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Pulsnitzer Wochenblatt : 10.08.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-191608104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19160810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19160810
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Zeitungen
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-08
- Tag 1916-08-10
-
Monat
1916-08
-
Jahr
1916
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 10.08.1916
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Nr. 96. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 10. August 1816. Seite 3. Meere zum Bau des Sueztzanals hergegeben hatte. Es fand sich für England auch noch die Gelegenheit, von den Franzosen an der Pariser Börse noch eine große Anzahl Suezkanalaktien zu kaufen, und töricht, kindisch und unbe rechenbar wie die Franzosen nun einmal sich in der Politik benehmen, konnte es eines Tages geschehen, daß sie sich durch die Engländer aus der Oberleilung und dem Haupt besitze des von französischem Gelds und französischem Unter nehmungsgeiste erbauten Suezkanalunternehmen herausge drängt sahen. Bei einer der nächsten Hauptversammlungen der Suezkanal-Gesellschaft zeigte es sich, daß die Engländer den größten Teil der Suezkanalaktien besaßen und die Leitung der Geschäfte dieser Gesellschaft maßgebend beein flussen konnten. Die Franzosen schrien wie die Kinder, denen man einen schönen Apfel aus der Hand reißt, aber die Eng länder blieben in Wirklichkeit in der Hauptsache die Besitzer des Suezkanalcs. Zur Sicherung des Besitzes des Suez kanales gehörte aber auch der Besitz von ganz Aegypten, in dessen Gebiete der Suezkanal gebaur ist. Die Engländer unterstützten daher zunächst eine aufständische Bewegung unter Arabi Pascha in Aegyten heimlich, und als das Um sichgreifen des Aufstandes in Aegypten angeblich die Inte ressen des englischen H-mdels und den freien Verkehr auf dem Suezkanal bedrohte, aber der Vizekönig von Aegypten mit den Aufständischen nicht fertig weiden konnte, mischten sich die Engländer in Aegyten ein, bombardierten Alexan drien, landeten Truppen in Aegypten und setzten sich im Namen des Vizekönigs von Aegypten, der zu einer Puppe in ihrer Hand wurde, in den Besitz des ganzen Landes. Aber das Streben des großen englischen Räubers ging weiter. Er fühlte, daß der Suezkanal und auch ganz Aegyp ten von den benachbarten Ländern Syrien und Arabien her angegriffen und sogar erobert werden konnten. Die Türkei als Oberherr Syriens und Arabien besaß außerdem auch noch die Rechte der Oberherrschaft über Aegypten, aus welche der Sultan nicht Verzicht geleistet hatte. Eine förm liche Wut erfaßte nun die Engländer noch, als deutsche Unternehmer in Syrien bis nach Mesopotamien die Bagdab- bahn auf türkischen Wunsch zu bauen begannen, und die ganze Türkei unter dem Einflüsse Deutschlands wieder neue Kräfte zu erhalten schien. Da ging nun frech und dreist die Absicht des englischen Räubers ohne weiteres darauf hinaus, vom persischen Meerbusen her ganz Mesopotamien zu er obern und sich selbst in den Besitz der Bagdad-Dahn zu setzen. Der englische Räub.er wollte also noch die besten türkischen Länder an sich bringen. Da - hat aber die Türkei erkannt und deshalb an England den Krieg erklärt, und es bestand auch sofort bei der Türkei die Absicht, die Engländer aus Aegypten zu vertreiben. Durch den großen Angriff der Engländer und Franzosen auf die Dardanellen wurde der Vormarsch der Türken gegen