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den bescheidensten Verhältnissen gegründeten sächsischen Militär-Lebensversicherungsvereins von dem ungeahnten Aufschwung des kameradschaftlichen Instituts Kenntniß nehmen, für welches bekanntlich Se. Majestät der König das lebhafteste Interesse bekundet. Die Ergebnisse des trefflich geleiteten, mit einem Vermögen von circa 600,000 Mark ausgestatteten Vereins zeugen nach dem soeben er schienen Bericht auf das Geschäftsjahr 1893 allenthalben von Fortschritt, Wachsthum und gesunden Verhältnissen. In weitgehendster Weise ist von ihm die Aufgabe erfüllt worden, daS Volkswohl zu fördern und der Noth zu steuern. Im verflossenen Jahre schieden 201 Mitglieder durch den Tod aus und das fällig gewordene Capital ge langte in Höhe von 58,284 Mark zur Auszahlung. Bei einen Mitgliederbestand von 22,209 Personen mit 5,257,791 Mark Versicherungssumme ergab sich für 1893 ein Ueber- schuß der Einnahme von 103,165 Mark ein in Höhe von 13,860 Mk. erzielter, auf die einzelnen Reservecon ten vertheilter Reingewinn, so daß den Versicherten we sentlich erhöhte Dividenden gewährt werden konnten. Nicht weniger wie 205 sächsische Militärvereine haben bisher das segensreiche Wirken des Instituts voll unerkannt und durch ihren Beitritt zum Verein gewürdigt. Es er hellt hieraus, daß sich auch der ärmste Kamerad be theiligen und für den Todesfall seinen Angehörigen noch einen Nothpfennig sichern kann. Um die Entwickelung des blühenden Vereins, an dessen Spitze der vor einiger Zeit von dem Landesherrn besonders ausgezeichnete Hauptsteueramtsassistent H. Richter steht, haben sich neben der Verwaltung die in allen Theilen Sachsens wirksamen Obmänner verdient gemacht. Dresden. Das Bild, welches sich den Besuchern der Internationalen Ausstellung für Nahrungsmittel, Volksernährung mit Massenspeisungen rc. bieten wird, vervollständigt sich immer mehrj da namentlich in den letzten Tagen eine große Anzahl Anmeldungen eingegangen sind. Das ganze Unternehmen wird demnach ein glän zendes werden und der sächsischen Residenz zur Ehre gereichen. Eines der interessantesten und in Deutschland überhaupt noch nicht gezeigten Objecte wird ein Kallon oaxtik sein, dessen Aufstieg mit Passagieren nur noch von der Genehmigung der Polizeidirection abhängt. Die Be schaffung dieses Ballons war natürlich mit ganz bedeu tenden Schwierigkeiten verknüpft. Die Besucher werden sich also die Ausstellung, sowie das dieselbe umgebende herrliche Elbgelände auch aus der Vogelschau betrachten können. Für die Jägerwelt dürfte es besonders interessant sein, daß auch ein Thontaubenschietzen veranstaltet werden soll. Dieser Sport erfreut sich bekanntlich bei geübten Schützen einer sehr großen Beliebtheit und dürfte daher eine große Anziehungskraft ausüben. Ein imposantes Bild wird die Maschinengruppe ergeben, da hierzu ganz besonders zahlreiche Anmeldungen eingegangen sind. Be reits jetzt hat man mit der Mauerung der hierzu erforderlichen Fundamente begonnen. Da der volle Er trag für wohlthätige Zwecke bestimmt ist, so kann man nur wünschen, daß das Unternehmen auch von behörd licher Seite die nöthige Unterstützung finden möge. Dresden erhält ein neues Cafee neuesten Stils. Die Erbauerin ist in diesem Falle die Generaldirektio» der sächsischen Staatsbahnen, welche das Etablissement anläßlich der Bahnhofs-Veränderungen an der Strehlener und Pragerstraße erstehen lassen wird. Das Caffee erhält eine prächtige und durchaus großstädtische Ausstattung. — Im Königreich Sachsen giebt es zur Zeit 1208 Kriegervereine, welche 134 429 wirkliche und 3178 Ehren mitglieder zählen. Sie besitzen