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pulsnitzer^ochenblatt Sonnabend, 1. April 1916. Beilage zu Nr. 40. 68. Jahrgang. Sächsischer Landtag. Dresden, 29. März. Erste Kammer. In der heutigen 23. öffentlichen Sitzung teilte nach Vortrag der Registrande Präsident Dr. Gras Vitzthum von Eckstädt mit, daß der erste Punkt der Tagesordnung, Ka pitel 16 des ordentlichen Etats, Staatseisenbahuen vetres- send, auf Wunsch der Negierung von der Tagesordnung abgesetzt worden sei und morgen erledigt werden solle. Hieraus erledigte das Haus ohne wesentliche Debatte meh rere Kapitel des außerordentlichen Etats für 1916/17, Eisenbahnangelegenheiten betreffend, desgleichen mehrere Kapicel des Rechenschaftsberichts. Nach antragsmähiger Erledigung zweier Petitionen war die Tagesordnung er ledigt. Die nächste Sitzung wurde auf morgen vormittag >1^ Uhr anberaumt. Zweite Kammer. Vor Eintritt in die Tagesordnung gedachte Präsident Dr. Vogel des Umstandes, daß hellte Vizepräsident Spitz, das dem Dienstalter nach älteste Mitglied der Kammer, seinen 70. Geburtstag feiere, und erbat sich von der Kam mer die Ermächtigung zu einem Glückwunschtelegramm an den Vizepräsidenten. Die Kammer erledigte alsdann eine größere Anzahl Rechenschaftsberichte und erklärte sich ohne Debatte^ mit den vom Landtagsausfchufse zur Verwaltung der Staatsschul den aus die Jahre 1912 und 1913 abgelegten Rechnungen für befriedigt. Weiter genehmigte die Kammer nachträg lich die bei den verschiedenen Kapiteln vorgesallenen Etat überschreitungen. Alsdann nahm sie das Kapitel 20, direkte Steuern, und Kapitel 21, indirekte Abgaben, in Schluhberatung und verhandelte zugleich die hierzu ein- gegangenen Allträge und Petitionen. Nach längerer De batte wurden die Anträge der Deputationsmehrheit ange nommen, anoerweite Anträge und Petitionen abgelehnt. Ter Rest der Tagesordnung, mehrere Eisenbahnange legenheiten betreffend, wird ohne Debatte nach den An trägen der Deputation erledigt. Nächste Sitzung morgen vormittag 11 Uhr. Dresden, 30. März. Erste Kammer. Am Regierungstische: Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt und Finanzminister von Seydewitz. Den ersten Punkt der Lratung bildet der Antrag Günther und Genossen aus Kriegshilfe für den Mittelstand und die An gehörigen der freien Berufe. Den Bericht erstattet Kam merherr Dr. Sahrer von Sahr-Dahlen und beantragt An nahme der Deputationsallträge, die sich zum Teil mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer decken und nur in eini gen unwesentlichen Punkten von ihnen abweichen. Finanz minister von Seydewitz wendet sich besonders gegen den Antrag, daß der Staat ebenso wie die Gemeinden zur Hälfte für die Darlehen hasten solle. Oberbürgermeister Keil schlägt eine Teilung der Haftung in der Weise vor, daß die Gemeinden zwei Drittel übernehmen und der Staat nur ein Drittel. Finanzminister von Sehdewitz sagt eine wrhlwollende Erwägung dieses Antrages zu. Der Berichterstatter erklärt sich von dem Antrag Keil nicht ent zückt und beantragt eine kurze Unterbrechung der Sitzung, damit sich die Deputation über den Antrag schlüssig machen könne. Oberbürgermeister Dr. Dehne tritt sür die Ablehnung des Antrages Keil ein. Minister des Innern Graf Vitzthum von Eckstädt empfiehlt dringend, den An trag Keil anzunehmen, um nicht