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Nr. 3. Pulsnitzer Wochenblatt — Mittwoch, den 5. Januar 1916. Seite 2. der braven Kämpfers der letzten Ruhestätte. Reicher Blumenschmuck, darunter 4 große Kränze gewidmet von den städtischen Kollegien, vom Reserve-Lazarctt kamenz, vom Verein»lazarett Schule und vom VereinS- lazarett Krankenhaus, schmücken den Grabhügel de« braven Landsturmmanne». — (Zur Kirchenkollekte am Epipha- : lasseste- schreibt man uns au» dm Kreisen der Leipziger Mission, der sie zufließt: Die alljährlich wie- i'srkehrende Kirchenkollekte für di« Heidenmisston trägt diesmal geradezu den Stempel einer vaterländisch- christlichen Tat. Ist doch die evangelische Mission in Uebersee und besonders in den deutschen Schutzgebie- im eine hervorragende Vertreterin de» deutschen Ge danken» in der Welt und die Pflicht, sie auch im Kriege durchzuhalten, untrennbar mit unserem nationalen Existenzkampf verwachsen. Dir Leipziger MisflonSg«. s-Nschaft verdient noch insbesondere unsere tatkräftige Unterstützung, da ihr durch den Krieg die Gaben au» en lutherischen Gemeinden der Ostseeprovinzen vsr loren gingen und auch sonst in einzelnen Gegenden ctn Rückgang der Missionkspenden zu verzeichnen war. Dabet laufen die Ausgaben auf den Misstonsfeldern beständig weiter, da die Arbeit in Deutsch Ostafrika dank unserer tapferen Schutztruppe völlig ungestört sortgeführt werden kann, während sie in Indien nach Rücksendung der deutschen Missionare von der befreun- deten schwedischen Mission verwaltet wird. E» ist des» halb dringend nötig, daß die Freunde der Leipziger Mission am 6, Januar mithelfen, die annähernd eine Million jährlich belaufenden Ausgaben der Gesellschaft uuch im Kriege zu bestreiten. Wer am 6. Januar am Kirchenbesuch verhindert sein sollte, möge sein« Mis. stonSgabe dem nächsten Pfarramt zur Uebermittelung zugehen lasten. — (Auszeichnung.) Dem Reservist Erich Städtler im Infanterie-Regiment Nr. 178 wurde am heiligen Abend die Friedrich August. Medaille in Bronze unter Beförderung zum Gefreiten verliehen. — (Die Maul- und Klauenseuche) ist am 31. Dezember 1915 im Königreich Sachsen in»- aesamt in 37 Gemeinden und 53 Gehöften amtlich sestgestellt worden. Der Stand am 15. Dezember 1915 war 41 Gemeinden und 54 Gehöfte. — (Die Finsternisse im Jahre 1916.) Im Jahre 1916 finden drei Sonnen- und zwei Mondfinsterniste statt, von denen im Königreich Sachsen jedoch keine sichtbar tst. — (Die TageSlänge im Januar) wächst von 7 Stunden 55 Minuten am 1. Januar (Sonnen- uufgang 8 Uhr 6 Min., Sonnenuntergang 4 Uhr) auf 9 Stunden 3 Minuten am 31. Januar. An diesem Tage geht die Sonne 7 Uhr 43 Min. auf und 4 Uhr 45 Min. unter. Aarnen;, 5. Jan. (Ehrung langjähriger Stadtverordneter) Mit Schluß des Jahre» 1915 hatten Herr Stadtoerordnetenvorsteher, Landtags- abgeordneter Bernhard Rentsch 25 Jahre, und Herr Stadtverordneter Eduard Scheumann 30 Jahre ihrer Zugehörigkeit zum Stadtverordnetenkollegium unserer Stadt erfüllt. Zu ihrer außerordentlichen Ehrung sand gestern abend eine gemeinschaftliche Sitzung beider städtischen Körperschaften statt. Bischofswerda. (Vere itelter Flucht ver- such.) Ein im hiesigen Offizierrgefangenenlager untergebrachter englischer Hauptmann unternahm am 31. Dezember einen Fluchtversuch, indem er sich in «inen Rsisekorb einschließen ließ. Der Korb war in vie Hausflur geschafft worden, wahrscheinlich sollte er mit in den Möbelwagen gebracht werden, der zur Aufnahme von Sachen dst abziehenden Kantinenwirte» bestimmt war. Durch ein Grräuch im Korbe wurde der wachthabende Posten aufmerksam und ließ den Korb öffnen, wobei der Fluchtversuch vereitelt wurde. Aönigstein. (DaSEiserneKreu- 1. Klasse) erhielt der Bergwirt Richard Keiler auf dem Pfaffenstein. lagssgesckicdts. Deutsches Reich. (Depeschen-Wechsel.) Deutschland» und Oesterreich - Ungarn» treue Waffen brüderschaft und edler Vertrauens- und FreundschaftS- bund sind am Jahreswechsel in erhebender Weise durch reinen Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser Wilhelm und dem Erzherzoge Friedrich, dem Oberkommandie renden der österreichisch ungarischen Streitkräfte zum Ausdruck gekommen. Der Erzherzog Friedrich sagte in seine: Depesche an den Kaiser Wilhelm: Bewundernd und dankbar gedenkt Oesterreich. Ungarns Wehrmacht beim Jahrrlwechssl Eurer Ma jestät, de» erhabenen Kriegsherrn und ruhmgekrön. ten Führers der engverbündeten deutschen Kameraden, de» treuen Bundesgenossen Seiner Majestät unsere» allergnädigsten Kaisers und Königs. Namens der von mir befehligten K.und K. Streitkräfte bitte ich alleruntertärigst, daß Eure Majestät geruhen, unsere ehrfurchtvollsten NmjahrSwünsche allergnädigst ent- gegenzunehmen, Auf diese Depesche der österreichischen Oberkom mandierenden Erzherzog Friedrich hat der Kaiser Wil. Helm erwidert, daß er mit berechtigtem Stolze auf die verbündeten Heere im verflossenen Jahre zurückblicken könne, und gab der Hoffnung und Zuversicht Aurdruck, daß wir mit Gortes Hilfe in diesem Jahre zu einem glücklichen Enderfolge kommen werden. — (Zur Verhaftung der Konsuln.) Di^ .Dost. Zeitung' schreibt zur Meldung, daß die in Sa loniki verhafteten Konsuln nach Marseille und von da zur Schweizerischen Grenze gebracht werden: Die Kon- suln werden also in Freiheit gesetzt werden. Ihre Verhaftung hat die Bedeutung einer gewaltsamen Ausweisung. Ein Völkerrechtsbruch bleibt «S nicht minder. DaS Verlangen der griechischen Regierung, die Verhafteten den griechischen Behörden zu übergeben, lehnten Frankrrich und England demonstrativ ab. Sie lasten die Konsuln zwar frei, aber ohne der gri-chi- schen Regierung Genugtuung zu geben. — (Zu Griechenlands Vergewalti. gung.) Der „Berl. Lokalanz." schreibt: Die politische Gewalt ist nicht mehr in den Händen der Griechen. Wenn Griechenland sich nicht mit Gewalt sein Recht verschafft, so werden, sehr bald seine eigenen Beamten nicht sicherer in seinem eigenen Lande sein, als die fremden Staatsangehörigen. — In der „Vast. Ztg.' schreibt Rotheii: Das, wa» jetzt in Saloniki vorgehe mute an, wie die Vergeudung der letzten Habe durch einen Bankbrüchigen. Engländer und Franzosen trei ben erst recht die Griechen in da» entgegengesetzte Lager. Amerika. (Weigerung amerikanischer Munitionslieferanten. Die Morgan Engre- Inertng-Co. in Alliance (Ohio), die mit den Vteroer- dandSmächten Licferungskontr^ktr auf Schrappnell» und Explosivstoffe im Werte von 20 Millionen Mark abgeschlossen hatte, weigert sich jetzt, diese Aufträge auSzuführen. Wie da» „Newyorker Journal of Com- merce" mitteilt, hat di« Gesellschaft gleichzeitig erklärt, daß sie während der Kriegrdauer alle weiteren Auf. träge auf Kriegsmaterial auf da» entschiedenste ab. lehnen werde. Italien. Der 60. pensionierte Gene- r a l.) Der italienische Brigadier Salinas wurde pen- stoniert. Er ist der 60. italienische General der seit Beginn des Kriege» ohne Angabe von Gründen seiner Stellung enthoben wurde. Rustland. (Für die Flüchtlinge.) Wie „Berlin»!