zusammen ein Vermögen von 1895 905 Mark und haben seither insgesammt über 5 Mill, an Unterstützungen vertheilt. — Der 2000 Mitglieder zählende Sächsische Rad fahrerbund hat als offiziellen Gruß den Ruf: „Heil Sachsen!" eingeführt. — Die Dresdner Fleischergesellen hielten im „Eldorado" eine ihrer Jahresversammlungen ab, bei wel cher der Zutritt von Sozialdemokraten streng verboten war. Die Versammlung nahm einen durchaus würdigen Verlauf. Es wurde vor den sozialistischen Agitatoren ge- warnt, die nur darauf ausgingen, Unfrieden zu säen; sie wollten mit ihren Meistern Hand in Hand gehen und das gemeinsame Band zwischen ihnen nicht zerreißen. Wer auf Hilfe der sozialistischen Brüder rechne, der könne war ten bis zum jüngsten Tage. Die Dresdner Gesellen wollen Front machen gegen die Bestrebungen dieser Leute und gründeten eine Vereinigung unter dem Namen: „Dresdner Fleischergesellen-Brüderschaft." — Eine Petition an den BundeSrath, Reichstag und die sächsische Regierung betr. „Abwehr-Maßregeln gegen die Socialdemokratie, Aenderung des Preßgesetzes und der Gewerbeordnung" ist vom conservativen Verein zu Dresden ausgearbeitet worden und soll demnächst öffentlich ausgelegt werden, um recht zahlreiche Unterschriften zu gewinnen. Der Inhalt dieser Schrift legt auf das Ein dringlichste die jetzt herrschenden Mißstände, die dreiste Verhöhnung von Religion, Monarchie und Staatsgewalt und die unzureichende Gesetzgebung, diesem Gebühren wirk sam zu steuern, dar. Jngleichen wendet sie sich gegen diejenigen schädigenden Bestimmungen der Gewerbeordnung welche den soliden Geschäftsbetrieb, den Gewerds- und Handelsstand seinem Ruin entgegenführen. Ferner werden gesetzliche Bestimmungen zum Schutz gegen Boykotts und Verrufserklärungen, gegen die Aufreizung der Bevölkerung zum Klassenhaß und andere Mißstände verlangt, sowie die im Preßgesetz vorhandenen Lücken und Hinterthüren, z. B. daß die Bestrafung wegen Preßunfugs selten die wirklich Schuldigen, sondern meistens einen Strohmann, den sogen. „Sitzredakteur", trifft, als dringende Nothwen- digkett darstellt. Unter den Forderungen zum Schutz des Gewerbes sind besonders betont: 1) die Verbesserung des Lehrlings- und Gehilfenwesens, 2) die Einführung eines Befähigungsnachweises, 3) Einschränkung des Bauschwin dels namentlich in den großen Städten, wodurch von Unternehmern viele wenig bemittelte Leute ruinirt werden, st) Einschreiten gegen maskirte Firmen und den unlauteren Wettbetrieb, 5) Einschränkung des Hausirhandels der Waaren - Auctionen und Beseitigung der Schwindel - Aus verkäufe, 6) thunlichste Beschränkung des Consumvereins- unwesens als einer der schwersten Schädigungen des seßhaften Handels und Gewerbes. Es ist unzweifelhaft, daß diese Petition auch in unserem Kreise Unterschriften finden wird. — Eine in der Partei-Organisation der Socialdemo kratie tief eingreifende Entscheidung ist soeben gefällt wor den. Die Polizeibehörde in Chemnitz hat den Nachweis angetreten, daß die Organisation der Socialdemokraten als eine Vereinigung von Personen, die sich unter Leitung eines Vertrauensmannes mit öffentlichen Angelegenheiten gemeinsam in sogenannten öffentlichen Versammlungen be schäftigen, den Vertrauensmann, Rechnungsrevisoren, Com missionen, Delegirte wählen, sich von ihnen Bericht erstatten lassen, über Ausschluß und Wiederaufnahme von Zuge- hörigen Beschlüsse fassen und zu einer Kasse steuern, über welche der Vertrauensmann Rechnung ablegt, als ein Verein im Sinne des sächsischen Vereinsgesetzes anzusehen fei. Nach Z 19 dieses Gesetzes aber hat jeder Verein, dessen Zweck sich auf öffentliche Angelegenheiten bezieht, Statuten