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Mr. 15 u. 16 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau 63 Uebergangswirtschaft. Auf eine Anfrage gelangt die Ansicht zum Ausdruck, daß die Einfuhr von Gemüsesamen aus Bulgarien nicht zu empfehlen ist. Es folgt dann eine Besprechung über die künf tigen Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn und Rußland, die durchweg vertraulicher Art ist. Herr Schetelig-Lübeck bespricht die zukünftigen Handelsverhältnisse mit Finnland. Ueber den Entwurf eines Zolltarifs mit Oesterreich-Ungarn soll in einer am nächsten Tage stattfindenden Sitzung weiterverhandelt werden. Eine ein gehende Aussprache findet über den Reichsverband für den deut schen Gartenbau statt und ist man einstimmig der Ansicht, daß alle handelswirtschaftlichen Fragen aus dem Tätigkeitsgebiet des Reichsverbandes auszuschalten seien. Die Aussprache über den Reichsverband ist eine eingehende und werden bestimmte Richt linien festgestellt. Unter Punkt Verschiedenes werden besondere Angelegenheiten nicht verhandelt. Schluß der Sitzung 7 Uhr. Antrag der Handelskammer zu Hildesheim bei der Reichsregie rung auf Einführung von Durchschnittspreisen. Die Vollversammlung der Handelskammer beschloß, an die .Reichsregierung den Antrag auf Einführung von Durchschnittspreisen nach Maßgabe folgender Leit sätze zu richten: 1. Es ist gestattet, für gleichartige Waren Durch schnittspreise festzusetzen; 2. jede Festsetzung von Durchschnitts preisen ist in ein Kalkulationsbuch einzutragen; 3. die auf Grund von Durchschnittspreisen ausgezeichneten Waren sind mit den entspre chenden Nummern des Kalkulationsbuches zu versehen; 4. für Un kosten und Gewinn darf ein üblicher prozentualer Zuschlag zu den ermittelten Durchschnittspreisen zugeschlagen werden . Handelsnachrichten ü Dörrverbot für Frühgemüse. Mit Rücksicht darauf, daß für die Ernährung der Bevölkerung im Frühjahr und in den zeitigen Sommer monaten das Frühgemüse eine ausschlaggebende Rolle mitspielt, hatte sich die Reichsstelle für Gemüse und Obst bereits im Vorjahre genötigt gesehen, das Dörren von Frühgemüse durch die Bekannt machung vom 30. April 1917 bis zum 31. Juli 1917 zu verbieten. Auch für das Jahr 1918 hat die Reichsstelle im Deutschen Reichs-Anzeiger Nr. 60 das Dörren von Frühgemüse bis zum 31. Juli 1918 untersagt. Eine Ausnahme ist nur für dasjenige Frühgemüse zugelassen worden, das auf den Frischmärkten nicht abgesetzt werden kann und das nach Möglichkeit durch Trocknung für die menschliche Ernährung verwertet werden muß. Topinambur nur zu Ernährungszwecken. Die Verordnung des Bundesrats vom 12. Mai 1917, betreffend das Verbot der Verarbei tung von Topinamburen auf Branntwein, wird nicht mehr überall be achtet. Es wird daher darauf hingewiesen, daß dieses Verbot, wel ches erlasser wurde, um die Wurzelknollen der Topinamburpflanze für die Ernährung zu sichern, noch fortbesteht. Ausstellen von Waren — Preiswucher. Der Obsthändler Schu ster in Leipzig hate am 6, August 1917 in der Markthalle von einem Bauern 70 Pfund Aepfel für 45 Pf. das Pfund gekauft, obwohl der Höchstpreis für diese Aepfel — es handelte sich um Falläpfel — .10 Pf. das Pfund betrug. Diese Ware stellte er im Schaufenster seines Ladens aus und verkaufte sie für 65 Pf., während er nach der Ministerialverordnung über die Höchstpreise nur 17 Pf. für das Pfund hätte verlangen dürfen. Er ist deshalb wegen Preiswuchers, begangen sowohl beim Einkauf wie beim Verkauf, verurteilt wor den. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er von den Aepfeln nur drei Pfund verkauft habe, das Landgericht nahm aber eine Höchstpreisüberschreitung bezüglich der ganzen 70 Pfund an, indem es betonte, der Angeklagte habe die Aepfel für 65 Pf. aus gestellt und verkauft. Auch in dem Ausstellen der Ware liege ein Erbieten zu einer Höchstpreisüberschreitung; ein bestimmter Ver tragsgegner brauche nicht vorhanden zu sein. Der Angeklagte habe, da ein Preisäufschlag von 10 Pf. auf das Pfund als ausreichender Verdienst angesehen werden müsse, durch den gleichzeitig auch alle Geschäftsunkosten gedeckt wurden, einen übermäßigen