« Ttdmde' au» Moskau meldet, sind in den letzten 1'/, Monaten an den Voltzeipräfekten von Mos kau 2500 Eisenbahnwagen mit Lebensmitteln zur Ver- sorgung der Flüchtlinge abgesandt worden, von denen bisher aber nur 36 angekommen sind l. 63 Strobl: Eine gute Wehr und Waffe. Der von Bismarck. Der Fahnenträger. v 600 c Bloem 11 654 Kohden v 652 Engel: O 89 Q 90 O 91 e SO L 89 L 91 Bolksöücherei Jutsnitz Neue Bücher: 1/ 160 e Ganghofer: Der russische Niederbruch. bl 649 Ginzkey: Jakobus und die Frauen. v 605 c Kröger: Um den Wegzoll. 17 618c Bartzsch: Frau Utta und der Jäger. Da- verlorene Vaterland. O 87 Illustrierte Weltchronik 1914—15 (Leipziger Jllustr. Zeit. — Text v. P. Schreckenbach) Wislicenus: Deutschlands Seemacht eMst und jetzt. Kreyßig: Die Besitzer von Schloß und Herrschaft Pulsnitz- Schott: Generalfeldmarschall v. Hindenburg. Kahn: Die Milchstraße. Rohrbach: Deutschland unter den Weltvölkern. Adolf Friedrich: Ins innerste Afrika. (Herzog zu Meck- 14 4vd Koelsch: Der blühende See sienburg. dl 25b Floericke: Einheimische Fische. dl 83 Zart: Bausteine des Weltalls (Atome und Moleküle). !4 19a Dekker: Vom sieghaften Zellenstaat. bl 52d Kosmos, §>andweiser für Naturfreunde. Jahrgang 1913- "52- „ „ » » , IS"- dl 52-1 „ „ „ „ „ 1915. 8 8 Drr ifluWe Rmgs-TWMrilht von heute besagt: Dresden, 5. Januar 1916, nachmittags V-3 Uhr Großes Hauptquartier, 5. Januar 1916. Amtlich wird gemeldet: Westlicher Kriegsschauplatz. Artillerie- und Minen-Kämpfe an mehreren Stellen der Front. Oestlicher und Balkan-Kriegsschauplatz- Die Lage ist unverändert. (W.T.-B.) ObersteHeeresleitung. Die sächsischen Truppen im Felde. (Schluß.) Blieben nur auch die Ratten so sicher draußen wie die Engländer! Mit den Fröschen, die vom Grabenrande fallen und nun entheimatet sind, werden die Kehrdienste bald fertig, aber alle Ratten an die Kette zu legen, wie ich eine vor dem „Hause" eines freundlichen Landwehr- mannes sah, das geht über Kraft und Ausdauer. Als Schlaf- und Eßgenosse verlor dieses Tier übrigens seine Widerlichkeit: es hatte sich durchaus auf bescheidene Kame radschaft eingerichtet, fraß mit zierlich gestelltem Schnäutz- chen eine leere Schachtel Schuhwichse noch leerer und nahm Luftbäder, die den dumpfen Geruch wegbliesen. Wo man die Tiere nicht an die Kette legen kann, stillen sie ihren Hunger allerdings gern an Dingen, die hohe Kriegsauf gaben haben. Kein Tornister ist vor ihnen sicher, so lange er liegt, lehnt'oder an der Wand hängt. Man muß schon dünne Drähte von Wand zu Wand ziehen und die Tor nister wie auf eine Wäscheleine bammeln, wenn man die eisernen Portionen bis zur Verschüttung vollwichtig erhalten will Leder, Zwiebacksäckchen, Konservenkartons, Kniewär mer, Gesangbücher: nichts entgeht sonst der Neugier ihres Magens. In den ersten Monaten des Stellungskampfes, als wir an einer sehr bedrohten Stelle mit unserer halbkreisförmigen Minengalerie noch nicht jede feindliche Sappe schneiden und unschädlich machen konnten, gab's gewaltige Spreng trichter auf unserer Seite Aber als eines Tages den Feinden einer von 70 m Durchmesser geglückt war, wußten unsere Leute, die dahinter standen, auch, daß die Minie- rungen nun eine Weile an diesem Punkte aussetzen würden, und veranstalteten ein schönes Fest in der breiten Grube an — man denke — an gedeckten Tischen, die in ihrer Sauberkeit den Himmel anlächelten. Von der Zähigkeit der Engländer ist man hier wie in der Heimat überzeugt. Der Engländer kämpft eben bis zum letzten — Franzosen! Unsere Posten tun ihre schwere Pflicht mit dem ganzen deutschen Ernste und brauchen die Ermahnung nicht einmal, die in netten Versen an allen wichtigen Ecken angebracht ist und also beginnt: Posten, Posten, habt' acht! Du bist's, der für uns wacht! Gn Theologe zeichnet sich in der Wachsamkeit und im Granatenwerfen