zu entwerfen, die gewählten Beamten der Poli zeibehörde schriftlich anzuzeigen und ihr alle auf den Verein bezügliche Auskunft auf Verlangen zu ertheilen. Mit anderen Vereinen darf er sich nicht in Verbindung setzen. Darauf hin hat die Chemnitzer Behörde, zunächst ohne Strafandrohung, später unter Androhung einer Geldstrafe von 100 Mark oder entsprechender Haftstrafe, dem Ver trauensmann aufgegeben, das Statut und Mitgliederver- zeichniß des von ihm geleiteten Vereins einzureichen. Der Vertrauensmann verweigerte dies und legte Recurs ein, ist jedoch mit seinem Rechtsmittel von der vorgesetzten Verwaltungsbehörde, der königl. Kreishauptmannschaft in Zwickau, abgewiesen worden. Somit ist die erfolgte Aus legung des Vereinsgesetzes bestätigt worden. Die Sozial demokraten berufen sich darauf, daß eine „feste" Organi sation ihrer Partei nicht bestehe, und finden, daß das Verlangen nach Erreichung einer Mitgliederliste und der Statuten gleichbedeutend sei mit dem Verbot aller Partei versammlungen, Auflösung aller Commissionen und Unter drückung der ganzen Agitation der Partei. In der That ist auch bereits die Versammlung, in welcher der Vertrauens mann über die Angelegenheit Bericht erstatten wollte, verboten worden. Da das Ministerium des Innern, an welches sich die Sozialdemokraten nunmehr wenden werden, wahrscheinlich der von der Chemnitzer Polizeibehörde be schlossenen Auslegung und Anwendung unseres Vereins gesetzes vom 22. November 1850 ebenfalls beipflichtcn wird, so wird deren Verfahren voraussichtlich auf ganz Sachsen augeweudet und damit gezeigt werden, daß man gewillt ist, die bestehende Gesetzgebung auch der Sozial demokratie gegenüber voll zur Anwendung zu bringen. Die Sozialdemokraten werden natürlich versuchen, sich auf die neuen Verhältnisse in ihrer Weise „einzurichten". — Ueber das Parteileben in Sachsen läßt sich der conservative „Reichsbote" schreiben: „Wir haben immer und einzig unsere sächsischen Parteigenossen gegen unbe rechtigte und übertriebene Vorwürfe in Schutz genommen; aber die wahrhaft klassische Unthätigkeit, der sie seit einigen Monaten verfallen sind, darf nicht beschönigt werden. Wenn man nichts oder so gut wie nichts thut, um das Volk zu gewinnen und zu erhalten, so darf man sich nicht wundern, wenn andere Leute, die thatkräftiger und ent schiedener sind, die Erbschaft antreten. Sachsen hatte 1890 noch 10 deutschconservative Abgeordnete; jetzt sind's noch 4; und es ist ein offenes Geheimniß, daß der eine Wahlkreis, wenn nicht ein Wechsel in der Person erfolgt, höchstwahrscheinlich einer anderen Partei zufallen wird, während zwei andere von den Socialdemokraten ungemein heftig bedroht sind. Liese Aussichten und die immer mehr um sich greifende Agitationsarbeit der antisemitischen Re former im östlichen Sachsen, sollten doch zu energischer Arbeit anregen; aber es scheint fast so, als habe man den Glauben an sich selbst aufgegeben." — Der Ruf der Erzgebirgischen Gewerbe- und In dustrie - Ausstellung in Freiberg verbreitet sich immer mehr und selbst über die Grenzen unseres sächsischen Vater landes hinaus. Am deutlichsten geht dies hervor aus dem starken Besuche, dessen sich die Ausstellung schon in den beiden ersten Wochen nach ihrer Eröffnung zu erfreuen ge habt hat und der sich täglich noch vermehrt. Namentlich Sonntags ist der Andrang zur Ausstellung ein außeror dentlich starker; so wurden am zweiten Sonntage nach der Eröffnung 10,000, am andern über 12,000 Besucher ge zählt. Nach den Urtheilen der bisherigen Besucher bietet aber auch diese Ausstellung so viel des Sehenswerthen, daß jeder Besucher überrascht ist und von ihrem