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Nr. 27. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 2. März 1916 Seite 2. deutscher Hand, und die deutsche Zähigkeit, der deutsche Sie geswillen, werden nicht nachlassen, bis die gewaltige Arbeit erfolgreich zu Ende geführt ist. Zum dritten Male nun stehen deutsche Geschütze, deut sche Truppen vor Verdun, und es darf als ein gutes Omen betrachtet werden, daß die beiden früheren Kriegsunterneh mungen gegen Verdun mit einem vollen Siege der Deutschen gekrönt wurden. Freilich war der Platz damals noch nicht so stark befestigt wie heute, aber er war immerhin bereiis eine Festung ersten Ranges. Im Jahre 1870 besaß Verdun nur eine bastionierte Umwallung und eine Zitadelle auf dem linken Maasufer. Aber die Erfahrungen, die die Franzosen damals mit diesen Befestigungen machen mutzten, führten dazu, die ganze Befestigungsanlage nach neueren Grundsätzen zu modernisieren und zu verstärken. Verdun geräumt. 1. v. Genf, 29. Februar. Laut „Matin" wurde die gesamte Bevölkerung Verduns fortgeschafft, sodaß gegenwär tig keine Zivilpersonen mehr in der Festung verweilen. Die schweren franzöfischen^Verluste. 1. v. Paris, 1. März. In der „Victoire" widmet Hero« den Opfern der letzten Tage einen Nachruf, worin er zugesteht, daß die ganze Besetzung der ersten Frontlinie, etwa 20 bis 30000 Mann, umgekommen sei. - Der sozialistische Abgeordnete Renaudel machte vorgestern in der „Humanste" den Versuch, einige Lehren aus der Ueberraschung von Ver dun zu ziehen. Die Theorie von der Unverletzbarkeit der französischen Front sei nicht mehr haltbar. Was Renaudelt sonst noch sagen wollte, hat die Zensur ausgemerzt. Ser Krieg W See. Dresden, 1. März 1916, vormittags V-9 Uhr. Ein französischer Transportdampfer gesunken. Aöln, 1. März. Die „Köln. Volksztg." meldet aus Amsterdam: „Wie aus Paris amtlich gemeldet wird, ist der Hilfs kreuzer „Provence il", der mit einem Truppentransport nach Saloniki unterwegs war, am 26. Februar im Mittel ländischen Meere gesunken. Von 1800 Mann wurden 696 gerettet." (W. T.-B.) 1. v. Paris, 1. März. Wie die „Agence Havas" zugibt, ist der Hilfskreuzer „Provence ii", der mit einem gro ßen Truppen - Transport nach Saloniki unterwegs war, im mittleren Teile des Mittelländischen Meeres von einem u-Boot torpediert worden. Von den Geretteten wurden 296 nach Malta und 400 nach Milo gebracht. Dresden, den 1. März 1916, 4 Uhr nachmittags. Zwei französische Hilfskreuzer und ein englischer Bewachungsdampfer versenkt. Amtlich. Berlin. Von unseren v - Booten wurden zwei französische Hilfskreuzer mit je 4 Geschützen von Le Havre und ein bewaffneter englischer Bewachungsdampfer in der Themsemündung versenkt. (W. T.-B.) Versenkt'. 1. ii. London, 29. Februar. Nach einem Lloydbe- richt ist das englische Dampfschiff „Southford" in den Grund gebohrt worden, wobei zwei Mann der Besatzung ums Le ben kamen. Zar Wichtigste. Die vierte deutsche Kriegsanleihe, die Sprozentige Schuldver schreibungen und 4'/,prozentige Schatzanweisungen vor steht, wird von heute an zur Zeichnung aufgelegt. Einem Vertreter der „Münch. N. N." erklärte der frühere amerikanische Generalkonsul in München. Gaffney, daß nach seiner Ansicht eine Wiederwahl Wilsons ein Un glück wäre. Gaffney ist überzeugt, daß ein neutraler Bewerber von der republikanischen Partei aufgestellt und durchdringen werde Wie eine Washingtoner Reutermeldung besagt, teilte Graf Bernstorff der amerikanischen Regierung mit, Deutsch land habe keinen Grund, die erteilten Befehle zur Tor pedierung bewaffneter Handelsschiffe ohne vorherige Kriegsanleihe nno Bonifikationen. Die Frage, oü die Vermittelungs stellen der Kriegsanleihe von der Vergütung, die sie als Entgelt für ihre Dienste bei der Unterbringung der Anleihen erhalten, einen Teil an ihre Zeichner weitcrgeben dürfen, hat bei der letzten Kriegsanleihe zu Meinungsverschiedenheiten geführt und Verstimmungen hervorge rufen. Es galt bisher allgemein als zulässig, daß nicht nur an Weiteroermittler, sondern auch an große Vermögensverwaltungen ein Teil der Vergütung weitergegeben werden dürfe- War dies bei den gewöhnlichen Friedensanleihen unbedenklich, so ist anläßlich der Kriegsanlei hen von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, daß bei einer derartigen allgemei nen Volksanleihe eine verschiedenartige Behandlung der Zeichner zu vermeiden sei und es sich nicht rechtfertigen lasse, den großen Zeichnern günstigere Bedingungen als den kleinen zu ge währen. Die zuständigen Behörden haben die Berechtigung dieser Gründe anerkennen müssen und beschlossen, bei der bevorstehenden vierten Kriegsanleihe den Vermittelungsstellen jede Weitergabe der Vergütung außer an berufsmäßige Vermittler von Effektengeschäften streng stens zu untersagen. Es wird also kein Zeichner, auch nicht der größte, die vierte Kriegsan leihe unter dem amtlich festgesetzten und öffentlich bekanntgemachtcn Kurse erhallen, eine An ordnung, die ohne jeden Zweifel bei allen billig denkenden Zeichnern Verständnis und Zu stimmung finden wird. Warnung zu verändern oder zu verschieben. Oesterreich gab eine ähnliche Erklärung ab. Ein in den letzten Tagen erbeuteter, vom 31. Januar 1916 dadierter Geheimbesehl Joffres verlangt von den Füh rern aller Dienstgrade, den deutschen Unternehmungen zuvorzukommen und sie zurückzuweisen. Seit Mittwoch findet andauernd die Flucht der Bevölkerung aus der Maasgegend statt. — Aus Verdun berichtet der „Malin", daß gegenwärtig keine Zivilperson mehr in der Stadt sei. OsrMckss unQ Säcdsisckss, — (Schweine-und Schwei ne-Fleisch- preise.) Da» Ministerium de» Innern erläßt die Ausführungsverordnung zur BundeSratS-Verordnung über die neue Regelung der Preise für Schlachtschweine und Schweinefleisch. Die wesentlichste Aenderung de» bisherigen Zustande» ist die weitgehende Abstufung der Preise nach dem Lebendgewicht. Ihr Zweck ist, die Zucht von Mastvieh zu fördern, um den Fettbedars de» Markte» zu befriedigen. Ohorn. (Goldener Ehejubiläum.) Am 21. Januar diese» Jahre» war e» Herrn Ernst Hein rich Mocke, privatisierenden Schmiedemeister hierselbst, und seiner Ehefrau Johanna Karoline, geb. Frenzel, vergönnt, in voller geistiger Frische da» Goldene Ehe jubiläum zu feiern. Da e» erst nachträglich bekannt wurde, war es erst jetzt möglich, dem ehrwürdigen Jubelpaare die vom Evangelisch-Lutherischen Land«»- konsistortum gestiftete, mit Widmung versehene präch tige Ehrenbibel zu überreichen. E» geschah die» am 28. Februar in der Wohnung de» Jubelpaare» unter herzlicher Ansprache de» Herrn Pastor lüc. tbeol. Stange. Möge es dem hochbetagten Jubelpaar durch Gotte» Güte Dkl deuW RckP-TlMSdericht von heute besagt: Dresden, 2. März. 1916, nachmittags V«3 Uhr. Großes Hauptquartier, 2. März 1916. Amtlich wird gemeldet: Westlicher Kriegsschauplatz. Die Lage hat im wesentlichen keine Aenderung er fahren. Im Jsergebiete war der Feind mit Artillerie besonders