den Suezkanal und Aegypten aber verzögert, jetzt haben aber dort die Kämpfe begonnen, um England aus Aegypten zu vertreiben. Oertttche und sächsische Nachrichten. Pulsnitz. (Auszeichnung.) Dem Postassistent Maukisch von hier, z Zt. Unteroffizier im Felde, ist die Friedrich August-Medaille in Silber verliehen worden. Pulsnitz. (Vaterländische Tbeater-Auffüh- r u n g.t Die bekannte Dresdner Residenzbühne unter Leitung seines Direktors Richard Flechsig bringt nächsten Sonntag im Saale des hiesigen Schützenhauses das vaterländische Volksstück »Die Soldatenbraut" - aus Ostpreußens schweren Zeiten — von Ed. Löwenburg zur Aufführung. Die drei Akte des Stückes eraeben zusammen ein reizendes va terländisches Sviel mit Ernst und Humor. Die gesamte Presse hat die Uraufführungen alänzend besprochen und ihren Vorzug anerkannt, jeden Theaterbesucher in gelungenster Weise den Ernst dieser Zeit für einige Stunden vergessen zu lassen. Für die Darstellung hat sich Direktor Flechsig nam hafte, ausgezeichnete Kräfte gesichert. Die Dresdner Resi- denzbühne hat das alleinige Aufführungsiecht für Deutsch land erworben. Alles Nähere i esagt die in heutiger Num- mer enthaltene Anzeige. Der Billet-Vorverkauf ist in den Zigarrengsschäften des Herrn Beyer und im Schützenhaus. . — (Ueber die Lebensmittelbestandsruf- aahme am 1. September) bat der Reichskanzler die nötigen Verordnungen erlassen, In den Etnzelhaushaltun- < gen mit weniger als 30 Mitgliedern umfaßt die Ausnahme ' folgende Gegenstände: l Fleischdauerwaren (Schinken, Speck, ; Würste, Rauchfleisch, Pökelfleisch und andere Fleischdaucr- ! waren), 2. Fleischkonserven (reine Fleischkonserven in Büch- i sen, Dosen, Gläser usw.), 3. Fleischkonserven mit Gemüse I oder anderen Waren vermicht in Büchsen, Dosen, Gläsern usw., 4. Eier. Für jede der Gruppen 1 bis 3 sind die vor handenen Bestände nach vollen Pfunden anzugeben. Men gen von weniger als i Pfund sind nicht anzugeben. Eier sind nach der Stückzahl anzugeben Die Landeszentralbe hörden können die Erhebung auf andere Gegenstände aus- dehuen. Zur Verwendung im eigenen Haushalt erforder liche Vorräte werden nicht beschlagnahmt werden. — (Beschlagnahme der Molkereibutter.) (Amtlich.) Gemäß § 39 der Verordnung über den Verkehr mit Butter vom 8. Dezember 1918 und über vorläufige Maßnahmen aut dem Gebiete der Fettocrsorgung mit dem 12. August 19i6 außer Kraft. Von diesem Tage ab ist die gesamte Molkereibutter zu Gunsten der Kommunalverbände beschlagnahmt. Der Reichsstelle sollen nach Z 2i der neuen Verordnung die durch den Derteilunosplan festgesetzten und sonst etwa sich ergebenden Ueberschüsse seitens der Londes verteilungsstelle geliefert werden In der ersten Zeit werden sich jedoch gewisse Uebergangsschwierigkeiten ergeben. Para graph 40 der Verordnung vom 20. Juli lgi6 sieht daher den Erlaß von Uebergangsbestimmungen vor. Diese sind nunmehr ergangen. Danach sind die bei den Molkereien bis zum 12. August G16 seitens der Zentral-Einkaufsge- sellschast bezw. der Landesverteilungsstellen beanspruchten Mengen auch nach dem 12. August 1916 noch an die Zen- tral-Einkaufsaesellschaft bezw. Vie Landesoerteilungsstellen abzuliefern. Insoweit erleidet der Z 10 der Verordnung vom 20. Juni "916 für die erste Zeit eine Abänderung. Für die Ablieserungsverpflichtung gelten die Vorschriften der Verord nung vom 20. Juli 1916, und dementsprechend greifen auch für den Fall der Nichterfüllung der Ablieserungs- und Ab- setzungsverpflichtunqen die in der Verordnung vorgesehenen