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Blatt Amts des Königs. Amtsgerichts und des Stadtrathes Erscheint: Mittwoch und Sonnabend. Als Beiblätter: Jllustrirtes Sonntagsblatt .(wöchentlich); 2. i.andwirthschaftliche Beilage (monatlich). Abonnements - Preis: Vierteljahr!. 1 M. 25 Pf. Auf Wunsch unentgeltliche Zu sendung. sind bis Dienstag und Freitag Vorm. S Uhr aufzugeben. Preis für die einspaltige Cor- puszeile (oder deren Raum) 10 Pfennige. Geschäftsstellen: Buchdruckereien von A. Pabst, Königsbrück, C. S. Krausche, Kamenz, Carl Daberkow,Groß röhrsdorf. Annoncen-Bureaus von Haasen stein L Vogler, Jnvalidendanl. Rudolph Mosse und G. L. Daube L Eomp. ivchenLH ^sür Pulsmtz, Königsbrück, Radeberg, Radeburg, Moritzburg und Rmgegend D uck und Verlag von E. L. Först er's Erden in Pulsnitz. MebMundvisrzigKeV Jahrgang. ^""-"wörtlicherH""le-n Mittwoch. Ax, /. 23. Januar 189S. Präsidentenwechsel in Frankreich. Der plötzliche Rücktr tt des noch nicht sieben Monate auf seinem hohen Vertrauensposten weilenden Präsidenten Mmir Parier die gleichzeitig bestehende französische Mmlsterknsts und di« damit in Verbindung stehende Ohn- macht der msherlgen Regierungsparteien der französischen Republik haben über Nacht Frankreich in eine solche schwere Krisis gestürzt, welche man nicht anders als den Bankrott der gemäßigten Republik bezeichnen kann. Denn wenn man nicht persönliche Schwäche und großen Eckel vor dem ränkevollen und heuchlerischen Parteigetriebe als dre Ursachen des Rücktritts Casimir Periers als maßgebend annehmen will, so muß man erkennen, daß das Anwachsen der radikalen und socialistischen Opposition in der Depu- tirtenkammer und die moralische und politische Ohnmacht der gemäßigten Republikaner, also somit die Unmöglichkeit nach dem bisherigen Parlamentarischen Regierungsmodus seine maßvolle Politik zur Geltung zu bringen, den Prä sidenten Casimir Perier zur Abdankung genöthigt und Frankreich in eine Art politisches Chaos gestürzt haben. Zum Glück für die französische Republik giebt es jetzt in Paris keinen tollkühnen General, wie es Napoleon Bonaparte gewesen, und keinen angesehenen Thronpräten denten, sonst könnte diese schwache Republik über Nacht erwürgt, die Deputirten nach Hause geschickt oder verhaftet und die Diktatur mit beliebigem Uebergange zu einem neuen französischen Kaiserreiche oder Kömgthum eröffnet Werden. Dank dieser günstigen Umstände hat der fran zösische Congreß, wie man tiefe souveräne aus den Sena toren und Deputirten gebildete Nationalversammlung n-nnt am 17. Januar noch einmal Gelegenheit gehabt, durch eine nette Präsidentenwahl die republikanische Re gierung noch einmal zusammenzuflicken, es wird aber doch Frankreich stets weiter eine schwierige, unberechenbare po litische Entwickelung haben. Denn einem Präsidenten der gemäßigten Richtung fällt die Aufgabe zu, die Radikalen und Sozialisten durch die Auflösung der Kammer und nöthigenfalls sogar durch eine Verfassungsänderung, ja, wenn man nicht die soziale Revolution in Frankreich haben Will, unter Umständen sogar durch einen Staatsstreich und eine zeitweilige Diktatur zu bekämpfen. Im Uebrigen kann man nicht umhin, die plötzliche Abdankung Casimir Periers als charakterschwach und un- Patriotisch zu bezeichnen, denn durch diesen plötzlichen Rücktritt hat Casimir Perier dem Ansehen der