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bestem Pflanzmaterial zu halten, und damit stoßen wir auf die hochwichtige Frage: Was sollen wir pflanzen, um den Obstbau rentabel zu gestalten? Leicht ist die Beant wortung keineswegs. Es handelt sich dabei zunächst darum, Entschluß zu fassen über die zu wählende Obstart und dann über die geeigneten Sorten. Boden, Klima und Marktverhältnisse müssen den Ausschlag geben bei der Entscheidung. Süßkirschen z. B. tragen zeitig und lohnen meist gut, gedeihen aber nur in freier Lage auf festem, trockenem, kalkhaltigem Boden. Da, wo hoher Grundwasserstand vorhanden ist, gehen sie aber unfehlbar bald zurück und ganz ein. Auch Birnen vertragen im allgemeinen weniger Nässe, während einzelne Apfelsorten gegen solche ziem lich unempfindlich sind. Die besonderen Ansprüche einzelner Arten und Sorten hier anzuführen, verbietet der eng- begrenzte Raum, ich muß mich auf allgemeine Regeln beschränken. Soll der Obstbau sich rentabel gestalten, dann muß der Obstbauer Geschäftsmann sein. Als solcher hat er die Wünsche des Publikums, die Markt- und Absatz verhältnisse genau zu befolgen und zu beobachten, alle persönlichen Liebhabereien treten in den Hintergrund. Solchen kann man im Gärtchen, da wo es sich um den eigenen Bedarf handelt, frönen, nicht aber, sobald es sich darum handelt, möglichst vorteilhaft zu verkaufen. Nahe an einer großen Stadt oder besuchtem Badeort lohnt meist Frühobst gut und da lassen sich auch die weichen Sorten noch leicht verwerten. Weit vom Markt muß das Augenmerk auf gut trans portable Ware gerichtet sein, welche lange Zeit genußfähig bleibt. Williams Christ- und Gellerts Butterbirne z. B. gehören zu den herrlichsten Früchten, die man sich denken kann, aber sie reifen im Herbst mit so vielen andern zusammen und sind kaum acht Tage lang genußreif. Trotz dem werden wir beide zu hohen Preisen ver werten können, wenn wir in der Nähe Abnehmer haben, die ihren Wert zu schätzen wissen. Gold parmänen, Alantapsel, Winter-Taffet-Apfel und andere zu allen Zwecken geeignete Sorten haben eine Gebrauchsdauer von nahezu sechs Monaten, andere reifen erst im Frühjahr, wenn der Markt fast von Obst entblößt ist. Das ist Handels ware, die nicht in wenig Tagen zu jedem Preis losgeschlagen werden muß, sondern mit der man die Konjunktur ausnutzen kann. Die freundlichen Leser dieser Zeilen werden nun wohl erwarten, daß ich hier eine lange Liste der für jede Bodenart und Lage geeigneten Sorten aufstelle, da muß ich aber bitten, mich zu entschuldigen, das tue ich grundsätzlich nicht, weil das Sache der Lokalpomologen ist. Im Königreich Sachsen sind Landes- und Bezirkssortimente auf Grund jahrzehntelanger Be obachtungen für jede einzelne Lage und die ver schiedenartigsten Verhältnisse mit größter Sorg falt von den tüchtigsten Fachleuten aufgestellt, an die halte man sich und suche das Passende heraus. Nur eins sei mir gestattet zu bemerken: In den Preislisten und Sortimenten findet sich öfters die Bezeichnung „Guter Mus-, Kuchen-, Dörr- oder Mostapfel". Mich kann eine der artige Empfehlung geradezu erbosen, denn ich möchte behaupten, daß, genügende Ernährung und entsprechende Pflege vorausgesetzt, die guten für alle Zwecke geeigneten Markt- oder, wie man sich lieber gewählter ausdrückt, „Tafeläpfel" in der Regel gerade so reichlich tragen wie die Wirtschaftssorten und häufig auch nicht anspruchs voller sind als diese. Wir müssen in Sachsen wie in ganz Nord- und Mitteldeutschland immer zunächst den Rohgenuß beim Obstbau im Auge haben und nebenbei die Herstellung von besserem Kompott. Soviel als wir zum Mosten und Dörren benötigen, liefert uns die zweite und dritte Auslese, warum denn also gleich von vorn herein ganz unnötigerweise aus eine höhere Ver wertung verzichten? Wie oft fällt die Apfel ernte in ganz großen Bezirken nahezu aus, oann kommen die Händler und suchen gute Markt ware zu höchsten Preisen, wohl dem, der dann aus einem großen Haufen schöne, ausgewachsene, in Form und Färbung tadellose Früchte auslesen kann, er wird auch bei weitem Versand noch ein glänzendes Geschäft machen. Unbedingt notwendig ist es, in den Obstbau vereinen darauf hinzuwirken, daß in einzelnen Bezirken größere Mengen von einer Sorte an gebaut werden, das lockt dann später die Käufer an und ermöglicht es diesen, hohe Preise an zulegen. Ist eine Pflege rühmlich bekannt durch ihre Gravensteiner, Parmänen oder Kanada- Renetten, dann weiß der Geschäftsmann schon von vornherein, wohin er sich zu wenden hat, er braucht nicht mehr nach einer besonderen Sorte auf die Suche zu gehen und das erleichtert den Handel ungemein. Bei der Auswahl dieser Spezialitäten müssen natürlich die örtlichen Ver hältnisse vor allen Dingen berücksichtigt und dürfen gute, bewahrte Lokalsorten nicht aus Kosten noch unbekannter Neuheiten znrückgestellt werden. Eins aber ist jedenfalls immer zu beobachten. Die Bäume, welche wir jetzt pflanzen, werden draußen im Freien erst nach zwanzig Jahren nennenswerte, nach dreißig bis fünfzig Jahren erst Vollernten geben, wir müssen demnach mit dem Geschmack rechnen, welche die haben werden, welche heute noch nicht geboren sind! Leicht ist das nicht und hie und da wird es uns auch bei der größten Vorsicht nicht gelingen, das Richtige zu treffen, aber dessen können wir auf alle Fälle sicher sein, zu gut werden unsere Nachkommen das nicht finden, was wir ihnen hinterlassen.