Strafbestimmungen, die schärfer sind als die früheren, Platz. — 0. K. (Höch st preise und Beschlagnahme von Leder. Am 8. August ist eine neue Bekanntmachung' betreffend Höchstpreise und Beschlagnahme von Leder, her ausgegeben worden. Die Uebersichtstasel inbezug auf die Grundpreise für Leder kann bei der Gewerbekammer Zittau eingesehen werden. Auch über die weiteren Bestimmungen wird von der Kammer jederzeit Auskunft erteilt. — (DieFrist zurEinreichung der Melde- scheine über Web-, Wirk-und Strick waren) läuft heute Donnerstag ab. Säumige werden darauf auf merksam gemacht. — (Herabsetzung der Kartoffelpreise.) Nach der neuerdings gefaßten Entschließung übernimmt das Reich ein Drittel des Schadens, der den Gemeinden entsteht, wenn Kartoffeln im Kleinhandel zu folgend« n Preisen ver kauft werden vom 16. Juli bis 10. Augüst 9 vom 11. August bis 20. August 8 k>kx., vom 21. August bis iS. Sep tember 7 ttkg., vom 16. September bis 30. September 6 Voraussetzung für den Reichszuschuß ist, daß die restlichen zwei Drittel van der anderen Seite getragen werden. Der Zuschuß wird gewährt für die in den einzelnen Zeitabschnit ten im Kleinhandel nachweislich abgesetzten Waren, jedoch höchstens für eine Menge von 1'/, Pfund aus den Tag und Kops der ortsanwesenden 4 evölkerung. Von der Beschränk ung auf Minderbemittelte und Kriegsangehörige wird ab gesehen. — (Unter denWöchnerinnen)ist vielfach die Ansicht verbreitet, sie dürften während des Bezugs von Wo chen- und Stillgeld keine Lohnarbeit verrichten, da sie sonst Gefahr liefen, daß ihnen diese Bezüge entzogen würden; dies ist völlig irrig. Die Wöchnerinnen haben den Anspruch auf Wochen- und Stillgeld ohne Rücksicht darauf, ob sie erwerb- ungsfähig sind oder nicht, sie habe, also, insoweit sie arbeits fähig sind, die Möglichkeit und jetzt im Kriege die sittliche Pflicht, vorzüglich bei Einbringung der Ernte mitzuarbeiten. Eine Kürzung ihrer Bezüge ist ausgeschlossen. Ebensowenig wird irgend ein Kommunalverband dazu schreiten, wegen des Verdienstes in Erntearbeiten eine Kürzung der Kriegsfami lienunterstützung vorzunehmen. So erfahren mir vom Liefe- rungsoerbande Bautzen-Land, daß er eine solche Kürzung höchstens vornehmen wird, wenn eine Kriegerssrau, die frü her an der Ernte mitaeholfen hat, jetzt ohne ersichtlichen Grund von einem Verdienste an der Ernte absieht, denn die richtige Einbringung der Ernte ist das Wichtigste, was wir im Inland an Kriegs arbeiten zu verrichten haben. Auch an Sonn- und Festtagen, in Notfällen auch während des Vor mittags-Gottesdienstes sind Erntearbeiten gesetzlich zulässig. Jeder, der zur Ernte nicht seinen Kräften gemäß miihilft, schädigt die Allgemeinheit und wird die entstehenden Schä den durch nicht rechtzeitige Einbringung der Ernte an sich selbst mit zu spüren haben. — (Billigere Roggenmehlpreise) Die Reichsgetreidestelle hat ab 1. Äuaust den Roggenmehlpreis um 1 Mk. pro Sack herabgesetzt.' Lichtenberg. (Gemeindevorstandswahl.) An stelle des verstorbenen Gemeindevorstandes Schöne wurde der Gemeindcälteste Gärtner zum Gemeindevorstand auf die näch sten 6 Jahre gewählt. von der unteren Pulsnitz, 8. August. (DasEin - bringen des Roggens) ist hier und in weiter Um gegend in den letzten schönen Tagen faßt beendet worden. Zum Teil ist dieses Brotgetreide gleich ausgedroschen wor den, denn die aufgestellten Dampfmaschinen surren vom frü hen Morgen bis in die spitte Nacht hinein. Schon hat auch größtenteils der Hafer- und Gerstenschnitt begonnen, wäh rend das Heidekorn