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Nr. 3u. 4 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau 11 durch die aus SO, entstehende Schwefelsäure bewirkt wird. Man nahm also äußerliche Verletzungen, Wund- schaden an. In der Tat findet man diese in Rauchschäden- gebieten ebenfalls in großer Zahl, besonders an Laubhöl zern, weniger an Nadelbäumen und allen Pflanzen mit der berem Laub. Aber die Gefährlichkeit von SO, beruht un endlich viel mehr in der Wirkung, das Plasma, den Lebens träger der Pflanze, zu töten und in seiner Tätigkeit zu min dern. Schwefelsäure (H, SO,) ist für die Pflanze nicht atem bar, wohl aber SO, als gasförmige Verunreinigung der Luft. Sie wird mit dieser durch die Spaltöffnungen aufgenom men. Findet sie dort Wasserdampf und freien Sauerstoff, so bildet sich aus SO, innerhalb der Zellen die gefähr lichste aller dem organischen Leben gefährlichen Säuren: die Schwefelsäure. Sie tötet das Plasma schon bei ge ringen Mengen blitzschnell, und selbst Spuren von ihr läh men die Tätigkeit des Plasmas in großem Umfange. Will man das Protoplasma als Träger des Pflanzenlebens mit dem Herzen als treibenden Motor des tierischen, mensch lichen Körpers vergleichen, so erleidet die Pflanze bei akuter Giftwirkung eine Herzlähmung, die den Tod des betrof fenen Gewebes im Gefolge hat, bei chronischer Einwir kung eine Minderung der arbeitenden, also erzeugenden, pflanzenmehrenden Kraft. Die beiden Vorbedingungen für diese Umbildung in H 2 SO., nämlich Wasserdampf und Sauerstoff, findet man nun bei der Kohlenstoffassimilation vor, so daß in der Tat SO 2 -Vergiftungen an die Assimilation gebunden sind. Das ergibt sich daraus, daß hohen SOa-Konzentrationen ausge setzte Pflanzen im Dunkeln und während der vollen Win terruhe keinen Schaden nehmen, und daß geringe Säure mengen in um so höherem Maße, schädigen, je heller das Wetter, je reger also die von der Beleuchtung abhängige Assimilation ist. Bevor ich aber weiterhin von Einzelheiten spreche, soll ein kurzes Bild gegeben werden, wie es ausgeprägte Rauchsäureschäden zeigen. Je näher man der Abgasquelle kommt, um so mehr fällt das wenig erfreuliche Wachstum der einzelnen Bäume, Sträucher und sonstigen Pflanzenbestände auf. Kasta nien, besonders Aesculus rubicunda, Aesc. Pavia, zeigen, kurzen, endlich kaum mehr nennenswerten Jahrestrieb; Ahorne, Linden fallen durch kleine Belaubung auf; alle Bäume und Sträucher werfen schon von Mitte August ab das von Anfang Juli und früher her vergilbende Laub ab; die Stauden treiben dürftig aus, kurz, das ganze Verhalten des Pflanzenwuchses läßt erkennen, daß etwas damit nicht in Ordnung ist, ohne daß aber der Nichtkenner einstweilen die Ursache zu erkennen vermöchte; auch erfahrene Gärt ner, Forstleute, Landwirte erkennen höchst selten diesen unerfreulichen Zustand als Rauchschaden in chronischer Form, um so weniger, als die wenigsten unter ihnen je etwas von solchen Vergiftungen gehört haben. Der Sach kenner findet aber alsbald für seinen Argwohn die un trüglichen Beweise dafür, so darin, daß unter den Laub bäumen Linden, Ahorn diese Erscheinungen vornehmlich, Rüstern, Feldahorn, Akazien, die gegen SO, weniger emp findlich sind, weniger zeigen; unter den Nadelhölzern bei spielsweise Abies Nordmanniana, Pinus montana, Tsuga canadensis weniger, dagegen die gewöhnliche Fichte (Picea excelsa) ganz besonders stark, aber auch Pinus Strobus u. a., also Arten, die dem Kenner als hochempfindlich be kannt sind und die er deshalb bezeichnend „Merkpflanzen“ nennt, schwer benachteiligt sind. Hierzu gesellen sich charakteristische Kennzeichen anderer Art, die keiner anderen Erkrankung als nur Rauch gasvergiftung eigen sind. So verlieren alle immergrünen Gewächse, die sonst 4 bis 6 Blattgenerationen aufweisen, diese bis auf die 2 bis 3 jüngsten. Sie werden infolgedessen hohl, eine Erscheinung, die den Koniferengruppen in unse ren Großstädten jene Lichtheit gibt, die