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Nr. 31 u. 32 Freitag, den 2. August 1918. XX. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementsprels bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M. 5.—, für das Ausland M. 8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker a Schwarz, Lelpzig-R., Comenlusstr. 17. Inserate 30 Pfennig für die vier gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennig, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung14Tage vorJahresschluß aufgehoben werden. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer; Gärtnerinnen. — Praxis und Wissenschaft: Korbweidenanbau.—Die Krankheiten der Kartoffel in ihren Beziehungen zur Saatgutgewinnung. — Bienen und Obsternte. — Einiges über Johannisbeersorten. — Kleinere Mitteilungen. - Handelsnachrichten. — Handelsregister. — Geschäftsnachrichten. — Personalien. — Ehrentafel. — Bücherschau. Gärtnerinnen. Der Krieg hat eine Umwertung wenn nicht aller, so doch vieler Werte bewirkt. Besonders hat er in sehr vie len Berufen den weiblichen Arbeitskräften den Weg geeb net. Es ist nicht angängig, einfach zu sagen: Das wird ja alles wieder anders, wenn erst wieder Frieden ist. Im Ge genteil wird die Frau das einmal eroberte Gelände nicht so mir nichts dir nichts wieder aufgeben, sondern mit aller Kraft versuchen, es festzuhalten. Auch die Arbeitgeber werden, mit Recht, nicht geneigt sein, ihre tüchtigen weiblichen Arbeitskräfte einfach wieder abzuschieben. Sie werden auch vielfach gar nicht in der Lage sein, das zu tun, einfach deshalb, weil es ihnen nach dem Kriege an männlichen Arbeitskräften fehlen wird. Auch im* Gartenbau hat die weibliche Arbeitskraft eine viel größere Bedeutung erlangt, so daß es an der Zeit ist, sich darüber klar zu werden, wie man sich jetzt und später zu der Angelegenheit stellen wird. Es ist nicht angängig, die Dinge einfach laufen zu lassen, wie sie wollen. Vor allem ist die Frage zu stellen: Eignet sich die weib liche Arbeitskraft für unseren Beruf? Diese Frage ist nach Ansicht des Verfassers mit einem glatten „Ja“ zu beantwor ten, Es gibt gute und schlechte Gärtner, gute und schlechte Gärtnerinnen. Es ist noch keinem gärtnerischen Arbeitgeber eingefallen zu sagen: Weil der Gehilfe Lehmann oder Meyer ein fauler, unfähiger und nachlässiger Geselle war, taugen alle Gehilfen nichts. Deshalb darf auch niemand den Stab über die Gärtnerinnen brechen, wenn er einmal mit einer nicht zufrieden war oder von einem Kollegen gehört j hat, daß er schlechte Erfahrungen mit einer Gärtnerin ge macht habe. An und für sich ist ja die weibliche Arbeits kraft im Gartenbau eine altbekannte Erscheinung. Bisher freilich gab es nur ungelernte weibliche Hilfskräfte, Garten frauen und Mädchen, welche zwar meistens für unterge ordnete Arbeiten verwendet wurden, in vielen Betrieben sich aber auch für eigentliche gärtnerische Arbeiten, wie Pikieren, Pflanzen, tauglich erwiesen. Die Gehilfin der Neuzeit will nun aber vollwertige und vollgültige Gärtnerin sein und ihren männlichen Kollegen nach jeder Richtung hin ersetzen. Sie will mit einem Worte verantwortlich tätig sein, und aus diesem Grunde macht sie auch Anspruch dar auf, in gehobene Stellungen aufzurücken, Obergehilfin, Ober gärtnerin, Betriebsleiterin zu werden, Nun wohl, grundsätz lich ist gegen dieses Verlangen nichts Stichhaltiges einzu wenden. Aber eine Vorbedingung ist zu stellen: Die Ausbildung der jungen Gärtnerinnen muß durchaus in derselben Weise erfolgen, wie die des männlichen Berufsnachwuchses, Das heißt, die junge Gärtnerin muß eine regelrechte praktische Lehrzeit durchmachen, in der ihr genau wie den männlichen Lehrlingen nichts geschenkt wird, bei der sie vielmehr von der Pike auf dient. Diese Lehrzeit darf auch nicht etwa kürzer bemessen werden, als es bei den männlichen Lehr lingen üblich ist. Auch soll die angehende Gärtnerin „Lehr mädchen", nicht aber „Lehrfräulein" sein. Daß ein gewisses Maß von Intelligenz und körperliche Eignung für unsern bezüglich seiner Ansprüche an die Gesundheit nicht leich ten Beruf vorhanden sein muß, ist eine selbstverständliche Forderung. Wenn alle diese Bedingungen erfüllt werden, dann ist nicht zu bezweifeln, daß die Gehilfin oder besser gesagt die Gärtnerin dasselbe leisten könne wie ihr männ licher Berufsgenosse, zumal wenn sie nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen bei der Sache ist. Etwas mehr wirkliche Liebe zum Beruf wäre eine köstliche Gabe, um deretwillen wir den Gärtnerinnen über manche sonstige Unvollkommenheit hinwegsehen könnten. Wichtig ist die Frage, in was für einem Betriebe die an gehende Gärtnerin ihre Lehrzeit durchzumachen habe. Die Antwort kann nur lauten: Selbstverständlich in einer gut geleiteten Handels- oder Herrschaftsgärtnerei, Der Verfasser ist keineswegs voreingenommen gegen die Gartenbauschulen für Mädchen, in welchen bisher die Mehrzahl der Gehilfinnen ihre Lehrzeit durchgemacht hat. Aber es ist mir unerfindlich, warum überhaupt die jungen Gärtnerinnen an besonderen, ausschließlich für das weibliche Geschlecht bestimmten Stellen ausgebildet werden sollen! Gibtesdennin der späterenPraxis einen besonderen männlichen und einen besonde ren weiblichen Gartenbau? Gerade so lächerlich und überflüssig wie diese Frage ist, so lächerlich und unnö tig will dem Verfasser die Berufsausbildung der weiblichen Gärtnerlehrlinge auf Gartenbaumädchenschulen erscheinen. Und außerdem kann die Lehre auf einer Gartenbauschule nie das Gleiche bieten, wie die Lehre in einer richtigen Gärt nerei. In der Schulgärtnerei hat der ganze Betrieb doch ein mehr oder weniger sportmäßiges Wesen. Außerdem ist es ein Unding, die theoretische Grundlage zugleich mit den praktischen Anfangsgründen des Berufes zu verbinden. In der Regel kommt die Praxis dabei zu kurz. Sie wird nur gar zu leicht von den Lehrmädchen als ein notwendiges Uebel, welches man leider mit in den Kauf nehmen muß, angesehen. Außerdem muß unbedingt eine gewisse Vertrautheit wenig stens mit den Grundlagen der Berufspraxis vorhanden sein, bevor die Theorie verdaut und verstanden werden kann. Man mißverstehe den Verfasser nicht. Derselbe ist kei neswegs ein Gegner der Gartenbaufachschule. Im Gegen teil ist er der Meinung, daß die theoretische Schulung unbe dingt für das Verständnis der Praxis notwendig ist. Aber alles zu seiner Zeit! Und wenn schon, dann gründlich, und nicht auf Sonderlehranstalten für weibliche Gartenmen-