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Zustande unterscheidet sich die Blütenanlage von der eines Laubsprosses äußerlich keineswegs, und erst später kommt es zur Ausbildung der Blüte, wie sie ihre Bestimmung erfordert. Das Wichtigste an der Blüte sind die männlichen Befruchtungs organe, die Staubgefäße mit dem Blütenstaub oder den Pollenkörnern, und die weiblichen Fort pflanzungsorgane, der Fruchtknoten mit den Samenknospen. Staubgefäße und Fruchtknoten sind bei unseren Obstbäumen zu einer Blüte ver einigt, die noch von einer Hülle, den Blüten blättern, umgeben ist. Die äußeren Blütenblätter bilden den grünen Kelch, die inneren die bunt farbige Blumenkrone. Der grüne Kelch aber ist mit der Blütenachse zu einer Art Schüssel oder einem Podium verschmolzen, auf desfen Rande die Blumenkrone und Staubgefäße stehen, während der Fruchtknoten die mehr oder weniger vertiefte Mitte einnimmt. Das weibliche Blütenorgan, der Fruchtknoten (Fig. l), den die Kirsche und Pflaumen nur in der Einzahl, der Apfel und die Birne aber in der Zwei- und Dreizahl aufweisen, ist ein Behälter, in dem sich die Samenknospen aus bilden; auf seiner Spitze trägt er den Empfäugnis- apparat, den Griffel mit der Narbe. Die Samen knospe, auch Knospenkeru genannt, ist ein kleiner gestielter Körper, der von Hüllen umgeben ist. An seiner Spitze lassen diese Hüllen eine kleine Öffnung, die Mikropyle durch die bei der Be fruchtung der Pollenschlauch eintritt. Indem sich eine Zelle der Samenknospe stark ausdehnt, bildet sie den Embrhosack, in dem drei hautlose Zellen zur Entwickelung kommen. Eine derselben ist die Eizelle, aus .der später nach der Be fruchtung der Embryo oder Keim hervorgeht. Die beiden anderen Zellen, Gehilfinnen oder Synergiden genannt, scheinen den Pollenschlauch in die richtige Bahn zu lenken. Was die männlichen Besruchtungsorgane an betrifft, so finden wir an einem Staubgefäß einen fadenförmigen Teil, den Staubfaden, und einen Pollenbehälter, die Anthere. Letztere besteht aus mehreren Säcken, in denen der Blütenstaub oder Pollen entsteht. Ein einzelnes Pollenkorn stellt in reifem Zustande eine mehr oder weniger ge rundete Zelle dar, die von einer mit winzig kleinen Stacheln, Warzen oder Leisten bedeckten Haut umgeben ist. Die Befruchtung unserer Obstblüten wird nun dadurch eingeleitet, daß aus den aufgesprungenen Antheren der Blütenstaub frei und auf andere Blüten übertragen wird. Die Selbstbefruchtung, d. h. die Übertragung des Blütenstaubes auf die Narbe derselben Blüte ist bei unseren Obstbäumen dadurch ausgeschlossen, daß die weiblichen Be fruchtungsorgane höher als die Staubgefäße sind und beide nicht zu gleicher Zeit reifen. Die Auf gabe der Übertragung des Pollens von einer Blüte zur anderen füllt bei den Obstbäumen nicht dem Winde, sondern den Insekten zn, und hat die Natur behufs Anlockung der Insekten nicht nur die Blumenkrone auffallend bunt gefärbt, sondern den Blüten auch kleine Drüsen, sog. Nektarien, beigegeben, die einen von den Insekten sehr ge suchten süßen Saft, den Blütenhonig oder Nektar, ausscheiden. Ein hervorragender Anteil an dem Befrnchtungswerke kommt den Bienen zu. Das auf die feuchte Narbe gelangte Pollenkorn keimt aus (Figur 1) und treibt einen langen Schlauch durch den Griffel hinab in den Fruchtknoten; dort dringt derselbe durch die oben erwähnte kleine Öffnung, die Mikropyle, in die Samenknospe ein, legt sich dem Embrhosack fest an und entläßt einige Zellkerne, von denen einer in die Eizelle übertritt und mit ihr verschmilzt. Nunmehr ist die Befruchtung vollendet und die Eizelle beginnt, durch vielfache Zellteilung sich zum Embryo aus zubilden. Währenddessen füllt sich aber der übrige Raum des Embryosackes mit einem Ge webe, dem Endosperm, in dem bis zur Samen reife Nährstoffe für das später bei der Keimung aus dem Samen hervorgehende Keimpflänzchen abgelagert werden. Bei der Apfel- und Birnenblüte bildet sich nun aus der Eizelle der Embryo oder Keim, aus den Hüllen der Samenknospe die Samenschale, aus der gesamten Samenknospe also der Same und aus den mehrfachen Fruchtknoten durch Verwachsen das Samengehäuse. Während aber die Fruchtknoten zum Kerngehäuse zusammen wachsen, verwachsen sie gleichzeitig mit dem aus Kelch und Blütenachse gebildeten Podium, das bei fortschreitender Reife zum Fleische des Apfels und der Birne wird. Solche Früchte, bei denen sich noch andere Teile als der Fruchtknoten an der Fruchtbildung beteiligen, nennt man Schein früchte. Etwas anders liegt die Sache bei den Kirschen und Pflaumen insofern, als sich bei diesen die Blütenachse und der Kelch an der Fruchtbildung nicht beteiligen. Letztere fallen vielmehr vor der Reife der Frucht ab. Die Frucht wird hier lediglich durch den einzigen Fruchtknoten gebildet. Auch bei diesen sogenannten Steinfrüchten giebt die Samenknospe den Samen, indem die Eizelle zum Embryo oder zur Keimanlage und die Hüllen der Samenknospe zur Samenschale werden. Das den Samen anliegende übrige Gewebe des Frucht knotens bildet das harte Gehäuse, während der äußere Teil des Fruchtknotens fleischig wird. Wir haben es demnach hier nicht mit einer Scheinfrucht zu thun. Wie aus vorstehenden Erörterungen ersichtlich, besteht der Same, d. h. die infolge Befruchtung herangewachsene und gereifte Samenknospe, aus der Samenschale, dem Embryo und dem Endo sperm. An dem Embryo lassen sich alle Teile der zukünftigen Pflanze, ein Würzelchen, eine