2. Kompagnie: Friedrich, Paul, Häslich, l. v., r. Arm. Kluge II, Paul, Nieder steina, gefallen Weitzmann, Albin, Lichenberg, l. v„ Rücken. — 3 Kompagnie: Boden, Paul, Unteroffizier, Großröhrsdorf, l.v. Jäckel, Geora, Unteroffizier, Großröhrsdorf, l. v Rietschel, Otto, Gefreiter, Bischheim, I v. I. Arm. Nitsche, Alwin, Frie dersdorf, l. v., b. d. Tr. Wächter, Mar, Oberlichtenau, schw v. u. a. 18. 7. 16. i. e. Feldlazarett gestorben. — 4. Kompagnie: Meitzner, Alfred, Großröhrsdorf, gefallen. Haufe, Paul, Groß naundorf, l. v., Rücken (6. Infanterie-Regiment Nr. 182. (Bericht, fr. V.-L.) Thiemann, Paul, 6. Komp., Thiemendorf, bisher vermißt, ist verw. (B.-L. 312). Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 32. (Bericht fr. V.-L.) Lötzsch, Arthur, Gefreiter, Reichenbach, bisher vermißt, in Gefangenschaft (V -L. 22V). Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 205: Pfeifer, Alfred. 11. Komp., Reichenbach, I. v. Verlustliste Nr 29V, Bayern. Reserve-Infanterie- Regiment Nr. 6: Haase, Otto, 11. Komp., Weißbach, vermißt. Reserve - Infanterie - Regiment Nr. (v(. 9. Kom pagnie: Meitzner, Paul, Großröhrsdorf, l. v., l. Hand. — 11. Kompagnie: Brückner, Oswin, Pulsnitz, schw. v. — 12. Kom pagnie: Kind, Paul, Gesreiter, Gersdorf, gefallen. Groß- mann II, Mar, Lichtenberg, verw. Schurig, Mar, Großröhrs dorf, l. v.. l Hüfte. (. Infanterie-Regiment Nr. (03. 3. Kompagnie: Frenzel, Kurt, Ohorn, schw. v. — 5. Kompagnie: Schäfer III: Otto, Weißbach, l. v., r. Arm. 6. Kompagnie: Hühne, Arthur, Ohorn, l. v., l. Hand. Katzer, Alwin, Pulsnitz, l. v., r. Ober arm. — 7. Kompagnie: Kutzsche, Georg, Niedergersdorf, l. v, Kopf. Laub, Gustav, Obersteina, l. v, l. Hand. Kaiser III, Paul, Niedsrlichtenau, sSw. v. — 9. Kompagnie: Boden, Mar, Großröhrsdorf, !. v., r. Hüfte. — 10. Kompagnie: Anders, Emil, Oberstsina, l.v, Beine. — 11. Kompagnie: Fuchs, Richard, Lichtenberg, schw. v. u. 0. 25.7. 16 gestorben. König, Bernhard, Pulsnitz, l. v, Gesäß. Kegel, Bernhard, Großröhrs. dorf, schw. v — 12. Kompagnie: Lohse, Paul, Obersteina, gefallen. Freudenberg, Mar Bruno, Häslich, l. v., b. d. Tr. Hesse, Emil. Großnaundorf, l. v., l. Hand. (3. Infanterie - Regiment Nr. (78. 5. Kompagnie: Kaiser, Richard, Gefreiter, Lichtenberg, l. 0. N'tzschr, Max, Großröhrsdorf, l. v., l. Arm. — 6 Kompagnie: Fichte, Alfred, Gefreiter, Großröhrsdorf, l. v. Nitzsche, Gerhard, Hauswalde, l. v., Kopf Kämpfe, Kurt, Pulsnitz, gefallen. — 7. Kom pagnie : Teich, Mor, Unteroffizier, Hauswalde, schw. v. u. verm. Zschiedrich, Paul, Unteroffizier, Ohorn, gefallen. — 8. Kom- pagnie: Wehner, Robert, Ohorn, l. v., r. Arm. 9. Kompagnie: Daase, Max, Unteroffizier, Pulsnitz, l. v , l. Arm. Müller III, Alwin, Gefreiter, Kleinröhrsdorf, schw. v. u. a. 15. 7. 16 i. e. Feldlazarett gestorben. Bormann, Paul, Pulsnitz, l. v., l, Bein. Weitzmann, Otto, Pulsnitz, schw. v., Bauch. Oswald I. Otto, Pulsnitz, l. v., r. Arm. Haase, Richard, Pulsnitz, verw. Horn, Alfred, Großröhrsdorf, gefallen. Schäfer II, Mar, Niedersteina, gefallen. — 10 Kompagnie: Thieme, Max, Ge freiter, Lichtenberg, vermißt. Kleinstück, Gustav, Gefreiter, Höckendorf, vermißt. Richter, Alfred, Großröhrsdorf, gefallen. In eiserner Zeit. Kriegsrvman von Charlotte Wilbert. 