Umfange und ihrer Reichhaltigkeit selbst die hochgehendsten Erwartungen übertroffen werden. Der Ausstellungsplatz, in landschaftlich schönster Lage und mit zahlreichen Bauten ausgestattet, übt namentlich inden Abendstunden durch seine effectvolle elektrische Beleuchtung eine starke Anziehungskraft aus, so daß er bis zu später Nachtzeit von Tausenden von Besuchern belebt wird. Die vielfarbige elektrische Beleuchtung der durch einen Gasmotor in Betrieb gesetzten Wasserkünste wirkt geradezu märchenhaft und erweckt bei allen Zuschauern staunende Bewunderung, und zwar erfolgt diese Beleuchtung abwech selnd unterirdisch durch elektrische Lampen und Gläser oder durch einen großen elektrischen Scheinwerfer von der Gallerie der Maschinenhalle aus. Es ist deshalb den Besuchern der Ausstellung nur anzurathen, ihren Aufenthalt daselbst möglichst noch auf die Abendstunden auszudehnen. — Er wähnt sei noch, daß am 14. und 15, Juli in Verbindung mit der Ausstellung eine vom landwirthschaftlichen Kreis verein in Dresden veranstaltete, sehr reich beschickte Rinder und Ziegenschau stattfindet, die insbesondere in landwirth schaftlichen Kreisen großes Interesse erwecken wird. — Eine wichtige Entscheidung, welche auch vom Reichsgericht inLeipzig bestätigt wurde, ist neuerdings gefällt worden. Ein Fabrikant hatte einen jungen Mann, der bei einem Konkurrenzgeschäft angestellt war, zu einem wesentlich höheren Gehalt, als in letzter Stellung engagiert. Der junge Mann ließ sich auch verleiten, aus seinem bisherigen Geschäfte 2 Zeichnungen wegzunehmen, auf welche sein neuer Chef bedeutenden Werth legte. Durch diese Zeichnungen konnte der Fabrikant ein großes Geschäft machen. Das Landgericht hat nun infolge gemachter An zeige bezüglich des Fabrikanten Anstiftung zum Diebstahl und Hehlerei angenommen und ihn zu drei Monaten und den jungen Mann wegen Diebstahls zu einem Monat Gefängniß verurtheilt. — Dem Postassistenten Großpetzsch in Leipzig, welcher in Alexanderbad die Verhaftung des flüchtigen Postdefraudanten Ullrich veranlaßte, wurde am Donners tag die für die Ergreifung des U. ausgesetzte Belohnung in Höh- von 1500 M. ausgezahlt. Sowohl das Reichs postamt, als Herr Postdirektor Walther nahmen Gelegen heit, Herrn Großpchsch ihre wärmste Anerkennung für sein geschicktes Verhalten auszusprechen. — Ein Dienstmädch m inOelsnitz, das den Hund seiner Herrschaft geneckt hatte, wurde von dem Hunde durch Bisse so schwer verletzt, daß cs nach dem Kranken- stzft Zwickau gebracht werden mußte. — Der stadtrath zu S ch n e e ber g hat unlängst eine Verordnung erlassen, welche besagt, daß jeder Widerstand, welcher dem Schulhausmann bei Durchführung der Schul zucht seitens der Fortbildungsschüler, Schüler oder deren Eltern geleistet werden sollte, nach H 113 des Straf gesetzbuches wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt mit Gefängniß von 14 Tagen bis zu 3 Jahren bestraft werden kann. — Wie nothwendig Vorsicht gegenüber Jnsectenstichen ist, beweist der vor einigen Togen vorgekommene Fall, daß ein Fliegenstich den Tod eines dreijährigen Mädchens in Grimma herbeigeführt hat. Das Kind war am Tage mit auf dem Felde gewesen und begann Abends über eine Anschwellung zu klagen, die infolge eines Stiches über dem Auge eintrat. Trotz schließlich herbeigerufeuer ärztlicher Hilfe starb das Kind. Tagesgeschichte Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm weilt nunmehr mit seiner erlauchten Gemahlin wieder auf norwegischem Boden, um hier, im Anblicke großartiger und stets wech selnder Naturscenerieen, wie schon in früheren Jahren sich von den mannigfachen Anforderungen und Anstrengungen