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pulsnitzerMchenblatt Sonnabend, 15. Juli 1916. Beilage zu Nr. 85. 68. Jahrgang. Ausführungsverordnung zu der unten abgedruckten Verorvnung des Stellvertreters des Reichskanzlers über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und zur Bekämpfung der Kettenhandels vom 24. Juni 1916 — Reichsgesetzblatt Seite 581. 1. Wer vom 1. August 1916 ab mit Lebens- und Futtermitteln handeln, d. h. solche kaufen und wieder verkaufen will, ohne daß auf ihn die Voraussetzungen des 8 1 Ablatz 2 der Reichskanzler bekanntmachung zulreffen, hat ein schriftliches Gesuch um Erlaubnis bei der Amtshauptmann schaft, in Städten mit revidierter Städteordnnng bei dem Stadtrate alsbald einzureichen. 2. Das Gesuch muß angeben: 1. ob und seit wann der Antragsteller eine im Handelsregister eingetragene Firma besitzt, 2. ob und mit welchen Lebensmitteln und Fxtrermitteln er vor dem 1. August 1914 gehandelt hat, 3. ob er wegen Zuwiderhandlung gegen die Höchstpreisverordnungen, gegen die Verordnngen über Vorrat rerhebungen vom 2. Februar und 3. September 1915 (R.-G.-Bl S. 54, 549) und die Verordnung gegen übermäßige Preissteigerung vom 23. Juli 1915 (R.-G.-Bl. S. 467) bestraft ist und ob ein Verfahren wegen Untersagung des Handelsbetriebs auf Grund der Verordnung zur Fernhaltung unzuverlässiger Personen vom Handel vom 23. September 1915 (R.G.Bl. S. 603) gegen ihn geschwebt hat. Ist dem Antragsteller auf Grund dieser Verordnung der Handelsbetrieb untersagt ge wesen, so kann der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis von ihm nur gestellt werden, nachdem die Wiederaufnahme des Handelsbetriebes nach 8 2 Absatz 3 der Verordnung vom 23. September 1915 gestattet worden ist. 4. für welche Zeit, für welches Gebier und für welche Lebens- und Futtermittel die Er laubnis erteilt werden soll. Wird die Erteilung der Erlaubnis für einen Handelsbe trieb beamragt, der sich vor dem 1. August 1914 nicht oder nicht in dem nachgesuchten Umfange auf Lebens- und Futtermittel erstreckt hat, so ist das volkswirtschaftliche Be dürfnis eingehend zu begründen. 3. Für die Erteilung und Entziehung, sowie die Untersagung des Handels mit Lebens und Futtermitteln (8 6) werden bei den Amtshauptmannschaften und den Städten mit revidierter Städteordnung für ihren Bezirk Entscheidungsstellen errichtet. Sie bestehen aus dem Amtshauprmann, in Städten mit revidierter Städteordnung dem Bürgermeister als Vorsitzenden und 3 Mitgliedern, darunter 2 Vertretern des Handels. Die Mitglieder sind ehrenamtlich ohne Entgel' tätig. Der Vorsitzende kann einen juristischen Be amten seiner Behörde mit seiner Vertretung beauftragen. Die Mitglieder werden von dem Vorsitzenden ernannt. Für die Handelsvertreter haben die Handelskammern umgehend dem Vorsitzenden mindestens 4 Personen vorzuschlagen. Zu den Sitzungen ist der Vorsitzende der örtlichen Preisprüfungsstelle, sofern eine solche am Sitze der Entscheidungsstelle besteht, mit beratender Stimme zuzuziehen. Für die Mitglieder können vom Vorsitzenden Stellvertreter bestimmt werden. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter werden vom Vorsitzenden, soweit sie nicht Beamte sind, durch Handschlag auf getreue Pflichterfüllung verpflichtet. - 4. Der Vorsitzende hat zur Vorbereitung der Entscheidung die erforderlichen Erhebungen an zustellen. Er kann jederzeit die Vorlegung der Handelsbücher sowie eine Auskunft über die Persönlichkeit der Angestellten des Antragstellers verlangen. Vor der Zurücknahme einer Er laubnis (§ 4 Absatz 1) oder vor der Untersagung des Handels (8 4 Absatz 2) ist dem Be teiligten Gelegenheit zu Einwendungen zu geben. Die Entscheidungsstelle entscheidet ohne mündliche Verhandlumg nach Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Der Vorsitzende kann die Ladung der Beteiligten anordnen. Die Entscheidung ist vom Vorsitzenden zu unterzeichnen und dem Gesuchsteller schriftlich zu eröffnen. 