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Nr. 94. Pulsnitzer Wochenblatt. - Sonnabend, den 3. August 4916. Sette 6. Generalfeldmarschall von Hindenburg Oberbefehlshaber im Osten. Eine amtliche Meldung verkündigt dem deulschen Volke hohe Freude. Unser größter und allgemein verehrter^Feld- herr im Weltkriege, der viel bewunderte Sieger in der Schacht von Tannenberg und in der Winterschlacht von Masuren, der Generalseldmarschall von Hindenburg ist von unserm ge liebten Kaiser in Uebe'einstimmung mit dem Wunsche des Kaisers und Königs Franz Joses von Oesterreich und Un . garn zum Oberbefehlshaber über mehrere Heeresgruppen der ' verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen zur einheitlichen Verwendung gegen die Russen ernannt mor den. Das bedeutet, daß große deutsche und österreichisch ungarische Heere unter des größten Feldherrn der Gegenwart in neuer Einheit den Russen entgegentreten werden, und daß die geniale Feldhermkunst eines Hindenburg, der sich bis setzt in keiner Weise auch nur entfernt ein russischer Gene ral gezeigt hat, im Kampfe gegen die Russen die letzte große Entscheidung in die richtigen Wege leiten soll. Wir wußten ja schon alle lange in Deutschland, daß dort, wo Hindenburg steht, die deutsche Front unerschütterlich est steht, aber in Höber Wertschätzung der bewundernswerten und die Welt in Staunen setzenden Leistungen Hindenburgs in der Schlacht bei Tannenberg und in der Winterschlacht in Masuren, wo gleich ganze russische Heere vernichtet wurden, wußten wir auch, daß der geniale Hindenburg auch zu neuen gewaltigen Leistungen berufen sei, wenn die Zeit dafür gekommen sein würde, denn so hoch wir auch die zähe Ausdauer im Stel lungskriege in den Schützengräben und Feldschanzen zu schätzen wissen, so verehren w>r in Hindenburg doch vor al len Dingen den großen Meister des Bewegungskrieges, der den Russen Ueberraschungen bereitet hat, wie sie solche nie geträumt haben. Schon die Kunde von der Neuernennung Hindenburgs zum Oberbefehlshaber zusammengefaßter deut scher und österreichtsch-ungarischer Heeresgruppen wird Sorge und lähmenden Schrecken in die Reiche der Feinde tragen, denn gegen die geistige und miltitärische Größe eines Hinden burg ist die russische Strategie stümpferhaft. Ostpreußen glaubten die Russen schon fest in den Händen zu haben, aber auf einmal waren dort ihre Heere zerschlagen und zertrüm mert. Höchstes Vertrauen bringen ganz Deutschland m d Oesterreich-Ungarn, bringen die verbündeten Heere im Osten Hindenburgs oberster Leitung entgegen, und mit diesem ' nicht hoch genug zu schätzenden Faktor übernimmt der Gene- r< lseldmarschall die neue Oberleitung der verbündeten Streit Kräfte Ein gewaltiger aus deutscher und österreichisch-unga rischer Kraft geschmiedeter Hammer setzt sich unter der Lei tung eines großen Meisters der Kriegskunst gegen die Feinde in Bewegung. Es ist dadurch dem großen deutschen Feld herrn nun der rechte weite Wirkungskreis gegeben, wie wir es in ganz Deutschland schon lange gewünscht haben, und wir zweifeln auch keinen Ängenblick daran, daß er die sei nem Oberbefehle unterstellten Heere zu neuen Siegen führen und im Osten die große Entscheidung herbeiführen wird, die hoffentlich der Anfang vom Ende des großen Weltkrieges sein wird. In dem Zeitabschnitte, wo die Russenheere durch ihre wochenlangen und meistens vergeblichen Sturmläufen in ihren Kräften geschwächt wurden, setzt der gemeinsame I wuchtige Gegenstoß der verbündeten deutschen und österrei- j chisch-ungarischen Heere unter der einheitlichen Leitung un- sers größten Feldherrn ein. Das bedeutet nationale Freude, frohe Hoffnung und gute Zuversicht. Und auch noch etwas Großes erweist diese neue Oberbesehlshabcrschaft Hindenburgs im Osten vor aller Welt. Deutschland und Oesterretch-Un- garn stehen im höchsten Vertrauen fest zu einander und ein gemeinsamer Kriegswille erfüllt die Herrscher und Völker der verbündeten Reiche. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. DU. Berlin, 8. August. (Groß> admiralv. TirpitzüberDeutschlavdsFriedens- )i e l.) Die Morgenpost schreibt unter der Ueberschrifi: „Die Kriegsziele des Großadmirals v. Tirpitz" -. Großadmiral v Tirpitz hat in Beantwortung eines Mischen Grußes aus Koblenztzfolgende^ Antwort gesandt: St. Blasien, 28. Juli. Herzlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben vom 8. vorigen Monats und die poe tischen Zeilen, die es begleiteten. Möge das Verständnis in unserem Vaterlande zünehmen, daß das Deutschtum sich nur erhalten und durchsetzen kann, wenn wir aus diesem Kriege mit einer Stärkung?dem Anglo Amerikanertum ge genüber hervorgehoben. Wir erlangen diese Stellung, wenn nicht England, sondern wir die Vormacht von Flandern iverden. Rumänien DU. Bukarest, 3. August. (Rumä nische Leurteilungder Kriegslage.) Die „Seara" schildert die Kriegslage wie folgt: Wenn die Zentralmächte auch etwas von dem eroberten Gebieie an die Entente ad geben müssen, so braucht dies angesichts der großen Pfaust- psänder, die sie in Europa besitzen, nicht zum Schaden ihres eigenen Gebietes zu erfolgen. Die Kraftanstrengungen der Entente, die wohl die letzten sein werden, bezwecken daher nur, die eigenen Verlaute weniger empfindlich zu gestalten. Wenn die Entente zur Erkenntnis gelangt, daß sie trotz der Opfer an Menschenmassen und der schweren Gelolast keinen entscheidenten militärischen Sieg erzielen kann, so wird sie eine Verständigung mit den Zentralmächten suchen. Frank reich ist bereits geschlagen, weil die Armee, die ihr eigenes Vaterland nicht verteidigen kann, sogut wie verloren ist, denn in Wirklichkeit wird Frankreich heute zur Hälfte von eng lischen Soldaten verteidigt. Hunderttauscnde von Franzosen sind verblutet, bis es gelang, die deutsche Front um 5 dis 8 Km zurttckzudrängen, aber bis zur deutschen Grenze sind noch 250 Km! In drei Monaten tritt die kältere Jahres zeit ein, in der die Franzosen und die Konlaltrupven nur als Kanonenfutter verwend, t iverden können, sodaß der Zu sammenbruch erfolgen wird. Amerika. (Die Abfahrt der Deutschland aus Baltimore.) Französische Blätter melden aus New Bork: Die „Deutschland" lief am i. August, nach mittags 5,83 aus Baltimore aus. Ihre Abfahrt glich einen, Triuwphzuge. Ununterbrochen tönten die Sirenen und die Besatzung der „Deutschland", die mit dem Kapitän auf dem Kapitän aus dem Deck stand, war Gegenstand oegeisterter Zurufe von den im Hasen liegenden Schiffen. Eine große Menschenmenge schaute von Motor- und Ruder-Booten der Abfahrt zu. Zum Schutz gegen Minen war das Tauchboot von Begleitschiffen und Polizeibooten umgei en. Die „Deutsch- schland" wurde von dem gleichen Losten geführt, der sie bei der Einfahrt begleitete Die Ladung der „Deutsland" ent hält auße. Nickel Kautschuk, der, um Platz zu sparen, ohne Verpackung eingelogert ist. Sobald -as Tauet boot beim Leuchtturm beim Käp Charles angekommen ivar, übernahm ein amec kanischer Torvedobootszerstörer, der dort seit einer Woche ankerte, seine Begleitung während sich bereits die Kriegsschiffe der Alliierten von Kap Harry näherten. Italien. D u. Luaans, 3. August. (Italien und die Entente. Die Tatsachen des Bestehens tiefer grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen Italien und den übrigen