Gewinn er strebt. Die Revision des Angeklagten wurde vom Oberlandesgericht in Dresden kostenpflichtig verworfen. Die neuen Richtpreise für Frühgemüse. Die Reichsstelle für Gemüse und Obst veröffentlicht im Reichsanzeiger folgende Richtpreise für Frühgemüse: Gemäß §§ 4 und 5 der Verordnung über Gemüse, Obst und Südfrüchte vom 3. April 1917 und des § 4 des Normal vertrages über Frühgemüse der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Geschäftsabteilung, gebe ich nachstehend die Richt preise für Frühgemüse bekannt. Das Gebiet, des Deutschen Reiches bleibt wie im ver flossenen, Jahre in fünf Wirtschaftsgebiete zerlegt. Wirtschaftsgebiet A: Bayern, Thüringische Enklave in Bayern, Württemberg, Baden, Hohenzollern, Elsaß-Lothrin- gen, Hessen, Regierungsbezirk Wiesbaden, Preis Wetzlar, Rheinprovinz. Wirtschaftsgebiet B: Rheinprovinz ohne Kreis Wetzlar, Birkenfeld, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Kreis Grafschaft Schaumburg (Regierungsbezirk Cassel), Provinz Westfalen. Wirtschaftsgebiet C: Regierungsbezirk Cassel ohne Kreis Grafschaft Schaumburg, Thüringische Staaten, Anhalt, Provinz Sachsen, Königreich Sachsen, Provinz Brandenburg, Mecklenburg-Schwerinsche Enklave innerhalb Provinz,Bran denburg, Kreis Calvörde (Braunschweig), Kreis Ilfeld (Regie rungsbezirk Hildesheim). Wirtschaftsgebiet D: Provinz Schlesien, Posen, Pom mern (ohne Enklave in Mecklenburg), Westpreußen, Ost preußen. Wirtschaftsgebiet E: Provinz Hannover ohne Kreis Il feld, Braunschweig ohne Kreis Calvörde, Oldenburg ohne Birkenfeld, Provinz Schleswig-Holstein, Mecklenburg. Schwerin ohne Enklave in Provinz Brandenburg, Mecklen- burg-Strelitz, Hamburg, Bremen, Lübeck, pommersche En klave in Mecklenburg. Richtpreise für Frühgemüse: Gemüsesorten ABO Spargel: 1. unsortiert 2. sortiert I 3. sortiert H und III 4. Suppenspa’ gel . . . . . . . . . . Rhabarber Spinat . Erbsen Bohnen: 1 grüne Bohnen (Stangen-, Busch-) .... 2. Wachs- und Perlbohnen 3. Pnff.(S*u-)Bohnen ... . Möhren- und längliche Karotten mit Kraut (vom 1’ Juni 1918 ab) . ... ' . ohne Kraut (vom 1. Juni 1918 ab) . . . . Mairüben ohne Kraut ' Karotten, runde kleine, mit Kraut ...... ohne Kraut . . .......... Kohlrabi (vom 1Ö Juni 1918 ab) ...... . Frühweißkohl (vom 20 Juni 1918 ab) ..... ' Früh wirsingkohl und Frührotkohl . . ... . Frühzwieheln und Kraut . . . ...... ’ Tomaten 55 80 55 25 10 25 30 28 35 20 10 18 10 15 25 20 14 16 25 30 55 80 55 25 II 28 35 55 80 55 25 12 30 35 30 32 40 40 20 20 12 14 20 12 20 30 22 15 18 30 32 22 12 20 35 25 16 20 30 35 D. E 55 80 55 25 12 30 35 55 8'i 55 25 12 30 35 32 32 40 40 20 20 12 20 11 20 30 25 16 20 30 35 14 22 12 20 35 25 16 20 30 35 Die Richtpreise gelten für die, auf Grund von Lieferungs verträgen gelieferten Waren als Vertragspreise bis zu dem Zeitpunkte, an welchem die für die Erzeugerorte zuständi gen Preiskommissionen der Landes-, Pr.ovinzial- und Bezirks stellen die maßgebenden Vertragspreise mit Genehmigung der Reichsstelle für Gemüse und Obst, Verwaltungsabtei lung, veröffentlichen. Gemäß § 5 der Verordnung vom 3. April 1917 darf nach der Aberntung auch das nicht durch Lieferungsverträge gebundene Gemüse nicht zu höheren Preisen oder günstigeren Bedingungen abgesetzt werden, Nachsatz der Schriftleitung: Zu diesen Preisen ist Verschiedenes zu sagen. Leider ist das aus den bekannten Gründen zurzeit nicht möglich. Zur Sache sei be merkt, daß die für die Preisfestsetzung maßgeblichen Sitzun- gen in der Reichsstelle für Gemüse und Obst vom 13. bis 14, März stattgefunden haben. Dabei wurde der Standpunkt der Verbraucher mit großer Entschiedenheit vertreten, wäh rend die wenigen gärtnerischen Sachverständigen leider nicht genügend mit ihrer Meinung durchdrücken konnten. Für Bohnen und Erbsen waren sogar von der Reichs stelle höhere Preise in Aussicht genommen worden. Infolge niedrigerer Preisvorschläge süddeutscher Erzeuger aus Württemberg und Bayern (!) wurden aber niedrigere Preise festgesetzt. Gerade die Bohnen und Erbsen sind ein schlagendes Bei spiel für die Ungerechtigkeit der Richtpreise, Denn Bohnen saatgut ist in diesem Jahre um mindestens ein Drittel teurer