33 „Sv können wir uns vor Deiner Wegfahrt nicht mehr se hen, Phill?" ' ... „Nein, Franz, schwerlich, ich habe in der Kaserne nnd zu Hanse alle Hände voll zu tun. Und morgen früh geht es los. Hurra!" „Nun denn, ziehe hinanZ in de» Kampf, in Gottes Na me», ich wünsche Dir Glück und Sieg, mein lieber Frennd, lebe wohl! Auf Wiedersehen!" Noch ein kräftiger Handschlag, ein herzliches „Lebewohl" und PHUi verließ das Hans seines Freundes, um im Sturm- schrilt seiner Kaserne zuzneilen, wo die Arbeit und Pflicht auf ihn ivartete. Ans dem Hanptbahnhofe herrschte lebhaftes Gedränge. Alles war beflaggt nnd geschmückt. Noch war es früh am Morgen, als die ersten Soldaten anSrückten, doch war sicher halb Berlin auf den Beinen, den Abziehenden schnell noch eine kleine Erfrischung: Tee, Kaffee, Schokolade, Zigarren und so weiter zu reichen.'Mutig standen sie alle da, die deutschen Recken, kampflnstig, groß und stark. Sie nahmen nun zum Ktzten Mal Abschied von ihren Lieben. Es waren herzergreifende Szenen. Dort hielten Mutter und Sohn sich zum letzten Mal innig umschlungen, dort sah der Bater noch einmal ins treue, blitzende Ange seines Jun gen, dort hielt der Soldat sein weinend Lieb umfangen und WsleAe ihm Worte, süße Worte vom baldigen Wiedersehn Ter Zugang znm Bahnsteig war gesperrt, nur Angehö rige höherer Militärbcamten hatten dort Zutritt. „Alles einsleigen," ertönte laut und scharf die Stimme deS Vorstehers. Ein letzter Kuß, ein letztes Lebewohl und stugend und hurrarufend ordnen sich die Regimenter in dem kolossalen langen Militärzüge. Lilli von Brücken und chre Mutter standen abseits auf dein weiten Perron. Auch sie wollten nun zum letzten Male Abschied nehmen von ihrem Gatten und Bater. Frau Ger- trude sah angegriff m aus, man sah deutlich auf ihrem seinen, »len Gesichte Spuren vergossener Tränen, vieler bitterer Tränen. Lilli war bleich. In ihrem lieben, schönen Gesicht war unendliche Trauer ausgeprägt. Das kleine Herz krampfte sich zusammen, wenn sie an den Einen dachte, der nun auch hinaus zog an der Seite ihres guten Vaters in das wilde Gewühl der Schlacht. O.wenu sie ihn nur einmal noch hätte sehen können, einntal noch. Leise rästnen die Tränen ans den schönen Blanangen, fester preßte sie das kleine 'Spitzentaschentnch zwischen den rosigen Händen. Fest nnd scharf gab Major hon Brücken seine Befehle. Alles schien nnn geordnet, stramm nnd stolz standen die Sol daten noch an den Fenstern und winkten, grüßten und san gen. Major v. Brücken trat zu seiner Gattin. Tiefbewegt reichte er ihr dis Hand: „Mein teures Weib und Du mein liebes Kind. Sorget Euch nicht um mich, betet nur, betet für Euren Bater, dann wird mich Gott auch gesund in Eure Arme znrückführen. Möge er Euch, meine Lieben, vor Leid und Sorgen bewahren." Er beugte sich zu Frau Gertrude und drückte einen innigen Knß auf ihre Lippen. „Du mußt nicht weinen, Gertruds, Du bist ein deutsches Weib, darum mutig den Kopf hoch, jedem Schicksal getrotzt." Noch einen Knß auf die frischen Lippen seines Kindes, ein letztes „Le bet wohl" und Major von Brücken ging, um weitere Anord