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2 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 1 u. 2 Praxis und Wissenschaft I Saatgutersparnis. Ein Blick in die neuen Preisverzeichnisse der Samen firmen lehrt uns, daß das Gemüsesaatgut seit vorigem Jahre wiederum beträchtlich im Preise gestiegen ist. Man faßt sich zweifelnd an den Kopf, wenn man es schwarz auf weiß liest, daß z. B. das Kilo Weißkohlsamen, welches im Jahre 1916 noch für 18 bis 22 M. zu haben war, in diesem Jahre 134 bis 150 M. kostet, d. h. im offenen Han del, während es angeblich auf dem nicht mehr ungewöhn lichen Wege des Schleichhandels schon beträchtlich teurer umgesetzt werden soll. Aehnlich ist die Preissteigerung für Blumenkohlsamen, dessen vorjähriger Kriegspreis für lOGramm der bestenErfurterHochzucht2bis3M.betrug, wäh rend er in diesem Jahr auf das Drei- bis Vierfache geklettert ist. Für Zwiebelsamen der Sorte Eisenkopf brauchte man im Vorjahre fürlOOGramm „nur“ ungefähr 5bis5,50M. anzu- ■ legen, in diesem Jahre muß man seiner Papiergeldtasche 1 dagegen für 9,20 M, bedruckten Papieres entnehmen, um die gleiche Gewichtsmenge zu erstehen. Petersilie ist in diesem Jahre vom vorjährigen Durchschnittspreis, der etwa 2,80 M. für das Kilo betrug, auf 7,40 M. geklettert, Radieschen samen von 4 bis 5 M. auf 9,60 M. Kilopreis. Kopfsalatsamen ist nicht wesentlich teurer geworden. Voraussichtlich wird auch die Nachfrage nach diesem sonst so beliebten Früh lings- und Frühsommergemüse in diesem Jahre nicht so groß sein wie sonst. Gibt es doch weder genug Essig, noch Zitronensaft, noch Sauermilch, um die Blätter als Salat tischfertig zubereiten zu können, und die sonst durchaus empfehlenswerte Verwertung in der Weise des Spinates ist mangels genügenden Fettes zum Schmelzen und Pfeffers zum Würzen ebenfalls nicht recht möglich und vor allem auch der Mehrzahl der Hausfrauen noch nicht genügend be kannt. Bei Bohnen ist die Preissteigerung nicht allzu be trächtlich. Immerhin kosten buntsamige Hinrichs Riesen, welche im Vorjahre noch für 5 bis 5,50 M. für das Kilo zu haben waren, in diesem Jahre 7,40 M.; sie sind also um rund 50 Prozent teurer geworden. Beträchtlicher ist die Preis steigerung für Erbsen, welche im letzten Jahre infolge der Dürre eine allgemeine Mißernte ergeben haben. Zum Bei spiel war die grünbleibende Folgererbse im Vorjahr noch für 2 M. für das Kilo zu haben, jetzt kostet sie jedoch 3,40 M. Die gegebenen Stichproben dürften den Leser über zeugen, daß in diesem Jahre eine haushälterische Behand lung des kostbaren Saatgutes ein Gebot der Notwendigkeit im Interesse des eigenen Geldbeutels ist. Nicht minder liegt sie aber auch im allgemeinen Interesse, denn- die zur Ver fügung stehenden Mengen fast aller wichtigen Artikel sind im Verhältnis zu der ins Ungeheure gestiegenen Nachfrage nur als gering zu bezeichnen. Selbst für den Fall, daß ein Frieden mit Rußland in Kürze zustande käme, und daß es möglich wäre, die Handelsbeziehungen mit ihm im Laufe des Jahres 1918 wieder aufzunehmen, so wird dennoch die Nach frage nach Gemüse noch so groß sein, daß die Landwirtschaft in diesem Jahre noch viel größere Mengen Saatgut verbrau chen wird als im Jahre 1916. Denn Rußland wird wohl kaum in der Lage sein, so große Massen von Nahrungsmitteln aus zuführen, um auf diese Weise den deutschen Nahrungsmittel markt in nennenswerter Weise beeinflussen zu können. Also gilt es, Saatgut zu sparen mit allen nur möglichen Mitteln. Die erste Vorbedingung dazu ist eine pflegliche Behand lung der für die Aussaaten im Kasten verwendeten Erde, um der Gefährdung der jungen Pflanzen durch Schwarzbeinig keit nach Möglichekit vorzubeugen. Es ist ja allerdings jetzt nicht mehr möglich, durch öfter wiederholtes Umschaufeln der Erdhaufen für ihre gute Durchlüftung zu sorgen, und da mit die etwa in der Erde vorhandenen Krankheitskeime zu unterdrücken oder wenigstens einzuschränken. Wohl aber ist es ausführbar, durch Vermischung der Erde mit Aetzkalk, wenn möglich 14 Tage vor der Aussaat, im Notfälle aber auch nur 5 bis 6 Tage vorher, hemmend