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Nr. 43 u. 44 Freitag, den 25. Oktober 1918. XX. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M. 5.—, für das Ausland M. 8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker.— Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Gomeniusstr. 17. Das Abonnement gilt fortlaufend und kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aulgehoben werden. Inserate 30 Pfennig für die fünf gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennig, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Teuerungszuschlag 25°.. Das Abonnement gilt fortlaufend und kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Vorsicht! — Von der Selbstversorgung des Herrn Leberecht Migge. — Praxis und Wissenschaft: Ueber die Vorkultur der Topfrosen zum Treiben. — Das.Wässern der Maiblumeutreibkeime. — Das Stuttgarter Geishirtel, eine empfehlenswerte Birnensorte. — Hoya carnosa. — Kalvillartige Apfelsorten. — Die Keimfähigkeitsdauer des Hederich samens. — Hepatica triloba als Beeteinfassung. — Kleinere Mitteilungen. — Rechts pflege. — Fachunterrichtswesen. — Fragekasten für Abonnenten. — Handelsnachrichten. — Geschäftsnachrichten. — Personalien. — Ehrentafel. — Bücherschau. Vorsicht! Man schreibt uns unter obigem Kennwort: „So wie .die politische und militärische Lage sich ent wickelt haben, werden wir wohl mit einem baldigen Frie densschlüsse rechnen können. Da gilt es auch für den Handelsgärtner, die geschäftliche Lage zu prüfen und auf Grund des Ausfalls dieser Prüfung die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Das Prophe zeien ist zwar von jeher ein undankbares Beginnen gewesen. Immerhin bleibt auch in unsrer gegenwärtigen Lage nichts weiter übrig, als den Versuch zu machen, die vermutlich in Aussicht stehende Entwicklung der Dinge zu erkennen. Das Ergebnis dieses Krieges ist für uns eine ungeheuer liche Steuerlast. Selbst für den Fall, daß uns die Zahlung einer Kriegsentschädigung an unsere Gegner erspart bleibt, werden wir wohl damit zu rechnen haben, daß das deutsche Volk eine Gesamtkriegsschuldenlast des Reiches, der Einzel staaten, Provinzen, Kreise und Gemeinden von 200 Milliar den Mark zu verzinsen und zu tilgen haben wird. Dazu kom men noch die Aufwendungen, welche für die Wiederherstel lung der durch den Krieg verwahrlosten staatlichen und ge meindlichen Einrichtungen gemacht werden müssen. Aber selbst, wenn man diese letzteren Beträge außer Betracht läßt, so bedeutet die Verzinsung und Tilgung der 200 Milliar den Kriegsschulden eine Belastung der Allgemeinheit, welche auf die Kaufkraft der breiten Bevölkerungsschichten von schwerstem Einfluß sein wird. 200 Milliarden zu 5 v. H. verzinst und 1 v. H, getilgt, er fordern einen jährlichen Betrag von 12 Milliarden Mark, Auf den Kopf der Bevölkerung berechnet sind das jährlich 200 M. Da, wie es scheint, keine Hoffnung vorhanden ist, daß mit dem unheilvollen System der indirekten Besteuerung zugun sten einer einheitlichen, nach oben anwachsenden Reichs einkommensteuer gebrochen werden wird, so hätte also eine Familie von fünf Köpfen außer den allgemeinen Steuern einen jährlichen Betrag von 1000 M. an indirekten Abgaben für die durch den Krieg entstandenen Ausgaben aufzu- bringen. Eine derartige Belastung kann natürlich auf den Haus haltplan breiter Bevölkerungsschichten nicht ohne Ein fluß bleiben. Sie bedeutet eine vollständige Umgestaltung desselben. Naturgemäß werden viele Volkskreise bis hoch hinauf in den sogenannten Mittelstand gezwungen sein, ihren bisherigen Aufwand für alle einigermaßen entbehrlichen Dinge stark einzuschränken oder ganz einzustellen. Denn na turgemäß sorgt jeder zuerst für Wohnung, Nahrung und Klei dung, ehe er daran denkt, Dinge zu kaufen, welche er nicht unbedingt für des Lebens Notdurft gebraucht. Für alle diese Leute bedeutete der Einkauf von Blumen, Zierpflanzen usw. schon vor dem Kriege eine Luxusausgabe. Nach dem Kriege erst recht! Anderseits haben zahlreiche Personen im Kriege gewal tige Vermögen aufgehäuft. Aber diese Leute sind an Zahl doch wohl zu gering, um auf die Absatzverhältnisse in unserm Beruf einen wesentlichen Einfluß ausüben zu können. Aller dings wird der eine oder andere Handelsgärtner, welcher zu fällig Angehörige dieser Volksschicht zu seinen Kunden zählt, mit ihnen gute Geschäfte machen. Aber auf den Geschäfts gang im allgemeinen werden diese doch nicht stark ein wirken. Man war bisher der Meinung, daß nach dem Kriege ein Aufschwung der Landschaftsgärtnerei eintreten würde, weil die während der vier Kriegsjahre eingestellte Bautätig keit in den Städten rasch wieder aufleben müßte und weil außerdem während der vier Kriegsjahre zahlreiche Personen einen größeren oder kleineren Teil ihres Kriegsgewinns in ländlichen Besitztümern angelegt hatten, die sie nun nach dem Friedens- scnlusse wohnlich einrichten würden. Mit der Erfüllung die ser Hoffnungen, welche die Gartengestalter hegten, würde natürlich auch ein Vorteil für die Waren erzeugende Handels gärtnerei, besonders die Ziergehölzbaumschulen, Stauden züchter usw. verbunden gewesen sein. Aber die Erwar tungen der Gartengestalter hätten doch wohl nur Aussicht auf Erfüllung, wenn der Ausgang des Krieges für uns ein siegreicher gewesen wäre. Es ist wohl sehr ungewiß, ob bei dem jetzigen Stand der Dinge, an denen sich wohl nichts mehr wesentlich ändern wird, in den beteiligten Kreisen noch große Lust vorhanden sein wird, doch immerhin nicht unbe deutende Summen in Luxusanlagen, wie sie Parke und größere Ziergärten darstellen, zu stecken. Man darf sich nicht in seiner Ansicht durch den Umstand beeinflussen lassen, daß z. B. die Goldwarenhändler und Juweliere sowie die Bilder händler, deren Waren doch auch Luxusgegenstände sind, in den letzten beiden Kriegsjahren Riesengeschäfte gemacht haben. Es ist dabei zu bedenken, daß man derartige Kost barkeiten im Notfälle entbehren oder verhältnismäßig schnell und leicht wieder zu Geld machen kann, während das in Gestalt eines Werkes der Gartenbaukunst angelegte Geld im Grund und Boden festliegt und im Falle eines Ver kaufs, leider, kaum höher bewertet wird, als Brennholz, jedenfalls auf den Verkaufspreis des Besitztums keinen we sentlichen Einfluß ausüben wird. Es wird also leider wohl angebracht sein, die in dieser Hinsicht bisher gehegten Hoff nungen wesentlich zurückzuschrauben. Nun noch ein kurzer Blick auf die Nutzgärtnerei. Der Gemüsebau hat während des Krieges, wie allbekannt, einen gewaltigen Aufschwung angenommen; große Flächen, bisher mit Zierpflanzen bestellten Bodens sind in seinen Dienst gestellt worden. Aber diese Flächen sind verschwindend klein gegenüber den weiten Gebieten, welche die Landwirt schaft in den Dienst des Gemüsebaues gestellt hat. Sie hat das allerdings nur getan, weil sie mit ihren billigen Produk-