die ganze Sache zu ge fährden. Es tritt hierauf eine kurze Pause ein. Nach derselben erklärt der Berichterstatter, daß die Deputation mit 7 gegen 4 Stimmen sich dem Antrag Keil angeschlossen habe. Die Deputationsanträge fanden hierauf einstimmige Annahme mit Ausnahme des durch den Antrag Keil ab geänderten Absatzes, der gegen 6 Stimmen angenommen wurde. Weiter steht zur Beratung Kapitel 16 des Etats, Staatseisenbahnen betreffend. Berichterstatter Wirkt. Geh. Rat Dr. Mehnert spricht einleitend dem gesamten Eisenbahllpersonal im Namen der Deputation und der ganzen Kammer sür feine glänzenden Leistungen vom ersten Tage der Mobilmachung und des Aufmarsches der Armee an bis zur gegenwärtigen Zeit den aufrichtigsten Dank und die wärmste Anerkennung aus. Der Bericht erstatter geht dann auf die Einzelheiten der Eisenbahn fragen ein und bekennt sich u. a. als entschiedener Gegner der Idee der Neichseisenbahnen. Graf von Schönburg- Glauchau äußert eine Reihe vn Einzelwünschen, die sich u. a. aus die Ueberfüllung von Bahnsteigen und Bahn hofswirtschaften beziehen. Weiter erklärt der Redner sich mit der Abschaffung der ersten Wagenklasfe einverstanden. Finanzminister von Seydewitz dankt sür die warme An erkennung und den Dank, die die Vorredner dem Staats- bahnpersonal ausgesprochen haben. Dann geht er aus einige der Anregungen und Wünsche ein und bemerkt, daß die Regierung bereits jetzt dem Balkanzuge ihr volles Interesse widme. Die Benützung des Zuges durch Reisende nach Wien sei allerdings etwas erschwert. Das Kriegs ministerium habe aber zugesagt, bezüglich der Benützung Erleichterungen zu gewähren. Nach einem Schlußwort des Berichterstatters findet das Kapitel antragsgemäße Annahme. Weiter werden debattelos bewilligt die Einstellungen für den Umbau der Leipziger Bahnhöfe, für den Neubau eines Gerichtsgebäudes mit Gefangenenhaus in Auerbach, für die Frauenklinik und Hebammenlehranstalt zu Dres den und die Frauenklinik zu Chemnitz sowie für das Ober eichungsamt und die Eichämter. Zu dem Alltrage Castan aus Aufhebung der Umsatzsteuer beschließt das Haus, dem von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlusse auf Auf hebung der Umsatzsteuer nicht beizutreten. Schließlich werden noch mehrere Petitionen persönlicher Natur ver handelt und antragsgemäß erledigt. Nächste Sitzung Freitag vormittag A^2 Uhr. Zweite Kammer. Am Regierungstische Justizminister Dr. Nagel. Der Präsident erössnet die Sitzung um 11 Uhr. Es erfolgt zunächst die Wahl von vier Mitgliedern und vier Stellver tretern in den ständigen Beirat siir die Ernährungsfragen. Durch Zuruf werden gewählt zu Mitgliedern die Abgg. Nitzschke-Leutzsch (Natl.), Schmidt-Freiberg (Kons.), Lange- Leipzig (Soz.) und Günther (Fortschr.), sowie zu Stellver tretern die Abgg. Göpfert (Natl.), Friedrich (Kons.), Nitz sche-Dresden (Soz.) und Bär (Fortschr.). Es folgt die allgemeine Vorberatung über den Ge setzentwurf zur weiteren Ausführung des Einführungs- gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. August 1896, sowie über den Entwurf zu einem dritten Nachtrag zur Geschäftsanweisung sür den Landtagsausschuß zur Ver waltung der Staatsschulden vom 13. Mai 1910. Die Ent würfe werden sofort in Schlußberatung ohne Debatte un verändert angenommen. Das Haus tritt sodann in die allgemeine