Republik in Frankreich einen bösen Streich gespielt und Wasser auf die Mühlen der Rothen und Sozialisten in Frankreich gegossen. Nach stürmischen Verhandlungen hat der am Don nerstag Nachmittag in Versailles versammelt gewesene französische Nationalcongreß einen neuen Präsidenten der Republik in der Person des bisherigen Marineministers Felix Faure gewählt. Nachdem der erste Wahlgang, in welchem der Radikale Brisson 338, Faure 244 und Wahldeck-Rousseau 184 Stimmen erhalten hatten, während sich die übrigen Stimmen zersplitterten, unentschieden ge blieben war, wurde eine zweite Wahl rorgenommen. Bei dieser siegte Felix Faure mit 430 Stimm« n über Brisson, der 301 Stimmen erhielt; Waldeck-Rousseau hatte nach dem ersten Wahlgang ausdrücklich auf eine nochmalige Candidatur zu Gunsten Faure's verzichtet. Als der Congreßpräsident Challemel-Lacour dieses Endergebniß ver kündete, erhoben die Sozialisten und die Ultraradikalen ein minutenlanges betäubendes Geschrei, vermischt mit wilden Protestrufen gegen die Wahl Faure's, und unter dem Eindruck dieser häßlichen Kundgebungen ging der Congreß auseinander. Um 9 Uhr Abends traf der neu gewählte Präsident in Paris ein, hier in den Straßen von einer zahllosen Menge lebhaft begrüßt. Bei der Uebergabe der Gewalten an den neuen Präsidenten sprach der Senatspräsident Challemel - Lacaur den Wunsch ans, Faure möge durch seine Präsidentschaft den Ideen der Toleranz und der Freiheit der Menschen zum Sieg ver helfen, was Faure mit der Versicherung beantwortete, er werde sich durch das Beispiel und die Erfahrung derer leiten lassen, die ihr Leben der Republik gewidmet hätten. Das zurückgetretene Cabinet Dupuy wird die Geschäfte einstweilen weiterführen. Felix Faure, der jetzige Präsident der französischen Republik, steht im 54. Lebensjahre, er kann als ein „selbst gemachter Mann" im besten Sinne des Wortes gelten, denn noch vor dreißig Jahren war er ein armes Schreiber lein im Bureau einer Gerberei. Aber er arbeitete sich aus dieser so untergeordneten sozialen Stellung dann gar bald zum Chef eines großes Handlungshauses in Havre und Präsidenten der Handelskammer dieses wichtigen Seehandelsplatzes empor, und in Havre wurde er zuerst auch eine politische Persönlichkeit, nämlich Bürgermeister- Stellvertreter. 1881 wurde Faure zum ersten Male in die französische Deputirtenkammer gewählt, der er in der Folge nur mit jenen Unterbrechungen augehört hat, während derer er ministerielle Posten bekleidete. Der letzte derselben war derjenige des Marineministers im Cabinet Dupuy, von welchem er nunmehr den weiten Schritt zum höchsten Posten der Republik gethan hat. Felix Faure gehört politisch zur nämlichen Richtung, wie sein Vorgänger auf dem Prüsidentenstuhle, Casimir-Perier indessen ist seine Gesinnung in mancher Beziehung, nament lich was seine Auffassung der großen Weltfragen anbelangt, noch unbekannt; persönlich gilt er als ein durchaus ehrenwerther Charakter. Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Beiträge für diesen Theil werden gegen Vergütung dankend angenommen. Pulsnitz. Im Saale des hiesigen Schützenhauses treten Morgen, Donnerstag Oskar Junghähnel's humori- stsiche Sänger, die echten Muldenthaler, auf. Die vor- züglichen humoristischen, sowie gesanglichen Darbietungen dieser Sanger sind von den vergangenen Jahren her bekannt und deshalb sei Donnerstag die Parole: „Alle ms Schützenhaus zu den Muldenthalern!" Pulsnitz. Einen großen Erfolg erzielte am ver gangenen Sonntag Abend die hier seit einiger Zeit an wesende Theatergesellschaft Uhle mit dem zur Aufführung gelangenden Charakterbilde, „Die Grille". Sie spielte an diesem Abende im Saale des Hotel „Grauer Wolf". Nicht nur, daß ein zahlreicher Besuch zu verzeichnen war, die Anwesenden zeichneten auch die schauspielerischen Darbie tungen durch lebhaften Beifall aus. Namentlich gefiel den Besuchern die Darstellerin der Grille, die durch ihr flottes ungekünsteltes Spiel durch wiederholte Hervorrufe seitens der Zuhörer ausgezeichnet wurde. Auch Montag Abend, an welchem das feine Lustspiel „Deutsche Modedamen", ebenfalls im Saale des Hotel „Grauer Wolf" zur Auf führung kam, war das Theater wiederum gut besucht, gespielt Wurde ebenfalls wieder ausgezeichnet und die Darsteller wiederholt für ihr Spiel durch Beifall belohnt. — Eine außerordentliche Bundes-Generalversammlung des König!, sächs. Militär - Vereins - Bundes wird am 3. Februar in Dresden tagen. Dieselbe wird sich in der Hauptsache mit dec Einführung eines Bundes-Schiedsge richts und den damit zusammenhängenden Abänderungen des Bundesstatuts beschäftigen. — In Bautzen fand am Freitag Abend im Hotel „zum weißen Roß" eine Versammlung des städtischen Eisenbahnausschusses, des städtischen und Gewerbeveins, sowie der vereinigten Innungen statt zwecks Ergreifung von Schritten zur Erlangung der Eisenbahnlinien Sohland- Schluckenau einerseits und Königswartha-Spremberg-Cott- bus andererseits, wodurch eine neue direkte Linie Berlin- Wien über Bautzen hergestellt werden soll, welche gegen alle bisher bestehenden Linien 34 Meilen kürzer ist. An dieser Versammlung haben Deputationen der verschiedenen diesbezüglichen Ausschüsse aus Preußen und Oesterreich, sowie mehrere Landtagsabgeordnete theilgenommen. — Während hier Thauwetter anhält, scheint es in den höher liegenden Gegenden wieder stark zu schneien. Aus Zittau meldet man, daß die Theilstcecke Bad Johnsdorf-Johnsdorf der Zittau Oybiner Eisenbahnlinie seit Montag Nachmittag gegen 5 Uhr wieder total verweht ist. Der Zugsverkehr auf gedachter Strecke mußte deshalb eingestellt werden. — In der Appretur-Anstalt von Hermann Francke in Plauen i. V. stürzte am Mittwoch Nachmittag ein Theil des Gewölbes über dem Raume ein, in welchem sich bisher die Färberei befand. Drei Arbeiter hatten eben erst die Färberei verlassen, als der Einsturz erfolgte. In großer Gefahr schwebte auch das Dienstmädchen Franke's, welches sich in der über der Färberei gelegenen Küche befand. Der Einsturz des Gewölbes ist dadurch herbeigeführt worden, daß ein Bogen seine Spannkraft verlor, was wohl den der Färberei entströmenden Dämpfen sowie der Einwirkung von Frost und Thauwetter zuzu schreiben sein mag. — Eine sonderbare Fälschung wurde auf der am Sonntag und Montag in Neukirchen bei Crimmitschau stattgefundenen Geflügelausstellung entdeckt. Um der Natur etwas nachzuhelfen, hatten zwei Aussteller von Tauben deren Schnippen gefärbt und einige die Farben störende Febern ausgerupft. In Folge dieser Nachhilfe sollten die Thiere des einen Ausstellers schon mit dem ersten Preis prämiirt werden, als die Fälschung erkannt wurde. Annaberg. Hier ist dieser Tage die Dienstmagd Theresie Böhm aus