ebenfalls seiner Reise entgegengeht. Beim Hafer und der Gerste ist der Körnerertrag, sowie auch die Strohmenge sehr reichlich und das Heidekorn berechtigt zu den besten Hoffnungen. Bretnig. (Volksküche.) Nachdem die Zurüstun- gen zur Einrichtung einer Volksküche im Ritteraute für den hiesigen Ort, dank der Fürsorge des Gemeivderates und des Ausschusses lür die Volksküche, zu gutem Ende geführt wor den sind, sand am gestrigen Dienstag Vormittag 11 Uhr die Eröffnung derselben in Anwesenheit des Gemeinderates statt. Die Gemeinderatsmitglieder überzeugten sich durch Kostpro ben von der guten und wohlschmeckenden Beschaffenheit der zubereiteten und zur Ausgabe gelangenden Speise, die von '/>12 Uhr an, an die Bezieher verabreicht wurde. Es werden an den Ausgabetagen zur Zeit annähernd 300 Liter ver ausgabt. K. IVI. Dresden 8. August. (Dank des Königs an sächsischeTruppen. Der König HM an den Kom mandeur einer Reseroedivision, Generalleutnant v. Watzdorf, folgendes Telegramm gesendet: »Nach einer Meldung des Milttärbevollmächtigten hat die Division sehr heftige An griffe mit großer Tapferkeit und unvergleichlichem Helden mule abgeschlagen. Bon freudigem Stolze erfüllt, solche hervorragende Regimenter in Meiner Armee zu haben, spreche Ich Ihren schon so oft bewährten Truppen Meine vollste Anerkennung und Meinen wärmsten Dank aus. Friedrich. August." Dresden, 8. August. (Sommerurlaub anRe« klamierte.1 In kaufmännischen Kreisen bestehen noch Zweifel, ob die Gewährung von Urlaub an reklamierte An gestellte als zulässig anzusehen sei. Das preußische Kriegs ministerium sandte nun dem Zentraloerband der Handlungs gehilfen eine Erklärung, in der es heißt: »Das Kriegsmini sterium ist damit einverstanden, daß Angestellten, auch sol chen, die im Interesse der Kriegswirtschaft vom Heeresdienst zurückgestellt worden sind, ein Erholungsurlaub von sieben Tagen gewährt werden kann. Eine Ausnahme wird in sol chen Einzelsällen zu rechtfertigen sein, in denen nach ärztli chen Ausspruch der Gesundheitszustand der betreffenden An gestellten es erforderlich macht, eine längere Beurlaubung eintreten zu lassen. Im einzelnen muß es natürlich den Be trieben überlassen bleiben, inwieweit sie zu einer Urlaubsge währung in der Lage sind. Dresden 8. August. Eine besondereKriegs- tinte) zum Beschreiben von leimschwachen Papieren ist setzt hergestellt worden. Die Aareaung ging von maßgeben der Stelle aus. Proben derartiger Tinten haben sich als brauch bar erwiesen, es dürfte aber noch einige Zelt vergehen, bis die Kriegstinte im Handel zu haben ist. Der preußische Untsrrichtsminister hat aber schon jetzt in einer besonderen Verfügung es als zweckmäßig bezeichnet, in den Schulen aus die künftige Verwendung der Kriegstinte einzuwirken. Zittau. (B i e rk n a p p h ei t.) Die hiesigen Braue reien macken bekannt, daß zur Streckung der vorhandenen geringen Biervorräte in Zukunft nur noch M Prozent des bisher gelieferten, ohnehin schon gekürzten Quantums abge geben werden kann. Trotz dieser Beschränkung wird vor aussichtlich von Mitte September ab die Bierlieferung ganz eingestellt, bis wieder Biere aus der Gerste der diesjährigen Ernte zum Ausschank gelangen können. Röniqswartha. (Zu unerhörtenPre'strer- der eien) kam es bei der in hiesiger Gegend stattgefunde nen Obstverpachtung an der Landstraße. Man war von dem Gedanken ausgegangen, jedem Bieter einen Teil zu- kommen zu lasten doch scheiterte die Durchführung desselben daran, daß einige Interessenten die Preise so Überboten, daß für einen einzelnen Apfelbaum 60 Mark geboten wurden. Leipiia, 6. August. (Pferdedieb stahl auf offe ner Straß e.) Während ein Brotfahrer Kunden versorgte, fuhr ibm ein Spitzbube sein auf der Straße haltendes Fuhr werk weg, ließ den Wagen mit dem Brot im König-Mbert- In eiserner Zeit. Kriegsroman von Charlotte Wilbert. 