auf die Urheber der Jugendkrankheiten unserer Gemüsepflanzen einzuwirken. Gerade in diesem Jahre ist das um so notwendiger, weil in vielen Gärtnereien infolge des Mangels an Arbeitskräften die Behandlung der Erdhaufen während der Kriegszeit nicht mit der gleichen Sorgfalt erfolgt ist, wie in der Friedenszeit, wo durch die Gefahr des verderblichen Auftretens der Keim lingskrankheiten um so größer geworden ist. Ich empfehle, auf jedes Kubikmeter Erde 1 Kilogramm Aetzkalk zu rech nen, auf jedes Quadratmeter Kastenfläche bei 20 Zenti meter Erdhöhe also 250 Gramm, bei 10 Zentimeter Erdhöhe 125 Gramm. Der Kalkstaub muß recht innig mit der Erde vermischt werden. Ich weiß nicht, ob ich mich getäuscht habe, glaube aber richtig beobachtet zu haben, wenn ich be haupte, daß die in der stark kalkhaltigen Erde gezogenen Gemüsepflanzen stets besonders gut bewurzelt gewesen sind. In Gärtnereien mit leichtem, sandigem, aber in guter Kultur stehendem humusreichen Boden ist es zweckmäßig, auch für die Gemüseaussaaten im Kasten Landerde zu ver wenden, sofern es möglich ist, weil diese doch wesentlich gesünder ist, als die künstlich bereiteten Humuserden. Ich stehe nicht an, für besonders wertvolle Aussaaten, z. B. für den teueren Blumenkohlsamen, sogar die Desinfektion der Erde mit Formaldehydlösung zu empfehlen. Man nimmt von der käuflichen vierzigprozentigen Lösung dieses Desinfek tionsmittels auf eine Zehnliterkanne Wasser % Liter. Mit dieser Flüssigkeit wird die Erdoberfläche des Kastens zwei Tage vor der Aussaat gründlich durchfeuchtet. Ich habe auf diese Weise sehr gesunde Pflanzen erzogen. Bei der Aussaat ist möglichste Weitläufigkeit anzustre ben. In dieser Hinsicht wird selbst von manchen Fachleuten in der unglaublichsten Weise gesündigt. Mir säte der Ober gärtner eines großen städtischen Topfpflanzenbetriebes, der mir im vergangenen Frühjahr einige Abende und Sonntage aushalf, auf ein Mistbeetfenster 25 Gramm Kohlsamen aus. Der Mann ist wenigstens 35 Jahre beim Fach und trägt es mir bis auf den heutigen Tag nach, daß ich ihn auf den be gangenen Fehler hinwies. Er ist allerdings kein Gemüse gärtner, aber man sollte doch meinen, daß ihm schon der gesunde Menschenverstand hätte sagen müssen, daß aus einer derartig engen Aussaat nie und nimmer etwas Geschei tes werden kann. Man sollte sich bei der Aussaat stets ver gegenwärtigen, wieviel Raum eine verkaufsfertige Pflanze einnimmt und wieviel Samen auf ein Gramm gehen. Da nach ist die für 1 Quadratmeter Aussaatfläche unter Glas notwendige Samenmenge leicht festzustellen. Ich säe auf ein Normalfenster von 1% Quadratmeter Fläche z. B. stets nur 7 Gramm Kohlsamen. Noch zweckmäßiger, wenn auch etwas umständlich, ist Reihensaat, auch im Mistbeet. Ich mache auf 1 Quadratmeter 30 Reihen und gebe den Körnern durchschnittlich 3 Zentimeter Abstand; so säe ich auf ein Mistbeetfenster 45 X 33 — 1485 Samen. Das entspricht rund 5 Gramm Kohlsamen. Ich habe auf diese Weise regel mäßig von jedem Fenster 1200 Stück tadellose Pflanzen ge zogen und kann das Verfahren der Reihensaat sehr empfeh len. Es wird auf diese Weise eine große Menge Saatgut ge spart. Denn der Prozentsatz der unbrauchbaren Pflanzen ist bei breitwurfiger Aussaat von je 10 Gramm Saatgut auf ein Mistbeetfenster wenigstens doppelt so hoch wie bei Reihen saat. Dazu kommt noch die erhöhte Krankheitsgefahr als Folge der zu dichten Saat, Auch die Freilandaussaaten soll ten stets reihenweise ausgeführt werden. Dazu ist es natür lich notwendig, die Bodenbearbeitung recht sorgfältig vorzu nehmen. Ein großer Vorteil der Reihensaat ist, daß die auf diese Weise erzogenen Pflänzlinge nicht pikiert zu werden brau chen. Man verzichtet ja vielfach ohnedies auf diese Arbeit und wird es bei der Knappheit der Arbeitskräfte in diesem Jahre erst recht so halten, aber Tatsache ist jedenfalls, daß die in weiter Reihensaat gezogenen Pflanzen so stämmig und gut bewurzelt sind wie pikierte, ein Vorteil, der die Mehrarbeit der Reihensaat vollkommen wieder wett macht. Das ist ein weiterer Vorteil, welchen uns diese sparsame Aussaatweise