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Obstzüchter für unsere Vermittelungsstelle zu interessieren. Wir sind im Februar, wo die Arbeit auf dem Lande noch ruht, mit Flugschrift und Unterweisung an alle landwirtschaftlichen Vereine im Königreiche herangetreten; wir haben die Besitzer von Obstgärten gebeten, ihre Früchte selbst zu ernten und sie der Bermittelungsstelle anzubieten und nicht, wie immer noch üblich, das Obst auf den Bäumen zu verpachten rc., wir haben auf den erhöhten Obstbedarf, auf die Vorteile einer guten Verpackung und die eines sorg fältigen Sortierens hingewiesen rc. Leider aber war der Erfolg dieses kleinen Winterfeldzuges gleich Null; die Angebote mehrten sich nicht und wir mußten von vornherein sürchten, daß wir wiederum vielen Obstnachfragen nicht würden gerecht werden können. Inwieweit unfere Befürchtungen eingetroffen sind, mögen nachfolgende Zahlen beweisen. Angeboten wurden folgende Mengen: 28275 Äpfel, 1742 „ Birnen, 8050 „ Johannisbeeren, 5440 „ Himbeeren, 50 „ Quitten, 950 „ Kirschen, 23675 „ Pflaumen, 13150 „ Erdbeeren, 5585 „ Stachelbeeren, Amareüen und Heidelbeeren ohne Gewichtsangabe. Angeboten wurden auch ca. 7000 kA Steinpilze, die ich indessen, als nicht geeignet für die Ver mittelungsstelle, ablehnte. Die angebotene Obstmenge belief sich somit auf 86917 KZ. Ganz anders lauten die Zahlen der Obst nachfrage. Es wurden folgende Mengen zu kaufen gesucht: 777367 KZ Äpfel, 39150 „ Birnen, 9757 „ Johannisbeeren, 5200 „ Himbeeren, 4300 „ reife l Nss„„m«.n 500000 „ halbreifes -PO-uimen, 8610 „ Erdbeeren, 6000 „ unreife und reife Stachelbeeren. Pfirsiche, Aprikosen und Kirschen ohne jede Gewichtsangabe. Die Nachfrage, soweit überhaupt bestimmte Gewichtsmengen genannt wurden, belief sich so mit auf 1350 384 d. h. das Angebot macht noch nicht einmal des gefragten Quantums aus. Wir stehen hier vor einem Mißverhältnisse, das für die Dauer nicht be stehen bleiben darf. Wir ziehen wohl in Be tracht, daß das Obstangebot von der Ernte ab hängig ist und daß in schlechten Obstjahren ein noch größeres Mißverhältnis stattfinden kann. Eine Mißernte kommt aber im Jahre 1903 nicht in Betracht; denn einzelne Obstsorten haben so gar einen reichen Ertrag ergeben und dieser hätte das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage viel günstiger gestalten können. Allerdings haben unglückliche Umstände mancherlei Art die ungünstige Lage noch ver schlimmert. So wurden uns z. B. von einigen Gemeinden 650 Zentner Äpfel angeboten, die Anmeldung aber Ende September mit der Be merkung zurückgezogen, daß die Stürme das Obst nicht nur gänzlich abgeschüttelt, sondern die reich behangenen Bäume auch vieler Äste beraubt hätten. Es ist anzunehmen, daß die Herbststürme auch an vielen anderen Orten gute Ernten ver nichtet haben. Das geringe Obstangebot erschwert natur gemäß die Arbeit der Vermittelungsstelle recht bedeutend. Wir haben Kunden, die alljährlich große Quantitäten Obst bei uns suchen, 100000 k§ Mostobst und noch größere Mengen. Wir wollen vorläufig gar nicht damit rechnen, daß diese Konsumenten das ganze Quantum durch uns beziehen können, ein nennenswerter Teil müßte aber durch die Vermittelungsstelle beschafft werden können, damit solche Mengen Obst nicht aus dem Auslande bezogen werden brauchen. Wir sragen uns nun, ob die früher aus gesprochenen Befürchtungen: „Sachsen habe nicht genug Obst" gerechtfertigt sind, oder ob unsere Obstzüchter in der glücklichen Lage sind, ihre Produkte ohne unsere Vermittelung schnell und gut abzusetzen. Soweit mir die Verhältnisse unseres engeren Vaterlandes bekannt sind, trifft beides nicht zu. Auf dem Lande gibt es noch viel Obst. Ich will nicht behaupten, daß der größte Teil davon Tafelobst sei, soweit sind wir leider noch nicht, aber Mostobst wäre dort in Massen zu beschaffen und daneben beträchtliche Mengen von gutem Wirtschafts- und Kochobst. (Ich will nur kurz erwähnen, daß auch in diesem Jahre wieder eine große Anzahl Lowrys Most äpfel aus Sachsen ausgeführt wurden und das ein einzelner Obstpächter aus einem gar nicht großen Bezirke über 700 Zentner Obst von ge pachteten Bäumen — nicht Straßenbäumen — geerntet und nach Leipzig per Bahn gesandt hat.) Würde uns das Landobst, das wegen Zeitmangel, ungenügender Zeiteinteilung oder wegen Unkenntnis zu spät oder gar nicht ab genommen wird, oder in Massen von den Bäumen fällt, im guten Zustande zur Verfügung gestellt, so würden wir sicher Abnehmer finden, und einen leidlichen Preis erzielen; ist es zum Roh genuß nicht geeignet, so wäre es doch im Haus halt als Koch- oder Musobst gut zu verwenden, und dieses Obst wird neben Mostobst am meisten begehrt. Der Absatz, den das Landobst jetzt vielfach findet, ist ein sehr trauriger. Nur Gegenden mit vielen Obstbäumen werden von