nungen und Befehle zu erteilen. Da kam vom anderen Ende des Bahnsteigs eine hohe, schlanke Offiziersgestalt auf die 0. Brücken'schen Damen zu geeilt. Es war Phili v. Gordis. Lillis Herz schlug fast znm Zerspringen, als sie ihn so lebensfroh, so mutig, mit lachen den, blitzenden Augen vor sich sah. Er reichte Frau Gertrude die Hand. „Gerade erhasche ich noch einige Sekunden Zeit, um Ihnen, hochverehrte Frau, ein „Lebewohl" sagen zu können. Doch, sehe ich recht, Sie weinen? Sehen Sie doch Ihren Herrn Gemahl, die ganze Er scheinung flößt einem schon Mut ein. Seien Sie stolz, doch weinen Sie nicht, gnädige Frau." Er küßte ihr ehrerbietig die Hand, dann trat er zu Lilli. Er stutzte, als er in ihr blei ches, tränenüberströmtes Gesichtchen sah. Frau Gertrude schritt still und tränenden AugeS davon, sie fühlte und wußte, das war ein harter, schmerzlicher Mo ment im Leben ihres Kindes. -Fräulein Lillis" Er faßte nach ihrer Hand und preßte sie in der Seinen. Zum ersten Mal, daß er sie beim Vor namen nannte. Wie klang das so lieb, so traut. Sie schlug die schönen Angen voll zu ihm auf, seinem Blicke begegnend. Da extönte schrill und schneidend der Pfiff der Lokomotive, der letzte Befehl znm Einsteigen. Lilli wvllte etwas sagen, aber die Kehle war ihr wie zngeschnürt. Fester preßte Phi- lipv Hix zarte Hand .des Mädchens, Tief, forschend sah er ihr in sie Augen. „Fräulein Lilli, senken Sie öfter an mich, beten Sie auch für mich. Leben Sie wohl!" Er wollte gehen, da hielt es das gequälte Mädchen nicht länger, siebrach in fassungsloses Schluchzen ans. Er zückte zusammen, wandte sich zurück nnd plötzlich nahm er ihr leise die Hände vom Gesicht, zog sie leise, bebend an seine Brust, ein nie geahn tes, jubelndes Glücksgefühl durchzog seine Brust, an der Lilli schluchzend ihr Köpfchen barg. Er hob das liebe Gesicht zu sich empor, er sah ihr in seligem Glück in die klaren Blanau- gen. „Lilli - Mädchen — sage — liebst Du mich?" Ein Blick ans ihren Angen saqte ihm alles. Aufjanchzend preßte erste an sich. „Lilli - Lilli — Du holdes, süßes Mädchen, Du — Du liebst mich wirklich? O, das ist das schönste Ab schiedsgeschenk für den abziehenden Krieger, so nehm ich denn als Talisman Deine treue, goldene Liebe mit in die Schlacht, ins Feld. O Du mein Glück, mein Lieb." In langem, in nigen Kusse fanden sich ihre Lippen, glückberauscht hielt er sie in seinen Armen. „Wenn ich wiederkomme, mein Lieb, dann — dann komme ich und dann gibst Du mir diese kleine, süße Hand — für immer, ja?" „Ja, mein Geliebter, für immer soll sie Dein, nur Dein sein, meine Hand und mein Herz!" So flüsterte Lilli jubelnd vor seligem Liebesglück. „Noch einen Kuß, mein Lieb, ich muß scheiden, scheiden, lebe wohl, meine Lilli, mein Glück, mein Engel, lebe wohll Auf Wiedersehen I" - - > Das waren seine letzten Worte. Sie stand da, mit ge schlossenen Augen, fühlte noch den letzten Kuß auf ihren zuckenden Lippen. Fauchend, zischend, eine ungeheure Rauchwolke ausstoßend, setzte die Lokomotive an, ein hundertfaches „Hurra" und lang sam fährt der Zng davon. 235,20 „Komm, mein Kind, winke doch noch einmal! Komm""
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