wir so oft be dauern, und welche in Verkennung der wahren Ursache viele Gärtner vergeblich durch Bewässerung heilen möch ten. Der Sachkundige erkennt auch die chronische Ver giftung an der Neigung empfindlicher Koniferen, zu denen vornehmlich Picea excelsa gehört, wipfeldürr werden. In größeren Rasenflächen stehende große Bäume las sen auch im engen Umkreis um den Stamm einen Ring er kennen, in dessen Bereich kein Gras oder sonst etwas ge deihen will. Charakteristisch ist, daß glattrindige Bäume, wie etwa Buchen, an deren Stamm das Abwasser der Kro nen verstärkt herabläuft, diese Ringe besonders ausgeprägt erkennen lassen. Sie entstehen durch die Rauchsäure (H 2 SO,), die das Regenwasser, Nebelwetter usw, in großen Städten absorbiert. Solche Stellen sind also keineswegs, wie man in Gärtnerkreisen zumeist annimmt, die Folge allein der Beschattung und der Verarmung des Bodens durch den Nährstoffentzug des Baumes, sondern vielmehr die Folge der Ansammlung von Rauchsäuren in großer Menge. In der Tat gelingt es auch nie, Grassamen, Pflan zen anderer Art, besonders die zu diesem Versuch als Merkpflanze unter den Gemüsearten trefflich geeignete Buschbohne, zu üppigem Pflanzenbestand zu entwickeln, wenn man von dem Erdreich innerhalb solcher Säureringe nimmt und in reiner Luft und ungeschmälerter Beleuch tung Anbauversuche, vielleicht in Saatkästen, mit ihm an stellt. Daraus ergibt sich für die gärtnerische Praxis, daß diese Kahlringe im Park- und Gartenrasen nur wegge bracht werden können, wenn man das angesäuerte Erd reich abgräbt und von Zeit zu Zeit durch gesundes ersetzt, das sehr stark mit Kalk vermengt ist, und dann frisch ansät. Dem Kalkzusatze kommt insofern eine besondere Be deutung zu, als die H 2 SO, den Boden entkalkt, welcher Mangel jedem Gärtner, Landwirt und Forstmann als nach teilige Folge für den Pflanzenwuchs bekannt ist. Es bildet sich nämlich, da unter der Einwirkung der Schwefelsäure die Kohlensäure ausgetrieben wird und der Kalk mit der Schwefelsäure Verbindung eingeht, aus dem wohltätigen Calciumcarbonat schwefelsaurer Kalk. Ein Boden, der einige Zeit im Rauchschädengebiet liegt, verarmt infolge dessen an kohlensaurem Kalk, und der Pflanzenwuchs lei det auch aus diesem Grunde not. Deshalb sollte Acker- und Gartenland innerhalb Rauchschädengebieten stärker und häufiger mit Kalk gedüngt werden. Auch innerhalb der Großstädte sollten die Rasenflächen bei Neuanlage und Erneuerung stark mit Kalk gedüngt und eine laufende Kalkzufuhr gegeben werden, indem man die allgemein übliche Winterdüngung mit einem stark mit Kalk versetz ten Kompost durchführt. Das obige Bild chronischer Vergiftung zeigen mehr oder weniger ausgeprägt die Anlagen, Pflanzungen, Aecker, Gärten in unseren Großstädten und innerhalb ihres Weich bildes. Wie weit die Einwirkung reicht, läßt sich so ohne weiteres nicht sagen; das hängt von der Größe der Stadt und deren Industrialisierung ab. In Hannover konnte ich noch in dem berühmten Berggarten in Herrenhausen, also etwa 5 km von dem Mittelpunkte der Stadt, Wipfel dürre durch Rauchgase, also noch schwere Vergiftung feststellen. Im allgemeinen lassen sich bei Städten dieser Größe (etwa 300 000 Einwohnern) mit normaler Industrie entwicklung solche Vergiftungsspuren bis auf etwa 10 km nachweisen, wobei allerdings der Umstand nicht belanglos ist, ob der Pflanzenbestand im herrschenden Winde oder unter dem Winde liegt. Im Weichbild Hamburgs und Großberlins findet man nach Westen viel weniger weit I reichende Rauchschäden, und die feststellbaren sind nicht I so schwerer Art, wie im Osten, weil der West- und Nordwestwind die Abgase vor sich her und nach Osten trägt. Das entspricht in Deutschland, wo diese Windrich tungen vorherrschen, der gewohnten Regel. In Breslau habe ich deutliche Schäden noch im Kleinbürger Park, in Leipzig noch in weitab gelegenen Teilen des Rosentales, bei Köln a. Rh. in Baumbeständen der weit draußen ge-