besonders aus. Das hat ihm zum Unter schiede von den „Seelenlotsen" und „Sündenabwehrkanonen" den Ehrennamen „Granatenpastor" eingetragen. Er wird ihn hoffentlich sür alle Zeiten behalten. Die beiden letzten Friedhöfe, durch die ich hier ging, lagen im Feuer. Ruhe ist anderwärts als auf der sturm- bewegten Erde. Das deutet auch eine Inschrift auf dem zu Verlinghem an. Der große, nun geweihte Denkstein über 131 Gefallenen sagt uns in schön gemeißelten Buch staben: „In der Heimat, da gibt's ein Wiedersehn!" Was geht in uns vor? Dachten wir über unser sächsisches Land hinaus, wenn wir sonst diese Zeile hörten und wenn wir einstimmten? Gewiß nicht. Aber nun wird sich diese „Heimat" des zerstückelten Liedes bis an den Himmel dehnen, für uns wie für das Clärchen Egmonts, das, bevor es seinen Heldentod stirbt, dem nach Hause drängenden Brackenburg bedeutet: „Nach Hause. Weißt du, wo meine Heimat ist?" Ich besinne mich, in Jules Lemaitres Theaterkritiken ein mal (die literarhistorische Zusammenstellung gefunden zu haben: Aeschylos, Racine, Dumas. Als er ein anderes Mal auf Ibsen zu sprechen kommen mußte (Antonie hatte ihn durch eine Aufführung der „Nora" dazu gezwungen), verriet er, daß er auch von neuzeitlich-ausländischen Bühnendichtern etwas wußte; er nannte die Russen Ostrowski und Petrowski. Von uns erwähnte er etwa, daß wir Sudermann als Heros feierten. Wie tief er Shakespare, Calderon und Lope stellte, entzieht sich meiner Beurteilung. Wenn *er aber schon Rußland einbezog, so hätte er wohl billigerweise Gogol mit seinem Revisor" und Tolstoi mit der „Macht der Finster nis" vor Ostrowski und Petrowski in den Parnas heben können. Lessing, Goethe, Schiller, Kleist, Grillparzer, Hebbel waren für diesen Kulturträger, der im „Herzen der Welt" jüngstrichterlich waltete, nicht da Ein Kamerad erzählt mir, er habe vor einigen Sommern auf dem Innsbrucker Bahnhose eine sehr wohlhabende Pariser Familie getroffen, die eine Droschke nach dem Ergadin forderte, weil sie dort ihre Ferien verleben wollte. Da sie sich deutsch nicht genügend ausdrücken konnte, mischte er sich ein und klärte sie über die'notwendigen geographischen Gründe auf, die ihr Unterfangen verböten. Da schlossen sie sich ihm nach den Dolomiten an, wo auch ganz nette Berge waren, wie sie nun erfuhren. Daß man von Paris nicht erst über Innsbruck zu reisen braucht, um ins Engadin zu gelangen, ist ihnen vielleicht heute noch nicht klar. Ich komme darauf, weil ich in meinem Quartier einen neuen Beweis für die; „französische Mauer" entdeckt habe (denn mandarf bei Leibe die Chinesen nicht mehr mit diesem Bor wurf beschweren). Der frühere, nun entflohene Bewohner meines Gehäuses hat an der Wand einen Stich des Lionardo- schen Abendmahles zurückgelassen, über dem — auch in Stahl gestochen — zu lesen ist: „I?oriZinrU se trouvo au Uu8ss du I^ouvro^ü kuris." Und mit noch größeren Buchstaben steht in gleicher Ausführung darunter (man er wartet etwa: „Wahrlich, ich sage euch, einer unter euch Wird mich verraten"): „Okkort pur Ig, Ottooolutoris ä'^iguö- dvUs (vröwo), ^lonastöro äs lu Mappe." Ich bemerke noch, daß der Stich keine Schluderarbeit ist. Aber diese „Kultur"!! Ein berühmtes Gemälde kann nurDin Paris stehen (auch wenn es nach und nach an einer italienischen-Refektoriumswand zum Schmerze der ganzen Welttverblaßt): und der Heiland wird in der heiligsten Abschiedsstunde zum Aushängeschild für eine (klösterliche Schokoladenfabrik erniedrigt. Es fehlt nur noch, daß statt derAOsterbrote Schokoladentafeln mit der Firma des geist. lichen Prämienspenders auf dem Abendmahlstische liegen.