Wildhostiz, Bezirk Podersam in B., wegen Kinbesmordes verhaftet worden. Dieselbe ist 21 Jahre alt und diente bis Ende Dezember vorigen Jahres in Drehbach, wo sie auch ihr 7 Monate altes Kind in Ziehe hatte. Am Neujahrstag ist sie sodann unter dem Vorgeben, ihre Heimath zu besuchen, mit ihrem Kinde verreist und kurze Zeit darauf traf von ihr die Nachricht ein, daß ihr Kindchen gestorben sei. Die herzlose Mutter ging darauf in Annaberg wieder in Dienst und wurde hier von dem Diüriktsgendarm in Scharfenstein nach dem Verbleib ihres Kindes befragt. Nach längerem Leugnen gestand sie diesem, daß sie ihr Kind am 1. Januar, Abends 8 Uhr, lebend in einen Abbort des Bahnhofes Komotau geworfen habe. Die Mörderin wurde hierauf verhaftet und an das hiesige Königl. Amtsgericht abgeliefert. Die bald darauf eingeleiteten Erörterungen ergaben auch, daß sich ihre Selbstanklage nur allzusehr bewahrheitete, da das Kind in Komotau auch wirklich aus der Düngergrube ge zogen wurde. — Bei den letzten großen Schneestürmen hat sich in den Garten des Gutsbesitzers Köthnig in Kämmerei bei Brandis ein Weißes Reh geflüchtet. Es glückte dem ge nannten Gutsbesitzer, der als großer Jagdfreund bekannt ist, das Thier zu fangen. Er wird eS für diesen Winter in guter Pflege behalten. Jonsdorf. Vor einigen Tagen wurde in Hänisch mühe, bewußtlos im Schnee liegend, ein Mann aufge funden, der alsbald als ein Olbersdorfer Kolporteur er kannt wurde. Bei näherem Zusehen fand man, daß derselbe sehr schwere Verletzungen am Kopfe hatte. Es war ihm das linke Auge und das Nasenbein durchstoßen. Allem Anscheine nach ist der Mann ausgeglitten und im Fallen auf seinen mit einer eisernen Spitze versehenen Stock ge stoßen, wodurch er die schweren Verletzungen erhielt. In Hänischmühle und Jonsdorf verbreitete sich bald das Ge rücht, daß der Aufgefundene einem Raubanfalle zum Opfer gefallen sei. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Berlin, 18. Januar. Zu dem angeblichen Ministerwechsel nimmt nun auch der „Reichs anzeiger" das Wort, indem er schreibt: In der Presse tauchen seit einiger Zeit stets von Neuem Gerüchte über angebliche Veränderungen im Staatsministerium auf. Die selben entbehren jeder Begründung und müssen um so ent schiedener zurückgewiesen werden, als die frivole Verbrei tung solcher Vermuthungen geeignet ist, das Ansehen der Regierung zu schädigen. — Die „Vossische Zeitung" be harrt aber auf ihrer Behauptung, daß der Rücktritt der Staatssekretäre Boetticher und Marschall nach Schluß der Reichstagssejsion erfolgen wird und daß Handelsminister von Berlepsch noch vor Schluß des Landtages seinen Ab schied erhalten werde. (Zur Zeit, wo die „Vossische Zei tung" dies schrieb, konnte ihr di? Mittheilung des „Reichs- anzeigers" noch nicht bekannt sein.) Berlin, 19. Januar. Der vom Reichstag ange nommene Antrag auf Aufhebung des Jesuiten - Gesetzes dürfte, wie das „Berl. Tageblatt" zu wissen glaubt, dies mal bei der Reichsregierung bez. dem Bundesrath eine freundlichere Aufnahme finden. Augenblicklich sei die be- absichtigte Haltung des Centrums gegenüber der Umsturz vorlage damit in Verbindung zu bringen. Berlin. Zu einer glänzenden Ovation für den Grafen Schuwalow gestaltete sich am Freitag dessen Ab reise, die um 11 Uhr Abends auf dem Bahnhof Friedrich straße erfolgte. Mehrere Hundert Offiziere vom Kaiser