28 Tief enipört war die alte Dame und mit flammenden Augen hatte sie ihm zornbebend zugernfeu: „Philipp von Gordis hatte R§cht. Auch ich sage dasselbe. Es ist eine Schande für unser altes Haus — dieses Weib. Nun mach', wie Dir Dein Gewissen und Dein klarer, denkender Ver stand es vorschreibt; eins aber, trägt diese Frau auch nur einen Augenblick den Namen der Brixdorf, verlasse ich sofort dies Hans, und Du — den ich wie mein eigen Blut geliebt und gehegt habe, Du — Du — hast mich dann hinausge- stvßen ans dem Familienbunde des alten, hochgeehrten Ge schlechtes, hast an meine Statt eine Unwürdige, eine Komö diantin, ein berechnendes, kokettes, ein — ein — schamloses Geschöpf gesetzt, hast das blanke, blitzende Wappenschild unserer Ahnen mit Schmutz beworfen. Dies ist mein letztes Mort an Dich, nun tue und bandle nach Deinem Ermessen!" Entrüstet, mit vor Erregung glühendem Gesicht, wollte ihr Graf Brixdorf antworten, doch eine kurze, energische Hand- bewegung der Gräfin gebot ihm Schweigen. Er fühlte sich an allen Gliedern wie zerschlagen. Die furchtbaren Aufregungen des heutigen Tages hatten ihn hochgradig erregt, nnd erfühlte sich dringend der Ruhe bedürftig. Die letzte Unterredung mit seiner Tante halte in seiner Brust einen heftigen Kampf her- vorgerufeu. Nun hieß es entscheiden über Pflicht und Liebe. Pflicht, heilige Pflicht war es für ihn, den Willen seiner Tante, . die ihn seit seiner frühesten Kindheit an die Mutter ersetzt, zu respektieren; wenn Gräfin Wanda unter solchen Umständen sein Haus, au das sie große Rechte besaß, verließ, so war sie der rauhen, selbstsüchtigen Welt preisgegeben, hatte sie keine,r Ort mehr, woran sie liebe, sanfte Erinnerungen mit zarten Fesseln ketteten, dann hatte sie von dem jüngsten Sproß der allen Brixdvrf'schen Grafen, dessen Jugendhüterin sie ge wesen, schnöden Undank für all ihre Liebe geerntet, dann hatte er sie verstoßen! War es da anders als seine Pflicht, die Umstände, die dies alles voranssetzten, beiseite zu schaffen? Und dies hieß für ihn, das über alles geliebte Weib aufgeben, die tiefe, Heche Liebe aus seinem Herzen reißen, sich für sein gan zes Leben unglücklich machen. Denn dieses Weib, seine Liebe zu ihr, hatte sein ganzes Sein, sein ganzes Handeln, Denken und Tun ergriffen, und wenn er dieses Weib und mit ihr diese glühende Liebe verlöre, dann iväre sein Leben fortan nutz los, zwecklos, ziellos; dann wäre ihm das Leben nicht mehr wert, gelebt zu sein. - Nun hatte er zu entscheiden zwischen Pflicht und Liebe. Das waren zwei heftige, hartnäckige Gegner, die da in seiner Brust tobten, ein heißes, mildes Kämpfen. Nervös fuhr der Graf sich an die Stirn, erregt ausstoßend: „Zum Kuckuck! Da kann ja der gesundeste Mensch verrückt werden! Den gan zen Tag von Morgens bis Abends die schönsten Aufregun gen. — Das ist doch ein bischen übertrieben! Fort jetzt mit allen dummen quälenden Gedanken, es ist unsinnig, sich mit ihnen herumzuplagen, das Schicksal läuft doch seinen Weg. Es ist Narrheit, daran überhaupt nur zu denken, es gäbe einen Grund, der mich zwänge mit Liane abznbrechen; Un sinn! Ich bin mit ihr offiziell verlobt und sie wird — meine Frau! Da gebietet ebenso gut die