Vorbera tung über den mittels Dekrets vorgelegten Gesetzentwurf wegen zeitweiliger Abänderung des Schonzeitgesetzes vom 22. Juli 1876 und des Kaninchengefetzes vom 25. Juni 1902. Das Dekret wird der Gesetzgebungsdeputation überwiesen. Ohne Debatte passiert sodann das Kapitel 6 des ordentlichen Etats, Elsterbad betreffend. Die Kammer er ledigte weiter die Kapitel 102 bis 110 des Rechenschaft^ berichtes und genehmigte nachträglich die Etatüberschrei tungen. Ohne Aussprache werden weiter bewilligt die Einnahmen und Ausgaben bei den Etatkapiteln Ministe rium der Auswärtigen Angelegenheiten und Gesandtschaf ten, finanzielles Verhältnis Sachsens zum Reiche, Reichs tagswahlen und Vertretung Sachsens im Bundesrat. Sodann beschließt man zum Antrag Castan und Ge nossen betr. Erhöhung der Lcbensmittelpreise, bei den früheren Beschlüßen vom 17. Februar 1916 stehen zu blei ben, diesen aber in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Ersten Kammer vom 17. März 1916 hinzuzufügen: »im Bundesrate dafür einzutreten, daß, wie im vergangenen Jahre, Zuschüße zu den Kosten der Kartoffelbeschafsung gewährt werden, damit an die Minderbemittelten die Kartoffeln zu billigeren Preisen abgegeben werden kön nen". Nach einigen Bemerkungen des Abg. Heymann (Kons.) beschließt die Kammer weiter zu den Anträgen Castan und Genossen und Schwager, Brodaus und Genossen, betreffend Teuerungszulagen an Staatsarbeiter und Beamte sowie bezüglich der hierzu eingegangenen Petitionen, diese An träge und Petitionen, soweit sie die Staffelung der Teue rungszulagen nach Einkommen, Ortsklassen und Kinderzahl betreffen, durch den von der Regierung gemachten Vor schlag als erledigt zu erklären, im übrigen der Regierung als Material zu überweisen. Nächste Sitzung morgen Freitag vormittag L- >2 Uhr. ' AMD- ! Lraäsrlkebs. Eine Tiroler Standschühengeschichte aus großer Zeit nach einer Erzählung von Reinhold Ortmann. 11 Peter befreilesich sanft aus der Umarmung seiner Vase. Auf seinem Gesicht, welches ein kurzes Lächeln gezeigt Halle, kam wieder der schwermütige Ausdruck zum Vor schein." „Vor allen Dingen, Maria, gelobe mir Schweigen, bis alles vorüber ist, was Du auch sehen und hören magst. Der (Laver hat doch wohl im Hause noch ein altes Stand- schützengewand und einen Säbel. Sieh' schnell einmal nach." „Was willst Du damit?" „Frage nicht weiter danach, denke daran, daß Du mir Unbedingtes Stillschweigen versprochen hast." Das Gewünschte sand sich vor und als ihm Maria die Sachen gebracht hatte, da zog er sich für einige Au genblicke zurück. Als er wieder in der halbdunklen Gast stube erschien, da hielt er sich nicht einmal so lange auf, daß Maria ihrer Verwunderung über sein verändertes Aussehen Ausdruck geben konnte. Mit einem flüchtigen Händedruck verabschiedete er sich von ihr. 5. Kapitel. Am anderen Tag, so zeitig wie er nur zu sprechen Dar, wurde dem gefürchteten französischen General Brous- sier auf Schloß Bruneck ein junger Tiroler gemeldet, der ihn zu sprechen wünschte. Er erschien in der allen Fran- wsen verhaßten Tracht eines tiroler Standschützen. Sie war schon recht abgetragen und trug die Spuren mancher öcrapozen und gerade dadurch machte der schmächtige, rundliche junge Manu einen verwegenen Eindruck. Dec Ordonnanzoffizier stellte zunächst eine Reihe Fra- len an Peter