tätig. Ausdemöstlichen Maasufer opferten die Franzosen vor der Feste Douaumont abermals ihre Leute einem nutzlosen Gegenangriffsversuche. Oestlicher Kriegsschauplatz Auf demnördlichenTeilder Front erreich ten die Artilleriekämpse teilweise größere Lebhaftigkeit. Klei nere Unternehmungen unserer Vorposten gegen feindliche Si cherungsabteilungen hatten Erfolg. Nordwestlich von Mitau unterlag im Luft kampfe ein russisches Flugzeug und fiel mit seinen Insassen in unsere Hand. Unsere Flieger griffen mit Erfolg die Bahn anlagen von Molodezcno an. Balkau-Kriegsschauplatz. Nichts Neues. (W.T.-B.) Ober fi e Heeresleitung. DraylbeW des Pulsnitzer MUMMes. Dresden, den 2. März 1916, nachm. Uhr. Bukarest, 2. März. Die Königinwitwe Elisabeth ist heute vormittag gestorben. Die „Hotogräfin*,. Roman von O. E l st e r. 10) (Nachdruck verboten? „Doll mutz ich betonen, datz ich mich durchaus nicht als zuverlässiger Sachkenner hinstellen will. Ich habe mich wenig mit Pferdezucht und Rennsport beschäftigt." „Wie kommt das? Lieben Sie den Rennsport nicht?" „Ich wäre ein schlechter Kaoallerieossizier, wenn ich den Wert des Rennreitens, namentlich der Jagdreiterei, nicht anerkennen und schätzen wollte. Als junger Leutnant bin ich selbst öfter in den Sattel gestiegen. Aber die Ver hältnisse hinderten mich, dem Rennsport weiterhin zu huldi gen. Drei Jahre besuchte ich die Kriegsakademie, dann wurde ich persönlicher Adjudant des Prinzen Albert, der nur » wissenschaftliche und künstlerische Interessen hatte. Mit dem war ich mehrere Jahre im Ausland, sodaß ich den Renn bahnen fremd geworden bin." „Und wollen Sie sich nicht wieder dem Rennsport zu wenden? Ihre Gestalt eignet sich meiner Meinung nach vorzüglich für das Rennen. Sie reiten kein schweres Ge wicht . ." Fredy verbeugte sich lächelnd. „Ich danke gehorsamst für das Kompliment, gnädige Frau. Vielleicht springe ich wieder in den Sattel. Aber ich bin nicht reich genug, um mir einen Rennstall halten zu können „Bedienen Sie sich meiner Pferde ganz nach Belieben," sagte sie, um dann, als sie sein ernstes, abweisendes Gesicht bemerkte, fortzufahren: „Verzeihung, ich wollte Sie nicht verletzen, es patzt sich wohl nicht für Sie, ein Pferd der To togräfin zu reiten." „Gnädige Frau." „Lassen Sie uns offen sprechen, Baron. Meine Worte vorhin waren unüberlegt, meine Pferde werden durch Jok- keis geritten, aber nicht durch Gentlemen. Ich weitz das sehr wohl. Aber ich will Ihnen einen anderen Vorschlag machen Wie gefällt Ihnen denn mein irrischer Fuchs Macbeth?" „Er ist ein prachtvolles Pferd." „Ja und ein Springer und Iagdpferd ersten Ranges. Sie haben ihn ja unter meinem Trainer John Baker über die Hindernisbahn gehen sehen, er nimmt das höchste und breiteste Hindernis mit unfehlbarer Sicherheit. „Ich habe es zu meinem Erstaunen gesehen." „Nun wohl, ich möchte den Fuchs gern in dem gro ßen Armee-Jagdrennen sehen. Sie tun mir einen Gefallen damit, wenn Sie aus meinen Vorschlag eingehen. Was mei nen Sie zu einem Preis von 3000 Mark?" „Das ist sehr billig für das Pferd." „Es kommt mir aus den Preis nicht an, wenn er ih nen nur zusagt. Wenn der Macbeth nicht als Sieger aus dem Jagdrennen hervorgeht, nehme ich ihn zu demselben Preis zurück. Nun, sind wir einig?" Fredy konnte ihrem Drängen nicht widerstehen. „Ich bin einverstanden, gnädige Frau." „Oü das ist ja schön! Wann darf ich Ihnen das Pferd schicken?" „Sobald wie möglich, gnädige Frau. Macbeth und ich müssen uns doch aneinander