5. Bei der Entscheidung sind die in 8 3 Absatz 2 genannten Umstände erschöpfend zu würdigen. Mit der Versagung oder Ausschließung braucht ein persönlicher Makel nicht ver- bunden zu sein. Versagungsgründe können in erster Linie fein: Unzuverlässigkeit, Mangel an Sachkenntnis, Fehlen der erforderlichen Einrichtungen für einen geordneten Handelsbetrieb, Mangel des nötigen Betriebskapitals; daneben kann die Versagung oder die fernere Nichtzu lassung auch auf Bedenken volkswirtschaftlicher Art gegründet werden. Solche können unter den gegenwärtigen Verhältnissen namentlich daraus hergeleitet werden, daß für den betreffenden Handelsbetrieb kein Bedürfnis vorliegt. Erweist sich eine Einschränkung der Zahl der Händler als nötig, so sind in erster Linie diejenigen Personen auszuschließen, die erst nach dem l. August 1914 den Handel mit Lebens- oder Futtermitteln ausgenommen haben. 6. Die Erlaubnis kann zeitlich, örtlich und sächlich begrenzt, außerdem aber an Bedingungen geknüpft werden Bedingungen dieser AU können z B. sein die Verpflichtung, Bücher zu führen, die über Herkunft und Verbleib der Ware, Einkaufs- und Verkaufspreise Auskunft geben, und diese Bücher ans Verlangen vorzulegen, die Entlassung von Angestellten, die sich als unzuverlässig im Handel erwiesen haben, der Nichtgebrauch einer Phantasiefirma oder einer Firmenbezeichnung, die geeignet ist, über Art und Umfang des Geschäftsbetriebs Irrtum zu erregen. Werden die Bedingungen nicht erfüllt, so ist die erteilte Erlaubnis nach 8 4 zu entziehen 7. Dem Handeltreibenden ist ein Erlaubnisschein nach dem beifolgenden Muster auszu händigen. In dem Schein ist der Name des Handeltreibenden oder seiner Firma genau zu bezeichnen. Bei Entziehung der Erlaubnis ist der Erlaubnisschein zurückzufordern. 8. Die Entscheidungen der Entscheidungsstelle sind binnen 2 Wochen, von der Behändigung ab, mittels Beschwerde anfechtbar. Die Beschwerde ist schriftlich bei der Entscheidungsstelle einzureichen, lieber sie befindet die vorgesetzte Kreishauptmannschaft. 9. Im Falle des 8 7 Satz 2 bestimmt das Ministerium des Innern die zuständige Stelle. Ueber Streitigkeiten im Sinne von 8 8 Absatz 2 entscheidet endgültig die dem beteiligten Kommunalverband vorgesetzte Kreishauptmannschaft. 10. Für das Verfahren werden Gebühren und Auslagen nach dem Gesetze, betreffend die Er hebung von Kosten für Amtshandlungen der Behörden der inneren Verwaltung usw. vom 30. April-1906 erhoben. Dresden, am 12. Juli 1916. Ministerium des Innern. Erlaubnisschein für den Handel mit Lebens- und Futtermitteln. Dem (Der) . . . (Name oder Firuia) .... ist gemäß der Verordnung über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und zur Bekämpfung des Kettenhandels vom 24. Juni 1916 (RGBl. S. 581) die Erlaubnis erteilt worden, (Zeitangabe: bis auf weiteres; bis zum . . . .) in (im) (Gebietsbezeichnung) den Handel mit folgenden Lebens(Fntter)mitteln zu betreiben. Die Erlaubnis kann jederzeit wieder entzogen werden. den 1916. Der Vorfitzende der zur Entscheidung über die Erteilung und Entziehung der Erlaubnis sowie über die Untersagung des Handels errichteten Stelle. O Verordnung über den Handel mit Lebens- und Futtermitteln und zur Bekämpfung der Kettenhandels. Vom 24. Juni 1916. Auf Grund der Bekanntmachung über Kriegsmaßnahmen zur Sicherung der Volksernährung vom 22. Mai 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 401) wird folgende Verordnung erlassen: 8 . Der Handel mit Lebens- und Futtermitteln ist vom 1. August 1916 ab nur solchen Personen gestattet, denen eine Erlaubnis zum Betriebe dieses Handels erteilt worden ist. Dies gilt auch für Personen, die bereits vor diesem Zeitpunkt Handel mit Lebens- oder Futtermitteln getrieben haben Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf 1. den Verkauf felbstgewonnener Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft, des Garten- und Obstbaues, der Geflügel- und Bienenzucht, der Jagd und Fischerei; 2. Kleinhandelsbetriebe, in denen Lebens- oder Futtermittel nur unmittelbar an Ver braucher abgeletzt werden; 3 Personen, die nach anderen während des Krieges erlassenen Vorschriften bereits eine Erlaubnis zum Handel mit Lebens- oder Futtermitteln erhalten haben, in den Grenzen der erteilten Erlaubnis; Behörden und andere Stellen, denen amtlich die Beschaffung und Verteilung von 4. Lebens- und Futtermitteln übertragen ist, auf letztere in den Grenzen der Uebertragung. § 2. Als Lebens- und Futtermittel im Sinne dieser Verordnung gelten auch Erzeugnisse, aus denen Lebens- oder Futtermittel hergestellt werden. 