Stegmayer, der aber jede Antwort verwei- gerte und den Genera! zu sprechen wünschte und zwar auf der Stelle. Glaubt Ihr, der General ist für jeden Wildschützen zu sprechen," entgegnete der französische Offizier mißmutig. „Ich bin kein Wildschütze," fertigte Peter Siegmayr den Franzosen unerschrocken ab. „Ich bin (Laver Sieg mayr, Standschützenkommandant aus dem Pustertal, ver standen !" „Ah, einer von den Hauptredellen, da wird Euch der General schon empfangen." Nach Erledigung einiger Förmlichkeiten wurde Peter vor General Moussier geführt, der mit zornigen Augen mitleidlos den jungen Mann betrachtete, der aber mit keiner Wimper zuckte oder Furcht zu erkennen gab. „Ihr seid (Laver Siegmayr?" „Ja," lautete die kurze und trotzige Entgegnung. „Ihr gebt zu, bei dem letzten Ausstand der Anführer einer Standschützenkompagnie gewesen zu sein?" „Ja." „Was habt Ihr sonst noch vorznbringen, macht es kurz." „Man will den Bergwirt aus dem Pustertal, meinen Vater, erschießen, weil er sich geweigert hat, meinen Auf enthalt zu nennen, man wird ihn doch jetzt sofort freilassen, den alten Mann, der sein Lebtag nur die Lust der freien Berge geatmet hat." „Wenn sonst nichts gegen ihn vorliegt, wird man ihn schon freilassen," entgegnete General Brussier und machte dabei eine Bewegung, die andeuten sollte, daß er nichts weiter mit dem Gefangenen sprechen wollte. Das Verhör Peter Siegmayr war damit beendet, als der Standschiitzenkommandant (Laver Siegmayr schritt er von zwei Soldaten bewacht, aus dem Zimmer des fran zösischen General. Sein Gang war so ruhig und sicher, als gehe er einer ganz gleichgültigen Sache entgegen, wie daheim, wenn er durch die Räume des Bergwirtshauses in den Tagen des Friedens schritt, oder in das Puster tal hinab. „Freiwillig habt Ihr Euch gemeldet?" fragte der alte schnauzbärtige Korporal im Weiterschreiten, indem er mit einer gewissen Bewunderung zu dem jungen, blassen ver meintlichen Standschützenkommandant aufsah. „Wißt Ihr auch, was Euch bevorsteht?" „Das weiß ich wohl." „Und trotzdem kommt Ihr freiwillig hierher nach Brun eck? Alle Achtung, Ihr habt doch wirklich Kourage im Leibe." „Soll vielleicht der alte Mann erschossen werden an meiner Statt." Ihr seid aber noch so ein junger Mann, habt vielleicht Weib und Kind, die bange nach Euch ausschauen. Habt Ihr das Aller bedacht." - „Bedacht! Ja was soll da noch zu bedenken sein I Schlimm genug, daß es soweit hgt kommen müssen — ein Vater wird natürlich schwerlich seinen Sohn üerraten, wenn er bestimmt weiß, daß derselbe erschossen werden soll." Als die drei Personen jetzt über den Schloßhof gin gen, da drückte Peter Siegmayr den mit Wildfedern ge schmückten breitrandigen, an einer Seite aufgeschlagenen Hut noch tiefer in das Gesicht und blickte zu Boden, er wollte von keinem Menschen erkannt werden, denn er war ja jetzt (Laver Siegmayr und da sie er auch durch Zu fall sich nicht verraten. Aber diese Besorgnis war überflüssig, denn auf dem Hofe standen wohl französische Soldaten rauchend und plaudernd umher, aber nicht ein Bekannter befand sich da- ruttter, der ihn erkannt hätte. Auch seinen Vater sah er nicht, derselbe befand sich ganz sicher in einem Gewahr sam wohin keines Menschen Blick dringen konnte, dafür hatten die Franzosen schon gesorgt und Bruneck bot solche Plätze.