Mitgliedern des Dierverbandes wegen der Adriafrage ist längst bekannt. In jüngster Zeit konnte man annehmen, daß die groß-serbischen Ansprüche auf die Adria infolge des Einflusses Rußlands vorläufig begraben seien. Dank der heutigen Leitartikel des „Pop-lo d, Italia" mit der Ueberschrifi „Klare Worte über das Adrioproblem" zeigt, daß die serbischen Pläne nicht kaltgestellt sind, sondern dank englischer Unterstützung weiter betrieben werden, wodurch die panitalienischen Kreise schwer gereizt erscheinen. „Popolo d' Italia" bekämpft erneut auf das schärfte den Jugoslawi schen Plan und fragt höhnisch den „Fremden Freund" lge- meint ist der englische Journalist), ob Italien allein nur für Ideale sein Blut vergießen und Geldopfer bringen solle, während England ungeheuere Gebiete in Asien, Afrika und anderwärts erobere und einstecke, Rußland und die asiati sche Türkei aussauge, Japan sich China aneigne, während Frankreich allerdings am schlechsten wegkäme, und sich mit wirtschaftlichen Gewinnen gegenüber Deutschlands begnü gen solle. Nur Italien allein solle von Itealien leben. Wa rum aber solle Italien auf materielle Kompensat onen ver zichten? „Popolo d'Italia" schließt seinen Artikel: Ein Unrecht, daß der Vierverband hinsichtlich dieser nationalen Aspirationen Italien zufügen würde, wäre nicht nur Undank barkeit, sondern wär direckt eine Torheit, indem dadurch Italien in die« Armees Deutschlands zurückgetrieben würde England.Lc>ndou.(SirRoger CasementP.) Reuter meldetunte dcm3.August: Heuteum9Uhrsrüh wmbeSirRo ger Casementhingerichtet. - Dem.Sccolo" wirdausLondonzu Casements Hinrichtuna im Tower gemeldet: Er war Protes tant und hatte den Wunsch geäußert, noch vor seinem Tode in die katholische Kirche ausgenommen zu werden. Er empfing die Sakramente und verbrachte daraus eine ruhige Nacht. Er starb mit den Worten: „Ich sterbe für mein Va terland es lebe Irland!" Vermischtes. Berlin, 2 August Weddigens letzte Helden tat.) Ueber das ruhmvolle Ende Weddigens, erfährt der Korrespondent der „F. Z.' im Haag fitzt aus Landon in gewissen Gegensatz zu den bisher bekannt gewordenen Mel dungen folgende Lesart: Weddingen hatte mit seinen: Un terseedoot U 29 einen An, r.fi aut die bei Scapn FImv. dem englischen Stützpunkt aus den Orkney-Inseln, versammelte britische Flotte unternommen. Es war ihm gelungen, unbe merkt zwischen die englischen Kriegsschiffe zu gelangen, und zwei Torpedos abzuseuern. Darauf wurde sein Schiff von den Engländern in Grund gebobrr. Rettungsversuche, die von den Engländern angestellt wurden, blieben ergebnislos Die Britische Admiralität bewahrt über diese Vorgänge das strengste Schweigen, da sie fürchten muß, die Tatsache, daß ein deutsches U-Boot bis in den Schlupfwinkel der Flotte hineingelangen konnte, werde im Lande die größte Unruhe Hervorrufen. München, 2. August. (Erntesegen in Bayern.) In Bayern hat nach amtlicher Mitteilung d e Heuernte, welche zum größten Teil bis aus einzelne kleine Wiesen beendet ist, einen Mehrertrag von 50 bis 80 "/<, gegenüber der Heuernte des Vorjahres ergeben. Die Roggen und Gerstenernte, die nahezu beendet ist, ist ebenfalls eine ausge zeichnete und übersteigt das Vorjahr in bedeutendem Maw. Dank der günstigen Witterung sind die Getreidearten auch sehr gut eingebracht worden. Weizen und Hafer stehen au - gezeichnet " (Tausend Gänse vernichtet.) Die Stadt Vromberg hatte zur Beseitigung des Fleischmangels vvr Wochensrist aus dem besetzten Russisch-Polen <000 Gän e zum Verkauf an di- Bürgerschaft bezogen. Die Tiere ha ben jetzt, da die Geflügelcholera unter ihnen ausgebrochen ist, gelötet und vernichtet werden müssen, so daß die Stadl um ihr Geld und die Bürgerschaft um den ersehnten Gänse braten kommt. Voraussichtliche Witterung. 