seines Herrscheramtes wieder zu erholen. Die Nachricht, daß die Kaiserin die Norlandsreise ihres hohen Gemahls nur bis Malmö mitmachen werde, erweist sich als unbe gründet, voraussichtlich wird die Kaiserin den Kaiser bis Trondhjem begleiten. Neueren Meldungen zufolge trifft die Kaiserin an Bord des Schulschiffes „Grille" am 20. Juli aus Norwegen wieder in Kiel ein. — Se. Maj. der Kaiser traf mit der Kaiserin an Bord der „Hohenzolleru", welche den Tag über in Odde gelegen, am Sonnabend Abend in Eide ein. Sonntag früh gingen Kaiser und Kaiserin mit Gefolge ans Land, um sich zu Wagen über Vossewangen nach Stahlheim zu begeben. Im Laufe des Tages traf ein Curier ein und Se. Majestät blieb infolgedessen an Bord, um verschiedene Vorträge entgegenzunehmen und Regierungsgeschäfte zu erledigen. Bei der Abendtafel wurde der Geburtstag des Prinzen Eitel Fritz gefeiert. — Fürst Bismarck wird am Donnerstag mit Familie nach Varzin abreisen und vort bis zum Herbst bleiben. Berlin, 9. Juli. Der BundeSrath lehnte den Reichstagsbeschluß, betr. die Aufhebung des Jesuitengesetzes ab und nahm den Antrag Bayerns, betr. die Zulassung der Redemptoristen an. — Die Begnadigung der wegen Spionage vom Reichsgericht zur Festungshaft verurtheilten französischen Marineoffiziere Degony und Delguey seitens deS Kaiser- bildet noch immer das interessanteste Moment deS Tage-. Weich' ein lebhaftes und freudiges Echo der unerwartete Gnadenact des deutschen Herrschers in Frankreich hervor gerufen hat, davon zeugen schier zahllose Meldungen, sie lassen sämmtlich erkennen, daß diese Handlung deS deut- schm Kaisers, namentlich da sie am nationalen Trauertage der Beisetzung Carnots erfolgte, einen ganz gewaltigen Eindruck auf alle Kreise der französischen Nation gemacht hat. Es ist daher nur begreiflich, wenn vielfach die Meinung auftaucht, die großmüthige That Kaiser Wil helms werde sich zum Ausgangspunkte eines neuen freund schaftlicheren Verhältnisses zwischen Deutschland und Frank reich gestalten und die Brücke zur Wiederherstellung besserer Beziehungen zwischen der deutschen und französischen Nation bilden helfen. Gewiß wäre dies eine herrliche Folge des kaiserlichen Gnadenactes, aber der Sinn unserer westlichen Nachbarn ist recht wandelbar, und wenn heute die Begnadigung der beiden genannten Offiziere überall in Frankreich freundlichere Empfindungen gegenüber Deutsch land Hervorgemfen hat, so schließt dies nicht aus, daß vielleicht schon morgen durch ein irgendwie zufälliges Er- eigniß der alte Haß, den die Franzosen seit 1870/71 gegen ihren Besieger im Herzen getragen und oft laut genug bekundet haben, wiederum hervorbricht. Inzwischen sind die Herren Degony und Delguey von Glatz in Paris eingetroffen, wo sie am Bahnhofe von ihren Familien empfangen und von einer großen Volksmenge sympathisch begrüßt wurden. Wiederholt haben die Herren ihre Ge- nugchuunng über die aufmerksame Behandlung, deren sie sich während ihrer 192tägigen Strafhaft auf der Festung Glatz zu erfreuen hatten, Ausdruck verliehen. Wie aus Glatz gemeldet wurde, bewarf das Publikum die beiden französischen Osfiziere mit Blumen, eine Ovation, die jedenfalls eine scharfe Rüge verdient. Denn wenn auch die Herren Degony und Delguey persönlich von durchaus ehrenwerthem Charakter sein mögen, so ändert dies doch durchaus nichts daran, daß sie Deutschland durch ihren Spionageversuch nach den besten Kräften haben schaden wollen — Feinden des Vaterlandes aber streut man keine Blumen! — Bedeutendes Aufsehen erregt es in manchen Kreisen, daß der „Vorwärts" schon wieder in der Lage ist, ein streng vertrauliches amtliches Aktenstück zu ver-