Pflicht wie bei Tante Wanda. Wenn ich einem Weibe, das ich liebe, meinen Ring, mein Wort gegeben habe, so ist es ebenfalls meine Pflicht, mein Wort zu halten; anders, wenn dringende Gründe daran hin dern. Aber Tante Wandas Eiugenommenbeit gegen Liane, ihr Dünkel, ist kein Grund — nein — ich lasse mich nicht wie ein Schulbube zurechtstutzen und ebensowenig dulde ich, daß man meine Braut in so fortgesetzter Weise beleidigt. Ha, es gibt auch Gründe, Tante Wanda, die alle inneren Beziehun gen, sogar Blutsverwandtschaft der Menschen, gegenseitig zu nichte machen, sie mit einem Schlage auflösen. Wenn Du so willst, so haben wir Beide denn diese Gründe, und sind uns fortan fremd, seelisch fremd. Eher dies — als daß ich das Weib, dem ich mein Wort gegeben, das ich liebe über alles, verlasse, daß ich mich und sie zu kranken, unglücklichen, elen den Menschen mache. Erregt war er im Zimmer auf und ab geschritten, eilt steinerner, eherner Zug der festen Ent schlossenheit auf deil markanten, männlichen Zügen. Jetzt, mit einein Ruck, blieb er vor dem Schreibtische stehen, seine Augen starrten wie im Traum nach jener Rolle, zitternd, be bend griffen seine Finger danach. „Himmel — das ist ja der gestohlene Festungsplan!" Wie kam der Plan, den er heute morgen mit dem Kommissar Greif gesucht hatte, plötzlich auf seinen Schreibtisch, frank und frei, grab' vorn auf die Platte? Sollte etwa Greif — ach was, dann hätte man ihn benach richtigt. Aber wo denn in aller Welt kommt das Ding her? Ich steh' vor einem Rätsel. Von her Dienerschaft kann ihn doch keiner gestohlen haben, nein, ich kenne meine Leute, sie sind alle treu wie Gold. Und dann hätte, wäre der Dieb unter ihnen, derselbe doch sicher nicht den Weg durchs Fenster genommen. Neich nein, das kann ich nun nicht verstehen, da geht was nicht mit' rechten Dingen zu. Da soll doch gleich —" > Schon wollte er nach der elektrischen Hausglocke greifen, um Johanne herbeizurnfen, als sein Blick plötzlich auf daS kleine Kuvert fiel, das neben dem Plan lag. Erstaunt griff er danach und öffnete es begierig, es war der Brief Liane Star- tells und der beigelegte Brief Philipp von Gordis. Während Gras Brixdorf las, erbleichte er jäh, finster zogen sich die dunklen Brauen zusammen; die Hand, die den Brief hielt, zitterte, aufstöhnend sank er znletzt auf einen Sessel nieder. Die furchtbare Erkenntnis die ihm die wenigen Worte dort auf dem duftenden, weißen Papier, die ihm so kalt, so erbarmungslos entgegenstarrt«r, brachten, ranvten ihm fast die Besinnung. Schwer sank der Kopf auf die ächzende, keuchende Brust, es schien, als erschüttere ein Schluchzen die kräftige, starke Gestalt des Grasen. So saß er noch, als wenige Minuten später der Kriminal kommissar Greif ins Zimmer trat. Betroffen stand Gren vor ihm. Ihm tat der LH«nn, der stolze, reiche Graf Brixdorf leid, er fühlte mit ihm die seelische Zerrüttung, die diese furcht bare, grausame Wahrheit in ihm vollbracht. „Herr Gra Erschrocken zuckte dieser zusammen. Erhob das Haumund sah zu Greif auf. Fast wäre dieser zurnckgewichen. War das der lebensfrohe Graf oon Brixdors? jNein, das war ein gealteter, gebrochener Mann, der da, wie in einer fremden Welt, ihm entgegen starrte. Der Graf stand auf, dumpfe Resignation auf den Zügen, reichte er dem Kommissar die Hand, und gab ihm ohne ein Wort der Erklärung das Schreiben Liane's, dann fiel er wieder in seinen Sessel zurück, schweigend, brütend vor sich hinstarrend. 235,M
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