gewöhnen." „Da haben Sie recht. Also in den nächsten Tagen. Ich freue mich sehr . . ." Sie war aufgestanden und schritt erregt auf und ab, als sie die Zigarette in eine Ascheschale geworfen hatte. Dieser Handel, aber noch mehr die Aussicht, den Fuchs im Jagdrennen lausen zu sehen, schien ihr in der Tat große Freude zu bereiten. Fredy war es eigentlich nicht recht verständlich, wie eine junge, schöne Frau eine solch leidenschaftliche Liebhaberin des Nennreitens sein konnte. Gewiß, er schätzte das Renn reiten, das Iagdreiten als fühlbare männliche Energie und Kraft sehr hoch, aber er verschloß sich auch nicht vor allerlei Mängeln, die mit diesem Sport verbunden waren. Haupt sächlich das Wetten der großen Menge sowohl am Totali- fator wie bei den Buchmachern war im unsymathisch. Diese Wetten waren doch nichts weiter als Lotterie- oder Hasard spiel, denn wer von all den Leuten, die meldeten, verstand ein Pferd richtig zu beurten? Ganz abgesehen von den Zu fälligkeiten, die dem besten Reiter und dem besten Pferde passieren konnten. Die Tipster und Buchmacher waren es, welche den Vorteil von der Wettsucht des großen Publi kums davontrugen. Wie mancher junge, unerfahrene Mensch hatte sich schon auf den Rennplätzen ruiniert, seine Existenz vernichtet, und das corri^ei Is kortune war auch nicht selten bei den Jockeirennen, wenn auch die Rennbehörden und der Jockciklub scharfe Aufsicht ausübten. Um so erstaunlicher erschien es, daß sich eine Frau, eine gebildete Dame, so leidenschaftlich diesem Rennsport hingäb. „Verzeihen Sie mir eine Frage, gnädige Frau finden Sie in diesem Sport wirklich ihre Befriedigung!" Sie sah in groß an. Dann entgegnete sie kurz und scharf: „Was bleibt mir anders übrig?" „O, gnädige Frau, das Leben ist ja so reich an Schö nem und Edlem, daß Sie mit Ihren reichen Mitteln eine schönere und dankbare Aufgabe finden könnten. Verzeihen Sie meine Offenheit." „Ich bitte, sprechen Sie nur ruhig weiter," sagte sie mit seltsamer weicher Stimme und sah ihn sinnend an. „Sie wissen, datz Sie ganz offen mit mir sprechen können." „Ich danke Ihnen, gnädige Frau, für das Vertrauen, datz in Ihren Worten liegt. Um nun etwas anzuführen — Ihre schöne Besitzung liegt, wie Sie selbst sagten, landwirt schaftlich im argen — könnten Sie nicht tatkräftig ein greifen ?" „Sie haben recht, ich werde einen andern Inspektor engagieren." „Ich kenne ihren Beamten nicht — es liegt mir fern, ein Urteil über ihn abzugeben — vielleicht tut er besser seine Pflicht, wenn er ihr Interesse sieht. Und dann, gnädige Frau — die Bewohner Ihres Dorfes scheinen mir dringend der Hilfe zu bedürfen." „Ach, das Pack, datz mich haßt und verachtet?" Haß und Spott werden verstummen, wenn Sie sich der armen Leute annehmen, gnädige Frau," sagte er ernst. Sie atmete tiefe auf, trat an das Fenster und schaute nachdenklich in den Hof hinaus, wo sich die beiden Teckel hunde spielend umhertrieben. Nach einer Weile wandte sie sich ihrem Gast wieder zu. Ihr schönes Gesicht hatte einen ernsten und doch sanften Ausdruck angenommen. Sie reichte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen," sagte ste mit weicher Stimme. „Ich werde es versuchen." „Und Sie zürnen mir nicht, gnädige Frau." „Wie sollte ich Ihnen zürnen, da Sie mir zum Gu ten raten? Aber Sie dürfen mich auch nicht falsch beurtei len. Gewiß, ich bin eine leidenschaftliche Liebhaberin des Rennsportes und das ist doch wohl meiner Ansicht kein Verbrechen." (Fortsetzung folgt.)