8 3. Die Erlaubnis wird auf Antrag erteilt. Sie kann zeitlich, örtlich und sachlich begrenzt wkrden. Wird sie örtlich unbegrenzt erteilt, so wirkt sie für das Reichsgebiet. Vorschriften, nach denen die Ausübung des Handels mit bestimmten Lebens- oder Futtermitteln in einzelnen Teilen des Reiches anderweitigen Beschränkungen unterliegt, bleiben unberührt. Sie kann versagt werden, wenn Bedenken volkswirtschaftlicher Art oder persönliche oder sonstige Gründe der Erteilung entgegenstehen, oder wenn der Antragsteller vor dem 1. August 1914 mit Lebens- oder Futtermitteln nicht gehandelt hat. 8 4. Die Erlaubnis kann von der Stelle, die zu ihrer Erteilung zuständig ist, zurückgenommen werden, wenn sich nachträglich Umstände ergeben, die die Versagung der Erlaubnis recht fertigen würden. In den Fällen des 8 l Abs. 2 Nr. 2 und 3 kann der Handel in solchen Fällen unter sagt werden. 8 5- Gegen die Versagung und die Zurücknahme der Erlaubnis sowie gegen die Untersagung des Handels ist nur Beschwerde zulässig; sie hat keine ausschiebende Wirkung. 8 6. Zur Erteilung und Entziehung der Erlaubnis sowie zur Untersagung des Handels sind durch die Landeszentralbehörden besondere Stellen zu errichten, denen Vertreter des Handels an gehören müssen. Den Vorsitz hat ein Beamter zu führen. Vor der Bestellung der Vertreter des Handels sollen die amtlichen Handelsvertretungen gehört werden. Die Landelszentralbehörden bestimmen, welche Behörden zur Entscheidung über die Be schwerde zuständig sind. Ist der Vorsitzende der zunächst entscheidenden Stelle mit der Entscheidung nicht einver standen, so kann, er die Entscheidung der Beschwerdebehörde herbeiführen. Die zur Entscheidung berufenen Stellen und Behörden können die Vorlegung der Handelsbücher sowie anderer Beweis mittel über die geschäftliche Tätigkeit der Antragstellers verlangen. Die Landeszentralbehörden bestimmen das Nähere über die Zusammensetzung der Stellen und das Verfahren. 8 7- Oertlich zuständig zur Entscheidung ist die Stelle, in deren Bezirk die Hauptniederlassung des Handelsbetriebs, der gegründet werden soll, liegt. Fehlt es an einer inländischen Haupt niederlassung, so bestimmt die Landeszentralbehörde des Bundesstaats, in dem der Handel be trieben wird, oder betrieben werden soll, die zuständige Stelle. 8 8. Wird die Erlaubnis versagt oder zurückgenommen, oder wird der Handel untersagt, so hat der Kommunalverband, in dessen Bezirk sich die Hauptniederlassung und in Ermangelung einer inländischen Hauptniederlassung eine Zweigniederlassung befindet, die Vorräte an Lebens- miiteln zu übernehnien und aus Rechnung und Kosten des Händlers zu verwerten. Ist Be schwerde (8 5) eingelegt, so ist mit der Uebernahme nach Möglichkeit bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu warten. Ueber Streitigkeiten, die sich aus der Uebernahme und Verwertung zwischen den Beteiligten ergeben, entscheidet endgültig die von den Landeszentralbehörden bestimmte Behörde. Die Landeszentralbehörden können die dem Kommunalverbande nach Abs. 1 obliegende Verpflichtung auf eine andere Stelle übertragen. 8 d. Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen einer nach 8 4 Abs. 2 erfolgten Untersagung mit Lebens- oder Futtermitteln Handel treibt. 8 10, Auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen finden die Vorschriften in den 88 4 bis 9 keine Anwendung. Der Wandergewerbeschein, die Legitimationskarte und dergleichen (Titel II und III der Reichsgewerbeordnung) sind aber zu entziehen oder zu versagen, wenn bei demjenigen, für den sie beantragt oder erteilt sind, Umstände vorliegen, welche die Versagung der Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 rechtfertigen würden.