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38 und Beerensträuchern fast stets auch Blumen ziehen. Einen weiteren Beweis dafür liefern aber die vielen Balkons, die in manchen Städten selbst in den Arbeitervierteln an den großen Miets kasernen nicht fehlen. Während in einigen Städten oder Vororten besondere Prämiierungen von Balkons eingerichtet sind, herrscht in anderen unter den Balkonbesitzern ein solcher Wetteifer, daß ein Ansporn durch Preisverteilungen gar nicht nötig erscheint. Außerordentlich fördernd wirkt auch die in den letzten Jahren immer mehr zunehmende Blumenpflege der Schulkinder ein In vielen Städten bestehen Vereine, welche im Frühjahr den Kindern der oberen Klaffen der Gemeinde-, schulen Stecklinge von Blüten- oder Blattpflanzen, bez. Samen übergeben, und sind die Kinder am Ende des Sommers gehalten, die daraus erzogenen Pflanzen vorzuzeigen. In manchen Orten werden dann Prämien erteilt, in Berlin nicht, und doch hat hier die Blumenpflege bei Schulkindern so zugenommen, daß im Jahre 1903 78 Schulen mit Pflanzen bedacht werden konnten, gegen 65 im Vorjahr. Verteilt wurden 20000 Pflanzen. Allgemein wird anerkannt, wie veredelnd die Blumenpflege auf das Gemüt wirken kann. In Berlin ist die Schul-Blumenpflege aber auch längst aus dem Rahmen einer bloßen Wohl- täti'gkeitseinrichtung herausgewachsen und hat sich zu einem planmäßig betriebenen Unterrichts gegenstand ausgebildet, indem im Anschluß an den botanischen Unterricht die Kinder durch praktische Anleitungen und unterrichtliche Beleh rungen mit der Blumenzucht vertraut gemacht werden. Und wie die Kinder sich die Lernmittel zu anderen Unterrichtsgegenständen selbstbeschaffen, so schaffen sie sich auch die Blumenstecklinge für eigenes Geld an, während sie dieselben anfangs unentgeltlich erhielten; die Schule vermittelt nur die Beschaffung. In dem erworbenen Besitz liegt sicher ein höherer sittlicher Wert als im geschenkten. 5. Friedhofsgärtnerei. Die Liebe des deutschen Volkes zu den Blumen spricht sich namentlich auch durch den sinnigen, oft reichen Schmuck der Gräber aus. Während des ganzen Sommers ist man darauf bedacht, für Erneuerung der Blumen zu sorgen und selbst im Winter sucht man durch Aufstellen immergrüner Pflanzen oder Niederlegung haltbarer Kränze aus Rentier flechten, Koniferengrün und Zapfen usw. eineu dauernden Schmuck zu erhalten. Die Friedhöfe selbst sind meist im regel mäßigen Stile angelegt, was sich oft aus ihrem Alter erklärt. Derartige landschaftlich gehaltene Friedhöfe, wie sie zuerst Cincinnati durch unsern Landsmann Strauch erhielt, finden sich bis jetzt nur wenige. Allen voran steht in der Beziehung der von Cordes angelegte Hamburger Zentral friedhof zu Ohlsdorf bei Hamburg, aber in neuester Zeit bricht sich die Ansicht, daß durch landschaftliche Schönheit die ernste Stätte des Todes nicht entweiht, sondern im Gegenteil mehr gehoben werde, immer mehr Bahn. Daher finden wir mehrere neuere Friedhöfe auch bereits im landschaftlichen Stil. 6. Kunst- und Handelsgärstnerei. Die Kunst- und Handelsgärtnerei umfaßt den größten Teil aller Gärtnereien. Sie sorgt für den Be darf au Topfpflanzen, abgeschnittenen Blumen, Bindegrün usw. In Bezug auf abgeschnittene Blumen und Bindegrün hat sie seit Jahren in manchen Gegenden einen schweren Kampf zu bestehen, gegenüber dem massenhaften Import aus klimatisch günstiger belegenen (Gegenden, namentlich der sog. Riviera, dem Küstenstrich am Busen von Genua. Wie in Amerika, so ist auch in Deutschland der Bedarf an Topfpflanzen verhältnismäßig geringer als der an abgeschuittenen Blumen. In den oft durch dunkle Vorhänge des Hellen Lichtes beraubten Zimmern wollen Pflanzen nicht gut gedeihen, daher gibt man in'manchen Familien die Topfpflanzenzucht auf Blumen tischen usw. auf. Einen Ersatz für den Ausfall finden aber die Gärtner in dem außerordent lichen Bedarf von Pflanzen für die Balkons, die Loggien rc. und andererseits für den Garten des Liebhabers, endlich auch in dem für die Friedhöfe. Im allgemeinen hat, ähnlich wie in den Vereinigten Staaten eine große Teilung der Arbeit Platz gegriffen. Blanche Städte haben seit alters her ihre Spezialitäten, so Dresden seine Azaleen und Rhododendron, Erfurt, Quedlinburg und Halberstadt ihre Annuellen und ihr Gemüse, Leipzig, Leisnig, Altenburg, Hamburg-Wandsbek ihre Palmen und Farne, Berlin seine Blattpflanzen und seine O^oiumsv und neuerdings Orchideen. Besonders intensiv ist die Gärtnerei im Königreich Sachsen. Im Jahre 1900/1901 zählte man daselbst 2691 ge werbsmäßige Gärtnereibetriebe (exkl. Bindereien, aber inkl. Landschaftsgärtnerei), 112 Ritterguts gärtnereien, 380 Park- und Privatgärtnereien, zusammen mit 380 Beamten (Direktoren, In spektoren, Obergärtnern) und 11021 Gehilfen und Arbeitern sowie Arbeiterinnen. Als Hauptgegenden des Gartenbaues können im Königreich Sachsen bezeichnet werden: 1. das ganze Elbtal, von Pirna bis Meißen, besonders die Umgegend von Dresden, 2. die Umgegend von Leipzig, 3. die Umgegend von Zittau. Als Zentrum der Kultur von Moorbeetpflanzen, Azaleen, Rhododendron, Erika ist jetzt Lanbegast bei Dresden zu nennen. Auch in Leipzig werden diese mit Erfolg kultiviert, hier aber finden sich