6 . August: Meist heiter, trocken, Tag warm 7 August: Keine Aenderung Iugendveranstaltungen. Mhorn. Sonntag, den 6. August nachm 3 Uhr: Wehr- turnen und Ausweisen eines Schützengrabens auf dein Spielplatz. (Arbcitsanzug.) Spaten müdringcn ! - Nachm. 6 Uhr: Versammlung im Jugendheim. Leiter: Herren Ostermai und Hellriegel. Kirchen-Aachrichten. Großnaundorf. Sonntag, den 6. August, 7. nach Trinit.: 9 Uhr Predigigottesdienst mit ehrendem Gedenken an die Gefallenen ; Erwin Seidenmachcr und Mar Wächter. (Tex': Psalm 85, 8-14.) 2 „ Kindergottesdienst. 8 „ Jünglingsabend. Gberlichtenan. Sonntag, den 6. August, 7. n. Trinitatis: 9 Uhr Predigtgottesdienst. Reichenbach. Sonntag, den 6. August, 7. n. Trinitatis: st,9 Uhr Predfitgouesdienst In eiserner Zeit. Kriegsroman von Charlotte Wilbert. 87 Gähnend reißt sich vor mir ein Abgrund auf, in den ich mit offenen Augen hiueiurenuen muß. Dieses Lügengewebe muß endlich zerrissen werden, wenn mein armes, gefoltertes Herz rnhen soll; oft habe ich gelacht, getanzt mit wundem, zerrstsenen Herzen. Ich kann nicht mehr. Möge Dir Gott Deine furchtbare Schuld, den Mord an dem alten Perkowitsch vergeben; Du hast ihn in blinder Wnt gemordet, weil er Dich betrog, so, ivie Du ihn die ganze Zeit betrogen hast. ES ist zu schrecklich, zu quälend, als'Mitwisserin eines solch furchtba re» Verbrechens zu leben, das Blut an Deinen Händen würde mich znm Wahnsinn bringen. Ich nehme Deine Schuld mit in den Tod, Henry Startell, möge Gott mir verzeihen. Lebe wobl. Liane Startest." Wortlos reichte der Beamte dem Kommissar den Brief, der ihn zu sich steckte und dann leise sprach: „So, und jetzt wollen wir den Henry Starlell mal ein bissel überraschen, towmen Sie!" Die Beiden durchsuchten alle Zimmer, die in dem Ober geschoß lagen, aber oon dein Gesuchten sanden sie keine Spur. „Beim seligen Pankratius, den Lump müssen wir doch finden; los, mal runter ins Parterre! Viel Zeit habeich nicht, ich muß sofort zu Graf Brixdorf — loS!" Vor der Tür des Zimmers, das Liane abgeschlossen, lauschte Greif angestrengt. „Ei zum Deixel, da schnarcht ja der alle Sünder mit der größten Seelenruhe. Na, dem wollen wir doch gleich mal 'ne ordentliche Dusche geben. Was, die Tür ist ja verschlossen? Der Schlüffe! steckt von außen im Schloß, jedenfalls hat die Startell ihren Herrn Gemahl ein sperren wollen." Rasch drehte er den Schlüssel um, die Tür jprang auf und die Herren traten ein. Henry Slartell lag nach immer quer über dem Diwan ausgestreckt, in einem festen Schlafe. Auch durch den Ein tritt der Krimiunlisten wachte er nicht auf. Greif trat direkt auf ihn zu und rüttelte ihn derb am Arm, doch nichtsdesto weniger schlief Startell ruhig weiter. „Na, ich glaube, um den munter zu kriegen, müssen wir, direkt oor seiner Nase eine Kanone abfeueru. Er rüttelte ihn nochmals heftig am Arm und ries ihm mit wahrer Donner stimme ins Ohr: „Heda! Freundchen, mach doch mal die Augen auf, haben prima Ueberraschung für Dich, komm, sei so liebenswürdig, habe die Güte aufzuwachen. Na, los, wird's bald? Ah, Du hast keine Lust! Warte, ich bringe Dir es bei, Du bist tatsächlich ein schwerer Junge!" Rasch trat der Kommissar zum Waschtisch, nahm einen Schwamm, tauchte ihn iu die mit Wasser gefüllte Schüssel und spritzte dem schlafenden Startell das Wasser ins Gesicht. Das Mittel hatte denn auch, zur Genugtuung Greifs, eine erfreu liche Wirkung. Schlaftrunken richtete sich Starlell von seinem Lager auf, strich sich gähnend das wirre Haar aus der Stirn und streckte