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158 Jod hinzu, so sieht man ganz deutlich, wie in den Chlorophyll körnern eine Blaufärbung ein tritt, ein Zeichen, daß dort Stärke gebildet worden ist (es bildet sich Jodstärke, die blau aussieht). Stellt man denselben Versuch aber am frühen Morgen an, so findet eine Blaufärbung in den Chloro phyllkörnern nicht statt, es ist also in diesen keine Stärke mehr vor handen. Während der Nacht ist die Stärke aus den Blättern in die Stengel, Äste, den Stamm, die Wurzeln, die Früchte u. s. w. gewandert, wo sie entweder als Stärke abgelagert oder in andere Stoffe umgewandelt wird. Die Wanderung der Stärke, die in ihre Spaltöffnungen Sauerstoff aus der Luft aufnehmen, in den Jntercellularräumen zu den Zellen des Blattinnern hinleiten und die daselbst gebildete Kohlensäure auf demselben Wege an die Luft ab geben. Die Atmung der Blätter ist aber nur in der Dunkelheit wahrzunehmen. Am Tage wird sie durch einen anderen Vorgang gewissermaßen verdeckt, bei dem das Blatt an die Luft nicht wie bei der Atmung Kohlensäure, sondern Sauerstoff abgiebt. Unter dem Einflüsse der Sonnenbeleuch verzuckernden Diastase besitzt, in eine Art Zucker (Glukose) umgewandelt wird. Der so gebildete Zucker löst sich in dem Safte des Baumes und tritt nun auf dem Wege der Osmose, von der bereits oben die Rede war, durch die Zellwand in die nächste Zelle über; dort findet eine Rückbildung des Zuckers zu Stärke statt, worauf wiederum Umwandlung in Zucker und Übertritt desselben in die nächste Zelle erfolgt. Die Wanderung der Stärke ist demnach ein fortgesetzter Wechsel zwischen Verzuckerung der Stärke ° und Rück- hildung des Zuckers zur Stärke; sie macht es uns auch erklärlich, daß wir Stärke in den nicht grünen Pflanzenteilen vorfinden. Während so die Stärke ihren Ablagerungs plätzen, z. B. auch den fleischigen Teilen der Früchte, dem Endosperm des Samens, den Knospen u. s. w. zuwandert, wird ein Teil der selben in andere Stoffe verwandelt. So ent- Fig. 6. Querschnitt eines jungen Stengels. a Gefäßbündel, d Gefäßteil desselben, o Siebteil desselben, ä Cambium desselben, 6 Mark (Grundgewebe), k künftige Markstrahlen des Holzes (Grundgcwebe), A Rinde, Ii Cambiumring. Nunmehr kennen wir den morphologischen und anatomischen Bau der jungen Pflanze so weit, daß wir seine physiologischen Vorgänge, seine Lebenserscheinungen, soweit sie noch nicht besprochen sind, verstehen können. Alle noch lebensfähigen Pflanzenteile atmen, indem sie Sauerstoff aus der Luft aufnehmen und Kohlensäure abgeben. Wie beim Tiere ist die Atmung eine Oxydation oder Verbrennung kohlenstoffhaltiger Bestandteile, deren Endprodukt die Kohlensäure ist. Keimende Samen, sich ent faltende Knospen, Blüten, überhaupt Pflanzen teile, die in rascher Entwickelung begriffen sind, atmen lebhaft und erzeugen dabei Wärme, die unter geeigneten Maßnahmen gemessen werden kann. In der Kälte ist die Atmung am ge ringsten, ja sie kann ganz aufhören und das Absterben der Pflanze zur Folge haben. Je höher die Temperatur steigt, um so lebhafter wird auch die Atmungsthätigkeit. Auch die Blätter atmen, indem sie durch dem die Gefäßbündel umgebenden Grundgewebe vor sich geht, kommt dadurch zustande, daß die Stärke durch ähnliche Stoffe, wie sie die keimende Gerste in ihrer stärke und dabei der für die Atmung wie überhaupt für jede Verbrennung oder Oxydation so wichtige Sauerstoff an die Luft abgegeben. Am Tage nun ist die Assimilation der Blätter stärker als die Atmung; die bei der Atmung der Blätter entstehende Kohlensäure wird ohne weiteres bei der Assimilation wieder verwendet und so resul tiert am Tage die Sauerstoffabgabe. In der Nacht jedoch hört die Assimilation, die an die Gegenwart des Lichtes gebunden ist, auf, es be steht daher nur die Atmung, bei der das End resultat die Kohlensäureabgabe ist. Welches Schicksal hat nun die in den Blättern gebildete Stärke, die wir den Baustein für alle Pflanzenteile nannten. Legt man während des Tages einen dünnen Schnitt von einem Blatte unter das Mikroskop und giebt einen Tropfen tung nämlich zerlegen die grünen Chlorophyllkörner des Grundgewebes die durch die Spaltöffnungen aufgenommene Kohlensäure, die in der Luft in einer Menge von 0,04 °/o ent halten ist, und bereiten daraus unter Zuhilfe nahme von Wasser die Stärke, die den Baustein für alle Bestandteile des Baumes abgiebt. Bei diesem Vorgänge der Stärkebildung, den man auch Assimilation nennt, behalten die Chlorophyll körner von der Kohlensäure den Kohlenstoff zurück und geben den Sauerstoff an die Luft ab (Kohlen säure — Kohlenstoff -p Sauerstoff). Wenn unsere Pflanzen nicht assimilierten, so würde auf der Welt die Kohlensäure, die doch bei jeder Ver brennung in den Öfen, bei jeder Verwesung organischer Stoffe, bei der Atmung von Mensch, Tier und Pflanze, bei der Gärung, bei dem Kalkbrennen u. s. w. in großen Mengen gebildet wird, so sehr sich anhäusen, daß schließlich kein Wesen mehr leben könnte. Durch die Assimilation wird die Kohlensäure immer wieder ausgenommen, in feste, organische Masse (Stärke) übergeführt