und reckte sich. Kriminalkommissar Greif ließ ihn erst gründlich seine faule Haut dehuen, dann trat er mit sati rischem Lächeln auf ihn zu und sprach mit galanter Verbeu gung: „Haben der gnädige Herr gut geschlafen? Ich glaube blos, Sie haben Ihren Zug nach Paris verspätet!" Mit verstörtem Gesicht war Henry Startell aufgesprun gen und starrte den Kommissar an. „Wer sind Sie? WaS — was wollen Sie?" Stotternd kamen diese Worte oon seinen Lippen. „Ach, Sie kennen mich noch gar nicht? Nun, es wird Ih nen Freude machen, mit mir bekannt zu werden, gerade so wie Ihre werte Bekanntschaft mich unendlich stolz macht. „Ich bin der — Kriminalkommissar Greis!" Wie der Blitz fuhr Startell zurück, aschfahl wurden seine Züge, seine Knie schlotterten, er raffte sich aber doch noch zu sammen und frug bebend: „Ja, und was — ivas — wollen Sie denn — oon mir — ich — ich — ?" „Ach, weiter nichts, als Sie höflichst einladen, mir sofort, ohne jeden Widerstand, zu folgen! Henry Startell, ün Na men deS Gesetzes — Sie sind verhaftet!" Mit eisernem Druck umspannte des Kommissars Hand den Arm deS Spionö, der mit unartikuliertem Schrei zurückwei chen wollte. „Sie — Sie — wollen — mich — verhaften? Was — was berechtigt Sie dazu? Mich — mich—" Ersparen Sie sich jede unnütze Bemerkung, Monsieur Star tell l Sie wissen das übrigens gerade so gut wie ich. Und daß Sie nicht nur «in abgefeimter Spion, sondern auch ein — Mörder sind — brauche ich Ihnen wohl auch nicht mehr zu erzählen? Hier, lesen Sie bitte den Brief, aber wenn ich bit ten darf, schleunigst!" Er reichte ihm den letzten Brief LianeS an ihren Mann, den dieser, immer bleicher werdend, mit zitternden Gliedern las. Wutbebend ballte er das Papier zusammen und zähne knirschend stieß er aus: „Ha! Das wahnsinnige Weib! Die Elende! Haha!" Hohnlachend griff er sich an die Stirn, ta stete mit bebenden Fingern nach seiner Rocktasche — sie war leer — tatsächlich hatte dies wahnwitzige Weib ihm den Plan geraubt!" „So, nun kommen Sie, bedenken Sie, daß Sie verhaftet sind und folgen Sie ohne Umstände." Er legte um seine Handgelenke eiserne Ringe, und Henry Startell ließ es sich gefallen, ohne zu wehren. „Verhaftet," schrie er immer wieder auf, „verhaftet, haha, und die Schuld trägt das unselige Weib!" Fest biß er die Zähne zusammen, als er dem Kommissar und den Schutz leuten in das draußen harrende Auto folgte. Eine dumpfe Apathie mar über ihu gekommen, willenlos ließ er alles mit sich geschehen. Kriminalkommissar Greis schloß Haus- und Garteutnre ab und legte an die Schlösser das Polizeisiegel. Dann fuhr das Auto schnell davon, dem Polizeigebäude zu. Dort wurde ein kurzes Verhör an Henry Startell gerichtet und bald dar auf saß der Spion und Mörder in seiner dunklen Zelle, durch dessen vergittertes Fenster ein Stücklein des sonnigen, lachen den Julihimmels lugte. Er saß, den Kopf in die Hände ver graben, stöhnend auf der harten Britsche, die wilde Wut, die ihn erst befallen hatte, machte eiuer zerknirschten, weinerlichen Stimmung Platz. Erst hatte er getobt, sein Schicksal verflucht, jetzt saß er da und — stöhnte — und — sann nach dein leich testen, bequemsten Mittel, selbst diesem jämmerlichen Zu stand ein Ende zu machen. Er ahnte nicht, daß die Gerech tigkeit schon bald selbst ihren Arm ausstrecken würde, um sein verpfuschtes Leben durch eine gnädige Kugel zu beendi gen. — Gesenkten Hauptes war Graf oon Brixdvrf in sein Studier zimmer zurückgekehrt. Eben hatte er in der Bibliothek eine scharfe Auseinandersetzung mit seiner Tante gehabt. Er hatte, auf ihr Befragen, von dem heutigen Duell erzählt, auch die Ursache desselben. 235,20